Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die im Falle einer Grundstücksveräußerung nach dem Inkrafttreten des LAG dem Veräußerer und dem Erwerber zuzustellenden Hypothekengewinnabgabebescheide müssen die zu erbringenden Leistungen enthalten.
Entspricht der gegen den Veräußerer erlassene Bescheid diesen Erfordernissen nicht, so wird die Rechtsmittelbehörde durch die Zuziehung des Erwerbers zum Rechtsmittelverfahren des Veräußerers nicht befugt, über den gegen den Erwerber erlassenen nicht angefochtenen Bescheid zu entscheiden.
Die aus einer auflösend bedingten RM-Verbindlichkeit entstandene Hypothekengewinnabgabe ist auflösend bedingt. Bei Eintritt der auflösenden Bedingung entfällt die Hypothekengewinnabgabe.
Kommt das Finanzamt nach Erlaß des Hypothekengewinnabgabebescheides gegen den Grundstückserwerber, aber vor Erlaß des gebotenen Hypothekengewinnabgabebescheides gegen den Veräußerer zur Auffassung, eine Hypothekengewinnabgabepflicht sei nicht entstanden, so ist der gegen den Erwerber ergangene Bescheid aufzuheben.
Normenkette
AO §§ 211, 240 Abs. 2, § 241/3; FGO § 60 Abs. 3; StAnpG § 4 Abs. 2; LAG § 91 Abs. 1, § 125 Abs. 2, § 127
Tatbestand
Der Bg. erwarb mit Vertrag vom 10. November 1947 um 4.500 RM ein Grundstück. Wegen des Kaufpreises wurden folgende Vereinbarungen getroffen: "Der Kaufpreis wird gestundet und ist vor der Währungsreform beiderseits unkündbar. Er ist zu verzinsen mit 4 % in vierteljährlichen Raten am Ersten eines jeden Kalendervierteljahres. Nach Eintritt der Währungsreform steht beiden Teilen eine dreimonatige Kündigungsfrist zu. Auf Antrag des Verkäufers ist nach der Währungsreform der Kaufpreis neu festzusetzen. Als Kaufpreis gilt alsdann der von der zuständigen Preisbehörde festzusetzende Höchstpreis. Zur Sicherung des vorgenannten Kaufpreises von 4.500 RM nebst Zinsen wird allseits die Eintragung einer Restkaufpreishypothek von 4.500 RM mit vorstehenden Bedingungen auf dem vorbezeichneten Grundstück bewilligt und beantragt."
Nach der Währungsumstellung wurde auf Grund dieser Vereinbarung durch Vertrag vom 8. Februar 1949 zwischen dem Bg. und der Veräußerin ein Kaufpreis von 1.875 DM festgesetzt. Später verkaufte der Bg. das Grundstück an die Beteiligten für 3.300 DM.
Das Finanzamt zog den Schuldnergewinn aus der Umstellung einer am 20. Juni 1948 durch Grundpfandrecht gesicherten Kaufpreisforderung von 4.500 RM zur Hypothekengewinnabgabe heran. Den Hypothekengewinnabgabebescheid stellte es den Beteiligten zu. Der Bg. erhielt einen sogenannten "Bescheid über die bei der Vermögensabgabe abzugsfähige Hypothekengewinnabgabe", in dem zwar die Höhe der Abgabeschuld am 20. Juni 1948 enthalten ist, aber keine zu erbringenden Leistungen angegeben sind.
Der Bg. wandte ein, im Vertrage von 1947 hätten die Parteien wegen der bevorstehenden Währungsreform ernsthaft noch keinen Kaufpreis vereinbaren wollen. Sie seien sich vielmehr darüber einig gewesen, daß dieser erst nach der Währungsumstellung festgesetzt werden sollte, wie es auch im Jahre 1949 geschehen sei. Die Hypothek zu 4.500 RM habe nur der Sicherung dieses erst nach der Währungsumstellung zu vereinbarenden Kaufpreises dienen sollen. Am 20. Juni 1948 habe eine wirkliche Schuld noch nicht bestanden. Eine Hypothekengewinnabgabe könne daher nicht verlangt werden.
Im Laufe des Berufungsverfahrens begehrte der Bg. beim Amtsgericht die Umstellung der Kaufpreishypothek im Verhältnis 1 : 1 auf DM, da ihr am Währungsstichtage eine Forderung nicht zugrunde gelegen habe. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab und stellte die Hypothek und die ihr zugrunde liegende Forderung im Verhältnis 10 : 1 auf DM um. Es vertrat die Auffassung, der Kaufpreis von 4.500 RM sei auflösend bedingt vereinbart worden. Es habe der Verkäuferin freistehen sollen, nach der Währungsreform die Preisbehörde anzurufen, damit diese den angemessenen Kaufpreis bestimme. Bis dahin habe aber der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis gelten sollen.
Das Finanzgericht hob nach Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts und Zuziehung der Beteiligten gemäß §§ 127 Abs. 2 LAG, 240 Abs. 2 AO die gegen den Bg. und die Beteiligten ergangenen Bescheide auf. Es führte aus, das Amtsgericht habe bindend die Umstellung der Forderung von 4.500 RM im Verhältnis 10 : 1 auf DM festgestellt. Ebenso habe das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, der Kaufpreis von 4.500 RM sei unter der auflösenden Bedingung einer von der Verkäuferin zu veranlassenden Neufestsetzung durch die Preisbehörde vereinbart gewesen. Wenn aber die RM-Verbindlichkeit auflösend bedingt gewesen sei, sei auch die Abgabeschuld auflösend bedingt entstanden. Der Eintritt der auflösenden Bedingung wirke allerdings nur für die Zukunft. Indessen bestehe ein Bedürfnis, den Eintritt der auflösenden Bedingung auf den 20. Juni 1948 zurückwirken und die Abgabeschuld wegfallen zu lassen. Es liege eine Lücke im Gesetz vor, die ausgefüllt werden müsse. Es sei der Rechtsgedanke des für die Bewertung geltenden § 5 Abs. 2 BewG anzuwenden, wonach bei der Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern der Eintritt der auflösenden Bedingung zu berücksichtigen ist. Demnach sei es so anzusehen, als ob die RM-Kaufpreisforderung bereits vor dem Währungsstichtage weggefallen wäre, so daß eine Abgabeschuld nicht entstanden sei.
In seiner Rb. trägt der Vorsteher des Finanzamts vor, wenn die Kaufpreisforderung auflösend bedingt gewesen sei, sei auch die Hypothekengewinnabgabe auflösend bedingt entstanden. Die Auffassung des Finanzgerichts, die RM-Forderung sei bereits vor dem Währungsstichtage weggefallen und demnach eine Abgabeschuld nicht entstanden, stehe im Widerspruch zu dem Beschluß des Amtsgerichts.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
I. -
Nach dem Urteil des erkennenden Senates III 339/57 U vom 25. April 1958 (BStBl 1958 III S. 297, Slg. Bd. 67 S. 63) ist der Hypothekengewinnabgabebescheid im Falle der Veräußerung des Grundstückes nach dem Inkrafttreten des LAG sowohl dem Veräußerer wie auch dem Erwerber zuzustellen. Im vorliegenden Falle hat der Bg. als Veräußerer einen sogenannten Bescheid über die bei der Vermögensabgabe abzugsfähige Hypothekengewinnabgabe erhalten, in dem nur festgestellt ist, welche Hypothekengewinnabgabe als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht; jedoch sind keine Hypothekengewinnabgabeleistungen genannt. Ein solcher Bescheid ist kein Hypothekengewinnabgabebescheid. Ein solcher muß gemäß § 125 Abs. 2 LAG die Voraussetzungen des § 211 AO erfüllen. Er hat insbesondere nicht nur die Höhe der Abgabeschuld am 21. Juni 1948, sondern auch die zu erbringenden Leistungen zu enthalten.
Da der angefochtene Bescheid diesen Vorschriften nicht entspricht, war er aufzuheben. Soweit aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 288/58 S vom 12. August 1960 (BStBl 1960 III S. 521, Slg. Bd. 71 S. 732) entnommen werden könnte, daß auch ein Bescheid über die bei der Vermögensabgabe abzugsfähige Hypothekengewinnabgabe ein zulässiger Bescheid ist, würde an dieser Auffassung nicht mehr festgehalten.
Die Entscheidung des Finanzgerichts ist daher im Ergebnis insoweit zutreffend, als der gegen den Bg. ergangene Bescheid aufgehoben wurde. Die Rb. ist unbegründet.
Der gegen den Bg. ergangene Bescheid konnte sich, da er kein Abgabebescheid war, nicht gemäß § 127 Abs. 1 LAG gegen die späteren Grundstückserwerber richten. Deren Zuziehung gemäß §§ 127 Abs. 2 LAG, 240 Abs. 2 AO im Rechtsmittelverfahren gegen diesen Bescheid war daher weder erforderlich noch zulässig. Es war daher auch nicht zulässig, daß das Finanzgericht, um eine einheitliche Rechtsmittelentscheidung gemäß § 240 Abs. 2 Satz 3 AO zu treffen, über die gegen die Beteiligten erlassenen, nicht angefochtenen Hypothekengewinnabgabebescheide entschied und diese Bescheide aufhob.
Allerdings war die Zuziehung der Beteiligten auf Grund von § 241 Abs. 2 AO gerechtfertigt. Eine Zuziehung von Personen nach dieser Vorschrift gibt jedoch dem Finanzgericht nicht die Befugnis, im Interesse einer einheitlichen Rechtsmittelentscheidung über gegen die Beteiligten ergangene Bescheide auch dann zu entscheiden, wenn diese Bescheide nicht angefochten wurden.
Das Urteil des Finanzgerichts war daher insoweit aufzuheben, als das Finanzgericht die gegen die Grundstückserwerber ergangenen Hypothekengewinnabgabebescheide aufhob.
II. - Für die weitere Sachbehandlung wird auf folgendes hingewiesen:
Nach § 91 Abs. 1 Ziff. 1 LAG wird die Hypothekengewinnabgabe auf Schuldnergewinne aus der Umstellung von RM-Verbindlichkeiten erhoben, die am 20. Juni 1948 durch Grundpfandrecht an einem Grundstücke des Schuldners gesichert waren. Das Entstehen eines solchen Schuldnergewinnes hat das Amtsgericht dadurch festgestellt, daß es die Verbindlichkeit des Bg. im Verhältnis 10 : 1 auf DM umstellte. An diese Entscheidung sind die Verwaltungsbehörden und Steuergerichte gemäß Art. II § 6 Abs. 3 Satz 4 der 40. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz gebunden.
Amtsgericht und Finanzgericht haben zutreffend angenommen, die umgestellte RM-Verbindlichkeit sei auflösend bedingt gewesen. In dem Vertrage vom 10. November 1947 kommt der Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck, daß die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Kaufpreises von 4.500 RM mit dem Begehren der Veräußerin entfallen sollte, der Kaufpreis möge neu festgesetzt werden. Für diesen Willen spricht auch der Vertrag vom 8. Februar 1949, in dem auf Grund des im Vertrage vom 10. November 1947 vorgesehenen Begehrens der Veräußerin statt des in diesem Vertrage festgesetzten Kaufpreises ein solcher von 1.875 DM vereinbart wurde.
Als die Veräußerin im Jahre 1949 die Neufestsetzung des Kaufpreises verlangte, trat die Bedingung ein. Die Tatsache, daß der neue Kaufpreis entgegen dem Vertrage von 10. November 1947 nicht von der Preisbehörde festgesetzt, sondern zwischen den Parteien vereinbart wurde, ändert daran nichts. Die Vereinbarung einer Festsetzung des neuen Kaufpreises durch die Preisbehörde sollte nur regeln, wie nach Wegfall des alten Kaufpreises der neue Erwerbspreis zustande kommen sollte. Von dieser Festsetzung ist aber nicht die Aufhebung des alten Kaufpreises abhängig gemacht, sondern allein von dem Begehren der Veräußerin. Es stand daher den Parteien frei, von der Festsetzung des neuen Kaufpreises durch die Preisbehörde abzusehen und diesen selbst zu vereinbaren, ohne daß dadurch der Eintritt der Bedingung berührt worden wäre.
Der Eintritt der Bedingung hatte zur Folge, daß die Verbindlichkeit des Bg., an die Veräußerin 450 DM, den Umstellungsbetrag der Schuld von 4.500 RM, zu bezahlen, wegfiel (ß 158 Abs. 2 BGB). Ebenso entfiel die aus der Umstellung der ursprünglichen Schuld von 4.500 RM entstandene Hypothekengewinnabgabe, die der RM-Verbindlichkeit entsprechend auflösend bedingt war (Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Anm. 8 zu § 91; Harmening, Kommentar zum Lastenausgleich, Anm. 6 zu § 91).
Der Bg. ist daher von der Hypothekengewinnabgabe freizustellen. Mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung entfiel die gesamte Hypothekengewinnabgabe. Nicht etwa beschränkt sich der Wegfall der Hypothekengewinnabgabe nur auf die nach den §§ 105 und 106 LAG noch nicht fälligen Leistungen. Eine derartige Annahme würde dem in § 4 Abs. 2 Satz 1 StAnpG enthaltenen Rechtsgedanken widersprechen, wonach bei auflösend bedingten Steuerschulden bei Eintritt der Bedingung gegebenenfalls Steuerfestsetzungen, bei denen der Eintritt der Bedingung nicht berücksichtigt ist, zurückzunehmen und zuviel gezahlte Steuern zu erstatten sind. Dieser Rechtsgedanke, der sich seinem Sinne nach in erster Linie auf bereits fällig gewesene Steuern bezieht, muß in einem Falle, in dem wie hier ein Bescheid noch nicht wirksam erteilt wurde, dazu führen, daß eine Festsetzung von Abgabeleistungen unterbleibt, gleichgültig ob diese im Zeitpunkte des Eintrittes der Bedingung bereits fällig waren oder nicht.
Die Freistellung des Bg. von der Hypothekengewinnabgabe muß zur Aufhebung der gegen die Beteiligten ergangenen Hypothekengewinnabgabebescheide führen. Ein Bescheid, der sich wie der Hypothekengewinnabgabebescheid gegen die Rechtsnachfolger eines Grundstückes richtet und deshalb sowohl dem Rechtsvorgänger wie auch dem Rechtsnachfolger zuzustellen ist, kann nur einen einheitlichen Inhalt haben. Es ist nicht denkbar, daß das Finanzamt in dem Bescheide gegen den Rechtsvorgänger die Hypothekengewinnabgabepflicht verneint und in dem Bescheide gegen den Rechtsnachfolger bejaht. Dieser Rechtsgedanke kommt für das Rechtsmittelverfahren in dem in § 240 Abs. 2 AO enthaltenen Gebot eines einheitlichen Rechtsmittelverfahrens und einer einheitlichen Rechtsmittelentscheidung zum Ausdruck. Er gilt in gleicher Weise auch für das Besteuerungsverfahren mit der Folge, daß, wenn das Finanzamt zunächst gegen einen Rechtsnachfolger einen Hypothekengewinnabgabebescheid erläßt und später bei demselben Sachverhalte auf Grund einer geänderten Rechtsauffassung den gegen den Rechtsvorgänger gebotenen Hypothekengewinnabgabefreistellungsbescheid, es auch den früher ergangenen Hypothekengewinnabgabebescheid aufheben muß. Die Tatsache, daß dieser Bescheid möglicherweise für den Rechtsnachfolger schon unanfechtbar geworden ist, hindert die Aufhebung nicht, ebensowenig wie sie ihr in einem einheitlichen Rechtsmittelverfahren nach § 240 Abs. 2 AO entgegenstehen würde.
Fundstellen
Haufe-Index 410881 |
BStBl III 1963, 509 |
BFHE 1964, 516 |
BFHE 77, 516 |