Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung einer Wohnung an das unterhaltsberechtigte Kind
Leitsatz (NV)
Der Abschluß eines Mietvertrages zwischen Eltern und ihrem unterhaltsberechtigten Kind über eine den Eltern gehörende Wohnung ist nicht deshalb ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. von § 42 AO 1977, weil das Kind die Miete durch Verrechnung mit dem von den Eltern gewährten Barunterhalt zahlt (Änderung der Rechtsprechung gegenüber dem BFH-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 21 Abs. 1; BGB § 1612 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (EFG 1997, 1517) |
Tatbestand
Die Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, erwarben im Jahre 1982 eine Eigentumswohnung (Wohnfläche ca. 53 qm) in X. Sie vermieteten sie an ihre dort studierende Tochter. Die Miete betrug nach dem mündlich abgeschlossenen Mietvertrag 300 DM pro Monat (einschließlich der umlagefähigen Nebenkosten). Sie wurde durch Verrechnung mit dem Barunterhalt entrichtet; der Kläger überwies seiner Tochter statt monatlich 600 DM nur 300 DM. Mit Genehmigung der Kläger nahm die Tochter eine weitere Person in die Wohnung auf; von dieser erhielt sie eine Monatsmiete von 150 DM. Nach dem Auszug der Tochter im Jahre 1990 vermieteten die Kläger die Wohnung weiterhin an Studenten.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1983) machten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der Wohnung in X einen nach § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahme-Überschußrechnung ermittelten Werbungskostenüberschuß von 9 668 DM geltend. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, das Mietverhältnis mit der Tochter sei steuerrechtlich nicht anzuerkennen und ließ nur einen nach § 21a EStG ermittelten Werbungskostenüberschuß von (einschließlich der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG) 5 907 DM zum Abzug zu.
Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) teilweise statt. Zwar sei der Mietvertrag über die Wohnung in X steuerrechtlich anzuerkennen. Dagegen sei die dem Kläger für seine Nebentätigkeit als Diskussionsleiter gezahlte Aufwandsentschädigung in Höhe von 400 DM nicht --wie von den Klägern im Verlaufe des Klageverfahrens geltend gemacht-- gemäß § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1517 veröffentlicht.
Gegen die Vorentscheidung wenden sich die Kläger und das FA jeweils mit der Revision.
Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Nr. 26 EStG) und berufen sich auf Verfahrensmängel (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung des berichtigten Einkommensteuerbescheides 1983 vom 17. Mai 1995 die Einkommensteuer 1983 auf 12 064 DM festzusetzen.
Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977-- und § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aufzuheben und insoweit die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision des FA zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. Nach seiner Auffassung ist die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietverhältnisses zwischen Eltern und ihrem unterhaltsberechtigten volljährigen Kind immer dann zu versagen, wenn das Kind die Miete ganz oder zum wesentlichen Teil aus den ihm gewährten Barunterhalt zahlt.
Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision der Kläger ist begründet. Sie führt im beantragten Umfang zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Einnahmen des Klägers aus der Diskussionsleitertätigkeit sind im Streitfall gemäß § 3 Nr. 26 EStG als steuerfrei zu behandeln. Die Vertreterin des FA hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift lägen im Streitfall vor. Das FA wende sich deshalb nicht mehr gegen das Revisionsbegehren der Kläger.
2. Die Revision des FA ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat das strittige Mietverhältnis zu Recht der Besteuerung zugrunde gelegt.
a) Das FG hat aus den von ihm getroffenen Feststellungen den Schluß gezogen, die Kläger hätten beim Vermieten der Wohnung mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt. Die Rechtsgrundsätze, von denen das FG dabei ausgegangen ist, stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Die Würdigung des festgestellten Sachverhaltes durch das FG ist möglich und bindet damit den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu Senatsurteil vom 22. April 1997 IX R 17/96, BFHE 183, 142, BStBl II 1997, 650).
b) Das Mietverhältnis ist bürgerlich-rechtlich wirksam zu zwischen Fremden üblichen Bedingungen vereinbart und auch entsprechend dem Vereinbarten tatsächlich durchgeführt worden. Daß der Mietvertrag mündlich geschlossen worden ist, steht der steuerrechtlichen Anerkennung im Streitfall nicht entgegen. Entscheidend ist das Vorliegen klarer und eindeutiger --für einen Dritten zweifelsfrei erkennbarer-- Vereinbarungen, deren tatsächliche Durchführung gewährleistet war (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1999 VIII R 81/94, BFH/NV 1999, 1457, unter B. II. 3. - zu Arbeitsverträgen unter Ehegatten). Nach den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) haben die Kläger und deren Tochter die Hauptpflichten des Mietverhältnisses --Überlassung der Mietsache und Zahlung der Miete (vgl. dazu Senatsurteil vom 20. Oktober 1997 IX R 38/97, BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106)-- aufgrund von klaren Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt. Sie haben der Tochter die Wohnung zur Nutzung überlassen. Die Tochter hat die Miete --zulässigerweise durch das Verrechnen mit dem empfangenen Barunterhalt (vgl. dazu Senatsurteil vom heutigen Tage IX R 30/98, unter 1.)-- regelmäßig entsprechend der Vereinbarung gezahlt. Das FG hat ferner aufgrund einer Gesamtwürdigung der objektiven Gegebenheiten entschieden, daß das Mietverhältnis mit dem sog. Fremdvergleich (vgl. dazu Senatsurteile in BFHE 184, 463, BStBl II 1998, 106, und vom 17. Februar 1998 IX R 30/96, BFHE 185, 397, BStBl II 1998, 349, jeweils m.w.N.) vereinbar ist. An die --mögliche-- Würdigung der dieser Beurteilung zugrundeliegenden Tatsachen ist der Senat ebenfalls gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden, da sie weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstößt (vgl. dazu Senatsurteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655, m.w.N.).
c) Das FG hat auch zutreffend einen Rechtsmißbrauch verneint. Der Senat hat durch Urteil vom heutigen Tage IX R 39/99 unter Aufgabe der im Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604; vgl. auch Beschluß vom 14. Juni 1988 IX B 157/87, BFH/NV 1990, 97) aufgestellten Rechtsgrundsätze entschieden, daß es kein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO 1977 ist, wenn Eltern eine ihnen gehörende Wohnung an ihr unterhaltsberechtigtes unverheiratetes Kind vermieten, das die Miete aus dem ihm gewährten Barunterhalt zahlt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die Gründe des Urteils IX R 39/99. Nach den auch im Streitfall anwendbaren Grundsätzen dieses Urteils ist das Mietverhältnis zwischen den Klägern und der Tochter steuerrechtlich anzuerkennen.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Tätigkeit sind um 400 DM zu vermindern.
Fundstellen