Leitsatz (amtlich)
Feststellungszeitraum für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 ist das Kalenderjahr, nicht das davon abweichende Wirtschaftsjahr.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 157 Abs. 2, § 179 Abs. 1; EStG 1977 § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist, ob Feststellungszeitraum für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) das Kalenderjahr oder das davon abweichende Wirtschaftsjahr ist.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) leben seit ihrer Verheiratung im Jahr 1950 im Güterstand der Gütergemeinschaft. Sie beziehen gemeinsame Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung. Mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1978 haben sie eine Teilfläche von 6 560 qm aus Flurstück Nr. 1374 unentgeltlich auf ihre beiden Söhne übertragen. In dem den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger betreffenden Einheitswertbescheid zum 1. Januar 1964 vom 6. Dezember 1971 war diese Fläche als Grünland bewertet. Daher behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Übertragung als Entnahme aus dem landund forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen und berechnete einen Entnahmegewinn in Höhe von 577 808 DM.
In den Feststellungsbescheiden 1978 und 1979 vom 24. April 1981 stellte das FA sämtliche Einkünfte der Kläger (1978: Land- und Forstwirtschaft 289 809 DM, Vermietung und Verpachtung 185 DM; 1979: Landund Forstwirtschaft 289 654 DM, Kapitalvermögen 2 442 DM, Vermietung und Verpachtung 16 709 DM) einheitlich und gesondert fest. Dabei ermittelte es die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in der Weise, daß es in drei Gewinnberechnungen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft jeweils für die Wirtschaftsjahre 1977/78, 1978/79 und 1979/80 berechnete. Im Feststellungsbescheid 1978 setzte es jeweils die Hälfte der Gewinne der Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 1978 fest. Entsprechend verfuhr es im Feststellungsbescheid 1979 mit den für die Wirtschaftsjahre 1978/79 und 1979/80 ermittelten Gewinnen.
Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1978 und 1979 (Streitjahre) erhoben die Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, und zwar mit der Begründung, die Gewinnfeststellungen seien rechtswidrig, weil sie nach dem Kalenderjahr und nicht nach dem Wirtschaftsjahr vorgenommen worden seien; hilfsweise bestritten sie das Vorliegen einer Entnahme und die Höhe des vom FA bei der Gewinnberechnung angesetzten (Entnahme-) Teilwerts.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 404 veröffentlicht ist, hob die angefochtenen gesonderten Feststellungsbescheide für 1978 und 1979 insoweit auf, als darin Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für das Kalenderjahr festgestellt waren. Es vertrat die Auffassung, Feststellungszeitraum sei für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht das nach § 2 Abs. 7 und § 25 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) maßgebende Kalenderjahr, sondern der Gewinnermittlungszeitraum, d. h. das vom 1. Juli bis 30. Juni laufende landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr.
Dagegen richtet sich die Revision des FA, mit der geltend gemacht wird, die Vorentscheidung verstoße gegen § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG sowie gegen die §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 28. April 1983 ist der Bundesminister der Finanzen (BMF) dem Verfahren beigetreten. Er legt in seiner Stellungnahme dar, daß der Auffassung des FA sowohl aus Rechtsgründen als auch aus Gründen der Praktikabilität des Verfahrens der Vorzug zu geben ist.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
1. Der Senat vertritt mit dem FA und dem BMF den Standpunkt, daß Feststellungszeitraum für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 das Kalenderjahr als Veranlagungsjahr ist. Dieser Auffassung stehen nicht die Urteile des Senats entgegen, nach denen Feststellungszeitraum für die nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) einheitlich und gesondert festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb das Wirtschaftsjahr ist, und zwar auch für die Fälle, in denen sich das Wirtschaftsjahr nicht mit dem Kalenderjahr deckt. Denn für Gewerbetreibende ist - im Gegensatz zu den Land- und Forstwirten - für die Veranlagung zur Einkommensteuer vorgeschrieben, daß bei denjenigen, deren Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, der Gewinn des Wirtschaftsjahres als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet (§ 2 Abs. 6 Nr. 2 EStG 1971 bzw. § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG 1975). Dadurch ist kraft einer Fiktion der Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres als Gewinn des Kalenderjahres zu behandeln, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Für Gewerbetreibende wäre daher die gesonderte Feststellung des Gewinns des Kalenderjahres weder durch das Gesetz gedeckt noch hätte sie einen Sinn (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159 , und vom 27. September 1979 IV R 89/76, BFHE 129, 25, BStBl II 1980, 94 ).
2. § 180 AO 1977 trägt die Überschrift: "Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen"; d. h. also für die Einkommensteuer: Feststellung der Grundlagen für die Einkommensteuerveranlagung. Dieselbe Überschrift trägt der gesamte Unterabschnitt, der die §§ 179 bis 184 AO 1977 umfaßt.
Gemäß Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des § 180 AO 1977 werden gesondert festgestellt die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Zu diesen Einkünften gehören auch die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wenn an ihnen mehrere beteiligt sind. Die Bestimmung sagt nicht, für welchen Zeitraum die Feststellung dieser Besteuerungsgrundlagen zu treffen ist, weil die entsprechenden Regelungen im EStG enthalten sind.
Die betreffenden Regelungen zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im EStG beinhalten für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft systematisch gesehen und generell - nicht nur für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen - zwei Stufen.
1. Stufe: Nach § 2 Abs. 2 EStG sind bei der Landund Forstwirtschaft die Einkünfte der Gewinn; dieser Gewinn ist nach § 4a Abs. 1 EStG bei Land- und Forstwirten nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, das in der Regel vom Kalenderjahr abweicht; am häufigsten umfaßt es den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni. § 4a Abs. 1 EStG besagt also, daß zunächst der Gewinn des Wirtschaftsjahres zu ermitteln und von ihm bei der Einkommensbesteuerung auszugehen ist. Das ist die erste Stufe der erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Damit stehen aber die Besteuerungsgrundlagen, die für die Einkommensteuerveranlagung erforderlich sind, noch nicht fest.
2. Stufe: Bei der Feststellung der bei der Einkommensteuerveranlagung unmittelbar zugrunde zu legenden oder anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen ist zu berücksichtigen, daß Veranlagungszeitraum für die Einkommensteuer das Kalenderjahr ist (§ 25 EStG). Deshalb schreibt § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG vor, daß die Grundlagen für die Einkommensteuer für das Kalenderjahr zu ermitteln sind. War also die erste Ermittlungsstufe die Ermittlung des Gewinns des Wirtschaftsjahres, so umfaßt die zweite Ermittlungsstufe die Umrechnung dieses Gewinns zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum. Dazu bestimmt § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG, daß bei Land- und Forstwirten der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen ist. Bei der Aufteilung sind Veräußerungsgewinne i. S. des § 14 EStG auszuscheiden und dem Gewinn des Kalenderjahres hinzuzurechnen, in dem sie entstanden sind. In dieser zweiten Ermittlungsstufe werden also erst die Besteuerungsgrundlagen (hier die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) so festgestellt, daß sie in die Einkommensteuerveranlagung und in den Einkommensteuerbescheid unmittelbar eingehen können und das steuerpflichtige Einkommen ergeben. Soweit die Besteuerungsgrundlagen, hier die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, nicht gesondert festzustellen sind, weil nicht mehrere daran beteiligt sind, gehen sie gemäß § 157 Abs. 2 AO 1977 ohne selbständig anfechtbaren Zwischenbescheid als unselbständige Bestandteile in den Einkommensteuerbescheid ein. Sind an der betreffenden Land- und Forstwirtschaft mehrere beteiligt, sind dieselben Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in einem selbständig anfechtbaren Bescheid gesondert festzustellen. Aus § 179 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 157 Abs. 2 AO 1977 im besonderen und aus dem Sinn und Zweck des eingangs erwähnten Unterabschnitts (§§ 179 ff. AO 1977) über die gesonderten Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen im allgemeinen muß geschlossen werden, daß sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als unselbständige Besteuerungsgrundlagen eines Einkommensteuerbescheides nach § 157 Abs. 2 AO 1977 und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 nur durch die gesonderte Feststellung (wegen mehrerer Beteiligter), nicht hinsichtlich des Feststellungszeitraums unterscheiden können.
Nach dieser systematischen Sicht hat der Senat keine Zweifel, daß mit der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 für die Einkommensteuer nur Feststellungen gemeint sein können, die in der oben dargelegten zweiten Stufe ermittelt werden und die als endgültige Besteuerungsgrundlagen für den Veranlagungszeitraum unverändert in den Einkommensteuerbescheid aufgenommen werden können. Danach wird nicht der Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres, sondern der Gewinn des Veranlagungszeitraumes, d. h. des Kalenderjahres nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert festgestellt. Das ist auch deshalb zweckentsprechend, weil dadurch die Aufteilung des Gewinns des abweichenden Wirtschaftsjahres auf zwei Kalenderjahre, die besonders bei Veräußerungs- und Aufgabegewinnen nach § 14 EStG wegen des häufig nicht eindeutigen Veräußerungs- und Aufgabezeitpunktes bei der Auflösung von Rücklagen und in ähnlichen Sonderfällen häufig umstritten sein kann, einheitlich für alle Beteiligten festgestellt wird und bei der Einkommensteuerveranlagung diese Besteuerungsgrundlagen ohne weiteres übernommen werden können. Das für die gegenteilige Auffassung angeführte Argument, der in § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 verwendete Begriff der "Einkünfte" decke sich mit demjenigen des § 2 Abs. 2 EStG, wo unter "Einkünften" der Gewinn des Wirtschaftsjahres gemeint sei, ist nicht überzeugend. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff "Einkünfte", soweit es sich um Gewinneinkünfte handelt, unterschiedlich. Teilweise bezeichnet er damit den Gewinn des Wirtschaftsjahres, wie offenbar in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG, teilweise meint er damit die dem Kalenderjahr als dem Veranlagungszeitraum zugrundeliegenden Einkünfte, die nach Abzug der Sonderausgaben und der außergewöhnlichen Belastungen das Einkommen ergeben, wie z. B. in § 2 Abs. 3 und 4 EStG. Nach den obigen Darlegungen spricht mehr dafür, daß der § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 die Einkünfte im letzteren Sinne meint und gesondert erfassen will.
Dem FG ist allerdings einzuräumen, daß diese gesonderte Feststellung für das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum auch einen unerwünschten Effekt hat. Der Gewinn eines abweichenden Wirtschaftsjahres wird nämlich dadurch im Wege der Aufteilung zweimal festgestellt ohne gegenseitige Bindung der beiden gesonderten Feststellungen für die beiden in Betracht kommenden Kalenderjahre. Die sich daraus ergebenden nachteiligen Folgen, wie a) die Notwendigkeit der Anfechtung zweier Feststellungsbescheide, wenn das FA den Gewinn des Wirtschaftsjahres anders berechnet als der Steuerpflichtige, und b) die Möglichkeit divergierender Berechnungen des Gewinns desselben Wirtschaftsjahres in zwei gesonderten Feststellungsbescheiden, sind im Grunde dieselben, die auch ohne gesonderte Feststellung bei den Einkommensteuerveranlagungen der Land- und Forstwirte mit abweichendem Wirtschaftsjahr auftreten können. Sie sind ausschließlich in der Aufteilungsvorschrift des § 4a Abs. 2 Nr. 1 EStG begründet und können nur durch den Gesetzgeber selbst beseitigt werden.
3. Da der Senat gegen die Zusammenfassung mehrerer gesondert festzustellender Einkünfte in einem Sammelbescheid, wie es bei den Klägern geschehen ist, keine Bedenken und außerdem keine Zweifel hat, daß die gesonderte Feststellung der Einkünfte der Kläger nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 der Rechtslage entspricht, hat das FG die angefochtenen gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft zu Unrecht aus formellen Gründen ersatzlos aufgehoben. Aus diesem Grunde ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es über den Hilfsantrag des Klägers bezüglich der Berechtigung des angesetzten Entnahmegewinns für die fragliche Grundstücksfläche dem Grunde und der Höhe nach entscheiden kann.
Fundstellen
BStBl II 1985, 148 |
BFHE 1985, 6 |