Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Im werbenden Zeitschriftenhandel kann in der Regel die aktive Rechnungsabgrenzung der an die Werber gezahlten Provisionen für den Abschluß von Abonnementsverträgen, die sich über mehr als ein Wirtschaftsjahr erstrecken, nicht gefordert werden. Diese stellen vielmehr Betriebsausgaben des Jahres der Zahlung dar.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Zeitschriftenhändler, Zeitungsagent, Versicherungsvertreter, sowie Textilwareneinzelhändler und betreibt noch nebenbei einen Lesezirkel. Die Kundenwerbung erfolgt einmal durch Angestellte, zum anderen durch selbständige Werber (Agenten), die sowohl für Zeitschriften als auch für Lesemappen Abonnements-Verträge abschließen. Die Dauer der Verträge beträgt meist bindend ein halbes Jahr, in Einzelfällen auch ein Jahr. Die Provision erhalten die Werber sofort bei Auftragseingang in der Erwartung, daß die Verträge mindestens ein halbes Jahr lang erfüllt werden. Die Werber haften dem Bg. bis zu drei Monaten mit ihrer Provision für die Einhaltung der Verträge; nach Ablauf dieser Zeit ist die Provision durch den Werber endgültig verdient. Der Bg. behandelte die gezahlten Provisionen an die Werber als Betriebsausgaben im Jahre der Zahlung. Nach einer im Herbst 1953 durchgeführten Betriebsprüfung erkannte das Finanzamt jedoch die gezahlten Provisionen nur insoweit als laufende Betriebsausgaben im Jahre der Zahlung an, als auch die Erfüllung der Verträge in dieses Jahr fiel, und nahm für den Provisionsanteil, der dem auf das folgende Jahr entfallenden Teil der Verträge entsprach, eine aktive Rechnungsabgrenzung vor. Als Wertberichtigung hierzu passivierte es 10% der aktivierten Beträge für Fälle, in denen die Haftungszeit bereits abgelaufen oder die Provision der Werber aus anderen Gründen nicht zurückzuerlangen war. Demgemäß wurden die Veranlagungen für die Steuerabschnitte II/1948 bis 1950 berichtigt und für 1951 endgültig durchgeführt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Mit der Berufung machte der Bg. geltend, eine Aktivierung der Belieferungsrechte sei nicht zulässig, da es sich bei diesen nicht um bewertbare Wirtschaftsgüter des Handelsverkehrs handle. Aus dem gleichen Grunde sei auch die Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens unzulässig, da diese Behandlung zumindest zum Teil auf eine unzulässige Bewertung der Belieferungsrechte hinauslaufe.
Das Finanzamt führte dagegen aus, es handle sich nicht um die Bewertung der Belieferungsrechte, sondern um die richtige Ermittlung des Periodengewinnes mit den wirtschaftlich das einzelne Jahr betreffenden Ausgaben.
Das Finanzgericht folgte der Auffassung des Bg. und setzte demgemäß Gewinn, Einkommen und Einkommensteuer für die Steuerabschnitte II/1948 bis 1951 anders fest.
Es führte zur Begründung aus: In den Kriegs- und Vorkriegsjahren hätten nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs die Belieferungsrechte im werbenden Buch- und Zeitschriftenhandel aktiviert werden müssen, da sie damals Gegenstand des Handelsverkehrs gewesen seien. Die Verhältnisse hätten sich jedoch seit dem Ende des Krieges grundlegend geändert. Die Verträge würden heute nur noch kurzfristig abgeschlossen, so daß sie nicht mehr Gegenstand des Handelsverkehrs seien. Daraus folge, daß sie auch nicht mehr als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut angesprochen werden könnten. Ausgaben dafür könnten aber nur aktiviert werden, wenn ihnen ein bewertbares Wirtschaftsgut gegenüberstehe.
Auch der Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens komme nicht in Betracht. Die Dinge lägen hier nicht etwa wie bei den noch im alten Jahre für das kommende Jahr bereits gezahlten Mieten und Löhnen. Werbeaufwendungen wirkten sich in jedem Betriebe oft erst in der Zukunft aus. Im werbenden Zeitschriftenhandel seien ständige Werbeaufwendungen nötig, weil die Verträge meist nur kurzfristig abgeschlossen würden. Bei den Aufwendungen des Bf. handle es sich nicht um einen einmaligen Werbefeldzug, sondern um eine fortlaufende Werbung mit im großen und ganzen gleichbleibenden Beträgen. Diese müßten ebenso wie sonstige Reklamekosten, Löhne und Gehälter als laufende Betriebsausgaben behandelt werden. Es sei unmöglich, am Bilanzstichtage festzustellen, inwieweit es sich um Aufwendungen handle, die erst im folgenden Jahr einen Erfolg brächten. Auch der Betriebsprüfer erkenne an, daß eine Aufteilung und Abgrenzung dieser Kosten nur mit Schwierigkeiten möglich sei. Sie widerspreche auch kaufmännischem Gebrauch und führe zu einer unnötigen Erschwerung des kaufmännischen Rechnungswesens. An dieser Beurteilung ändere die Tatsache nichts, daß der Werber bis zu drei Monaten für die Einhaltung der Verträge hafte. Im Endergebnis würde auch der Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens den Wegfall der Aktivierung der Belieferungsrechte zum Teil wieder aufheben.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) hält der Vorsteher des Finanzamts seine bisherige Auffassung aufrecht. Er meint, gerade die Entscheidung des Finanzgerichts führe zu einer willkürlichen Ausgabenverteilung insofern, als im Jahre der Aufwendungen der Gewinn stark gemindert werde, während bei Zahlung der Abonnementspreise im folgenden Jahr unter Umständen ein unverhältnismäßig hoher Gewinn entstehe. Ein Vergleich mit den Reklameaufwendungen sei nicht möglich, da dort nicht feststellbar sei, in welchem Jahre sich die Aufwendungen auswirkten, während sie im vorliegendem Falle mit einer bestimmten Lieferung in Verbindung gebracht werden könnten. Die Provisionen an die Werber seien nichts anderes als solche an einen Warenagenten, der seine Provisionsansprüche ebenfalls aktivieren müsse. Es sei auch nicht zutreffend, daß der Erwerber eines Betriebs die Provisionszahlungen nicht ermittle und als solche bei der Kalkulation des Kaufpreises nicht berücksichtige. Dem Finanzamt seien Fälle bekannt, in denen bei dem Verkauf von Geschäften des Zeitschriftenhandels die Provisionen in vollem Umfang berücksichtigt worden seien. Das hätte das Finanzgericht prüfen und aufklären müssen. Es habe deshalb insoweit seine Ermittlungspflicht verletzt.
Der Bg. ist der Auffassung, daß das Finanzgericht mit zutreffender Begründung sowohl die Aktivierung der Belieferungsrechte wie die aktive Rechnungsabgrenzung der an die Werber gezahlten Provisionen verneint habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Streitig ist allein die Frage, ob Provisionen, die der Bg. an seine Werber gezahlt hat, aktiv in den Fällen abzugrenzen sind, in denen der Abonnementsvertrag nicht im Jahre der Zahlung ausläuft, sondern sich auch noch auf das folgende Jahr erstreckt. Die Frage der aktiven Abgrenzung bestimmter Aufwendungen ist eine Frage der Grundsätze des Einkommensteuerrechts und der dynamischen Bilanzauffassung, denen es entspricht, daß grundsätzlich die Ausgaben das Jahresergebnis mindern, die wirtschaftlich gesehen Aufwand dieser Wirtschaftsperiode darstellen (siehe z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/57 U vom 13. August 1957, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S.350). Feste Regeln, die eine Grenzziehung erlauben, gibt es nicht, abgesehen von den typischen Fällen der vorausgezahlten Miete, Pacht, Zinsen, Versicherungsbeiträge usw. (siehe dazu Theis in Finanz-Rundschau 1956 S. 195). Es wird daher weitgehend auf die praktische übung des vorsichtigen Kaufmannes ankommen, ob und in welchem Umfange er von einer aktiven Rechnungsabgrenzung für bestimmte Ausgaben Gebrauch macht. Erfahrungsgemäß werden zwar die passiven Posten der Rechnungsabgrenzung von den Unternehmern genauer bilanziert als die aktiven Posten. Das kann dann hingenommen werden, wenn es sich alljährlich um etwa gleiche Werte und Posten handelt (siehe z. B. Baier-Fähnrich, Die steuerliche Betriebsprüfung Abschn. 169 S. 364). Hinzu kommt, daß auch praktische Gesichtspunkte einer Ausdehnung der Abgrenzungsposten über die erwähnten typischen Fälle hinaus entgegenstehen, da vielfach Schätzungen erforderlich sind, die vom Standpunkte der ordnungsmäßigen Buchführung aus unerwünscht sind. Auch der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung IV 255/53 U vom 28. Januar 1954 (Slg. Bd. 58 S. 516, BStBl 1954 III S. 109) betont, daß er eine zu starke Ausweitung des Begriffes der Rechnungsabgrenzungsposten nicht für vertretbar halte, und daß auch für diesen Begriff eine Grenze gezogen werden müsse, die nur dort liegen könne, wo zwischen dem vorhergehenden Aufwand und dem Ertrag einer späteren Rechnungsperiode bei objektiver Betrachtung ein eindeutig erkennbarer ursächlicher wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Mit dem Finanzgericht verneint aber der Senat die Frage, ob ein genügend eindeutiger wirtschaftlicher Zusammenhang der gezahlten Provisionen mit den erst im folgenden Wirtschaftsjahre ablaufenden Abonnementsverträgen festgestellt werden kann, bei denen nicht mit Sicherheit vorauszusehen ist, ob sie im Endergebnis zur Durchführung kommen (siehe auch Theis a. a. O.). Man wird ferner davon ausgehen müssen, daß die streitigen Kosten als Kosten des Vertriebes im Jahre der Ausgabe voll abgesetzt werden können (siehe dazu Lenski, Der Betriebs-Berater 1955 S. 1085 ff). Bereits Baier-Fähnrich (Die steuerliche Betriebsprüfung, Abschn. 169 S.364) haben darauf hingewiesen, daß es richtiger sei, die Abgrenzungsposten nicht so sehr unter dem Gesichtspunkte des Aufwandes oder Ertrages zu sehen, sondern die Betriebswerte die Betriebsverpflichtungen zu erkennen, deren zahlenmäßiger Ausdruck diese Zahlen seien. Einmal sei die Bilanz im steuerlichen Sinne eine Vermögensrechnung, dann aber seien diese Posten für den Stichtag der Einheitsbewertung auch Teile des betrieblichen Einheitswertes, in dem aber nur Betriebswerte und betriebliche Verbindlichkeiten erscheinen könnten. Auch der erkennende Senat hat in der oben zitierten Entscheidung I 255/53 U vom 28. Januar 1954 bereits ausgesprochen, daß Aufwendungen in der Regel als laufende Betriebsausgaben abzugsfähig sind, es sei denn, daß ihnen eine über das Jahr, in dem sie gemacht worden sind, hinausgehende Nutzung zukommt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens nur dann verlangt werden kann, wenn durch die Aufwendungen auch ein bewertbares Wirtschaftsgut im Sinne des § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geschaffen wird (so Grieger, Der Betriebs-Berater 1957 S. 919, in der Besprechung des Urteils I 46/57 U vom 13. August 1957, BStBl 1957 III S.350). Jedenfalls darf die Forderung nach Abgrenzung des betriebswirtschaftlich richtigen Periodengewinnes nicht überspannt werden, zumal das Einkommensteuerrecht den Grundsatz nicht kennt, daß steuerlich nur der betriebswirtschaftlich richtige Periodengewinn erfaßt werden darf (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs I 32/55 U vom 17. Juli 1956, Slg. Bd. 63 S. 181, BStBl 1956 III S. 268, betreffend die Behandlung der Gewerbesteuerrückstellungen). Voraussetzung ist hierbei, daß die Stetigkeit der Gewinnermittlung nicht beeinträchtigt wird. Das ist aber, wie das Finanzgericht festgestellt hat und wie sich auch aus der Natur des Zeitschriftenvertriebes sowie aus den für die Jahre 1948 bis 1951 festgestellten Zahlen ergibt, nicht der Fall. Es handelt sich bei den Provisionen an die Werber um Ausgaben, die ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren und sich auch in ihrer Höhe, wenn auch selbstverständlich mit gewissen Schwankungen, gleichmäßig entwickeln. Jedenfalls handelt es sich nicht um eine Stoß- oder einmalige Werbeaktion, bei der die Frage der Aktivierung der aufgewendeten Kosten unter Umständen rechtlich anders zu beurteilen wäre.
Bei der Beurteilung der Streitfrage darf, wie das Finanzgericht mit Recht ausgeführt hat, die gesamte Nachkriegsentwicklung im werbenden Zeitschriftenhandel nicht unberücksichtigt bleiben. In diesem sind, wie sich insbesondere aus den sehr eingehenden Darlegungen von Mittelbach, Steuerwarte 1954 S.73, ergibt, seit Kriegsende erhebliche Veränderungen eingetreten. Hierzu gehört in erster Linie die im allgemeinen wesentlich verkürzte Laufzeit der Abonnementsverträge, die z. B. im vorliegenden Falle nur noch sechs Monats beträgt. Hinzu kommt der Wegfall der früher üblichen Verlängerungsklausel, nach der bei Nichtkündigung der Belieferungsvertrag um ein weiteres Jahr lief. Es steht weiter nicht fest, ob der Abonnementsvertrag voll eingehalten wird, ein Unsicherheitsfaktor, dem auch das Finanzamt durch Ansatz eines Wertberichtigungspostens von 10% Rechnung getragen hat. Das alles sind Gesichtspunkte, die gegen eine aktive Rechnungsabgrenzung, wie sie das Finanzamt verlangt, sprechen. Dem steht nicht entgegen, daß dem Beschwerdeführer, wie er jetzt vorträgt, Fälle bekannt seien, in denen bei dem Verkauf von Geschäften des Zeitschriftenhandels die gezahlten Provisionen bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt worden seien. Der Handel mit solchen Rechten müßte, um ihre Bewertbarkeit annehmen zu können, einen gewissen Umfang haben und dürfte sich nicht auf Einzelfälle beschränken. Unter diesen Umständen sieht der Senat auch eine Verletzung der Ermittlungspflicht gemäß § 204 der Reichsabgabenordnung (AO) durch das Finanzgericht nicht als gegeben an, da sich ein Anlaß zur Vornahme von Ermittlungen in dieser Richtung aus dem Sachverhalt nicht ergab, zumal auch jetzt nicht behauptet wird, daß allgemein oder in beachtlichem Umfang eine Bewertung der gezahlten Provisionen bei Verkäufen derartiger Unternehmen erfolge. Auch nach dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vor dem Finanzgericht wurde der Sachverhalt als geklärt angesehen, wobei das Finanzamt von einer Wahrnehmung des Termins dieser mündlichen Verhandlung abgesehen hatte.
Nach alledem sind die Kosten für die Provisionszahlungen an die Werber nicht abgrenzungspflichtig, da auch in dieser Hinsicht dem Unternehmer eine angemessene Entscheidungsfreiheit belassen bleiben muß. Vielmehr sind solche im Betriebe üblicherweise anfallenden Aufwendungen im Jahre der Aufwendung als Betriebsausgaben abzusetzen, wobei noch darauf hinzuweisen ist, daß auch in zahlreichen anderen Fällen dem Aufwand in einem Wirtschaftsjahr erst Erträge späterer Jahre gegenüberstehen, ohne daß dabei die jeweiligen Aufwendungen aktiv abgegrenzt würden.
Die Rb. ist demnach im Ergebnis nicht begründet. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden. Für die Jahre 1949 bis 1951 ist der Bg. zusammen mit seiner Ehefrau nach § 26 EStG a. F. veranlagt worden. Durch das Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848, BStBl 1957 I S. 352) sind die Vorschriften über die Zusammenveranlagung von Ehegatten geändert worden. Da der Bf. die Geschäftsjahre II/1948 und 1949 verbunden hat, sind die für den Steuerabschnitt 1949 geltenden Bestimmungen für die Gewinnermittlung für den Steuerabschnitt III/1948/1949 unter Umständen von Bedeutung. Die Sache muß deshalb unter Aufhebung der Vorentscheidungen an das Finanzamt zurückverwiesen werden, damit dieses prüfen kann, inwieweit die Vorschriften dieses Gesetzes auf den vorliegenden Fall Anwendung finden.
Fundstellen
Haufe-Index 408961 |
BStBl III 1958, 162 |
BFHE 1958, 414 |
BFHE 66, 414 |
BB 1958, 405 |
DB 1958, 415 |