Leitsatz (amtlich)
Die Großhandelsvergünstigung kann nicht beanspruchen, wer Bestellscheine, in denen sich eine Person zum Bezug einer Zeitschrift verpflichtet, erwirbt und weiterveräußert. Gegenstand des Umsatzes ist in diesem Falle eine sonstige Leistung.
Normenkette
UStG 1951 § 3 Abs. 1, § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 7 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betreibt den Buch- und Zeitschriftenhandel. Außerdem nimmt sie von selbständigen, mit ihr auch in keinem Auftragsverhältnis stehenden Werbeleitern gegen Provision Bestellscheine auf Zeitschriften entgegen, die sie wiederum gegen Provision an Zeitschriftenverlage oder -händler zur Belieferung der Besteller weitergibt. In den Bestellscheinen verpflichten sich die Besteller zum Bezug einer bestimmten Zeitschrift für einen Mindestzeitraum.
Die Steuerpflichtige beansprucht für diese Umsätze den Großhandelssteuersatz gemäß § 7 Abs. 3 UStG 1951 mit der Begründung, sie habe die "angekauften" Bestellscheine unbearbeitet an die Zeitschriftenverlage und -händler "verkauft". Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hält dagegen diese Umsätze für sonstige Leistungen, für die das UStG keinen ermäßigten Steuersatz vorsieht.
Das FA zog deshalb mit den angefochtenen Steuerbescheiden die Entgelte aus den streitigen Umsätzen mit 4 v. H. zur Umsatzsteuer heran. Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Das FG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die jeweilige Weitergabe der Bestellscheine sei keine Lieferung von Gegenständen im Großhandel, sondern eine sonstige Leistung. Deshalb könne § 7 Abs. 3 UStG keine Anwendung finden. Der Ausdruck "Gegenstand" bedeute im Umsatzsteuerrecht soviel wie "Sache". Die Steuerpflichtige erhalte ihre Provision nicht dafür, daß sie einen Bestellschein als ein Stück wertloses Papier und damit als eine Sache übereigne. Die Provision werde vielmehr dafür gezahlt, daß die Verlage oder Händler "Belieferungsrechte" gegenüber Kunden "ausführen" könnten. Diese Vermittlung von Belieferungsrechten vermöge auch nicht eine etwa bestehende Verkehrsauffassung der beteiligten Wirtschaftskreise zu einer Lieferung von Sachen zu machen. Im übrigen sei unstreitig der für die Großhandelsvergünstigung erforderliche Buchnachweis nicht erbracht.
Mit der Rb. rügt die Steuerpflichtige hinsichtlich der Feststellung, der Buchnachweis sei nicht erbracht, eine Verletzung der Ermittlungspflicht durch das FG. Im übrigen führt sie aus: Das FG habe das geltende Recht unrichtig angewendet, denn die "verkauften" Scheine seien Gegenstände von Lieferungen. Auch der Betriebsprüfer habe die Scheine als Gegenstände des Handelsverkehrs und für die Bilanzierung als selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter angesehen. Bei der Auslegung der Steuergesetze seien die wirtschaftlichen Bedürfnisse und die wirtschaftliche Vernunft zu beachten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die nach Einführung der FGO - 1. Januar 1966 - als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet....
Nach § 7 Abs. 3 UStG ermäßigt sich die Umsatzsteuer grundsätzlich für Lieferungen im Großhandel auf 1 v. H. des Entgelts. Zu Recht hat das FG die streitigen Umsätze nicht als Lieferungen, sondern als sonstige Leistungen beurteilt.
Der Bestellschein könnte als ein Objekt der Lieferung nur dann in Betracht kommen, wenn er vom Abnehmer - wie etwa Geld oder Wertpapiere - in seiner Eigenschaft als Sache, um seiner selbst willen erworben würde. An diesem Erfordernis fehlt es aber. Der Bestellschein hat für den Abnehmer nur einen mittelbaren Wert als Deklaration und Beweismittel für eine außerhalb des Scheines liegende wirtschaftliche Gegebenheit. Es ist also nicht der Bestellschein Gegenstand der strittigen Umsätze, sondern es werden die Verhältnisse, die dem gedanklichen Inhalt des Scheines zugrunde liegen, von den strittigen Umsätzen erfaßt. Nach den Feststellungen des FG bringt der Schein zum Ausdruck, daß ein Besteller sich zum Bezug einer bestimmten Zeitschrift verpflichtet. Gleichgültig, ob diese Willenserklärung als Vertragsantrag (§ 145 BGB) an den vom Werbungsmittler zu bestimmenden Händler oder als Annahme einer vom Werbungsmittler als Abschlußvertreter oder Geschäftsführer ohne Auftrag gemachten Angebots beurteilt wird, jedenfalls begründet sie - im Falle der ersten Alternative unter Mitwirkung des Händlers - ein Recht auf entgeltliche Belieferung des Bestellers. Dieses Recht ist nach der vertraglichen Eigenart der Bestellung übertragbar und wurde übertragen. Die übertragung einer immateriellen obligatorischen Berechtigung ohne jeden Zusammenhang mit einer Sachleistung kann aber niemals Gegenstand einer Lieferung sein (vgl. Urteil des BFH V 185/63 vom 22. Juni 1967, BFH 89, 366, 368).
Nach den Ausführungen der Steuerpflichtigen in der Klagebegründung betrachten allerdings die Ankäufer der Bestellscheine "die Bestellung" nicht als Begründung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Besteller und ihrer Person. Sie behandeln den Bestellschein lediglich als Nachweis einer aussichtsreichen Gelegenheit zum Abschluß eines Abonnements. Aus dieser Auffassung kann aber die Steuerpflichtige nichts gewinnen. Denn der Nachweis einer Verkaufsgelegenheit ist eine typische sonstige Leistung, niemals eine Lieferung. Sie wird auch nicht dadurch zur Lieferung, daß der Unternehmer diesen Nachweis zunächst selbst "angekauft" und dann wieder "weiterverkauft" hat. Auch am Wesen des Bestellscheins als lediglich deklarierende und beweisende Urkunde ändert sich bei dieser Betrachtungsweise nichts. Ohne Bedeutung für die Entscheidung ist schließlich die Tatsache, daß der Betriebsprüfer die Scheine für die Bilanz als selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter beurteilt hat. Abgesehen davon, daß diese Auffassung die Gerichte nicht bindet, ist es - anders als für die Umsatzsteuer - für die einkommensteuerrechtliche Bewertung gleichgültig, ob ein Wirtschaftsgut als Sache oder als Recht dargestellt wird.
Nach diesen Erwägungen ist die Anwendung des § 7 Abs. 3 UStG schon deshalb ausgeschlossen, weil sonstige Leistungen Gegenstand der strittigen Umsätze waren, die Gewährung des Großhandelssteuersatzes aber nur für Lieferungen möglich ist. Auf die Verfahrensrüge, die sich gegen die Feststellung des mangelnden Buchnachweises richtet, kommt es deshalb nicht mehr an.
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Fundstellen
BStBl II 1968, 788 |
BFHE 1968, 291 |