Leitsatz (amtlich)
Geht der Anteil eines Gesellschafters an einer Personengesellschaft nach dessen Tod auf Grund des Gesellschaftsvertrages entschädigungslos an einen nicht zu den Erben gehörenden Gesellschafter über, so entsteht durch den Wegfall des Kapitalkontos beim Erblasser kein Veräußerungsverlust, wenn der Anteilsübergang auf nicht betrieblichen Gründen beruht.
Normenkette
AO § 215; EStG § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob die Witwe und Alleinerbin des am 24. Dezember 1960 verstorbenen Kaufmanns H (Revisionsklägerin) die Herabsetzung des von ihr zu versteuernden Gewinnanteils an der OHG von 76 435 DM auf minus 21 046 DM geltend machen darf.
H und die bereits am 3. Oktober 1954 verstorbene Kauffrau G hatten sich im Jahre 1951 in einer OHG zum Betreiben eines Handelsgeschäfts zusammengeschlossen. Jeder Gesellschafter war zur Hälfte am Gewinn und Verlust beteiligt, allein zur Geschäftsführung befugt und zur persönlichen Tätigkeit für die Gesellschaft verpflichtet. Nach dem Tode der Gesellschafterin am 3. Oktober 1954 trat auf Grund des Gesellschaftsvertrages die als Beteiligte zum Verfahren hinzugezogene M als Gesellschafterin ein. Im Gesellschaftsvertrag war bestimmt, daß die Beteiligte M nach dem Tode des Gesellschafters H, ebenso wie nach dem Tode der Gesellschafterin G, an deren Stelle in der Gesellschaft trete. Die Beteiligte M ist die im Jahre 1940 geborene uneheliche Tochter der Gesellschafter H und G. Für den - nicht eingetretenen - Fall, daß die Beteiligte M als erste verstorben wäre, war vertraglich der Übergang des Gesellschaftsanteils auf den überlebenden Gesellschafter vorgesehen.
Seit dem Tode des Gesellschafters H am 24. Dezember 1960 ist die Beteiligte M Alleininhaberin des Unternehmens. Der Anteil des Gesellschafters H ging mit seinem Tode ohne Veränderung der Buchwerte auf die Beteiligte M über.
Der Revisionsbeklagte (FA) stellte den laufenden Gewinn der Gesellschaft für 1960 einheitlich und gesondert zunächst vorläufig und später endgültig mit Bescheid vom 3. Januar 1963 auf 130 230,58 DM fest. Nach Abzug einer Tätigkeitsvergütung für H in Höhe von 9 000 DM wurde der verbleibende Gewinn den Gesellschaftern H und M zu gleichen Teilen zugerechnet. Der von der Revisionsklägerin eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Berufung (Klage) begehrte sie die Herabsetzung des von ihr zu versteuernden Gewinnanteils an der OHG um 97 481 DM zum Ausgleich des mit dem Tode des Gesellschafters H eingetretenen Verlustes des Kapitalkontos. Sie habe außer einer Zahlung von 3 000 DM keine Abfindung für die Übernahme des Anteils H von M erhalten. Hilfsweise machte sie geltend, H sei 1960 kein echter Mitunternehmer gewesen, so daß aus diesem Grunde der Feststellungsbescheid ersatzlos aufzuheben sei. Im Verfahren vor dem FG legte das FA noch vor Inkrafttreten der FGO eine selbständige Anschlußberufung ein mit dem Antrag, den Gewinnanteil H nach den Feststellungen einer inzwischen durchgeführten Betriebsprüfung auf 76 435,05 DM zu erhöhen. Die Anschlußberufung erledigte sich in der Hauptsache dadurch, daß das FA in dem nun zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Berichtigungsbescheid vom 22. März 1966 diese erstrebte Gewinnfeststellung selbst vornahm.
Die Klage blieb ohne Erfolg.
Das FG ließ sich hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten:
Die einheitliche Feststellung des Gewinns sei für die OHG bis zum Tode des Gesellschafters H (24. Dezember 1960) zu Recht erfolgt, weil an den Einkünften aus diesem Gewerbebetrieb mehrere beteiligt gewesen seien, und zwar bis zum Tode des Gesellschafters H dieser selbst und die Beteiligte M. Diese Beteiligung gehe auf den Gesellschaftsvertrag vom 7. September 1951 zurück, auf Grund dessen 1954 die Beteiligte M in den Gesellschaftsanteil ihrer verstorbenen Mutter, der Frau G, nachgefolgt und der Gesellschafter H weiterhin zur Hälfte an Gewinn und Verlust beteiligt geblieben seien. Damit aber hätten bis zur Auflösung der Gesellschaft mit dem Tode des Gesellschafters H beide Gesellschafter das unternehmerische Risiko getragen. Außerdem seien die Gesellschafter an dem Anlagevermögen und den stillen Reserven beteiligt gewesen. Aus der vertraglichen und gegenseitigen Begrenzung des Entnahmerechts lasse sich nicht herleiten, daß einer der Gesellschafter nicht die Stellung eines Mitunternehmers gehabt habe. Tatsächlich habe der Gesellschafter H jedoch in höherem Maße, als ihm Tätigkeitsvergütungen vorweg zugestanden hätten, Entnahmen im Jahre 1959 vorgenommen.
Der Gewinn des streitigen Feststellungszeitraums sei richtig ermittelt und zutreffend den damaligen Gesellschaftern H und M zugerechnet worden. Gegen die danach feststehende Höhe des laufenden Gewinns der Gesellschaft im Feststellungszeitraum und die Tätigkeitsvergütung des Gesellschafters H hätten alle Beteiligten keine Einwendungen erhoben. Ebensowenig sei ein Veräußerungsgewinn oder -verlust weder für den verstorbenen Gesellschafter H noch für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Gesellschafters H im Erbgang eingetreten. zu einer gewinn- oder verlustverwirklichenden Übertragung des Gesellschaftsanteils H auf die Beteiligte M sei es nicht gekommen. Der Gesellschaftsanteil H sei ohne Gegenleistung der Beteiligten M auf sie im Wege der Anwachsung übergegangen. Entsprechend § 7 Abs. 1 EStDV sei die Schlußbilanz der Gesellschaft zugleich die Anfangsbilanz des Einzelunternehmens der Beteiligten M geworden. Die Revisionsklägerin sei als Erbin des Gesellschafters H niemals in dessen gesellschaftliche Rechtsstellung eingetreten; denn der Gesellschaftsanteil H sei unmittelbar auf Grund des Gesellschaftsvertrages auf die Beteiligte M übergegangen.
Mit der Revision stellt die Revisionsklägerin ihre bisherigen Anträge.
Sie begründet sie im wesentlichen wie folgt:
Bei der Beurteilung des Sachverhalts sei davon auszugehen, daß auf Grund des aus dem Jahre 1951 stammenden Gesellschaftsvertrages der OHG die Beteiligung des Gesellschafters H mit dessen Tode am 24. Dezember 1960 geendet habe, ohne daß der Revisionsklägerin als Erbin des Gesellschafters H ein Abfindungsanspruch zustehe.
Rechtsirrig sei jedoch die Auffassung der Vorinstanz, daß mangels eines Abfindungsanspruchs der Revisionsklägerin kein Veräußerungsverlust nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG festzustellen sei, weil eine entgeltliche Veräußerung des Gesellschaftsanteils H an M nicht vorliege. Wohl habe die Revisionsklägerin den Gesellschaftsanteil H nicht an M veräußert. Unterschreite jedoch die Abfindung für den vom Eintrittsrecht ausgeschlossenen Erben das letzte Kapitalkonto des Erblassers, so sei diesem ein entsprechender Veräußerungsverlust zuzurechnen. Dabei sei es unerheblich, ob die gesellschaftsvertragliche Regelung unter Umständen so gestaltet sei, daß die Abfindung des vom Eintrittsrecht ausgeschlossenen Erben bis auf 0 DM hinuntergehe. Entscheidend sei immer, ob die Abfindungsregelung auf Gesellschaftsrecht beruhe und nicht auf außerbetrieblichem Recht (Erbrecht). Der Umstand, daß die Abfindung für die Revisionsklägerin als Erbin des H 0 DM betragen habe, habe Gegenstück und Gegenleistung darin gefunden, daß umgekehrt für den Fall, daß M vor H verstorben wäre, diesem ihr Gesellschaftsanteil zugewachsen wäre, ohne daß er ihre Erben abzufinden gehabt hätte. So sei der bisherige Gesellschaftsanteil H nicht, wie die angefochtene Entscheidung meine, unentgeltlich auf M übergegangen, sondern für eine Gegenleistung in Form einer gleichartigen Chance für H, die sich lediglich durch die Reihenfolge des Gesellschafterwegfalls nicht verwirklicht habe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Vorinstanz hat ohne Rechtsirrtum die einheitliche Feststellung des Gewinns für die OHG bis zum Tode des Gesellschafters H durchgeführt. Nach § 215 Abs. 2 AO sind die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte u. a. aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere beteiligt sind. Dies aber war bei der OHG bis zum Tode des Gesellschafters H der Fall, und zwar auch für den streitigen Feststellungszeitraum 1960. Nach den insoweit nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz haben die Gesellschafter H und M bis zur Auflösung der Gesellschaft mit dem Tode des Gesellschafters H beide das unternehmerische Wagnis getragen. Dabei steht außer Frage, daß sie außerdem am Anlagevermögen und den stillen Reserven beteiligt waren. Die sich aus dem Gesellschaftsvertrag (§ 6) für alle Gesellschafter ergebenden Beschränkungen des Entnahmerechts geben keine Veranlassung zu der Annahme, daß einer der Gesellschafter nicht die Stellung eines Mitunternehmers hatte. Damit erledigen sich auch die den Hilfsantrag der Revisionsklägerin betreffenden Einwendungen.
2. Da sonst gegen den laufenden Gewinn der OHG im Feststellungszeitraum, die Tätigkeitsvergütung des Gesellschafters H und die Zurechnung eines entsprechenden Gewinnanteils auf H in Höhe von 76 435,04 DM keine Einwendungen erhoben werden, bleibt allein streitig, ob der Anteil des H aus laufendem Gewinn der OHG um einen sich aus dem Übergang des Gesellschaftsanteils H auf die Beteiligte M ergebenden Veräußerungsverlust zu kürzen ist.
In einem Fall, in dem der Erblasser mit seinem Tode aus der Gesellschaft ausscheidet, die Gesellschaft also nicht mit dem Erben fortgesetzt wird, ergäbe sich ein dem Erblasser zuzurechnender Veräußerungsgewinn oder -verlust nur dann, wenn der Erbe mit einem das Kapitalkonto des Erblassers übersteigenden oder unterschreitenden Betrag abgefunden worden wäre (vgl. Urteil des BFH VI 353, 354/62 U vom 26. Juli 1963, BFH 77, 438, BStBl III 1963, 481). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, beurteilt sich in erster Linie nach der von den Beteiligten gewählten und ernsthaft durchgeführten zivilrechtlichen Gestaltung (vgl. auch BFH-Urteil I 82/60 U vom 21. August 1962, BFH 76, 482, BStBl III 1963, 178). Für die steuerliche Beurteilung ist danach in erster Linie maßgebend, daß der Gesellschaftsvertrag vom 7. September 1951 in § 11 bestimmt, daß für den Fall, daß der Gesellschafter H - wie geschehen - vor Ablauf des Vertrages stirbt, an seine Stelle die am 29. Juni 1940 geborene M mit allen Rechten und Pflichten tritt. In diesem Vertrage ist von einer Abfindung der Alleinerbin des Gesellschafters H nicht die Rede. In ihrer Revisionsbegründung geht die Revisionsklägerin nunmehr selbst davon aus, daß ihr ein Anspruch auf Abfindung für den Übergang des Anteils des H an M nicht zusteht.
Der Anteilsübergang an M erfolgte auch im übrigen unentgeltlich. Die Unentgeltlichkeit wird nicht - wie die Revisionsklägerin meint - durch das beiderseitige im Gesellschaftsvertrag verankerte Wagnisaustauschgeschäft ausgeschlossen. Denn für diese gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen waren nicht betriebliche, sondern ausschließlich auf privatem Gebiet liegende Gründe maßgeblich. Hierfür genügt der Hinweis, daß die Mutter der M das Geschäft aufgebaut hatte und in dieses den nicht ehelichen Vater der M als Gesellschafter der in eine OHG umgewandelten Einzelfirma aufnahm. Die Vorschriften des Vertrages, insbesondere die in den §§ 1 und 13, sprechen eindeutig für den Willen der Gründungsgesellschafter H und G, daß nach ihrer beider Ableben die gemeinsame Tochter Alleininhaberin des Unternehmens werden sollte. Betriebliche Gründe konnten hierfür schon deshalb nicht in Betracht kommen, weil die Beteiligte M im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages erst 11 Jahre alt war, nach dem Tode ihrer Mutter im Jahre 1954 mit 14 Jahren in die OHG als Gesellschafterin eintrat, bis zu ihrem 25. Lebensjahr aber von der Geschäftsführung der OHG ausgeschlossen sein sollte (§ 12 Nr. 1 des Vertrages). Der Vertrag war danach eindeutig darauf abgestellt, die Revisionsklägerin von der Nachfolge ihres Ehegatten nach dessen Tode als Gesellschaftterin der OHG auszuschließen. Der Senat geht daher mit der Vorinstanz davon aus, daß eine Gegenleistung für den Übergang des Gesellschaftsanteils auf M in Form einer gleichartigen Chance für den Gesellschafter H, die sich lediglich durch die Reihenfolge des Gesellschafterwegfalls nicht verwirklichen konnte, nicht gesehen werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 69298 |
BStBl II 1971, 83 |
BFHE 1971, 357 |