Leitsatz (amtlich)
Werden aus öffentlichen Kassen Wegstreckenentschädigungen für die Benutzung privateigener Kfz auf Dienstreisen gezahlt, die höher sind als die beamtenrechtlichen Reisekostenentschädigungen, so ist der Kostenersatz bei fehlendem Einzelnachweis bis zur Höhe der Wegstreckenentschädigung nach beamtenrechtlichem Reisekostenrecht oder ggf. bis zum höheren Pauschsatz von 0,25 DM/km nach Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70 kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn.
Normenkette
LStDV § 4 Nrn. 2-3; LStR 1968/70 Abschn. 20; LStR 1968/70 Abschn. 21
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die Stadt S, hat in den Jahren 1969 bis 1971 an 15 Bedienstete für die Benutzung zum Dienstverkehr zugelassener privater Kraftfahrzeuge (Kfz) Fahrtkostenersatz in Höhe von 54 912 DM gewährt. Sie berechnete die km-Entschädigung nach den ADAC-Tabellen mit 0,33 DM/km bis 0,53 DM/km. Ein Einzelnachweis der tatsächlich entstandenen Fahrzeugkosten ist von den Bediensteten nicht erbracht worden. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat nur einen Fahrtkostenersatz von 0,25 DM/km steuerfrei gelassen und den übersteigenden Betrag nach Abschn. 20 i. V. m. Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70 der Lohnsteuer unterworfen. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, die Entschädigungen für die Benutzung privateigener Kfz gehörenach § 4 Nr. 2 LStDV zu den aus öffentlichen Kassen gezahlten steuerfreien Reisekostenvergütungen, wenn die Kasse die beamtenrechtlichen Regelungen über die Reisekostenvergütung angewandt habe. Das habe die Klägerin nicht getan. Sie habe die Verordnung des Finanzministers des Landes Baden-Württemberg über die Gewährung von Wegstreckenentschädigung nicht beachtet, weil die Verordnung bei Kfz über 350 ccm eine Wegstreckenentschädigung von höchstens 27 bzw. 18 Pfennige je km vorsehe. Da kein Bediensteter einen Einzelnachweis über die tatsächlich entstandenen Kfz-Kosten erbracht habe, habe das FA zu Recht die über 0,25 DM/km hinausgehenden Vergütungen der Lohnsteuer unterworfen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die in Abschn. 21 Abs. 11 LStR festgesetzten km-Pauschalen wegen der eingetretenen Kostensteigerungen noch zeitgemäß seien; denn es sei nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Gesetz gebunden. Es könne nicht die Klägerin bzw. ihre Bediensteten vom Einzelnachweis der Kfz-Kosten entbinden und gleichzeitig höhere Pauschsätze als in Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1970 anwenden.
Die Klägerin bringt im Revisionsverfahren vor, sie zahle auf Grund eines Beschlusses des Verwaltungsausschusses des Gemeinderats vom 20. Februar 1967 an die Beschäftigten, die ihren privateigenen, zum Dienstreiseverkehr zugelassenen PKW auf Dienstreisen benützten, eine km-Entschädigung in Höhe der jährlich vom ADAC herausgegebenen Berechnungstabellen. Wenn der Gesetzgeber bzw. die Finanzverwaltung es über Jahre hinaus versäumt hätten, den im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten die ihnen zustehenden km-Entschädigungen auf eine kostendeckende Höhe anzuheben, so habe die Rechtsprechung die Aufgabe, den Gesetzgeber zur Festsetzung neuer Rechtsnormen zu verpflichten. Sie könne sich als Stadt nicht mit einer entsprechenden Anzahl von Dienstfahrzeugen ausrüsten. Sie sei daher darauf angewiesen, daß die Bediensteten ihre privateigenen Kfz für dienstliche Fahrten benützten. Sie habe ihnen die km-Sätze nach den ADAC-Berechnungstabellen vergütet, da sie ihre Kfz nur zu kostendeckenden km-Entschädigungen zur Verfügung gestellt hätten. Es sei von den Beamten und von ihr als Stadt nicht zu vertreten, wenn das Land Baden-Württemberg im Landesreisekostenrecht zu niedrigere Entschädigung ansetze.
Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Lohnsteuerhaftungsbescheid des FA vom 20. März 1973 dahin abzuändern, daß die von ihr gezahlten km-Gelder nicht der Lohnsteuer unterworfen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 4 Nr. 2 LStDV gehören die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn. Bei im privaten Dienst angestellten Personen sind hingegen Beträge, die für Reisekosten gezahlt werden, nach § 4 Nr. 3 LStDV nur steuerfrei, soweit sie die durch die Reise entstandenen tatsächlichen Mehraufwendungen nicht übersteigen. Der Gesetzgeber glaubte offensichtlich, bei aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen auf einen Einzelnachweis der Mehraufwendungen generell verzichten zu können, weil für den öffentlichen Dienst eindeutige gesetzliche Regelungen über die Zahlung von Reisekostenvergütungen bestehen. Das zwingt zu der Auffassung, daß sich die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 2 LStDV nur auf solche Vergütungen aus öffentlichen Kassen erstreckt, die der Höhe nach den gesetzlichen Regelungen über Reisekostenvergütungen entsprechen. Höhere Beträge, die außerhalb dieser Vorschriften gezahlt werden, gehören daher insoweit zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl. Oeftering-Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, 4. Aufl., § 4 LStDV Bl. 8, 2 Abs. 2). Von dieser Erwägung geht auch Abschn. 20 LStR 1968 aus. Danach gehören Reisekostenvergütungen aus öffentlichen Kassen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die beamtenrechtlichen Regelungen nicht oder nicht in vollem Umfang angewandt werden, soweit die ersetzten Beträge höher sind als die in den gesetzlichen Regelungen festgesetzten Beträge.
Nach Ansicht des Senats wäre es andererseits unbillig, Arbeitnehmer der öffentlichen Hand beim Ersatz von PKW-Kosten schlechter zu stellen als private Arbeitnehmer. Ersetzt der private Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die tatsächlich entstandenen Kosten für die Benutzung ihres privaten PKW auf Dienstreisen, so ist dieser Betrag nicht steuerpflichtig (Abschn. 21 Abs. 7 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 LStR 1968/70); ohne besonderen Einzelnachweis ist die Erstattung der Kfz-Kosten durch private Arbeitgeber allerdings nur mit einem Pauschsatz von 0,25 DM/km als steuerfrei anzuerkennen (Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70). Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Senats auch für Arbeitnehmer der öffentlichen Hand, wenn die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen nicht nach den beamtenrechtlichen Regelungen gezahlt werden. In diesem Fall ist bei fehlendem Einzelnachweis der PKW-Kosten der Kostenersatz für die Benutzung privateigener PKW auf Dienstreisen bis zur Höhe des Pauschsatzes nach dem beamtenrechtlichen Reisekostenrecht oder ggf. bis zum höheren Pauschsatz von 0,25 DM/km nach Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70 kein lohnsteuerpflichtiger Arbeitslohn. Das wurde erstmals in den Lohnsteuer-Richtlinien 1970 in Abschn. 20 Satz 3 klargestellt. Danach gehören ersetzte Beträge für die Benutzung privateigener Kfz auf Dienstreisen zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die beamtenrechtlichen Regelungen nicht angewandt werden, soweit sie einerseits - wie bereits ausgeführt - höher sind als die in diesen Regelungen festgesetzten Beträge und andererseits höher sind als die Pauschbeträge nach Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1970.
2. Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so ergibt sich folgendes:
a) Die Revision der Klägerin bezüglich des Streitjahres 1969 und des Zeitraums vom 1. Januar 1970 bis 30. Mai 1970 ist unbegründet.
FA und FG haben zu Recht die von der Klägerin nach den ADAC-Tabellen gewährten km-Entschädigungen zwischen 0,33 DM und 0,53 DM mangels Einzelnachweises der PKW-Kosten für lohnsteuerpflichtig angesehen, soweit sie den Pauschbetrag nach Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70 von 0,25 DM/km überstiegen haben. Die von der Klägerin angesetzte km-Entschädigung überstieg die nach § 6 Abs. 1 des Landesreisekostengesetzes vom 10. Juni 1969 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1969 S. 85) für Kfz mit einem Hubraum von mehr als 350 ccm festgesetzte Wegstreckenentschädigung von 0,18 DM/km. Das FA hat zutreffend den Pauschsatz von 0,25 DM/km nach Abschn. 21 Abs. 11 LStR 1968/70 angewandt, da er höher ist als die beamtenrechtliche Wegstreckenentschädigung von 0,18 DM/km.
b) Das FG geht in seiner Entscheidung davon aus, es handle sich um Entschädigungen für die Benutzung privateigener, zum Dienstreiseverkehr zugelassener Kfz bei Dienstreisen und Dienstgängen. Für die Benutzung solcher Kfz wurde durch Verordnung vom 3. Juni 1970 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1970 S. 288) bestimmt, daß die Wegstreckenentschädigung mit Wirkung ab 1. Juni 1970 bei Kraftwagen mit einem Hubraum von mehr als 350 ccm bei einer Jahresfahrleistung bis 10 000 km 0,27 DM/km und ab einer höheren Jahresfahrleistung 0,18 DM/km beträgt. Die Anwendung dieser Verordnung setzt jedoch voraus, daß das Kfz nach § 6 Abs. 2 des Landesreisekostengesetzes Baden-Württemberg vom 10. Juni 1969 "mit schriftlicher Anerkennung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr ermächtigten unmittelbar nachgeordneten Behörde im überwiegenden dienstlichen Interesse gehalten wird". Von der schriftlichen Anerkennung sind nach § 6 Abs. 6 des Landesreisekostengesetzes vom 10. Juni 1969 nur Landräte und Bürgermeister befreit. Das FG hält diese Verordnung im Streitfall für maßgebend. Es hat allerdings nicht festgestellt, ob bei den 15 Bediensteten, denen die Klägerin die streitige Wegkostenentschädigung nach den ADAC-Tabellen gezahlt hat, solche schriftlichen Anerkenntnisse vorlagen.
Der Senat hebt die Vorentscheidung auf und weist die Sache an das FG zurück, damit es diese Feststellung nachholt. Sollte diese Frage zu bejahen sein, so muß das FG einen evtl. höheren Erstattungsbetrag als 0,25 DM/km a b 1. Juni 1970 steuerfrei lassen, wenn - je nach Jahresfahrleistung - der jährliche Erstattungsbetrag je Kfz nach der Verordnung über die Wegstreckenentschädigung vom 3. Juni 1970 den Betrag von 0,25 DM/km überstieg. Das FG wird den Sachverhalt insoweit ebenfalls aufklären müssen. Da die Bediensteten nach den jeweiligen ADAC-Tabellen mit der Klägerin abgerechnet haben, die auf die Jahresfahrleistungen abstellten, müßten die Fahrleistungen von den Bediensteten der Klägerin festgehalten worden sein.
c) Unbegründet ist die Revision, soweit die Klägerin für die Streitjahre 1969 bis 1971 höhere Beträge als 0,25 DM/km bzw. höchstens 0,27 DM/km steuerfrei gezahlt hat.
Es mag sein, daß diese km-Sätze in den Streitjahren 1969 bis 1971 teilweise nicht kostendeckend waren. Soweit die Klägerin sich in der Revisionsschrift gegen zu niedrige km-Sätze im Landesreisekostenrecht wendet, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Senat, der diese Vorschriften im Streitfall ohnehin nicht direkt, sondern nur entsprechend anzuwenden hat, ebenso wie das FA und das FG nach Art. 20 Abs. 3 GG an das Gesetz gebunden ist. Er kann nur untersuchen, ob diese Vorschriften verfassungsgemäß sind. Das ist zu bejahen; denn es gibt keinen Verfassungsgrundsatz, der den Gesetzgeber dazu verpflichtet, mit pauschalen Wegstreckenentschädigungen für die Benutzung privateigener, zum Dienstreiseverkehr zugelassener Kfz bei Dienstreisen den Arbeitnehmern die vollen Kosten für die Dienstfahrten zu ersetzen. Wie das BVerfG im Beschluß vom 2. Oktober 1969 1 BvL 12/68 (BStBl II 1970, 140, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 9 - Abs. 1 - Ziff. 4, Rechtsspruch 48) zur Herabsetzung der km-Pauschale von 0,50 DM auf 0,36 DM in § 9 Nr. 4 EStG 1966 ausgeführt hat, ist bei der Beurteilung der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit nur zu prüfen, ob der Gesetzgeber gewisse äußerste Grenzen überschritten hat, ob also für die von ihm angeordnete Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe nicht mehr erkennbar sind. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1967 VI 33/65 (BFHE 90, 493, BStBl II 1968, 150) konnte der Gesetzgeber sich bei Gestaltung des öffentlichen Reisekostenrechts von der sachlichen Erwägung leiten lassen, daß die Bediensteten das Kfz sowieso privat besitzen und die allgemeinen Kosten daraus ohnehin zu tragen haben. Die Behörde will mit den km-Sätzen praktisch nur die Mehrkosten für die dienstliche Benutzung des Wagens ersetzen und einen Zuschuß zu den allgemeinen Kosten geben.
Wenn die Klägerin meint, sie hätte nicht genügend Dienstwagen anschaffen können und ihre Bediensteten hätten ihren privaten PKW nicht zu den Pauschsätzen nach den landesreisekostenrechtlichen Bestimmungen zur Verfügung gestellt, so muß sie bedenken, daß sie ihren Bediensteten die tatsächlich entstandenen Kosten steuerfrei hätte ersetzen können, wenn sie sie zur Führung von Einzelnachweisen angehalten hätte. Hierauf ist die Klägerin bereits bei der vorangegangenen Lohnsteueraußenprüfung hingewiesen worden. Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. Dezember 1967 VI R 268/67 (BFHE 90, 498, BStBl II 1968, 126) können die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterhaltung eines Kfz steuerlich nicht durch die ADAC-Tabellen nachgewiesen werden, da diese Tabellen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach steuerlichen Grundsätzen aufgestellt worden sind. Auch der ADAC will mit diesen Tabellen nur Mittelwerte bieten, wie er selbst betont. Finanzverwaltung und Steuergerichte sind nicht berechtigt, die im Landesreisekostenrecht festgelegten Pauschsätze für Wegstreckenentschädigung durch eine andere Schätzung, nämlich durch die des ADAC, zu ersetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 71670 |
BStBl II 1976, 34 |
BFHE 1976, 63 |