Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Bewertung selbsterzeugter Weine beim Winzer in der DM-Eröffnungsbilanz.
Normenkette
DMBG § 5 Abs. 1; DMBG § 20
Tatbestand
Die Weingroßhandlung X. wird von einer Erbengemeinschaft betrieben, die neben dem Weinhandel noch eigene und gepachtete Weinberge bewirtschaftet.
Streitig ist die Frage der Bewertung der am 21. Juni 1948 lagernden, selbsterzeugten Weine nach den Vorschriften des D-Markbilanzgesetzes (DMBG).
Nach der Auffassung des Finanzamts kann der Wert der selbsterzeugten Weine entsprechend den Grundsätzen des § 20 Abs. 1 DMBG nur nach den gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelt werden, während die Beschwerdegegnerin (Bgin.) ein Wahlrecht zwischen den gewöhnlichen Wiederbeschaffungs- und den Herstellungskosten beansprucht. Die Tatsache, daß die Herstellungskosten von Weinen, namentlich von Qualitätsweinen, nur sehr schwer zu ermitteln seien, kann nach Auffassung des Finanzamts kein Grund sein, die Bewertung auf Grund der Herstellungskosten abzulehnen. Die von der Oberfinanzdirektion herausgegebenen Richtlinien für das Jahr 1949 gäben genügend Anhaltspunkte, um die Kosten einigermaßen zutreffend zu ermitteln.
Das Finanzgericht sah die Berufung der Erbengemeinschaft als begründet an.
Dem Finanzamt sei darin zu folgen, daß bei einer Bewertung, bei der der tatsächliche Aufwand für das einzelne Wirtschaftsgut zugrunde zu legen sei, ein im Betrieb hergestellter Gegenstand mit den Herstellungskosten und ein angeschaffter Gegenstand mit den Anschaffungskosten anzusetzen sei. Die tatsächliche Beschaffungsart entfalle aber dann, wenn der Wert, wie im vorliegenden Fall, nach gewöhnlichen Wiederbeschaffungs- oder Herstellungskosten zu ermitteln sei. Bei fingierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten komme es darauf an, "welcher Preis äußerstenfalls hätte angelegt werden müssen". Das Gericht trage keine Bedenken, diesen vom Reichsfinanzhof in den Urteilen VI A 120/27 vom 8. Februar 1928 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1928 S. 132) und I A 331/26 vom 16. November 1926 (Slg. Bd. 20 S. 79) in Zusammenhang mit der Währungsreform 1923/24 entwickelten Grundsatz auch für den vorliegenden Fall anzuwenden. Obwohl es sich hier um einen gewerblichen Gewinn handele, dürfe doch darauf verwiesen werden, daß auch die vorläufigen Richtlinien für die Ermittlung des Gewinns bei buchführenden Landwirten vom 5. September 1925 (RStBl. 1925 S. 184) unter Ziff. 5 Abs. 2 als selbstverständlich voraussetzen, daß bei selbsterzeugten Vorräten der Herstellungspreis nicht unbedingt angesetzt zu werden brauche. Es sei jedenfalls nicht erkennbar, daß die leitenden Gedanken des DMBG dieser damaligen Rechtsauslegung entgegenstünden. Es ergebe sich im Gegenteil aus dem allgemeinen Grundsatz, daß der nach Abs. 1 des § 20 DMBG maßgebende Neuwert höher oder niedriger als der RM-Schlußbilanzwert sein könne (vgl. auch Schmölder-Gessler-Merkle, DMBG § 20 Anm. 19), daß der Bgin. der Ansatz des für sie günstigeren Wertes nicht verwehrt werden könne. Es sei dies eine Folge der Unterbrechung der Bilanzkontinuität und der Substanzerhaltung auf der Grundlage der Wiederbeschaffungspreise (Schmölder, DMBG a. a. O.). Damit könne auch der vom Finanzamt vorgetragene Einwand, daß das Wahlrecht zwischen Herstellungs- und Wiederbeschaffungskosten zu einer Begünstigung des Produzenten führe, nicht durchschlagend sein.
Sehe der Reichsfinanzhof für § 107 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1925 ganz allgemein ein Wahlrecht vor, so komme hier noch der Umstand in Betracht, daß es sich um ein landwirtschaftliches Selbsterzeugnis handele. Im Urteil des Reichsfinanzhofs vom 14. Februar 1934 (RStBl. 1934 S. 551) werde mit Recht darauf verwiesen, daß sich der Wert eines gewerblichen Erzeugnisses in der Regel ziemlich genau in seinem Herstellungspreis widerspiegele, während eine übertragung dieser Grundsätze auf landwirtschaftliche Erzeugnisse die für die Landwirtschaft so bedeutsame Mitwirkung der Natur außer Betracht lasse. Dieser Einwirkung komme aber oft größere Bedeutung zu als dem Rohstoff und Arbeitsaufwand. Diese Erkenntnis finde offenbar ihren Niederschlag in § 6 Ziff. 2 Schlußsatz des zur Zeit geltenden EStG, wonach bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben auch der Ansatz des höheren Teilwertes zulässig sei, wenn das den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspreche. Die Vorschrift des EStG bestätige die oben dargelegte Auffassung eines bestehenden Wahlrechts.
Schließlich dürfe noch darauf verwiesen werden, daß die Steuerlichen Richtlinien zum D-Markbilanzgesetz vom 28. Mai 1951 (DMBR) in Ziff. 14 zwar für Anlagegegenstände eine genaue Unterscheidung zwischen Herstellungskosten und Wiederbeschaffungskosten vorschrieben, während zu § 20 DMBG eine solche Anweisung fehle. Es könne daraus geschlossen werden, daß jedenfalls für § 20 DMBG ein Wahlrecht für möglich gehalten werde.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht hiergegen folgendes geltend:
Die Firma habe den Wert der am 21. Juni 1948 lagernden Weine in der DM-Eröffnungsbilanz in der Weise ermittelt, daß sie die bis zum 31. August 1948 veräußerten Weine nach § 20 Abs. 2 DMBG mit dem Verkaufserlös abzüglich der handelsüblichen Gewinnspanne von 20 v. H. und die am 1. September 1948 noch nicht verkauften Weine mit den Wiederbeschaffungskosten abzüglich 20 v. H. angesetzt habe.
Auf Grund dieser Bewertungsmaßstäbe, die sowohl für die Weine eigenen Wachstums als auch für die zugekauften Fremdweine angewandt würden, habe sich
für die Weine eigenen Wachstums ein Wert von 7.000 DM und
für die zugekauften Weine ein Wert von - - 32.000 DM ergeben. Das Finanzamt habe den Wertansatz für die Weine eigenen Wachstums, soweit sie am 1. September 1948 noch nicht verkauft waren, auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten von 5300 DM je Fuder (1000 Liter) nicht anerkannt, weil nach § 20 Abs. 1 DMBG der zulässige Höchstwert für die eigenen Erzeugnisse nach den gewöhnlichen Herstellungskosten am 31. August 1948 bzw. 30 September 1949 zu bemessen sei. Es habe demzufolge die Weine eigenen Wachstums in der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz statt mit 7000 DM) nur mit 3000 DM) angesetzt. Im Einspruchsverfahren habe die Firma X. den Wertansatz von 7000 DM) auf 6000 DM) berichtigt. Sie sei hierbei von den durchschnittlich erzielten bzw. erzielbaren Verkaufserlösen abzüglich einer Gewinnspanne von 31,5 v. H. ausgegangen. Das Finanzamt habe im Einspruchsverfahren an seiner Auffassung festgehalten, daß die Weine eigenen Wachstums mit keinem höheren als dem auf der Grundlage der gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelten Neuwert, und zwar am 30. September 1949, in der DM-Eröffnungsbilanz angesetzt werden dürften.
Der Winzer erwerbe regelmäßig keine Weine, sondern stelle sie selbst her. Es wäre ebensowenig, wie es nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen des Einkommensteuerrechts zulässig sei, auch mit dem Sinn und Zweck des DMBG zu vereinbaren, wenn dem Winzer gestattet wäre, die Weine eigenen Wachstums mit einem Wert anzusetzen, der erheblich über dem Kostenaufwand für ihre Herstellung liegen würde. Daß Weine in der Güte des Jahrgangs 1947 mit dem Bebauungskostenaufwand einschließlich der Kosten für die Lese und den weiteren Ausbau des Wirtschaftsjahres 1948/49 oder des Wirtschaftsjahres 1949 hergestellt werden könnten und auch nach dem 21. Juni 1948 tatsächlich hergestellt worden seien, werde durch nichts besser als durch die Tatsache bewiesen, daß mit dem Bebauungskostenaufwand des Wirtschaftsjahres 1948/49 die Weine des Jahrgangs 1949 hergestellt worden seien, die den 1947er und auch ältere Weine zum Teil weit übertreffen würden.
Die Berechnung der Herstellungskosten begegne, wie auch Fachkreise - vgl. die Abhandlungen: "Probleme der Bewertung selbstgezogener Spitzenweine in der DMEB des Weinhandels" (Deutsche Weinzeitung 1951 S. 158) und "Kalkulationsanalyse eigener Kreszenzen in der DMEB des Weinhandels" (Deutsche Weinzeitung 1951 S. 259) - bestätigten, keinen Schwierigkeiten. Dies widerlege zugleich die häufig vertretene Auffassung, daß die Herstellungskosten landwirtschaftlicher Erzeugnisse nicht oder kaum feststellbar seien, nicht nur für Konsumweine, sondern auch für Qualitätsweine. Das ergebe sich auch aus den von der Oberfinanzdirektion Koblenz, als Hauptort für Weinbau, im Benehmen mit der Oberfinanzdirektion Frankfurt (Main) ausgearbeiteten Richtlinien vom 23. Mai 1951 S. 2155 A - St 21a über die Bewertung der Weine eigenen Wachstums in der DM-Eröffnungsbilanz. Sie bewiesen, daß sich die Herstellungskosten für Weine eigenen Wachstums auf der Grundlage der gewöhnlichen Bebauungskosten, der Lesekosten und der im Einzelfall erwachsenden Ausbaukosten nach den Kostenverhältnissen im Wirtschaftsjahr 1948/49 oder im Kalenderjahr 1949 sehr wohl ermitteln ließen.
Das vom Finanzgericht zugestandene Wahlrecht führe nämlich, wie die Praxis bestätige, dazu, daß für das Wirtschaftsjahr 1948/49 bzw. für das zweite Halbjahr 1948 nur ganz kleine Gewinne oder gar Verluste ausgewiesen würden, die in einem krassen Widerspruch zu der Entwicklung der Weingüter in den hier in Betracht kommenden Wirtschaftsjahren stünden. Dazu komme, daß im Beschwerdefall der auf der Grundlage der Wiederbeschaffungskosten ermittelte Neuwert, der durch einen Abschlag von ursprünglich 20 v. H., später von 31,5 v. H. des Verkaufserlöses geschätzt wurde, mehr als problematisch sei, weil bei Weingütern an den hier maßgebenden Stichtagen von einer "handelsüblichen Gewinnspanne" nicht gesprochen werden könne. Das werde schon dadurch bewiesen, daß die Reingewinne von zahlreichen Weinbaubetrieben für die Veranlagungszeiträume II/1948, 1949 und 1950 eine Schwankungsbreite von 0 bis 85 v. H. der Umsätze auswiesen. Diese sehr große Streuung zeige mit ausreichender Deutlichkeit auch die Zweifelhaftigkeit eines von den Verkaufserlösen abgeleiteten Wiederbeschaffungspreises in Erzeugerbetrieben.
Nach den Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. Haver in der Rechts- und Wirtschafts-Praxis Blattei-Handbuch (Forkel-Stuttgart) DMBG III C 2, 2. Fortsetzungsblatt, und Dr. Beuck-Paret, Kommentar zum DMBG S. 105, könne aus § 20 Abs. 1 a. a. O. ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen, für die im eigenen Betrieb hergestellten Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens die höheren Wiederbeschaffungspreise anzusetzen, nicht hergeleitet werden.
Demgegenüber beantragt die Steuerpflichtige Zurückweisung der Rb. und führt hierzu u. a. folgendes aus:
§ 20 DMBG spreche von den gewöhnlichen Kosten, also nicht von den tatsächlich entstandenen. Gewöhnliche Herstellungs- oder Wiederbeschaffungskosten seien aber fingierte Kosten. Auch die von der Oberfinanzdirektion Koblenz aus den Erzeugungskosten 1948/49 abgeleiteten Herstellungskosten seien fingierte Kosten. Gleichzeitig verweist der Steuerpflichtige auf den Aufsatz von Meilicke in Steuer und Wirtschaft (StuW) 1952 Teil I Spalte 582. Meilicke sei der Auffassung, daß der Steuerpflichtige ein Wahlrecht zwischen den Wiederbeschaffungskosten und den Herstellungskosten habe, und bestätige auch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu den Anfangsbilanzen nach der Inflation 1923, so die Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 331/26 vom 16. November 1926 (StuW 1927 Nr. 130) und VI A 120/27 vom 8. Februar 1928 (StuW 1928 Nr. 190).
Nach ihrer Auffassung müsse auch der Wert nach § 20 ebenso wie der Wert nach § 5 DMBG ein Zeitwert sein. Das ergebe sich auch aus dem Zusatz "Neuwert". § 20 gebe lediglich die Direktiven, wie beim Vorratsvermögen der Zeitwert zu ermitteln sei.
Im übrigen sei noch zu beachten, daß die am 21. Juni 1948 lagernden Weine überhaupt nicht mehr hätten hergestellt werden können, denn Wein sei keine Gattungsware. Man könne ein Auto wiederherstellen. Das liege in der Hand des Herstellers. Man könne aber kein höchstindividuelles einmaliges Naturprodukt wiederherstellen. Es sei widersinnig, ein edles Spitzengewächs neben einen schlechten Wein zu stellen und dann von einem Produkt zu sprechen. Die gleiche Auffassung vertrete auch der Kommentar Schmölder-Gessler-Merkle. In dem Ergänzungsband S. 118 werde ausgeführt, bei Weingärtnern sei ein Herstellungspreis für Restbestände selbstgekelterter Weine praktisch nicht zu ermitteln. Nach Ansicht dieses Kommentars sei für die Bewertung von Eigengewächsen zur DM-Eröffnungsbilanz der Marktpreis abzüglich 10 - 15 % angemessen. Im Prinzip sei das der auch von dem Steuerpflichtigen angesetzte Verkaufserlös abzüglich der handelsüblichen Gewinnspanne. Aus den oben mitgeteilten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs ergebe sich eindeutig, daß bei fingierten Anschaffungs- und Herstellungspreisen die tatsächliche Beschaffungsart keine Rolle spiele und daß in solchen Fällen der Steuerpflichtige ein Wahlrecht habe. Dies komme besonders in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 231/28 vom 10. Oktober 1928 (StuW 1929 Nr. 83) zum Ausdruck. In diesem Urteil heiße es, für den Landwirt sei nicht der fiktive Herstellungspreis, sondern der fiktive Anschaffungspreis maßgebend. Das sei der Mehrbetrag, den der Käufer eines Gutes am 1. Juli 1924 mehr gezahlt haben würde, weil die Vorräte vorhanden gewesen seien. Die tatsächlich für die Herstellung landwirtschaftlicher Bodenprodukte aufgewandten Kosten könnten in der Landwirtschaft nur mit Schwierigkeiten ermittelt werden.
Demgegenüber führt das Finanzamt in seiner Erwiderung folgendes aus:
Das Rechtsproblem könne für industrielle Unternehmen und Weinbaubetriebe nur einheitlich entschieden werden. Dies habe zur Folge, daß man auch für Weinbaubetriebe das von der Firma vertretene Wahlrecht verneinen müsse. Dies gelte um so mehr, als auch das D-Markbilanzergänzungsgesetz, das ergänzende Bestimmungen für die Land- und Forstwirtschaft enthalte, wohl eine Sonderregelung für den Wertansatz der Gebäude und des lebenden Inventars sowie der durch Zuschläge nach § 40 des Bewertungsgesetzes erfaßten Vermögensgegenstände, nicht aber abweichende Bewertungsvorschriften für die Bewertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse getroffen habe. Es sei auch in den Beratungen des Gesetzentwurfs mit den Steuerreferenten der Länder nicht zum Ausdruck gekommen, daß für die Bewertung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, insbesondere für die Bewertung der Weine eigenen Wachstums, nicht die gewöhnlichen Herstellungskosten, sondern die gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten maßgebend sein sollen oder daß der Stpfl. zwischen beiden Kostenarten wählen könne.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Das DMBG ist in seinem grundsätzlichen Teil in der Hauptsache für die gewerbliche Wirtschaft bestimmt. Dies ergibt sich aus § 1 des Gesetzes, der für Kaufleute, die zur Führung von Handelsbüchern verpflichtet sind, die Aufstellung einer DM-Eröffnungsbilanz fordert. Gleichartige Vorschriften enthält § 2 DMBG für Zweigniederlassungen und sonstige Betriebstätten im Währungsgebiet. Lediglich § 74 Abs. 4 Des Gesetzes fordert, daß bestimmte Vorschriften des DMBG auf Steuerpflichtige, die nicht unter § 1 des Gesetzes fallen, aber ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Bestandsvergleich ermitteln, "sinngemäß" anzuwenden sind. Des weiteren schreibt § 74 Abs. 5 Ziff. 4 vor, daß bei der Landwirtschaft Viehbestände, von besonders wertvollen Tieren abgesehen, nach Durchschnittswerten anzusetzen seien. Von Bedeutung erscheint es des weiteren, daß § 20 Abs. 1 DMBG von den "gewöhnlichen" Wiederbeschaffungs- und Herstellungskosten spricht und den auf diese Weise gefundenen Wert als "Neuwert" bezeichnet.
Der Senat kommt im Ergebnis zu der Auffassung, daß die Winzer berechtigt sind, die selbstgewonnenen Weine am 21. Juni 1948 mit dem Teilwert anzusetzen.
Bei der Beurteilung der Rechtsfrage erscheint es bedeutsam, daß es den Grundsätzen der landwirtschaftlichen Buchführung im Gegensatz zur gewerblichen Buchführung nicht widerspricht, bei den Erzeugnissen des Betriebes den Teilwert anzusetzen und damit den über die Herstellungskosten hinausgehenden Betrag, in dem man beim Gewerbebetrieb einen nicht realisierten Gewinn erblickt, auszuweisen (EStG § 6 Ziff. 2 Schlußsatz. Der Reichsfinanzhof hat deshalb in den Entscheidungen VI A 1296/32 vom 14. Februar 1934 (Slg. Bd. 35 S. 287, RStBl. 1934 S. 551) und VI A 261/37 vom 4. August 1937 (Slg. Bd. 42 S. 67, RStBl. 1937 S. 1176) ausdrücklich den Ansatz des Teilwertes für geerntete Weine anerkannt. Die landwirtschaftlichen Produkte unterscheiden sich von den gewerblichen Produkten dadurch, daß bei ihrer Herstellung dem Faktor Natur eine entscheidende Bedeutung zukommt. Läßt man ihn außer Betracht, so kann dies, von der Höhe des Wertes abgesehen, auch zu in sich nicht ausgeglichenen Werten führen. Das wertvollere Erzeugnis kann geringere Herstellungskosten haben als ein verhältnismäßig geringwertiges Produkt.
Das DMBG hat mit seiner Bestimmung über die Wiederbeschaffungs- und Herstellungskosten an die Vorschriften des § 133 des Gesetzes über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30. Januar 1937 angeknüpft. Es enthält wohl nicht ausdrücklich das sog. Niederstwertprinzip, es dürfte aber davon ausgehen, daß die Wiederbeschaffungskosten bzw. Herstellungskosten nicht zu einem über dem Wert nach § 5 Abs. 1 DMBG liegenden Ansatz führen. Die Grundlagen sind für den landwirtschaftlichen Betrieb anders. Bei ihm werden, wie oben ausgeführt, nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung keine Einwendungen erhoben, wenn er seine Erzeugnisse nach § 6 Ziff. 2 EStG mit dem Teilwert ansetzt. Wenn das DMBG im § 74 Abs. 4 die "sinngemäße" Anwendung der Bestimmungen verlangt, so spricht viel dafür, daß dieser grundlegende Unterschied zwischen der Bewertung landwirtschaftlicher und gewerblicher Erzeugnisse nicht außer Wirksamkeit gesetzt werden sollte.
Der gleichen Auffassung müssen die DM-Bilanzrichtlinien sein. In Abschn. 63n wird hinsichtlich der Bewertung der Holzvorräte des Landwirtes ausgeführt, daß sie mit den niedrigsten tatsächlichen Verkaufserlösen, die bis zum 31. August 1949 erzielt worden sind, unter Abzug der handelsüblichen Gewinnspanne anzusetzen sind. Auch hier wird somit auf die Berechnung nach den Herstellungskosten verzichtet.
Wie oben ausgeführt, hat der Gesetzgeber in § 74 Abs. 5 Ziff. 4 vorgesehen, daß die Viehbestände nach Durchschnittswerten anzusetzen seien. Man wird davon ausgehen müssen, daß diese Durchschnittswerte aus den Teilwerten gewonnen werden sollen. Das Finanzamt zieht hieraus die Folgerung, daß Weinvorräte, da für sie keine gleichartige Regelung gesetzlich ausdrücklich vorgeschrieben sei, mit den Herstellungskosten bewertet werden müssen. Es dürfte aber näher liegen, hier einen Analogieschluß zu ziehen. Es ist nicht zu erkennen, warum für Weinvorräte andere Grundsätze angewandt werden sollen, wie für die Tiere eines Tierzuchtbetriebes. Das DMBG sah sich nicht in der Lage, sämtliche bei der Währungsumstellung auftretenden Tatbestände in ihren Einzelheiten zu regeln. Es stellte lediglich Grundsätze für typische in großer Masse auftretende Vorgänge auf und überließ es der Rechtsprechung, diese Grundsätze im Wege der Analogie auf gleichartig gelagerte, nicht ausdrücklich geregelte Vorgänge zu übertragen. Das DMBG hat die Durchbrechung der Bilanzidentität gebracht und damit die steuerfreie Aufdeckung der im Betriebsvermögen vorhandenen stillen Rücklagen in weitem Umfange, insbesondere beim Vorratsvermögen zugelassen. Würde man die durch die Natur geschaffenen Werte von dieser Vergünstigung ausnehmen, so würde die Vergünstigung für die Landwirtschaft (Weinbau) in erheblichem Umfang beseitigt. Dem Finanzgericht und der Bgin. ist auch darin beizutreten, daß der Reichsfinanzhof für die erste Goldmarkbilanz den gleichen Standpunkt eingenommen hat, und zwar sowohl für die Einkommen- wie für die Vermögensteuer, obwohl der Wortlaut der seinerzeitigen Bestimmungen noch mehr für eine Auslegung im Sinne der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts hätte sprechen können. Im übrigen ging man bisher, allerdings im Gegensatz zu der vom Finanzamt in der Rb. vertretenen Auffassung, davon aus, daß die Berechnung der Herstellungskosten landwirtschaftlicher Produkte schwierig und mit vielen Fehlerquellen behaftet sei, da ein großer Teil der zu berücksichtigenden Beträge lediglich auf Schätzung beruhe, wobei es sich um einen sehr weiten Schätzungsrahmen handle.
Dagegen kann dem Einwand des Vorstehers des Finanzamts, daß die Weine beim Erzeuger anders bewertet werden müssen wie beim Zwischenhändler, der an den Verbraucher unmittelbar abgibt, die Bedeutung nicht abgesprochen werden. Die selbsterzeugten Weine müssen mit Werten angesetzt werden, die sich beim Verkauf des Winzers an den Großhändler unter Abzug eines angemessenen Gewinnsatzes für den Winzer ergeben. Es ist nicht angängig, daß die Bgin. die selbsterzeugten Weine mit den gleichen Beträgen in ihre Bilanz einsetzt wie die von ihr zugekauften Weine, also die Weine, bei denen sie lediglich Zwischenhandel betreibt. Soweit die Unterlagen erkennen lassen, ist dieser Unterschied bei der Bewertung durch das Finanzgericht nicht berücksichtigt worden. Die Vorentscheidung wird deshalb aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zur erneuten Würdigung zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 408050 |
BStBl III 1955, 50 |
BFHE 1955, 127 |
BFHE 60, 127 |
DB 1955, 111 |