Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Einem Ordensangehörigen kann der Abzug von Sonderausgaben (Ausgaben zur Förderung kirchlicher Zwecke) im Rahmen des Höchstbetrages nicht deshalb versagt werden, weil er die Ausgaben in Erfüllung seines Ordensgelübdes leistet.
Normenkette
EStG § 10/1/2/e, §§ 10b, 10 Abs. 2 Ziff. 3; EStDV §§ 29, 48
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Sonderausgaben im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe e des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 (Ausgaben zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger, kirchlicher und religiöser Zwecke).
Pater A., über 50 Jahre alt, Mitglied der Oberdeutschen Provinz SJ., war im Jahre 1949 Spiritual im Priesterseminar. Er bezog für diese Tätigkeit von der Regierungshauptkasse ein Gehalt von 4.302 DM, wovon 576,75 DM Lohnsteuer einbehalten wurden. Am 6. Mai 1950 stellte der Steuerpflichtige (Stpfl.) Antrag auf Lohnsteuerjahresausgleich für 1949. Er machte hierbei 2.100 DM als Sonderausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke geltend. Die Oberdeutsche Ordensprovinz der Gesellschaft Jesu hat bestätigt, daß der Stpfl. von seinen Bezügen als Spiritual alles an die Hauptverwaltung seiner Ordensprovinz abführen mußte, was ihm nach Bestreitung seines Lebensunterhaltes noch übrig blieb, und daß das Geld von der Ordensverwaltung ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verwendet wurde.
Das Finanzamt setzte im Einspruchsverfahren den nach der Lohnsteuerjahrestabelle zu erstattenden Betrag von 3,75 DM fest. Den Abzug der geltend gemachten Sonderausgaben lehnte es ab. Die Berufung blieb erfolglos. Das Finanzgericht hat zunächst darauf hingewiesen, daß die Sonderausgaben nur im Rahmen des Höchstbetrages nach § 10 Absatz 2 Ziffer 3 Buchstabe a bis c EStG 1949 berücksichtigt werden könnten. Es hat die Anerkennung aber auch innerhalb des Höchstbetrages versagt, weil dem Beschwerdeführer (Bf.) nach der Bestätigung der Ordensprovinz das Recht der freien Verfügung über etwaige Ersparnisse im Jahre 1949 nicht eingeräumt gewesen sei. Damit sei erwiesen, daß der nach dem Gesetz geforderte Zusammenhang zwischen der Hingabe des Geldes und der Verwendungsbestimmung unterbrochen sei. Daß es dem Bf. überlassen war, ob er einen größeren oder kleineren Teil seines Gehaltes ersparen und damit an den Orden abführen wollte, könne diesen Zusammenhang nicht mehr herstellen.
Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens ist der Stpfl. gestorben. Er ist auf Grund Testamentes von dem Bf. als Alleinerbe beerbt worden.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird Aufhebung der Vorentscheidung und Anerkennung eines Betrages von 1.850 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe e in Verbindung mit § 10 Absatz 2 Ziffer 3 EStG 1949 beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidungen führen.
Nach § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe e EStG 1949 sind Sonderausgaben, die vom Gesamtbetrage der Einkünfte abzuziehen sind, Ausgaben zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger, kirchlicher, religiöser und wissenschaftlicher Zwecke, wenn diese Zwecke als steuerbegünstigt anerkannt worden sind. Welche Zwecke als steuerbegünstigt anerkannt werden, richtet sich nach den Vorschriften des § 29 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDVO) vom 2. Juni 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 109, Amtliches Mitteilungsblatt der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - Amtl. MittBl. - S. 115, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen - Bay. FMBl. - 1949 S. 187). Grundlegende Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung besonders förderungswürdiger gemeinnütziger, mildtätiger, kirchlicher und religiöser und wissenschaftlicher Zwecke ist, daß der Empfänger der Zuwendung eine Körperschaft des öffentlichen Rechts oder eine öffentliche Dienststelle ist und bestätigt, daß der zugewendete Betrag zu einem gemeinnützigen, mildtätigen, kirchlichen, religiösen oder wissenschaftlichen Zweck verwendet wird (ß 29 Absatz 3 Buchstabe a EStDVO 1949). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Der Hauptniederlassung (Provinzialatshaus) der Oberdeutschen Ordensprovinz der Gesellschaft Jesu sind durch Entschließung des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 5. Februar 1921 die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden (Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, Jahrgang 1921 S. 86). Wie in der Anlage 1 zur Entschließung des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen vom 8. April 1947 S. 1291 - 3654 - V hierzu ausgeführt wurde, ist der beteiligte bayerische Rechtsträger nicht die kirchlicherseits eingerichtete Oberdeutsche Ordenprovinz, sondern die Hauptniederlassung (Provinzialatshaus). Nach dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs I 1/46 S vom 12. Februar 1946 (Bay. FMBl. 1946 S. 60) sind als öffentlich-rechtliche Körperschaften im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes auch solche Körperschaften anzusehen, die ihre Eigenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft aus dem Recht eines Landes herleiten. Das gleiche gilt für die Vermögensteuer (Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 6/46 S vom 28. Juni 1946, Bay.FMBl. 1946 S. 63). Die Hauptniederlassung der Oberdeutschen Ordensprovinz SJ. ist danach eine Körperschaft des öffentlichen Rechts im Sinne des Steuergesetzes. Dieser Hauptniederlassung sind die Zuwendungen des Stpfl. zugeflossen. Sie hat bestätigt, daß die vom Stpfl. zugewendeten Beträge ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke verwendet worden sind. Einer besonderen Anerkennung nach § 29 Absatz 2 EStDVO 1949 bedarf es für mildtätige, kirchliche und religiöse Zwecke nicht (zu vgl. Mitteilung betreffend allgemeine Anerkennung besonders förderungswürdiger und gemeinnütziger Zwecke, Ministerialblatt des Bundesministeriums der Finanzen - MinBlFin - 1949/50 S. 5, Bay. FMBl. 1949 S. 377). In dem vom Bf. vorgelegten Rechtsgutachten vom 11. September 1951 ist der Standpunkt vertreten, daß die Zuwendungen an den Orden der Gesellschaft Jesu unmittelbare Zuwendungen zu kirchlichen Zwecken sind, weil alle Zwecke, welche die Gesellschaft Jesu als geistlich approbierter Orden mit besonderem Arbeitsgebiete verfolgt, sei es Pflege der theologischen Wissenschaft oder Ausbildung des Klerus, äußere Missionen, Exerzitien oder Volksmissionen, kirchliche Zwecke seien. Der Begriff "kirchliche Zwecke" ist im § 19 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) in der Fassung des Artikels II des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr. 1 und des Artikels I KontrRG Nr. 12 (zu vgl. Anlage 1 zur Verordnung zur änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 16. Oktober 1948, WiGBl. 1948 S. 141, Bay. FMBl. 1948 S. 297, 306) wie folgt umschrieben: "Kirchlich sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung eine Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts ausschließlich und unmittelbar gefördert wird. Zu diesen Zwecken gehören insbesondere die Errichtung, Ausschmückung und Unterhaltung von Gotteshäusern und kirchlichen Gemeindehäusern, die Abhaltung des Gottesdienstes, die Ausbildung von Geistlichen, die Erteilung von Religionsunterricht, die Beerdigung und die Pflege des Andenkens der Toten, ferner die Verwaltung des Kirchenvermögens, die Besoldung der Geistlichen, Kirchenbeamten und Kirchendiener, die Alters- und Invalidenversorgung für diese Personen und die Versorgung ihrer Witwen und Waisen". Die in dem Rechtsgutachten vertretene Auffassung ist richtig. Die Bestätigung der Oberdeutschen Ordensprovinz SJ. vom 15. September 1951 weicht von der in dem angeführten Rechtsgutachten vertretenen Auffassung insofern ab, als in der Bestätigung gesagt ist, daß die zugewendeten Beträge außer für kirchliche, auch für gemeinnützige und mildtätige Zwecke verwendet werden. Nach § 18 StAnpG in der Fassung der vorstehend angeführten Vorschriften sind mildtätig solche Zwecke, die ausschließlich und unmittelbar darauf gerichtet sind, bedürftige Personen zu unterstützen. Bedürftig sind solche Personen, die infolge ihrer körperlichen oder geistigen Beschaffenheit oder ihrer wirtschaftlichen Lage der Hilfe bedürfen. Mildtätigen Zwecken dienen insbesondere Betriebe und Verwaltungen, die ausschließlich zur persönlichen und wirtschaftlichen Hilfeleistung für bedürftige Personen bestimmt sind. Da der Orden der Gesellschaft Jesu nicht ausschließlich zur persönlichen und wirtschaftlichen Hilfeleistung für bedürftige Personen bestimmt ist, dienen die Zuwendungen an den Orden nicht ausschließlich und unmittelbar mildtätigen Zwecken. Die Bestätigung der Ordensprovinz ist daher zu weit gefaßt. Es ist davon auszugehen, daß die Zuwendungen des Stpfl. an den Orden ausschließlich und unmittelbar zu kirchlichen Zwecken gemacht wurden. Daraus folgt, daß die Vorschrift des § 10 Absatz 2 Ziffer 3 Buchstabe b EStG 1949, wonach Ausgaben zur Förderung besonders anerkannter mildtätiger Einrichtungen in jedem Falle bis zur Höhe von insgesamt 5 v. H. des Gesamtbetrages der Einkünfte abzugsfähig sind, keine Anwendung findet.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß der Abzug der vom Stpfl. der Oberdeutschen Ordensprovinz SJ. zugewendeten Beträge als Sonderausgaben deshalb nicht zulässig sei, weil der Stpfl. in Erfüllung einer kanonischen Verpflichtung gehandelt habe, und weil deshalb der Zusammenhang wischen der Hingabe und der Verwendungsbestimmung unterbrochen sei, ist rechtsirrig. Wie in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 347/50 S vom 9. Februar 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - Teil III S. 73, Bay.FMBl. 1951 S. 157) ausgeführt wurde, ist die von einem Ordensangehörigen beim Eintritt in den Orden übernommene kanonische Verpflichtung, durch seine Arbeit nicht für sich, sondern nur für den Orden zu erwerben, hinsichtlich künftiger Vermögensvorteile bürgerlich-rechtlich unwirksam (ß 310 BGB). Ein Ordensangehöriger, der auf Grund einer außerhalb des Ordens ausgeübten Tätigkeit Einkünfte erzielt, muß deshalb steuerlich so behandelt werden, wie wenn ihm diese Einkünfte persönlich zugeflossen wären. Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes sind auf Ordensangehörige ebenso anzuwenden wie auf alle übrigen einkommensteuerpflichtigen Personen. Wie bei jedem anderen Stpfl. sind auch bei einem Ordensangehörigen Ausgaben im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe e EStG 1949 als Sonderausgaben abzugsfähig. Für die Abzugsfähigkeit solcher Ausgaben ist der Beweggrund, der der Ausgabe zugrunde liegt, unerheblich; maßgebend allein ist die Tatsache, daß die Ausgaben gemacht worden sind. Die vom Stpfl. geleisteten Ausgaben sind danach im Rahmen des § 10 Absatz 2 Ziffer 3 EStG 1949 abzugsfähig; sie sind gemäß § 1 Absatz 2 Ziffer 2 des Gesetzes über den Lohnsteuerjahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - 1950 S. 45, Bay. FMBl. 1950 S. 109) beim Lohnsteuerjahresausgleich zu berücksichtigen.
Die Vorentscheidungen werden wegen unrichtiger Anwendung des bestehenden Rechts aufgehoben (ß 288 Ziffer 1 der Reichsabgabenordnung - AO -).
Der Arbeitslohn des Stpfl. hat im Kalenderjahr 1949 4.302 DM betragen. Der Höchstbetrag für Sonderausgaben gemäß § 10 Absatz 2 Ziffer 3 Buchstaben a, c EStG 1949 ist 800 DM + 1/2 von (2.100 DM - 800 DM =) 650 DM, höchstens aber 7,5 v. H. des Arbeitslohnes 4.302 x 7,5 : 100 = 322 DM. Nach § 20, § 20 a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDVO) 1949 ergibt sich als steuerfreier Jahresbetrag an Sonderausgaben eine Summe von (800 DM + 322 DM =) 1.122 DM + 43 DM (Kirchensteuer) = 1.165 DM abzüglich des Pauschbetrages für Sonderausgaben von 312 DM = 853 DM (ß 3 Ziffer 2 des Gesetzes über den Lohnsteuerjahresausgleich 1949). Die Auffassung des Bf., daß für den Stpfl. gemäß § 10 Absatz 2 Ziffer 3 Buchstabe d EStG 1949 sich der Betrag von 800 DM auf 1.600 DM erhöhe, weil der Stpfl. das 50. Lebensjahr vollendet hatte, ist richtig. Diese Erhöhung greift für das Jahr 1949 nur Platz bei Sonderausgaben im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstaben a - d EStG 1949, nicht aber bei Ausgaben zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne des § 10 Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe e EStG 1949. Bei Zugrundelegung des vorstehend errechneten steuerfreien Jahresbetrages ergibt sich ein steuerpflichtiger Jahresarbeitslohn von (4.302 DM - 853 DM =) 3.449 DM. Die Lohnsteuer für diesen Betrag berechnet sich nach der Jahreslohnsteuertabelle (Anlage zu § 32 Absatz 1 LStDVO 1949) in Steuerklasse I auf 366 DM. Die tatsächliche einbehaltene Lohnsteuer beträgt 576,75 DM. Der Unterschiedsbetrag von (576,75 DM - 366 DM =) 210,75 DM ist dem Bf. vom Finanzamt zu erstatten. Wenn der nach der Einspruchsentscheidung zu erstattende Betrag von 3,75 DM dem Bf. bereits vergütet sein sollte, wäre er auf den Betrag von 210,75 DM anzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 407328 |
BStBl III 1952, 49 |
BFHE 1953, 117 |
BFHE 56, 117 |