Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung der Tarifnr. 48.18 von der Tarifnr. 49.01 des GZT hinsichtlich der Tarifierung von Übungs- und Merkheften für das Fach Musik.
Normenkette
GZT Tarifnrn. 48.18; GZT Tarifnrn. 49.01
Tatbestand
Die Beklagte (die Oberfinanzdirektion – OFD –) ordnete mit ihrer verbindlichen. Zolltarifauskunft (vZTA) vom 27. September 1976 die als „Merk- und Übungsheft für das Fach Musik, 1. Teil” bezeichnete Ware als Merkbuch aus Papier, broschiert, mit Text und Abbildungen bedruckt, jedoch im wesentlichen Schreibzwecken dienend, der Tarifnr. 48.18 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Die 68seitige Broschüre ist in sechs Abschnitte eingeteilt, die wie folgt bezeichnet und beschaffen sind:
- „Unsere Lieder” (4 linierte, ausschließlich zum Beschreiben bestimmte Seiten),
- „Von der menschlichen Stimme” (5 zum Teil linierte Seiten, hauptsächlich für Notizen bestimmt, auch mit Skizzen und Angaben über Stimmgattungen bedruckt),
- „Aus der Musiklehre” (24 überwiegend linierte Seilen, hauptsächlich für Notizen bestimmt, auch mit Beispielen für die Benennung der Noten und Pausen, Taktarten, Intervallschritte, Dreikläge, Akkorde und Vortragszeichen bedruckt),
- „Von den musikalischen Formen” (3 linierte Seiten zum Beschreiben),
- „Von den Musikinstrumenten” (14 Seilen mit Abbildungen von Instrumenten, wobei über die Hälfte zur Eintragung der Bezeichnung der Teile der Instrumente und anderer Angaben frei ist),
- „Große Meister der Musik” (15 linierte Seiten, zum Beschreiben und Einkleben von Bildern). Hierzu ist ein Bogen mit 12 Portraits bedeutender Komponisten zum Einkleben beigelegt.
Die OFD begründet ihre Tarifierung damit, daß derartige Waren ihrem Hauptzweck nach als Schreibware dienten und nicht zum Lesen bestimmt seien. Der nach didaktischen und methodischen Gesichtspunkten erfolgte Aufbau sei unbeachtlich, weil sie auch dadurch nicht ihren Charakter als Schreibware verloren hätten. Der Bogen mit den 12 Abbildungen sei als handelsübliches Zubehör wie das Übungsheft zu tarifieren. Nach Aufmachung und Verwendungszweck seien diese Broschüren dazu bestimmt, die vom Lehrer vermittelten Kenntnisse in Form eines Protokolls aufzuzeichnen. Aufbau und Gliederung korrespondierten mit dem in einem besonderen Lehrerheft festgelegten Unterrichtsprogramm, wobei die Schülerarbeitshefte nur schematische Darstellungen und Abbildungen enthielten, die lediglich das Protokollieren des Lehrstoffes erleichtern sollten. Als selbständiges Lehrbuch seien diese Hefte ungeeignet. Charakteristisches Merkmal sei ihre Verwendung zum Beschreiben.
Mit der Sprungklage, der die OFD rechtzeitig zugestimmt hat, beantragt die Klägerin, die OFD zu verpflichten, die Ware unter Änderung der vZTA der Tarifnr. 49.01 des GZT zuzuordnen.
Die Klägerin fühlt zur Begründung aus, daß es sich bereits nach der äußeren Aufmachung um ein Buch bzw. eine Broschüre, also eine Ware des Buchhandels, handle. Sie sei unter dem Namen des Verfassers und des Verlages erschienen, die beide auf dem Umschlag angegeben seien. Auf Seite 2 seien der Illustrator und der graphische Zeichner genannt. Schließlich trage sie den internationalen Copyright-Vermerk. Die Ware sei kein Gegenstand des Papierwarenhandels. Aus dem Titel „Übungs- und Merkheft” sei nicht auf ein „Heft” i. S. der Tarifnr. 48.18 zu schließen, da damit reguläre Schreibhefte gemeint seien. In dem hier verwendeten Titel „Heft” liege eine gängige Bezeichnung für kleine literarische Erscheinungen im Umfang eines Heftes eines Bandes. Auch aus einem Vergleich mit dem Charakter der übrigen Warengruppen des Kapitels 48 folge, daß das „Merk- und Übungsheft” nicht der Tarifnr. 48.18 zuzuordnen sei. Nach den amtlichen Erläuterungen gehörten zu Kapitel 49 Waren, für deren Verwendung der Text oder auch die sonstige Darstellung (z. B. Bilder), die sie tragen, bestimmend seien, also zur Lektüre (z. B. belehrend, unterhaltend oder wissenschaftlich) oder zum Nachschlagen bestimmte Druckerzeugnisse. Das von Prof. A. einem der profiliertesten österreichischen Musikpädagogen verfaßte „Merk- und Übungsheft” enthalte in den Abschnitten „Von der menschlichen Stimme”, „Aus der Musiklehre”, „Von den Musikinstrumenten”, „Große Meister der Musik” einen nicht unbedeutenden textlich, illustriert und graphisch dargestellten Lehrstoff über musikalische Erscheinungsformen. Solle er erfaßt werden, so müsse man sich mit ihm eingehend und wiederholt beschäftigen. Ein volles Verständnis insbesondere der durch die musikalische Chiffren-Sprache ausgedrückten musikalischen Erscheinungsformen lasse sich nur durch die Musik selbst erzielen, was aber den Charakter der Ware als eines Lehrbuches nicht in Frage stelle. Für das Verständnis der Musik sei eine Begriffssprache unentbehrlich. Zwar handle es sich um ein Merk- und Übungsheft für den Schulunterricht zur Vermittlung einer Grundausbildung. Aber auch Schulbücher fielen unter Tarifnr. 49.01. Der Ware sei die Bucheigenschaft nicht abzusprechen, weil in Anbetracht der bekannten Zurücksetzung des Musikunterrichts mit der Vermittlung der Lehrinhalte schon viel erreicht sei. Nach den vorgelegten Gutachten sei das Heft nach festgelegten didaktischen und methodischen Gesichtspunkten in der Art eines Lehrganges (Programmes) systematisch aufgebaut und stelle ein Arbeitsbuch in dem Sinne dar, daß der Schüler Ergänzungen und Lösungen, die sich aus eben diesem Lehrgang ergäben, selbst erkennen müsse.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Streitig ist zunächst, ob die Merk- und Übungshefte in das Kapitel 48 oder in das Kapitel 49 des GZT fallen. Diese Kapitel werden voneinander durch die miteinander korrespondierenden Vorschriften 8 zu Kapitel 48 und 1 a zu Kapitel 49 abgegrenzt. Danach gehören zu Kapitel 48 Papiere, Pappen und Zellstoffwatte sowie Waren aus diesen Stoffen, mit Aufdrucken oder Bildern nebensächlicher Art, die ihre eigentliche Zweckbestimmung nicht ändern und ihnen nicht die Merkmale der Waren des Kapitels 49 verleihen. Diese Merkmale sind im Zolltarif nicht ausdrücklich genannt. Sie lassen sich aber aus den einzelnen Warenbezeichnungen im Zusammenhang mit der Überschrift des Kapitels 49 festlegen. Danach umfaßt dieses Kapitel Waren des Buchhandels und Erzeugnisse des graphischen Gewerbes. Im einzelnen fallen darunter: Bücher, Broschüren und ähnliche Drucke (Tarifnr. 49.01), Zeitungen und andere periodische Druckschriften, auch mit Bildern (Tarifnr. 49.02), Bilderalben, Bilderbücher und Zeichen- oder Malbücher für Kinder (Tarifnr. 49.03), Noten, handgeschrieben oder gedruckt (Tarifnr. 49.04), kartographische Erzeugnisse (Tarifnr. 49.05), Baupläne, technische Zeichnungen usw. zu Gewerbe-, Handels- oder ähnlichen Zwecken (Tarifnr. 49.06), Briefmarken, Stempelmarken, Steuerzeichen usw. (Tarifnr. 49.07), Abziehbilder (Tarifnr. 49.08), Postkarten, Glückwunschkarten und dgl. (Tarifnr. 49.09), Kalender aller Art (Tarifnr. 49.10) und Bilder, Bilddrucke, Photographien und andere Drucke (Tarifnr. 49.11). Allen diesen Warenarten ist gemeinsam, daß ihr Zweck durch den Druck, den sie tragen, bestimmt ist und sie damit zum Lesen dienen sollen, wie dies auch in den Erläuterungen zu Kapitel 49 Teil I Randziffer I gesagt ist. Ihre Merkmale bestehen in gedruckten (teilweise auch handgeschriebenen) Buchstaben, Bildern und Zeichnungen.
Die streitige Ware weist zwar auch gedruckte, zum Lesen bestimmte Worte und Bilder bzw. Zeichnungen auf. Der weit überwiegende Raum des Heftes wird aber von linierten Seiten eingenommen, die zum Schreiben (Beschreiben) anhand eines Lernprogramms bestimmt sind. Die Überschriften, Aufdrucke und Bilder bzw. Zeichnungen auf den einzelnen Seilen dienen lediglich der besonderen didaktischen und methodischen Gliederung für das Aufzeichnen des vom Lehrer auf Grund seines Lehrerexemplars vermittelten Lehrstoffes. Diese Gliederung für sich betrachtet ist nicht wie bei anderen Druckerzeugnissen oder graphischen Erzeugnissen als eine Art Lehrbuch zum Lesen und Lernen bestimmt. Sie stellt nur eine Arbeitshilfe bei der Aufnahme des Lehrstoffes dar. Sie ist demnach dem Hauptzweck des Merk- und Übungsheftes untergeordnet, nämlich den durch den Lehrer vermittelten Stoff aufzuschreiben und ggf. Übungen zu schreiben. Sie ist daher „nebensächlich” gegenüber der eigentlichen Zweckbestimmung i. S. der Vorschriften 8 zu Kapitel 48 und 1 a zu Kapitel 49, als liniertes Papier dem Schreiben (Beschreiben) zu dienen.
Da die „Merk- und Übungshefte” somit in das Kapitel 48 fallen, kommt für sie nur die Tarifnr. 48.18 in Betracht. Dort sind namentlich Hefte und Merkbücher genannt. Da sich die Abgrenzung gegenüber den im Kapitel 49 genannten Warenbezeichnungen nach den genannten Vorschriften zu den Kapiteln 48 und 49 richtet, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Ware in Form eines Buches oder einer Broschüre aufgemacht ist, wie die Klägerin meint. Insbesondere ist es nicht entscheidend, ob sie unter dem Namen des Verfassers und des Verlages unter Copyright erschienen und der Illustrator und der graphische Zeichner genannt sind.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Erläuterungen zu Tarifnr. 49.01 Teil I Randziffer 2 berufen. Danach gehören zu dieser Tarifnummer Bücher und Schriften (kleine Bücher), im wesentlichen aus Text aller Art bestehend, gedruckt, insbesondere literarische Werke, Handbücher, Schulbücher usw. Denn der Lehrstoff wird nicht in sich verständlich wie bei einem Schulbuch dargestellt, wie dies möglicherweise im Lehrerexemplar der Fall sein mag. Dies ist erst der Fall, wenn der Schüler den Stoff in sein „Merk- und Übungsheft” eingetragen hat, wobei die Aufdrucke lediglich als Arbeitshilfen dienen. So gehören auch nach den Erläuterungen zur Tarifnr. 48.18 Teil I Randziffer 5 Notiz- und Merkbücher dann zu dieser Tarifnummer, wenn sie mit Texten oder Bildern – auch in größerem Umfang – bedruckt sind, vorausgesetzt, daß ihr wesentlicher Verwendungszweck als Schreibware erhalten bleibt; z. B. können Schulhefte auf jeder Seite mit Schriftmustern versehen sein. Auch bei den streitigen Heften steht der wesentliche und weit überwiegende Teil für vom Schüler vorzunehmende Eintragungen zur Verfügung, weshalb der Charakter als Schreibware nicht durch die Aufdrucke beeinträchtigt wird, mögen diese selbst auch einen hohen pädagogischen Wert haben. Denn für die tarifliche Einordnung kommt es im Streitfall allein auf die eigentliche Zweckbestimmung des Übungs- und Merkheftes an, nämlich darauf, ob es zum Lesen oder zum Schreiben bestimmt ist, nicht aber darauf, was gelesen oder geschrieben werden soll, also insbesondere nicht auf den Charakter als Unterrichtswerk. Deshalb gehen die von der Klägerin vorgelegten dahingehenden Gutachten an der Sache vorbei. Die Schülerarbeitshefte können auch nicht gemeinsam mit dem von der Klägerin vorgelegten Lehrerheft als eine Einheit betrachtet und als ein geschlossenes Unterrichtswerk tarifiert werden. Denn sowohl die angegriffene vZTA als auch die Klage sind auf die Frage der Tarifierung des Schülerheftes beschränkt. Abgesehen davon käme eine gemeinsame Tarifierung nur dann in Betracht, wenn beide Hefte körperlich untrennbar miteinander zu einem Buch oder Heft verbunden wären (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Oktober 1969 VII R 19/67, BFHE 97, 269), Das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Schülerhefte würden nur gemeinsam mit den Lehrerheften verkauft, ist daher für die Tarifierung unbeachtlich. Dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin war daher nicht zu entsprechen.
Fundstellen
Haufe-Index 514669 |
BFHE 1978, 247 |