Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Antragsveranlagung

 

Leitsatz (NV)

Es ist eine Frage der vom BFH überprüfbaren Auslegung, ob eine schriftsätzliche Äußerung des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA als Antrag auf Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 und Satz 2 EStG eingeordnet werden kann.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 S. 1 Nr. 8, S. 2; AO 1977 § 86

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte im Streitjahr 1978 aus nichtselbständiger Arbeit einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 48 207 DM. Außerdem ist von den Klägern in der am 1. September 1981 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) eingegangenen Einkommensteuererklärung 1978 (Zusammenveranlagung beantragt) für das entweder dem Kläger oder beiden Klägern gehörende selbstgenutzte Einfamilienhaus ein Werbungskostenüberschuß in Höhe von 4 487 DM geltend gemacht worden, der aus der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen gemäß § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) herrührt. Der vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen Einkommensteuererklärung 1973 ist zu entnehmen, daß das Einfamilienhaus im Jahr 1972 erbaut worden ist. In den Einkommensteuererklärungen 1973, 1976 und 1977 sind jeweils unter Beanspruchung der Begünstigung nach § 7b EStG hierfür Werbungskostenüberschüsse erklärt worden.

Da der Kläger früher in X wohnte und dort Inhaber einer Einzelfirma war, wurde er seinerzeit steuerlich vom FA X geführt. Nach seinem Umzug Mitte 1976 in den Zuständigkeitsbereich des FA ist dieses für die Veranlagung zur Einkommensteuer zuständig geworden. Die Einkommensteuerakte ist Ende 1977 vom FA X an das FA abgegeben worden. Die Zuständigkeit für die Gewinn-/Verlustfeststellung der sich in Abwicklung befindlichen Einzelfirma des Klägers ist beim FA X verblieben.

Die von den Klägern am 25. Januar 1979 beim FA X abgegebene Einkommensteuererklärung 1973 ist am 29. Januar 1979 dem FA zugeleitet worden. Im Oktober 1979 reichte der Kläger beim FA die Einkommensteuererklärung für 1974 mit der Bitte ein, die Bearbeitung bevorzugt durchzuführen. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärten die Kläger für 1974 nicht. Gleichzeitig bat der Kläger hinsichtlich der Steuererklärung für 1973 um ,,Bearbeitung und Erstattung". Weiter führte er wörtlich aus: ,,Sobald ich Ihre Bescheide für 1973 und 1974 vorliegen habe, werde ich zusammen mit meinem Steuerberater auch zügig an die EkSt-Erklärungen der folgenden Jahre gehen, um endlich einmal Klarheit zu haben, zumal ich auch aus den folgenden Jahren Erstattungen erwarte . . ." Nachdem das FA den Kläger unter dem 15. April 1980 aufgefordert hatte, seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1975 abzugeben, antwortete dieser am 25. November 1980 (Betreff: ,,. . . EkSt-Erklärungen ab 1975"), daß er in den nächsten Tagen das Material für 1975 seinem Steuerberater übergeben werde. Weiter heißt es in dem Schreiben: ,,Da in den Jahren ab 1976 dann keine Geschäftsvorkommnisse mehr auftreten, wird es - nach Abstimmung mit meinem Berater - sicherlich möglich sein, die weiteren Erklärungen für 1976 und die folgenden Jahre zügig aufzumachen und Ihnen zuzustellen, so daß dann endlich wieder eine klare Linie herrscht. Da auch ich hieran großes Interesse habe, bitte ich, mir die dafür noch nötige Zeit zu gewähren und deshalb auch zu verstehn, daß ich die EkSt-Erklärung 1979 noch nicht bis zum 5. 12. 80 abgeben kann . . ."

Am 1. September 1981 reichten die Kläger beim FA die Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1976 bis 1980 ein.

Mit Verfügung vom 23. September 1981 lehnte das FA die Durchführung von Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1976 bis 1978 unter Hinweis auf die bereits abgelaufenen Antragsfristen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG (Antragsveranlagungen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 Buchst. b EStG) ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Auf die Klage verpflichtete das FG das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zur Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 1976 und 1978. Die Klage in der Einkommensteuersache 1977 wies es ab. Das FA hat bzgl. Einkommensteuer 1978 Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit das FG den Ablehnungsbescheid des FA vom 23. September 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. November 1981 bezüglich der Einkommensteuer 1978 aufgehoben und das FA zur Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 1978 verpflichtet hat (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Insoweit ist die Klage abzuweisen.

Der Senat stimmt mit dem FG darin überein, daß für den Mindestinhalt eines Antrags nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr.8 und Satz 2 EStG Angaben des Steuerpflichtigen notwendig, aber auch ausreichend sind, die seinen Willen auf Durchführung des entsprechenden Verfahrens gegenüber dem FA in der Weise erkennbar machen, daß dem FA die Einleitung des Verfahrens ermöglicht ist. Dies ist aber bei einem allgemein gehaltenen Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung grundsätzlich nicht der Fall (vgl. Senats-Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 121/83, BFHE 148, 232).

Die Auslegung von Willenserklärungen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Rechtsanwendung. Das Revisionsgericht hat die Vorentscheidung darauf zu überprüfen, ob die Vorinstanz die gesetzlichen Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 11. Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475).

Die Vorentscheidung war danach aufzuheben, weil die Auslegung der Erklärung vom 25. November 1980 durch das FG als Antrag auf Veranlagung nicht haltbar ist. Dem Schreiben des Klägers vom 25. November 1980 kann auch bei großzügiger Auslegung nur das Interesse des Klägers entnommen werden, nunmehr seiner Steuererklärungspflicht wieder zeitnah nachkommen zu wollen. Dafür spricht auch, daß dieses Schreiben im Zusammenhang mit der Aufforderung des FA steht, innerhalb einer bestimmten Frist die Einkommensteuererklärung 1975 abzugeben. Daß der Kläger anläßlich der Besteuerung früherer Veranlagungszeiträume gegenüber dem FA die Erwartung künftiger Steuererstattungen bekundete, ist weder für die Auslegung des Schreibens vom 25. November 1980 noch für sich selbst von Gewicht. Denn diese Erwartung war aus der maßgeblichen Sicht des FA als Erklärungsempfänger nur mit der Berücksichtigung von Verlusten aus der gewerblichen Betätigung des Klägers verknüpft. Die Abwicklung des Gewerbebetriebs des Klägers war nach dem Informationsstand des FA im Kalenderjahr 1975 beendet.

Selbst wenn man das Schreiben des Klägers vom 25. November 1980 als Antrag auf Verlängerung der Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1978 werten wollte, so kann darin nicht zugleich auch ein Antrag auf Veranlagung im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG gesehen werden. Der Senat hat dies zwar in seinem Urteil vom 16. Dezember 1986 IX R 149/85 (BFHE 148, 527) für den Fall bejaht, daß für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum eine Antragsveranlagung durchgeführt worden war und das FA nach Aktenlage davon ausgehen kann, daß auch für das Streitjahr die materiellen Voraussetzungen einer Antragsveranlagung in gleicher Weise wahrscheinlich erfüllt sind. Bei den Klägern war für das FA jedoch nach Aktenlage nicht ersichtlich, daß eine Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. b EStG auch für das Streitjahr in Betracht kommt, namentlich nicht im Hinblick auf die Begünstigung nach § 7b EStG. Denn die Kläger hatten seit ihren Angaben für den Veranlagungszeitraum 1973 bis zum Ablauf der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für die Jahre 1974 bis 1977 mehr erklärt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414955

BFH/NV 1987, 496

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