Leitsatz (amtlich)

Rohfilmabfälle und gebrauchte Kino- und Röntgenfilme können als metallhaltige Rückstände Verhüttungsmaterialien im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 13 Buchst. b UStDB 1951 sein.

 

Normenkette

UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 9a, § 29 Abs. 2 Ziff. 13b, § 30 Abs. 1 Ziff. 5, Abs. 1 Ziff. 9, Abs. 2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.) erwirbt von Filmgesellschaften, Krankenhäusern und Röntgeninstituten gebrauchte Kinofilme und Röntgenfilme, von Filmfabriken auch Filmabfälle, die sich anläßlich der Herstellung des Filmmaterials ergeben haben. Die Stpfl. erwirbt diese Gegenstände, die anderweit nicht zu verwerten wären, wegen ihres Silbergehalts, den sie dadurch gewinnt, daß das Material entweder durch Verbrennen verascht oder in einem naßmetallurgischen Verfahren ausgelaugt wird. Aus der hierbei gewonnenen silberhaltigen Asche bzw. dem Silberschlamm gewinnt sie teils im eigenen Fabrikationsbetrieb, teils im Werklohnverfahren durch die Fa. X., Feinsilber, das sie im Großhandel veräußert.

Für die Lieferungen des Feinsilbers begehrt sie Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG in Verbindung mit § 29 Abs. 2 Ziff. 9a, Ziff. 13b und § 30 Abs. 1 Ziff. 5, 9 und Abs. 2 UStDB 1951.

Das Finanzamt hat diese Umsätze als steuerpflichtig erachtet; im Berufungsverfahren hatte die Stpfl. Erfolg.

Das Finanzgericht kam unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats V 61/51 S vom 30. Juni 1953 (BStBl 1953 III S. 300, Slg.Bd. 58 S. 25) zu dem Ergebnis, daß es sich bei den von der Stpfl. erworbenen Materialien um "metallhaltige Rückstände", um Verhüttungsmaterial im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 13b UStDB 1951 handle. Die in den Filmen enthaltene Menge Silberverbindung sei als "Rückstand" insofern anzusehen, als dieser Metallgehalt während des Ablaufs des gesamten photographischen Prozesses in der Photoschicht zurückgeblieben sei. Mengenmäßig betrage der Gehalt der Photoschicht an chemischer Silberverbindung nur noch einen Bruchteil des ursprünglich bei der Herstellung der Filme aufgewendeten Silberbromids. Der Stoff, auf den die silberhaltige Schicht aufgetragen worden sei, sei wirtschaftlich wertlos und könne unbeachtet bleiben, wie auch in dem oben angeführten Urteilsfall die Fixierbadlösung, die in der Regel weggeschüttet werde. Diese Auslegung finde ihre Stütze in dem wirtschaftspolitischen Grundgedanken des § 4 Ziff. 4 UStG, die Lieferungen notwendiger Rohstoffe und Halberzeugnisse deshalb umsatzsteuerlich zu begünstigen, weil die deutsche Wirtschaft in Ermangelung gewisser Rohstoffe gezwungen sei, weitgehend aus sonst wertlosen Stoffen die darin enthaltenen wertvollen Bestandteile -- hier das Silber -- herauszuholen. Der Sammelbegriff "metallhaltige andere Rückstände" solle deshalb nicht zu eng ausgelegt werden.

Diese Verhüttungsmaterialien seien, wie im § 30 Abs. 1 Ziff. 9 UStDB 1951 besonders zugelassen wird, entweder durch die Stpfl. selbst oder im gebrochenen Verhüttungsprozeß durch die Fa. X. verhüttet worden, wobei die Tätigkeit der Fa. X. nach § 12 Abs. 2 UStDB der Stpfl. zuzurechnen sei. Schließlich sei das gewonnene Feinsilber, wie § 30 Abs. 2 a. a. O. fordere, auch im § 29 Abs. 2 Ziff. 9a a. a. O. genannt.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Freistellung der Stpfl. gerichtete Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben. Die Rb. wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Gewinnungsverfahrens als Verhüttung; jedoch könne nach ihrer Auffassung ein Gegenstand nur dann Rückstand sein, wenn er als Nebenerzeugnis oder Abfall bei einem Bearbeitungs- und Verarbeitungsprozeß angefallen sei, also als ein Rest verbleibe. Dies möge bei den von Filmfabriken erworbenen Rohfilmabfällen zutreffen; dagegen könne man die erworbenen gebrauchten Kino- und Röntgenfilme nicht als "Rückstände" eines Bearbeitungsprozesses bezeichnen; sie fielen nicht als Nebenerzeugnisse oder Abfall an, sondern seien das Ziel der Bearbeitung; sie könnten nach Gebrauch als Altmaterial wegen ihres Silbergehalts verwendet werden; Altmaterial sei aber nicht gleichbedeutend mit Rückstand.

Diese Auslegung ist jedoch zu eng. Die Stpfl. hat unwidersprochen vorgetragen, daß auch die gebrauchten Kino- und Rötgenfilme durch Zerhacken oder längeres Abspielen für den eigentlichen Vorführzweck unbrauchbar geworden seien. Außerdem ist bei diesem Material der wirtschaftliche Nutzungszweck (Vorführung) erfüllt. Vor allem verkennt die Rb. folgendes: Ein gebrauchter, zur Vorführung nicht mehr geeigneter Film kann wohl mit der Rb. als "Altmaterial" angesehen werden. Der Erwerbsvorgang bezieht sich aber lediglich auf den Silbergehalt des Films, der als neuer Film aus der Filmfolie und der darauf aufgetragenen Silberbromidschicht besteht. Durch das Belichten und Entwickeln des Films geht der größte Teil des auf dem neuen Film befindlichen Silbers durch die Aufspaltung in Silber und Bromid verloren. Es befindet sich dann nur noch silberhaltiger Rückstand auf dem Film. Dieser Rückstand, der durch den Bearbeitungsprozeß des Belichtens und Entwickelns entstanden ist, war allein Gegenstand des Erwerbsvorgangs.

Hiernach läßt die Vorentscheidung einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Da die sonstigen Voraussetzungen des § 4 Ziff. 4 UStG nicht streitig sind, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410063

BStBl III 1961, 268

BFHE 1961, 737

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