Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Im Land Niedersachsen -- frühere britische Zone -- ist ein Apothekenrealrecht auf den 1. Januar 1957 als Gewerbeberechtigung zu bewerten.
Normenkette
BewG a.F. §§ 21, 58; BewG § 100; BewDV a.F. § 50
Tatbestand
Streitig ist die Feststellung des Einheitswerts für eine Apothekengerechtigkeit auf den 1. Januar 1957.
Der Sachverhalt ist, abgesehen von der Verschiedenheit der Stichtage, der gleiche wie im Urteil des Bundesfinanzhofs III 400/60 S vom heutigen Tage (BStBl 1965 III S. 3), in dem es sich um die Bewertung bzw. Fortschreibung auf den 1. Januar 1953 und den 1. Januar 1954 handelt. Auf die dortige Sachdarstellung wird Bezug genommen.
Auf den 1. Januar 1957 schrieb das Finanzamt durch Bescheid vom 17. August 1959 den Einheitswert des Apothekenrechts auf 1/3 des am 1. Januar 1949 maßgebenden Einheitswerts fort. Das Finanzamt bezog sich dabei auf eine grundsätzliche Anordnung der Oberfinanzdirektion. Die Bfin. begehrte ersatzlose Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheides.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus, am 1. Januar 1957 sei ein Erwerber eines Apothekenrealrechts noch von der Bedürfnisprüfung zur Zulassung einer neuen Apotheke ausgegangen; damals habe tatsächlich noch ein Konkurrenzschutz bestanden. Die in Abschn. 10 der Vermögensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1957 angekündigte Regelung der Bewertung auf den 1. Januar 1957 habe der Erlaß der Finanzbehörde Hamburg 54 -- S 3195 -- 12 vom 9. Juni 1959 (Finanz-Rundschau 1959 S. 388), der im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den Finanzministern (Finanzsenatoren) der anderen Länder ergangen sei und dem sich der Erlaß des Niedersächsischen Finanzministers vom 19. Juni 1959 angeschlossen habe, gebracht. Er lautete dahin, die Apothekenrealrechte für die Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1957 mit 1/3 des Einheitswerts vom 1. Januar 1949 anzusetzen, und zwar auch dann, wenn der Einheitswert nach dem 1. Januar 1949 fortgeschrieben worden sei. Dieser Erlaß sei auf Grund eingehender Verhandlungen zwischen dem Bundesminister der Finanzen und den Apothekerverbänden ergangen und habe versucht, der durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 596/56 vom 11. Juni 1958 (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 7 S. 377) geänderten Rechtsauffassung gerecht zu werden. Das Finanzgericht halte diese Lösung für billig und zutreffend.
Die Bfin. beantragt mit der Rb., den Einheitswert des Apothekenrechtes zum 1. Januar 1957 auf 0 DM festzustellen und die Rb. im Zusammenhang mit dem schon oben erwähnten Verfahren III 400/60 S zu behandeln.
Der Bundesminister der Finanzen ist auf Ersuchen des Senats beiden Verfahren nach § 287 AO beigetreten und reichte die gleiche Stellungnahme ein. Diese ist in den Urteilsgründen III 400/60 S insoweit wiedergegeben, als sie die Bewertung von Apothekenrealrechten als Gewerbeberechtigung bis Ende 1956, wenn auch mit zeitlich absinkendem Wert, bejaht. Die Bewertung der Apothekenrealrechte zum 1. Januar 1957 bezeichnet der Bundesminister der Finanzen als schwieriger. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts I C 221.54 vom 22. November 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 4 S. 167) sei zwar schon vor dem 1. Januar 1957 ergangen, aber erst Anfang Februar 1957 bekanntgeworden; das Urteil des Bundesverfassungsgerichts datiere erst vom Juni 1958. Seit 1. Januar 1957 habe allgemein eine Ungewißheit über die weitere Gestaltung des Apothekenwesens bestanden. Die Bewertung der Apothekenrealrechte sei Gegenstand langdauernder Verhandlungen zwischen den Finanzverwaltungen und den Berufsvertretungen gewesen und habe u. a. bei der Einheitsbewertung zu der Kompromißlösung geführt, zum 1. Januar 1957 1/3 des Einheitswerts vom 21. Juni 1948 anzusetzen; auch für die Ertragsteuern und die Vermögensabgabe seien ausgleichende Lösungen vereinbart und von den Verbän den den Mitgliedern zur Anerkennung empfohlen worden. Aus diesem Grunde sei ein Initiativantrag zum Gesetz über das Apothekenwesen, nämlich ab 1. Januar 1957 die Apothekenrealrechte aufzuheben und sie von da an zu keinen öffentlichen Abgaben mehr heranzuziehen, fallengelassen worden. Außerdem sollte die Frage der Entschädigung (Art. 14 des Grundgesetzes -- GG --) vermieden werden. Nach den Gesamtumständen seien die Apothekenrealrechte zum 1. Januar 1957 zwar nicht mehr als vollwertig, aber auch nicht als wertlos angesehen worden. Die Schwierigkeit einer zutreffenden Bewertung sei auch nach heutigen Erkenntnissen so groß, daß sich das Festhalten an der damaligen Kompromißlösung empfehle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Die Ausführungen in dem obengenannten Urteil III 400/60 S zur Bewertung der Apothekenrealrechte nach Inkrafttreten des GG bilden auch die Grundlage für die Bejahung eines Einheitswerts der Gewerbeberechtigung auf den 1. Januar 1957. Dort ist ausgeführt, daß nicht die alte Apothekengerechtigkeit als solche mit dem Inkrafttreten des GG untergegangen sei. Wenn man vielmehr lediglich von einem zeitlich immer stärker in Erscheinung tretenden Absinken des Werts der an sich fortbestehenden Berechtigung ausgeht, dann ist in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen und dem damals noch unveränderten § 58 BewG alter Fassung nicht einzusehen, weshalb am 1. Januar 1957 entweder nun doch das Recht als solches untergegangen oder der Wert plötzlich einheitlich auf 0 DM gesunken sein sollte. Für beides liegen kein Anlaß und keine äußeren Ereignisse, aus denen sich solche einschneidenden Wirkungen folgern ließen, vor. Die endgültige Entscheidung über die Niederlassungsfreiheit, verstanden als das Fehlen objektiver Beschränkungen der Zulassung, brachte erst das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958, durch das auf die Verfassungsbeschwerde eines Apothekers die entgegenstehende gesetzliche Regelung mit Gesetzeskraft für nichtig erklärt wurde (BGBl 1958 I S. 423). So haben auch, abgesehen von der Veröffentlichung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, die Finanzverwaltung sowie sonstige staatliche Verwaltungsstellen und offensichtlich auch die Öffentlichkeit erst auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 1958 die letzten Schlüsse gezogen (vgl. die entsprechenden Ministerialerlasse zur Vermögensteuer im Jahre 1959 -- Finanz-Rundschau 1959 S. 388), während noch in den Vermögensteuer-Ergänzungsrichtlinien 1957 vom 19. November 1957 eine besondere Regelung vorbehalten blieb. In dem Urteil III 400/60 S ist im einzelnen ausgeführt, daß auch der Niedersächsische Sozialminister noch im Jahre 1957 bei Neuzulassungen die Bedürfnisprüfung als notwendig herausstellte und erst im Jahre 1958 diese objektive Beschränkung der Zulassung fallenließ. Die Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen und die Ausführungen der Vorinstanz über die Zahlungen von Kaufpreisen für den Verkauf von Apothekenrechten (dort bis 1959) begründen ebenfalls in überzeugender Weise das Vorhandensein eines bewertbaren Apothekenrealrechtes auf den 1. Januar 1957. Die Anweisungen in Abschn. 23 Abs. 1 der Vermögensteuer-Richtlinien 1960 über die Nichtbewertung der Apothekenrealrechte als Gewerbeberechtigung zum 1. Januar 1960 und der neue § 58 BewG (Gesetz zur Änderung des Bewertungsgesetzes vom 10. August 1963, BGBl 1963 I S. 676), der die Apothekengerechtigkeit nicht mehr als Gewerbeberechtigung anführt, lassen für die spätere Zeit das hier streitige Problem verschwinden, finden aber für den vorliegenden Stichtag keine Anwendung.
Was die betragsmäßige Höhe der Bewertung angeht, so erscheint ein Pauschalwert von 1/3 des Einheitswerts zum 1. Januar 1949 angemessen, zumal auch die Berufsverbände der Apotheker diese Kompromißlösung billigten. Etwas anderes als eine grobe Schätzung wäre sowieso nicht möglich, und bei dem getroffenen Pauschalansatz ist zumindest eine gewisse Einheitlichkeit der Bewertung gewahrt. Im vorliegenden Fall ist der angesetzte Wert schon deshalb nicht zu hoch, da der Einheitswert seit dem 1. Januar 1946 (1. Januar 1949) zum 1. Januar 1953 und zum 1. Januar 1954 erhöhend fortgeschrieben worden war.
Fundstellen
Haufe-Index 425882 |
BStBl III 1965, 6 |
BFHE 1965, 13 |