Entscheidungsstichwort (Thema)
Nutzungswert besonders aufwendig errichteten Zweifamilienhauses
Leitsatz (NV)
1. Der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus ist anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die festgestellte Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde (Anschluß an BFH-Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 7/89, BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394).
2. Die Marktmiete läßt sich nicht aus dem örtlichen Mietspiegel für Mietwohnungen ableiten, sondern nur anhand des für vergleichbare Wohnobjekte gezahlten Mietzinses bestimmen.
3. Für die Frage, ob die am Markt erzielbare Miete den besonderen Wohnwert angemessen widerspiegelt, ist außer verhältnismäßig hohen Herstellungskosten des Gebäudes auch bedeutsam, ob wegen der besonderen Gestaltung oder Ausstattung des Grundstücks die Voraussetzungen für eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorliegen (Anschluß an ständige Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 21 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der als niedergelassener Arzt selbständig tätige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ließ im Jahre 1981 für insgesamt . . . DM ein Zweifamilienhaus errichten, das im Dezember 1981 bezugsfertig wurde. Die Hauptwohnung mit einer Fläche von 173 qm wird ebenso wie die zum Haus gehörende Garage von den Klägern zusammen mit ihren Kindern selbst genutzt; dazu gehören noch eine Sauna und ein Hobbyraum im Keller. Im Kellergeschoß befindet sich außerdem eine Notarztpraxis. Die 73 qm große Einliegerwohnung ist seit Februar 1982 fremdvermietet. Den Einheitswert hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Ertragswertverfahren ermittelt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1982 setzten die Kläger außer der Miete für die Einliegerwohnung von . . . DM als Rohmietwert der selbstgenutzten Wohnung den Betrag von 16 416 DM (7,90 DM je qm) an und machten Werbungskosten in unstreitiger Höhe von . . . DM geltend. Dagegen ging das FA von einem Rohmietwert von 22 420,80 DM (10,80 DM je qm) zuzüglich des Mietwerts der Garage von 480 DM aus, ließ jedoch Absetzungen für Abnutzung (AfA) nur von als angemessen angesehenen Herstellungskosten in Höhe von . . . DM zu und kürzte dementsprechend die laufenden Werbungskosten. Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1989, 183, veröffentlichtem Urteil statt, nachdem es ein Sachverständigengutachten zur Höhe der Marktmiete eingeholt hatte. Der Gutachter ging vom Mietspiegel der Gemeinde . . . für Mietwohnungen in guter Wohnlage oberer Wert aus (7,30 DM je qm) und machte hierauf Zuschläge wegen Ein- bzw. Zweifamilienhauseigenschaft von 10 v. H. und wegen Ausstattung mit Hobbyraum und Sauna von 20 v. H., so daß 9,50 DM je qm ,,angemessen und ortsüblich" seien. Diesem Gutachten entsprechend sei von einer ,,Marktmiete" in Höhe von 9,50 DM je qm auszugehen, so daß der Jahresmietwert der Wohnung 20 406 DM betrage. Die Marktmiete spiegele auch den besonderen Wohnwert der Wohnung angemessen wider. Es fehle jedenfalls an den Voraussetzungen für eine Bewertung im Sachwertverfahren. Daher müsse ein Ansatz der Kosenmiete unterbleiben. Es sei davon auszugehen, daß die Existenz einer Marktmiete gleichzeitig die Vermutung enthalte, daß diese Miete den Wohnwert angemessen widerspiegele.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Das FG sei vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Januar 1986 IX R 7/89 (BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394) abgewichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Revision greift durch, weil das Urteil des FG § 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verletzt.
Der gemäß § 21 Abs. 2 EStG einkommensteuerpflichtige Nutzungswert der Wohnung im eigenen Haus ist nach ständiger Rechtsprechung in der Weise zu ermitteln, daß einem zu schätzenden Rohmietwert die nachgewiesenen Werbungskosten gegenübergestellt werden. Nach der Grundsatzentscheidung des Senats in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 ist der Nutzungswert der eigenen Wohnung in einem besonders aufwendig gestalteten oder ausgestatteten Zweifamilienhaus anhand der Kostenmiete zu ermitteln, wenn sich eine für vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt erzielbare Miete nicht feststellen läßt oder die festgestellte Marktmiete den besonderen Wohnwert der Wohnung nicht angemessen widerspiegeln würde. Für letztere Frage ist außer verhältnismäßig hohen Herstellungskosten des Gebäudes regelmäßig auch bedeutsam, ob wegen der besonderen Gestaltung oder Ausstattung des Grundstücks die Voraussetzungen für eine Bewertung des Grundstücks im Sachwertverfahren vorliegen (vgl. dazu auch die Senatsurteile vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456, und vom 26. Januar 1988 IX R 123/84, BFH/NV 1988, 635). Auch in den Urteilen zu teilweise selbstgenutzten, teilweise vermieteten historischen Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist der Senat vom Ansatz der Kostenmiete als naheliegend ausgegangen (Urteile vom 29. März 1988 IX R 55/83, BFH/NV 1988, 636, und vom 15. Januar 1991 IX R 21/89, BFH/NV 1991, 533). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Hiermit steht das FG-Urteil nicht in Einklang.
Das FG hat seiner Schätzung des Mietwerts rechtsfehlerhaft als ,,Marktmiete" lediglich eine aus dem örtlichen Mietspiegel für Mietwohnungen in . . . entwickelte Miete zugrunde gelegt. Denn die Marktmiete ist nach ständiger Rechtsprechung anhand des für vergleichbare Wohnobjekte nicht nur in der näheren Umgebung erzielbaren Mietzinses zu bestimmen (Senatsurteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394, Ziff. 2 der Gründe m. w. N.). Dabei ist nicht nur auf Vergleichsobjekte der näheren Umgebung abzustellen (BFH-Urteile vom 10. August 1972 VIII R 82/71, BFHE 106, 543, BStBl II 1972, 883, und VIII R 80/69, BFHE 107, 199, BStBl II 1973, 10, und vom 11. Oktober 1977 VIII R 20/75, BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860).
Eine weitere Abweichung des FG von dem Senatsurteil in BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394 liegt in seiner Aussage, daß die von dem Sachverständigen lediglich anhand des Mietspiegels geschätzte erzielbare Miete den hier strittigen Wohnwert angemessen widerspiegeln würde. Die Vorentscheidung läßt insoweit die gebotenen Auseinandersetzung mit den verhältnismäßig hohen Herstellungskosten des Objekts vermissen. Ferner ergeben sich weder aus dem FG-Urteil noch aus dem von ihm in Bezug genommenen Sachverständigengutachten die Gründe dafür, weshalb hier die Voraussetzungen für die Anwendung des Sachwertverfahrens im Rahmen der Einheitsbewertung nicht gegeben seien.
Hiernach kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen tatsächliche Feststellungen, ob mit der Wohnung der Kläger vergleichbare Wohnungen vermietet werden und der ggf. dafür erzielbare Mietzins den vorliegenden Wohnwert angemessen widerspiegeln würde. Lassen sich keine Vergleichsmieten ermitteln, ist die Kostenmiete anzusetzen. Die Sache geht daher gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 418127 |
BFH/NV 1992, 303 |