Leitsatz (amtlich)
Vorstandsmitglieder von AG und Geschäftsführer von GmbH können die Steuervergünstigungen nach § 12 Abs. 1 des 2. VermBG vom 1. Juli 1965 (BGBl I 1965, 585, BStBl I 1965, 346) nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
2. VermBG § 12 Abs. 1
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) war Vorstandsmitglied der X.-Brauerei in H., an deren Aktienkapital er nicht beteiligt war. Er beantragte bei der Einkommensteuerveranlagung 1965, einen Betrag von 312 DM, den er durch seine Arbeitgeberin vermögenswirksam hatte anlegen lassen, auf Grund des 2. VermBG vom 1. Juli 1965 (BGBl I 1965, 585, BStBl I 1965, 346) nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln. Das FA lehnte dies ab. Es vertrat, gestützt auf die mit Zustimmung des BdF ergangenen gleichlautenden Ländererlasse vom 13. Dezember 1965 (BStBl II 1965, 187), den Standpunkt, daß der Revisionsbeklagte als Vorstandsmitglied einer AG kein Arbeitnehmer im Sinne des 2. VermBG und deshalb nicht befugt sei, entsprechende Steuervergünstigungen in Anspruch zu nehmen.
Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG führte aus, es gebe im Arbeits- und Sozialversicherungsrecht keinen übereinstimmenden Begriff des Arbeitnehmers. Das spreche gegen die Annahme, der im 2. VermBG verwendete Begriff des Arbeitnehmers sei ausschließlich im arbeitsrechtlichen Sinne auszulegen. Diese Einengung wäre nur dann vertretbar, wenn sie dem Sinn und Zweck des 2. VermBG entsprechen würde und dieses Gesetz eindeutig arbeitsrechtlichen Charakter hätte. Das FG vertrat die Ansicht, aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich nicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Streichung des Hinweises auf das Betriebsverfassungsgesetz, die im 2. VermBG gegenüber dem 1. VermBG (BGBl I 1961, 909, BStBl I 1961, 680) vorgenommen worden sei, der Anwendungsbereich des Gesetzes lediglich auf die öffentlich Bediensteten erweitert worden sei, im übrigen aber an dem arbeitsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers festgehalten werden sollte.
Das FG vertrat die Ansicht, dem Gesetz könne nicht entnommen werden, daß es vorrangig arbeitsrechtlicher Natur sei. Es verfolge in erster Linie sozialpolitische Ziele. Es wolle die Vermögensbildung der Arbeitnehmer fördern. Das sei aber kein typisch arbeitsrechtliches Anliegen. Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH würden arbeitsrechtlich nur deshalb nicht als Arbeitnehmer angesehen, weil sie im Interessenkonflikt zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf seiten des Arbeitgebers stehen würden und Regeln des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG), des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG), des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) usw. für sie nicht paßten (vgl. Maus, Handbuch für das Arbeitsrecht, II S. 71). In bezug auf die Vermögensbildung sei die Interessenlage aber eine andere. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es, auf möglichst breiter Basis die Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu fördern (so Schelp-Schmitt-Haase, Kommentar zum 2. VermBG, 2. Aufl. 1965, Anm. 35 zu § 1). Das spreche dafür, nachdem die ausdrückliche Beschränkung auf Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG fortgefallen sei, den Arbeitnehmerbegriff im 2. VermBG als arteigenen Begriff auszulegen, bei dem auch steuer- und sozialversicherungsrechtliche Gesichtspunkte nicht unberücksichtigt bleiben dürften.
Mit der Revision beantragt das FA Aufhebung der Vorentscheidung. Es rügt die Verletzung von Bundesrecht. Es lehnt die Ansicht des FG ab, der Arbeitnehmerbegriff des 2. VermBG sei als arteigener Begriff aufzufassen. Dem Gesetz sei der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers zugrunde zu legen.
Der Steuerpflichtige beantragt Zurückweisung der Revision. Er ist der Ansicht, die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs, in den angezogenen Verwaltungsrichtlinien verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 des GG. Der Arbeitnehmerbegriff des 2. VermBG decke sich mit dem steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriff in § 1 Abs. 2 LStDV.
Der dem Verfahren beigetretene BdF hat den innerhalb der Bundesregierung für das 2. VermBG zuständigen BMA um Stellungnahme gebeten, die er sich zu eigen macht. Darin wird ausgeführt, es sei bedenklich, von einem arteigenen Begriff des Arbeitnehmers auszugehen. Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes spreche für eine arbeitsrechtliche Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs.
Eine so grundlegende Änderung des alten Gesetzes, wie sie der Ersatz des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs durch einen anderen (arteigenen, steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen) Begriff darstelle, hätte einen ausdrücklichen Niederschlag, zumindest in der Begründung finden müssen. Es sei auch kein Grund für die Aufgabe der bisherigen arbeitsrechtlichen Betrachtungsweise erkennbar. Die Streichung des Hinweises auf das BetrVG habe lediglich den Zweck gehabt, die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in das Gesetz einzubeziehen.
Der arbeitsrechtliche Charakter des Arbeitnehmerbegriffs ergebe sich auch aus Sinn und Aufbau des VermBG.
Daß im Rahmen des Gesetzes zumindest nicht der steuerliche Arbeitnehmerbegriff allgemeine Anwendung finde, sei aus der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 2 des 2. VermBG zu entnehmen, in der ausdrücklich und ausnahmsweise vom "Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts" gesprochen werde.
Für die arbeitsrechtliche Auslegung spreche ferner § 15 des 2. VermBG, durch den die Beamten, Richter und Soldaten ausdrücklich in das Gesetz einbezogen worden seien.
Der arteigene Arbeitnehmerbegriff sei auch nicht erforderlich. Auf arteigene Begriffe sei sinnvollerweise nur zurückzugreifen, wenn eine Einordnung in die vorhandenen eingeführten Begriffe nicht möglich sei. Zwar stimme der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff weder mit dem sozialversicherungsrechtlichen noch mit dem steuerlichen Begriff voll überein. Das schließe aber nicht aus, daß Voraussetzung für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vorteile die arbeitsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft des Begünstigten sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der Begriff des Arbeitnehmers ist für verschiedene Rechtsgebiete von Bedeutung, insbesondere für das Arbeitsrecht, das Steuerrecht und das Sozialversicherungsrecht. Es fehlt an einer für die verschiedenen Rechtsgebiete gültigen, übereinstimmenden gesetzlichen Umschreibung des Begriffs Arbeitnehmer. Eine solche allumfassende Begriffsbestimmung würde auch auf Schwierigkeiten stoßen, weil die verschiedenen zu regelnden Rechtsgebiete teilweise verschiedenen Zwecken dienen. Das Fehlen eines einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs hat zur Folge, daß der Begriff des Arbeitnehmers in den verschiedenen Rechtsgebieten einen unterschiedlichen Inhalt hat.
Der Begriff des Arbeitnehmers ist auch weder im 2. VermBG noch in seinem Vorgänger, dem 1. VermBG, umschrieben.
Die Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer ist ein neues Rechtsgebiet. Das 1. wie das 2. VermBG enthalten Vorschriften unterschiedlichen Inhalts, die verschiedenen Rechtsgebieten zuzuordnen sind. So haben die grundlegenden Vorschriften sowie u. a. die Vorschriften über den notwendigen Inhalt von Vereinbarungen über vermögenswirksame Leistungen sowie von entsprechenden Betriebsvereinbarungen arbeitsrechtlichen Charakter, während die Vorschriften über Steuervergünstigungen dem Steuerrecht und die Vorschriften über sozialversicherungsrechtliche Vergünstigungen dem Sozialversicherungsrecht zuzuordnen sind. Diese Vielfalt des gesetzlichen Inhalts nötigt aber nach Ansicht des Senats nicht dazu, für die Anwendung des Gesetzes einen arteigenen Begriff des Arbeitnehmers anzunehmen, wie es das FG getan hat.
Die bestehenden Unklarheiten über den im 2. VermBG anzuwendenden Arbeitnehmerbegriff haben den Gesetzgeber veranlaßt, im Gesetz zur Änderung des 2. VermBG vom 3. September 1969 (BGBl I 1969, 1563, BStBl I 1969, 569) erstmalig den Begriff des Arbeitnehmers für das 2. VermBG verbindlich zu umschreiben. Dieses Gesetz ist nach seinem Art. 6 am 1. Juli 1969 in Kraft getreten, gilt also für den Streitfall nicht unmittelbar, ist aber doch für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs von Bedeutung.
Nach § 1 Abs. 2 der Neufassung des 2. VermBG vom 1. Oktober 1969 (BGBl I 1969, 1853, BStBl I 1969, 644) sind Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten. Nach dem neu angefügten Abs. 3 gelten die Vorschriften des Gesetzes nicht
a) für vermögenswirksame Leistungen juristischer Personen an Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist,
b) für vermögenswirksame Leistungen von Personengesamtheiten an die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.
Nach Abs. 4 gelten die Vorschriften des Gesetzes entsprechend für Beamte, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit sowie berufsmäßige Angehörige und Angehörige auf Zeit des Zivilschutzkorps. In der Begründung des Gesetzes vom 3. September 1969 (Bundestagsdrucksache V/3532) wird hierzu folgendes ausgeführt:
"Die neuen Absätze 2 und 3 legen fest, daß durch das Gesetz Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne gefördert werden. Dies entspricht der bisher überwiegend vertretenen Auffassung. Jedoch ist teilweise in der Literatur und Rechtsprechung auch die Ansicht zu finden, daß das Gesetz von einem steuerrechtlichen oder einem arteigenen Arbeitnehmerbegriff ausgehe und daher beispielsweise Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften unter seinen Geltungsbereich fielen. Um diese Zweifel zu beseitigen, wird nunmehr ausdrücklich festgelegt, wer durch das Gesetz gefördert wird.
Anders als bei der bisherigen Regelung in § 1 Abs. 2 wird nicht mehr bestimmt, daß das Gesetz auch für mithelfende Familienangehörige gilt. Eine solche Bestimmung hätte lediglich deklaratorische Bedeutung. Die Einbeziehung der mithelfenden Familienangehörigen ist nämlich nur sinnvoll, soweit sie als abhängig Beschäftigte Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Dies tun sie aber nur, wenn ein Arbeitsverhältnis besteht, sie also ohnehin nach dem neuen Abs. 2 unter den Geltungsbereich des Gesetzes fallen."
Der Senat teilt die in dieser Begründung zum Ausdruck gekommene Auffassung des Gesetzgebers, daß auch schon für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. September 1969 (a. a. O.) der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers Geltung hat.
Das 2. VermBG ist, wie sein Vorgänger, das 1. VermBG, ein Gesetz arbeitsrechtlichen Charakters, für das innerhalb der Bundesregierung der BMA zuständig ist. Das ergibt sich, wie der BdF zutreffend ausgeführt hat, schon aus seiner Entstehungsgeschichte. Auch im 1. VermBG war der Begriff des Arbeitnehmers allerdings nicht definiert. Es ergibt sich aber aus dem Zusammenhang der Vorschriften, daß er einen arbeitsrechtlichen Inhalt hatte. Hierfür spricht klar die Begrenzung seines Anwendungsbereichs auf "Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG". Diese Umschreibung des Arbeitnehmerbegriffs ist nur aus der Anwendung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs verständlich; denn das BetrVG ist unbestritten ein Gesetz arbeitsrechtlichen Charakters. Wie der BMA zutreffend betont, fehlt diese Bezugnahme im 2. VermBG. Hieraus ist zu schließen, daß nicht mehr der besondere auf die Betriebsverfassung abgestellte, sondern der allgemeine Arbeitnehmerbegriff angewandt werden sollte, wie er in Rechtsprechung und Literatur zum Arbeitsrecht entwickelt wurde (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. I S. 34 ff., insbesondere S. 45). Das ergibt sich auch aus dem Hinweis in der Begründung zu § 1 Abs. 1 des Regierungsentwurfs des 2. VermBG, daß nunmehr der "allgemeine Arbeitnehmerbegriff" gelten solle. Damit war offenbar kein arteigener Arbeitnehmerbegriff gemeint, sondern der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. In der vom BdF übernommenen Stellungnahme des BMA wird nach Ansicht des Senats zutreffend darauf hingewiesen, daß es gerade im Arbeitsrecht einen allgemeinen Arbeitnehmerbegriff gibt, der immer dann gilt, wenn nicht für bestimmte Gebiete des Arbeitsrechts Besonderheiten vorliegen, wie für den im 1. VermBG erwähnten Arbeitnehmerbegriff des BetrVG. Es muß auch angenommen werden, daß eine so grundlegende Änderung, wie sie die Verwendung eines anderen als des bisherigen Arbeitnehmerbegriffs darstellen würde, mindestens in der Gesetzesbegründung zum 2. VermBG seinen Niederschlag gefunden hätte. Das ist aber nicht der Fall.
Das 2. VermBG bezweckte eine Erweiterung der Anwendungsmöglichkeiten, da von dem 1. VermBG nur in sehr begrenztem Umfang Gebrauch gemacht worden war. Im allgemeinen Teil der Begründung des 2. VermBG (Bundestagsdrucksache IV/2814) heißt es hierzu:
"Der Entwurf bezweckt vor allem
1. jedem Arbeitnehmer zu ermöglichen, Teile seines bisherigen Arbeitslohnes vermögenswirksam anzulegen,
2. über Einzelverträge und Betriebsvereinbarungen hinaus auch Tarifverträge über vermögenswirksame Leistungen zuzulassen,
3. die Beschränkung des Gesetzes auf Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft zu beseitigen, also auch die Angehörigen des öffentlichen Dienstes einzubeziehen,
4. - 8...."
In bezug auf den persönlichen Geltungsbereich des Gesetzes lag der Schwerpunkt der Erweiterung also auf der Ausdehnung auf den öffentlichen Dienst. Das kommt auch in der Begründung zu § 1 in Bundestagsdrucksache Nr. IV/2814 zum Ausdruck. Die weitere Erweiterung des Gesetzes betraf die Möglichkeit der Anwendung tarifvertraglicher Regelungen. Auch hierbei handelt es sich um eine Vorschrift typisch arbeitsrechtlichen Charakters.
Auch Aufbau und Sinnzusammenhang des 2. VermBG sprechen für diese Auslegung. Es wird nicht jede Art von Vermögensbildung gefördert, sondern allein die Vermögensbildung der Arbeitnehmer. Und es fällt auch nicht jede Vermögensbildung der Arbeitnehmer unter das Gesetz; es wird vielmehr nur die in Einzelvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in Betriebsvereinbarungen und in Tarifverträgen niedergelegte Vermögensbildung der Arbeitnehmer gefördert. Es wird also damit bewußt an bestimmte Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis angeknüpft, und es werden hierbei Begriffe verwendet, die ihren Ursprung im Arbeitsrecht haben. Das gilt insbesondere für den Hinweis auf Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge, die nur für Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts Geltung haben.
Im Schrifttum wird denn auch ganz überwiegend die Auffassung vertreten, daß für das 2. VermBG der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff gilt. (Vgl. Schelp-Schmitt-Haase, a. a. O., § 1 Anm. 51; Janert, Kommentar zum 2. Vermögensbildungsgesetz, § 1 Anm. 22; Fitting-Hentrich, 2. Vermögensbildungsgesetz, § 1 Anm. 11; Halbach, AR-Blattei, Vermögensbildung der Arbeitnehmer, B I; Tegtmeyer, Arbeit und Sozialpolitik 1965 S. 306; Nissen, DB 1965, 1374 und 1966, 1405; Wolter, BB 1966, 441; Schwedes, BArbBl. 1965 S. 644; Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Bundesverband der Deutschen Industrie, Deutscher Industrie- und Handelstag, Das 312-DM-Gesetz, 1966 S. 47; a. A. Glade, DB 1965, 1762, und Barth, GmbHR 1967, 11).
Es spricht nicht gegen diese Auslegung, daß die Anreize zur Anwendung des Gesetzes auf steuerlichem und sozialversicherungsrechtlichem Gebiet liegen. Dieser Weg zur Schaffung von Vergünstigungen wurde offenbar beschritten, um den erwünschten Begünstigungseffekt ohne Schaffung neuer Instrumente lediglich durch Einführung von Ausnahmevorschriften auf den bezeichneten Gebieten zu erzielen. Es wäre aber nach Ansicht des Senats verfehlt anzunehmen, daß aus diesem Grunde der im Gesetz nicht umschriebene Arbeitnehmerbegriff aus einem der Rechtsgebiete entnommen worden wäre, auf denen Vergünstigungen gewährt werden, nämlich entweder dem Sozialversicherungsrecht oder dem Steuerrecht. Ebenso verfehlt wäre es aber, hieraus zu schließen, der Gesetzgeber habe keinen der bestehenden Arbeitnehmerbegriffe übernehmen, sondern einen eigenen neuen, eigens für die Anwendung der VermBG bestimmten Arbeitnehmerbegriff schaffen wollen, wie das FG annimmt. Die im Gesetz vorgesehenen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Vergünstigungen kommen vielmehr erst dann zum Zuge, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs vorliegen.
Der BdF weist zutreffend darauf hin, daß auch einzelne Vorschriften des Gesetzes für die Geltung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs im 2. VermBG sprechen. Das ergibt sich einmal aus § 14 des Gesetzes. § 14 regelt die einkommensteuerlichen Vergünstigungen für Arbeitgeber, die ihren Arbeitnehmern vermögenswirksame Leistungen gewähren. Nach Abs. 2 des § 14 gilt Abs. 1 dieses Paragraphen nicht, wenn die vermögenswirksamen Leistungen für mithelfende Familienangehörige erbracht werden, die keine "Arbeitnehmer im Sinne des Steuerrechts" sind. Hieraus ist mit dem BdF zu entnehmen, daß jedenfalls nicht für das Gesetz in seiner Gesamtheit der steuerrechtliche Begriff des Arbeitnehmers gilt; denn anderenfalls wäre nicht ersichtlich, warum gerade diese Spezialvorschrift auf den steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriff abstellt.
Für die Annahme, daß jedenfalls für das 2. VermBG nicht der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff gilt, spricht ferner die Vorschrift des § 15 des 2. VermBG, nach der für Beamte, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend gelten. Einer solchen Vorschrift hätte es nicht bedurft, wenn für das Gesetz allgemein der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff gelten würde; denn dieser umfaßt unstreitig auch die bezeichneten Personengruppen. Es kann der Vorentscheidung aber nicht beigepflichtet werden, wenn sie meint, diese Vorschrift sei nur aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu erklären und deshalb überflüssig. Wie bereits ausgeführt wurde, war gerade die Einbeziehung der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ein besonderes Anliegen des 2. VermBG. Der Verwirklichung dieses Anliegens diente die ausdrückliche Einbeziehung dieses Personenkreises durch die Aufnahme des § 15 in das Gesetz.
Wie die Vorentscheidung zutreffend ausgeführt hat, gehören Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH nicht zu den Arbeitnehmern im Sinne des Arbeitsrechts. (So die Urteile des BGH II ZR 126/52 vom 11. Juli 1953, BGHZ 10, 187; II ZR 41/53 vom 16. Dezember 1953, BGHZ 12, 1; Godin-Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1967, Anm. 9 zu § 84; Maus, a. a. O.; Hueck-Nipperdey, a. a. O., Bd. I S. 90). Der Eigenart dieser rechtlichen Stellung der Organmitglieder haben, wie die Vorentscheidung zutreffend darlegt, einzelne arbeitsrechtliche Gesetze dadurch Rechnung getragen, daß sie diesen Personenkreis ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich ausgenommen haben. So gelten sie nicht als Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG (§ 4 Abs. 2 Buchst. a), des ArbGG (§ 5 Abs. 1 Satz 3), des KSchG (§ 12 Buchst. a), der Arbeitszeitordnung (§ 1 Abs. 2 Nr. 1) und des Schwerbeschädigtengesetzes (§ 5 Abs. 2 b). Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer juristischer Personen können daher auch zu Arbeits- und Sozialrichtern aus den Kreisen der Arbeitgeber berufen werden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, § 16 Abs. 4 Nr. 2 des SGG).
Aus diesen Ausführungen folgt, daß der bezeichnete Personenkreis bei Anwendung des arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs von den Vergünstigungen des Gesetzes ausgeschlossen wird. Hierin kann kein Verstoß gegen den Sinn des Gesetzes gesehen werden. Das Gesetz enthält zwar keine Arbeitslohn- oder Einkommensgrenzen. Es kann aber als seine Zielsetzung angesehen werden, vorwiegend bei den Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen die Bildung von Vermögen - wenn auch in sehr bescheidenem Umfang - zu fördern. Es bedeutet also keinen Verstoß gegen die Zielsetzung des Gesetzes, wenn durch die vom Senat getroffene Auslegung des Gesetzes Vorstandsmitglieder von AG und Geschäftsführer von GmbH von den Förderungsmöglichkeiten ausgeschlossen werden.
Die Herausnahme des bezeichneten Personenkreises aus der Anwendung des Gesetzes stellt auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Der Gleichheitssatz läßt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum. Denn die Anwendung dieser Grundrechtsnorm beruht auf einem Vergleich von Lebensverhältnissen, die nie in allen, sondern stets nur in einzelnen Elementen gleich sind, und es ist Sache des gesetzgeberischen Ermessens, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse maßgebend sind, sie im Recht gleich oder verschieden zu behandeln (BVerfGE 9, 3 [10 ff.]; 6, 273, [280]; 13, 181 [202]). Das BVerfG hat nicht darüber zu befinden, ob der Gesetzgeber die "geeignetste", "vernünftigste" oder "zweckmäßigste" Lösung gewählt hat (BVerfGE 3, 58; 3, 162 [182]; 9, 201 [206]). Bei Gewährung von Vergünstigungen hat der Gesetzgeber einen besonders weiten Ermessensspielraum (BVerfG-Entscheidung 1 BvL 7/65 vom 6. Februar 1968, BStBl II 1968, 133). Hiernach steht Art. 3 Abs. 1 GG nicht einer Auslegung des Gesetzes entgegen, die an den arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff anknüpft und als Folge dieser Auslegung Vorstandsmitglieder einer AG und Geschäftsführer einer GmbH von der Anwendung des Gesetzes ausschließt. Ob die Verwaltungsanweisung in den bezeichneten gleichlautenden Ländererlassen vom 13. Dezember 1965, die in bezug auf diesen Personenkreis zwischen Beamten und anderen Angehörigen des Personenkreises unterscheidet, verfassungskonform ist, braucht als für den Streitfall nicht entscheidungserheblich nicht untersucht zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 68903 |
BStBl II 1970, 243 |
BFHE 1970, 34 |