Leitsatz (amtlich)
Für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts, das bestimmungsgemäß mit einem im Betriebsvermögen bereits vorhandenen beweglichen Wirtschaftsgut zu einer Einheit verbunden wird, wird eine Investitionszulage nicht gewährt (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
BerlinFG § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt in Berlin (West) elektrische Maschinen und Geräte her. Im Jahre 1977 ließ sie an dem Kleinlastenaufzug in ihrem Betriebsgebäude eine zusätzliche Haltestelle mit Schiebetür für 3 650 DM einbauen. Dafür beantragte sie eine Investitionszulage von 25 v. H. nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG).
Der Beklagte und Revisionskläger das Finanzamt - FA -) wies den Antrag zurück. Das FA begründete seine Entscheidung damit, daß die verwendeten Wirtschaftsgüter mit dem Einbau ihre Selbständigkeit verloren hätten. Würden bewegliche Wirtschaftsgüter mit anderen beweglichen Wirtschaftsgütern verbunden oder vermischt, so könne eine Investitionszulage nicht gewährt werden. Denn es komme für die Beurteilung, ob ein Gegenstand ein bewegtiches Wirtschaftsgut sei, auf den Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung und nicht auf den Zeitpunkt der Anschaffung an. Auch der Einspruch war erfolglos.
Dagegen hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG) behandelte den Kleinlastenaufzug als Betriebsvorrichtung und damit als bewegliches Wirtschaftsgut. Als entscheidend für die Beurteilung, ob ein selbständig bewertbares bewegliches Wirtschaftsgut vorliegt, sah es - im Gegensatz zum FA - den Zeitpunkt der Anschaffung und nicht den des späteren Einbaus an. Es bezog sich dabei auf die Urteite des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Juli 1966 IV 231/65 (BFHE 87 178, BStBl III, 1967 58 - Kofferaufbauten -) und vom 29. Juli 1966 Vl 55/65 (BFHE 87, 313, BStBl III 1967 125 - Unterschubfeuerung -). Es würde dem Sinn und Zweck des Berlinförderungsgesetzes widersprechen, für Gegenslände, die beim Erwerb fraglos selbständig bewertbare bewegliche Wirtschaftsgüter sind, eine Investitionszulage deshalb zu versagen, weil sie später mit im Betrieb bereits vorhandenen beweglichen Wirtschaftsgütern verbunden oder vermischt werden.
Dagegen hat das FA Revision eingelegt. Es bezieht sich für seine gegenteilige Auffassung auf Tz. 26 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BdF) vom 5. Mai 1977 (BStBl I, 1977, 246). Danach soll die Anschaffung eines Wirtschaftsguts, das mit einem anderen beweglichen Wirtschaftsgut verbunden wird, nur dann begünstigt sein, wenn es durch die Verbindung seine Eigenschaft als selbständiges bewegtiches Wirtschaftsgut nicht verliert. Wird es durch die Verbindung jedoch ein unselbständiger Teil des im Unternehmen bereits vorhandenen beweglichen Wirtschaftsguts, dann komme eine Begünstigung nur im Zusammenhang mit den begünstigten Herstellungskosten dieses bereits vorhandenen Wirtschaftsguts oder als Teil begünstigter nachträglicher Herstellungskosten in Betracht. Die beiden Urteile in BFHE 87 178, BStBl III, 1967, 58 und in BFHE 87, 313, BStBl III 1967, 125 hält das FA durch die Entwicklung für überholt. Denn inzwischen habe der Gesetzgeber den Ausbau und die Erweiterung von Gebäuden in das Gesetz als selbständigen Begünstigungstatbestand aufgenommen. Für bewegliche Wirtschaftsgüter habe er aber eine ähnliche Regelung nicht getroffen.
Daraus könne nur gefolgert werden, daß nachträgliche Herstellungskosten bei beweglichen Wirtschaftsgütern nicht begünstigt seien.
Das FA beantragt, das FG-Urteil vom 16 Januar 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Schlußfolgerung des FA, daß nachträgliche Herstellungskosten, bei beweglichen Wirtschaftsgütern nicht mehr begünstigt seien, weil eine solche Begünstigung nur bei Gebäuden in das Gesetz aufgenommen worden sei, für unrichtig. Sie ist der Meinung, daß es einer gesetzlichen Regelung für die beweglichen Wirtschaftsgüter nicht bedurfte, weil diese Begünstigung bereits von der Rechtsprechung anerkannt war, die bei beweglichen Wirtschaftsgutern - im Gegen satz zu Gebäuden - schon immer auf den Zeitpunkt der Anschaffung und nicht auf den Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung abstellte.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Nach § 19 BerlinFG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind die Anschaffung und Herstellung beweglicher Wirtschaftsgüter sowie die Herstellung von Gebäuden und der Ausbau und die Erweiterung von Gebäuden zulagebegünstigt. Während somit für die durch Ausbau und Erweiterung entstehenden nachträglichen Herstellungskosten bei Gebäuden eine Regelung getroffen ist, fehlt eine solche für die beweglichen Wirtschaftsgüter.
2. Allerdings hat die Rechtsprechung in der Vergangenheit nachträgliche Herstellungskosten bei beweglichen Wirtschaftsgütern als zulagebegünstigt anerkannt (vgl. BFHE 87, 178, BStBl III 1967, 58 und in BFHE 87, 313, BStBl III 1967, 125). Auch in der Literatur ist diese Rechtsprechung überwiegend gebilligt worden (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 BerlinFG Anm. 34 bis 35; George, Berliner Steuerpräferenzen, 5. Aufl., S. 225; Richter, Investitionszulagen, 2. Aufl., Tz. 48; List, Steuerberater-Jahrbuch 1978/1979 S. 111 - StbJ 1978/1979, 111 -; anderer Ansicht Sönksen/Söffing, Kommentar zum Berlinförderungsgesetz, § 19 Anm. 54, und Hermstädt, Betriebs-Berater 1976 S.832 - BB 1976, 832-). Im Schrifttum wird das Problem unter dem Gesichtspunkt des "Verbindens" und "Vermischens" dargestellt, eine Ausdrucksweise, die vermutlich den §§ 946 f. BGB entnommen ist. Im übrigen wird das Problem in der Literatur nicht einheitlich behandelt. Teils wird auf die selbständige Bewertbarkeit des Wirtschaftsguts, teils auf die Beweglichkeit und teils auf die Neuheit des Wirtschaftsguts als den für die Beurteilung entscheidenden Gesichtspunkt abgestellt.
3. Wird ein bewegliches Wirtschaftsgut mit einem im Unternehmen bereits vorhandenen - beweglichen oder unbeweglichen - Wirtschaftsgut "fest" verbunden, so handelt es sich bei diesem Vorgang um nachträgliche Herstellungskosten oder um nachträglichen Erhaltungsaufwand. Eine Investitionszulage kommt dafür nur in Betracht, wenn nachträgliche Herstellungskosten - oder nachträglicher Erhaltungsaufwand - im Gesetz begünstigt sind.
Die Rechtsprechung hat diese Vorgänge in der Vergangenheit allerdings anders beurteilt. Sie hat sie nicht unter dem Gesichtspunkt von nachträglichen Herstellungskosten - ja überhaupt nicht unter dem Gesichtspunkt der Herstellung -, sondern unter dem Blickwinkel der Anschaffung gesehen. So wurde einem Unternehmer - unter dem Gesichtspunkt von "Anschaffungskosten" eine Investitionszulage für fabrikneue Kofferaufbauten gewahrt, die er anstelle von alten verbrauchten Aufbauten auf seinen LKW-Anhängern montieren ließ und bei denen es sich bilanzsteuerrechtlich um Herstellungskosten handelte. Die Rechtsprechung setzte sich bewußt in Gegensatz zum Bilanzsteuerrecht, weil nur so dem besonderen Sinn und Zweck des § 21 des Berlinhilfegesetzes (BHG) - heute § 19 BerlinFG -, nämlich die Investitionstätigkeit in Berlin bewußt anzuregen, Rechnung getragen werden könne. Mit anderen Worten, für die Frage, ob ein Gegenstand selbständig bewertbar und somit ein Wirtschaftsgut ist, und ob er beweglich und neu ist, stellte die Rechtsprechung bisher nicht auf den Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung (Verbindung, Vermischung, Einbau), sondern auf den Zeitpunkt der "Anschaffung" ab. Das Material, das bei einer Substanzvermehrung an einem im Unternehmen bereits vorhandenen Wirtschaftsgut Verwendung fand (nachträgliche Herstellungskosten), galt investitionszulagerechtlich als vorher "angeschaffl". Auch die Montagekosten wurden in diese "Anschaffungskosten" einbezogen. Allerdings mußte die Rechtsprechung dann eine Ausnahme machen, wenn Wirtschaftsgüter in ein Gebäude eingebaut werden sollten. Es mußte vermieden werden, daß ein Investor zunächst die Baustoffe anschafft, um sie anschließend in ein - bis 1969 noch nicht begünstigtes - Gebäude einzubauen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Mai 1968 VI R 30/67, BFHE 92, 373, BStBl II 1968, 563 - Garagenkipptor und Scherengitter -). Außerdem wurde Reparaturaufwand generell nicht begünstigt, weil die Kosten sofort zu Lasten des Gewinns abgeschrieben werden konnten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 92, 373, BStBl II 1968, 563 - Reparaturmaterial -, und vom 26. November 1976 III R 125/74, BFHE 121, 15, BStBl II 1977, 246 - Lufterhitzer -).
4. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. Zunächst sei darauf hingewiesen, daß bereits die beiden nicht veröffentlichten BFH-Urteile vom 12. Juni 1975 VIII R 69/71 und VIII R 121/70 (mitgeteilt von Hermstädt in BB 1976, 832) eine gewisse Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung brachten. Ein Transportunternehmer hatte neue Batterien, Reifen, Planen usw. zum Einbau in seine gebrauchten LKW angeschafft. Der BFH entschied, daß es auf den Zweck ankomme, für den sie angeschafft wurden. Sollen sie dazu verwendet werden, in andere Wirtschaftsgüter eingebaut zu werden, so komme es nicht darauf an, in welchem Zustand sie sich im Zeitpunkt der Anschaffung befunden hätten. Maßgebend sei vielmehr der Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung. Diese Urteile enthalten nach Auffassung des erkennenen Senats den für die Beurteilung allein richtigen Gesichtspunkt, daß in den Fällen des "Verbindens und Vermischens" die Anschaffung nur ein unselbständiger Teil der anschließenden Verwendung (des Einbaus) ist. Die Herstellung als der zweite nach dem Gesetz selbständige Begünstigungstatbestand würde bedeutungslos werden, wenn die der Herstellung regelmäßig und notwendigerweise vorausgehenden Anschaffungen als der entscheidende Vorgang angesehen wurden. Selbst wenn die Montagekosten die Materialkosten überstiegen, wurde die Herstellung unter dem Gesichtspunkt der Anschaffung gesehen, um so dem mit dem Berlinhilfegesetz verfolgten Förderzweck gerecht werden zu können. Die Herstellung erhält die ihr nach dem Gesetz zukommende Bedeutung jedoch nur, wenn man die sie voraussetzenden Anschaffungen als ihre unselbständigen Teile ansieht. Neben der Überspannung des Anschaffungskostenbegriffs gab es aber auch schon in der Vergangenheit keinen sachlich einleuchtenden Grund, bei der "Anschaffung" eines beweglichen Wirtschaftsguts auf unterschiedliche Zeitpunkte abzustellen, je nachdem, ob das Wirtschaftsgut in ein bewegliches oder ein unbewegliches Wirtschaftsgut eingebaut werden soll.
5. Es ist unter 3. bereits dargestellt, daß es im vorliegenden Zusammenhang um die investitionszulagerechtliche Beurteilung von nachträglichen Herstellungskosten geht. Hier ist es nun von Bedeutung, daß der Gesetzgeber den Tatbestand der nachträglichen Herstellungsarbeiten mittlerweile in sein investitionszulagerechtliches Konzept aufgenommen hat. Allerdings ist dies nicht generell, sondern jeweils nur bei bestimmten Anlässen und in bestimmtem Umfang geschehen. Während bis zum Jahr 1969 in Berlin nur bewegliche Wirtschaftsgüter begünstigt waren, wurden durch das Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) - in Angleichung an das für das Bundesgebiet in Kraft getretene Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1969 - auch Gebäude in die Begünstigung aufgenommen. Begünstigt wurden aber auch "Ausbauten und Erweiterungen" an solchen Gebäuden. Bei diesen "Ausbauten und Erweiterungen" handelt es sich aber um nichts anderes, als um besondere Formen nachträglicher Herstellungsarbeiten. Einen wesentlichen Schritt weiter ging die Regelung in § 4 b InvZulG 1975, wohl bedingt durch die besondere Zielsetzung dieses Gesetzes. Danach wurden generell nachträgliche Herstellungsarbeiten begünstigt, und zwar nicht nur bei unbeweglichen, sondern auch bei beweglichen Wirtschaftsgütern (vgl. § 4 b Abs. 2 Satz 7 InvZulG 1975). Die"nachträglichen Herstellungsarbeiten" haben nunmehr auch in das Berlinförderungsgesetz 1978 (Änderungsgesetz vom 30. Oktober 1978, BGBl I 1978, 1693, BStBl I 1978, 427) Eingang gefunden. Sie sind aber auch dort nur begünstigt bei Gebäuden, Gebäudeteilen, Eigentumswohnungen oder in Teileigentum stehenden Räumen. Auf bewegliche Wirtschaftsgüter beziehen sie sich nicht.
Diese Entwicklung zeigt, daß das Problem der nachträglichen Herstellungsarbeiten mittlerweile in das Bewußtsein des Gesetzgebers getreten ist. Der Gesetzgeber hat die nachträglichen Herstellungsarbeiten in das Gesetz aufgenommen und sie nach seinen Vorstellungen geregelt. Angesichts dieser Situation sieht der erkennende Senat keine Möglichkeit mehr, für die beweglichen Wirtschaftsgüter eine Sonderregelung zu entwickeln, die sich ausschließlich am Sinn und Zweck der Berlinförderung orientiert. Eine gesetzliche Lücke besteht nicht mehr.
Die Auffassung der Klägerin, daß der Gesetzgeber eine Regelung für die nachträglichen Herstellungskosten bei beweglichen Wirtschaftsgütern nicht zu treffen brauchte, weil diese "auf dem Umweg" über die Anschaffungskosten bereits begünstigt waren, teilt der Senat nicht. Für diese Auffassung gibt es keine Anhaltspunkte. Im übrigen wurde § 4 b Abs. 2 Satz 7 InvZulG 1975 dieserAuffassung widersprechen.
6. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann ergibt sich folgendes: Der sich im Betriebsgebäude der KIägerin befindende Kleinlastenaufzug ist eine Betriebsvorrichtung und damit ein bewegliches Wirtschaftsgut (vgl. Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 68 BewG Anm. 76 ff.; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. AufI., § 68 BewG Anm. 29). Bei dem Einbau der zusätzlichen Haltestelle mit Schiebetür handelt es sich um nachträgliche Herstellungskosten. Nachträgliche Herstellungskosten an beweglichen Wirtschaftsgütern sind nach § 19 BerlinFG nicht begünstigt. Das FA hat deshalb die Investitionszulage zu Recht verweigert. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war aufzuheben, und die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413608 |
BStBl II 1981, 785 |
BFHE 1981, 75 |