Leitsatz (amtlich)
Eine eigenhändige Unterschrift i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV (§ 42 Abs. 2 Satz 4 EStG) liegt bei Verwendung von vorab unterschriebenen Unterschriftszettein auch dann nicht vor, wenn dem Steuerpflichtigen vor Absendung der Steuererklärung an das FA eine "Vorausberechnung" seines Steuerberaters, aus der die Besteuerungsgrundiagen ersichtlich sind, zugegangen ist mit der Aufforderung, dem Steuerberater etwaige Änderungen unverzüglich mitzuteilen (Anschluß an BFH-Urteil vom 8. Juli 1983 VI R 80/81, BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13).
Normenkette
EStDV § 60 Abs. 1 S. 2; AO 1977 § 150 Abs. 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
Die steuerpflichtigen Eheleute, die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), reichten für das Streitjahr 1980 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eine von einer Steuerberatungsgesellschaft gefertigte Einkommensteuererklärung ein. Ihre eigenhändigen Unterschriften hatten die Kläger nicht auf dem Erklärungsvordruck, sondern auf einem Unterschriftsstreifen angebracht. Dieser Streifen, der auch die in § 150 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) bezeichnete Versicherung enthielt, wurde nach Erstellung der Erklärung von der Steuerberatungsgesellschaft an der für die Unterschrift vorgesehenen Stelle auf den Erklärungsvordruck geklebt. Vor der Absendung der Steuererklärung sandte die Steuerberatungsgesellschaft den Klägern eine sog. Vorausberechnung, die ähnlich wie ein Steuerbescheid aufgebaut war, mit der Aufforderung, etwaige Ergänzungen unverzüglich aufzugeben.
Mit einer der Steuerberatungsgesellschaft mitgeteilten und an den Kläger gerichteten Verfügung vom 27. März 1981 wies das FA die Einkommensteuererklärung als nicht ordnungsgemäß unterschrieben zurück und forderte dazu auf, die Unterschrift nachzuholen. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion (OFD) zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit einer Begründung statt, die im wesentlichen der seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 135 veröffentlichten Urteils vom 30. Oktober 1981 I 128/81 K entspricht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 60, § 56 Abs. 1 Satz 2, § 57 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1979 (EStDV), § 150 Abs. 3 AO 1977 sowie § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes 1979 (EStG). Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt:
Die Steuererklärung enthalte Wissens- und oftmals Willenserklärungen. Sie müsse deshalb eigenhändig unterschrieben werden. Im Streitfall hätten die Kläger aber nicht ihre Einkommensteuererklärung, sondern lediglich einen Unterschriftsstreifen ausgefüllt. Dies reiche nicht aus, weil der Steuerpflichtige mit seiner Unterschrift die Verantwortung für die Richtigkeit der tatsächlichen Angaben übernehmen solle. Nur aufgrund dessen und der Versicherung, daß die Erklärung nach bestem Wissen und Gewissen abgegeben werde (§ 150 Abs. 2 AO 1977), könne das FA im Regelfall davon ausgehen, daß die Tatsachen in der Steuererklärung vollständig und richtig dargestellt würden. Entgegen der Auffassung des FG solle die Regelung über die eigenhändige Unterschrift nicht lediglich den Nachweis einer im Einzelfall leicht zu ermittelnden Urheberschaft an der Erklärung sicherstellen. - Auch der vom FG angestellte Vergleich mit der Blankounterzeichnung sei unzutreffend. Denn anders als bei der für das FA nicht erkennbaren Unterschriftsleistung auf dem noch unausgefüllten Erklärungsvordruck könne sich der Steuerpflichtige bei der augenfälligen Verwendung von Unterschriftsstreifen dem FA gegenüber darauf berufen, daß die Unterschrift vorab geleistet worden sei. Dies würde insbesondere für das Steuerstrafverfahren von Bedeutung sein.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die im Klageverfahren beigetretene OFD schließt sich diesem Antrag an.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Rechtsauffassung des FG für zutreffend. Insbesondere dürfe eine sinngemäße Anwendung der im bürgerlichen Recht zur Anerkennung von Blankounterschriften entwickelten Grundsätze nicht ausgeschlossen sein. Im übrigen werde der Grundsatz, daß Steuererklärungen eigenhändig zu unterschreiben seien, auch sonst nicht immer durchgeführt; vielmehr passe sich die Finanzverwaltung selbst den technischen und organisatorischen Erfordernissen an. So brauchten z. B. Anlagen häufig nicht unterschrieben zu werden, obwohl sie meist die für die Besteuerung wesentlichen Angaben enthielten. Auch befinde sich die für die Unterschrift des Steuerpflichtigen vorgesehene Stelle in den neueren Vordrucken nicht mehr am Ende der Einkommensteuererklärung, sondern bereits auf der ersten Seite.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten; er vertritt im wesentlichen folgende Auffassung: Das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschriftsleistung i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV sei durch den auf der Steuererklärung aufgeklebten Unterschriftsstreifen nicht erfüllt worden. Der Zweck der genannten Regelung bestehe darin, den Steuerpflichtigen auf die Bedeutung der Einkommensteuererklärung aufmerksam zu machen. Die im Streitfall angewendete Form der Unterschrift führe zu Beweisschwierigkeiten im Steuerstrafverfahren, schränke den Anwendungsbereich des § 173 AO 1977 ein und vermindere psychologische Hemmnisse bei beabsichtigten Verstößen gegen die Wahrheitspflicht. Die dem § 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zugrunde liegende Interessenlage sei hier nicht gegeben. Außerdem sei der Schutz des Erklärungsempfängers bei Verwendung von sichtbar aufgeklebten Papierstreifen nicht so ausgeprägt wie im Falle einer nicht erkennbaren Blankounterschrift. Es gehe hier nicht nur um eine Formalität, sondern um die Klarstellung der persönlichen Verantwortung und damit um einen Teil der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Das FG hat das FA zu Unrecht zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung aufgrund der eingereichten Einkommensteuererklärung verpflichtet.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV muß die Steuererklärung mit Ausnahme der hier nicht berührten Sachverhalte des § 58 EStDV vom Steuerpflichtigen, in den Fällen einer gemeinsamen Erklärung der Ehegatten von den Ehegatten, eigenhändig unterschrieben sein. Das hier angewendete Verfahren genügt diesem Erfordernis nicht.
Der Senat hat im Urteil vom 8. Juli 1983 VI R 80/81 (BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13) entschieden, daß ein auf dem amtlichen Vordruck für den Lohnsteuer-Jahresausgleich angebrachter Klebezettel mit der Unterschrift des Steuerpflichtigen nicht als eigenhändige Unterschriftsleistung i. S. des § 42 Abs. 2 Satz 4 EStG angesehen werden kann. Ebensowenig stellt die Verwendung von derartigen Unterschriftszetteln bei Einkommensteuererklärungen eine eigenhändige Unterschriftsleistung i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV dar.
Wie der Senat im Urteil in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13 ausgeführt hat, lassen sich die im bürgerlichen Recht zu § 126 BGB entwickelten Grundsätze, nach denen Blankounterschriften zur Wahrung der Schriftform ausreichen, weder unmittelbar noch analog auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung von Steuererklärungen übertragen. Der Senat hat dies insbesondere aus der eigenständigen Regelung des § 150 Abs. 2 und 3 AO 1977 gefolgert, wonach unter Berücksichtigung von § 60 Abs. 1 Satz 2 EStDV und abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Rechtslage nicht nur eine Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung durch den Bevollmächtigten ausgeschlossen ist, sondern der Steuerpflichtige auch persönlich schriftlich versichern muß, daß er die Angaben in der Einkommensteuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Der Senat hat im vorstehenden Zusammenhang ferner auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 hingewiesen, weil sich der Steuerpflichtige möglicherweise auf fehlende Kenntnis der tatsächlichen Angaben in der Einkommensteuererklärung berufen könne, wenn die Verwendung von Unterschriftszetteln zulässig sei. Diese Gründe stehen der Zulässigkeit des gewählten Verfahrens auch im vorliegenden Fall entgegen.
Zu Unrecht meinen die Kläger, der Umstand, daß Anlagen zur Einkommensteuererklärung häufig nicht unterschrieben werden müßten, spreche für ihre Rechtsauffassung. Denn soweit auf die Anlagen in der unterschriebenen Einkommensteuererklärung Bezug genommen wird, erstreckt sich die Unterschrift auch auf den Inhalt der Anlagen. Der Hinweis, Einkommensteuererklärungen müßten - anders als noch im Streitjahr - neuerdings nicht mehr am Ende, sondern auf der ersten Seite des Erklärungsvordrucks unterschrieben werden, spricht nicht für die Zulässigkeit des hier gewählten Verfahrens. Daraus ergibt sich vielmehr nur, daß die Unterschrift die Steuererklärung nicht in allen Fällen räumlich abschließen muß, sondern daß es - bei entsprechender Gestaltung des amtlichen Vordrucks - ausreicht, wenn sie gedanklich die Erklärung abschließt. Das ist aber auch dann der Fall, wenn sich die Unterschrift auf der ersten Seite der Einkommensteuererklärung befindet. Hinzu kommt, daß nach der neueren Gestaltung des amtlichen Vordrucks sich die der Rubrik für die Unterschrift vorangestellte Versicherung nach § 150 Abs. 2 AO 1977 ausdrücklich auf "die Angaben in diesem Vordruck und den Anlagen" bezieht.
Schließlich führt auch der Umstand, daß die Kläger im vorliegenden Fall vor Absendung der Einkommensteuererklärung eine "Vorausberechnung" erhalten haben und zur Überprüfung der darin ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen aufgefordert worden sind, zu keinem anderen Ergebnis als im Urteil in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13. Denn weder ist die Vorausberechnung, für die auch kein amtlicher Erklärungsvordruck benutzt wurde, eine Einkommensteuererklärung, noch haben die Kläger die Vorausberechnung unterschrieben. Im übrigen gibt der Steuerpflichtige - worauf auch der Vertreter des BMF in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat - in diesem Zusammenhang allenfalls eine (stillschweigende) Erklärung gegenüber der Steuerberatungsgesellschaft, die ihm die Vorausberechnung zugesandt hat, ab, nicht aber eine Erklärung gegenüber dem FA.
Durch die Zusendung der Vorausberechnung wird auch nicht derselbe Zweck erreicht wie mit der persönlichen Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung. Denn der Steuerpflichtige braucht nicht erkennbar, nämlich durch seine eigene Unterschrift, die Verantwortung für die tatsächlichen Angaben in der Steuererklärung zu übernehmen. Auch die psychologische Wirkung ist eine andere. Zwar wird der Steuerpflichtige durch die Aufforderung, die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen, noch einmal in seinem Gewissen angesprochen. Da er hier aber keine Unterschrift mehr leisten muß, wird er sich leichter entschließen, die Überprüfung und eine evtl. erforderliche Richtigstellung zu unterlassen.
Ist danach das hier angewandte Verfahren trotz Zusendung der Vorausberechnung einer persönlichen Unterzeichnung der Einkommensteuererklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar und erreicht es auch nicht denselben Zweck, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die Besteuerungsgrundlagen aus der Vorausberechnung für den Steuerpflichtigen in gleicher Weise ersichtlich sind wie aus dem ausgefüllten Einkommensteuererklärungsvordruck. Offenbleiben kann auch, wie groß die Gefahr ist, daß bei der Übertragung der in der Vorausberechnung enthaltenen Besteuerungsgrundlagen in den Erklärungsvordruck Fehler unterlaufen.
Schließlich werden durch die Zusendung der Vorausberechnung die vom Senat im Urteil in BFHE 139, 158, BStBl II 1984, 13 im Hinblick auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 geäußerten Bedenken nicht ausgeräumt. Es liegt auf der Hand, daß dieses Verfahren, das keinerlei Antwort auf die Zusendung der Vorausberechnung voraussetzt, dem Steuerpflichtigen eine Reihe späterer, auf die mangelnde Kenntnis vom Inhalt der abgegebenen Erklärung abzielender Einwände offenhält. Insbesondere könnte er geltend machen, die Vorausberechnung nicht erhalten zu haben. Derartigen Einwendungen wollte der Gesetzgeber durch das Erfordernis der eigenhändigen Unterschriftsleistung aber entgegenwirken.
Fundstellen
Haufe-Index 74979 |
BStBl II 1984, 436 |
BFHE 1984, 149 |