Entscheidungsstichwort (Thema)
Investitionszulage für Modernisierung nach Inanspruchnahme von § 10e EStG
Leitsatz (NV)
1. Ein Gebäude kann auch dann vor dem Stichtag der §§ 3, 4 InvZulG 1999 fertig gestellt sein, wenn danach durchgeführte Herstellungsarbeiten bei der Einkommensteuerveranlagung in Anwendung der R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR als Herstellung eines anderen Gebäudes gewertet worden sind.
2. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulage für Modernisierungsinvestitionen nach §§ 3, 4 InvZulG 1999 (Herstellung des Gebäudes vor dem 1. Januar 1991) vor, ist der Steuerpflichtige auch dann nicht nach Treu und Glauben an der Inanspruchnahme gehindert, wenn er die einkommensteuerlichen Vergünstigungen für die Herstellung eines "anderen" Gebäudes nach dem 1. Januar 1991 unter Berufung auf die Richtlinie in Anspruch genommen hat.
Normenkette
EStG § 10e; FGO § 118 Abs. 2; FördG §§ 3, 4 Abs. 2; InvZulG 1999 §§ 3-4; EStR R 43 Abs. 5
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten mit notariellem Kaufvertrag vom 6. Mai 1991 im Fördergebiet ein im Jahr 1980 erbautes Zweifamilienhaus zum Kaufpreis von 18 000 DM erworben. Eine Wohnung vermieteten die Kläger, die andere Wohnung nutzten sie selbst.
Nach dem Abschluss umfangreicher Modernisierungsarbeiten in den Jahren 1991 bis 1997 mit Gesamtkosten in Höhe von 87 987 DM machten die Kläger in der Einkommensteuererklärung 1997 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) für Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten geltend. Für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung beantragten sie erstmals einen Abzugsbetrag nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Anschaffung der Wohnung im Jahr 1991 sowie die Nachholung der in den Jahren 1991 bis 1996 nicht ausgenutzten Beträge.
Im Einkommensteuerbescheid 1997 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gemäß § 3 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 FördG für die bis einschließlich 1996 entstandenen Aufwendungen Sonderabschreibungen in Höhe von 50 % und für das Jahr 1997 in Höhe von 40 % an. Für die eigengenutzte Wohnung berücksichtigte das FA einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 2 559 DM sowie einen Betrag von 1 530 DM (Nachholung für die im Jahr 1997 entstandenen Aufwendungen). Im Übrigen lehnte es die beantragte Nachholung der Abzugsbeträge ab, weil nach der für das Anschaffungsjahr 1991 geltenden Fassung des § 10e EStG eine Nachholung nur in den ersten vier Jahren des Abzugszeitraums in Betracht komme.
Im Einspruchsverfahren beantragten die Kläger, wegen der Höhe der nachträglichen Herstellungskosten im Verhältnis zum bisherigen Wert des Gebäudes nach R 43 Abs. 5 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) von der Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts auszugehen. Das FA änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1997 und setzte Sonderabschreibungen für die Aufwendungen der Jahre 1991 bis 1996 in Höhe von 50 %, für die 1997 angefallenen Aufwendungen gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FördG nur in Höhe von 25 % an. Es berücksichtigte einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 2 559 DM für die Herstellung einer Wohnung im Jahr 1997, so dass sich ein Begünstigungszeitraum von 1997 bis 2004 ergab.
Im Juli 2001 beantragten die Kläger für Aufwendungen zur Reparatur des Daches und zur allgemeinen Instandhaltung des Gebäudes im Jahr 2000 Investitionszulage nach § 3 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 für den vermieteten und nach § 4 InvZulG 1999 für den eigengenutzten Teil jeweils in Höhe von 1 056 DM.
Das FA lehnte die Investitionszulage mit der Begründung ab, die Kläger hätten die Erhaltungsmaßnahmen nicht an einem vor dem 1. Januar 1991 fertig gestellten Gebäude durchgeführt. Aufgrund des ausgeübten Wahlrechts nach R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR sei von der Herstellung eines "anderen" Gebäudes im Jahr 1997 auszugehen.
Den Einspruch der Kläger wies das FA unter Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 24. August 1998 (BStBl I 1998, 1114 Rz. 2) zurück. Danach ist ein Gebäude nicht vor dem 1. Januar 1991 fertiggestellt worden, wenn der Steuerpflichtige nach dem 31. Dezember 1990 gemäß R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR von der Herstellung eines anderen Gebäudes ausgegangen ist.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1153 veröffentlichtem Urteil statt und setzte die Investitionszulage in der beantragten Höhe fest.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 3 und 4 InvZulG 1999). Es ist der Auffassung, bei Ausübung des Wahlrechts nach R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung sei auch für die Investitionszulage von der Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts auszugehen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat den Klägern zu Recht Investitionszulage für die Erhaltungsaufwendungen im Jahr 2000 nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und § 4 Abs. 1 InvZulG 1999 zuerkannt.
1. Das FG hat die Baumaßnahmen von 1991 bis 1997 rechtsfehlerfrei nicht als Neuherstellung angesehen.
a) § 3 InvZulG 1999 begünstigt unter anderem Erhaltungsarbeiten an Mietwohngebäuden, § 4 InvZulG 1999 derartige Maßnahmen an einer eigenen Wohnzwecken dienenden Wohnung im eigenen Haus, wenn --neben weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- das Gebäude vor dem 1. Januar 1991 fertiggestellt worden ist.
Unter Fertigstellung ist die Herstellung eines Gebäudes zu verstehen. Der im Investitionszulagenrecht verwendete Begriff der Herstellung bzw. der Herstellungskosten entspricht der einkommensteuerrechtlichen Begriffsbestimmung (Senatsurteil vom 15. Mai 1997 III R 143/93, BFHE 182, 470, BStBl II 1997, 575, m.w.N.).
Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude führen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur dann zur Neuherstellung, wenn das Gebäude anschließend bautechnisch als neu zu beurteilen ist. Die Bausubstanz muss wesentlich verändert werden, so dass die neu eingefügten Teile dem Haus das Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Das ist insbesondere der Fall, wenn Gebäudeteile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind. Renovierungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen führen dagegen --selbst wenn sie im Verhältnis zum Wert der Altbausubstanz hoch sind-- nicht zur Neuherstellung eines Gebäudes oder einer Wohnung (z.B. Senatsurteil vom 5. Juni 2003 III R 49/01, BFH/NV 2003, 1400, m.w.N.)
b) Das FG hat diese Rechtsgrundsätze seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass die Kläger durch die Baumaßnahmen an dem im Jahr 1980 errichteten Zweifamilienhaus kein neues Gebäude hergestellt haben, weil sie weder die tragenden Teile erneuert noch den umbauten Raum vergrößert haben und die Baumaßnahmen auch nicht so tiefgreifend gewesen sind, dass die eingefügten Neubauteile dem Gesamtgebäude das Gepräge gegeben haben.
Gegen diese, mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.
2. Nach zutreffender Entscheidung des FG steht dem Anspruch auf Investitionszulage nicht entgegen, dass die Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung 1997 beantragt haben, die nachträglichen Herstellungsarbeiten als Herstellung eines Gebäudes zu behandeln.
a) Nach R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR kann der Steuerpflichtige aus Vereinfachungsgründen bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern von der Herstellung eines anderen Wirtschaftsguts ausgehen, wenn der im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Herstellung des Wirtschaftsguts angefallene Bauaufwand zuzüglich des Werts der Eigenleistung nach überschlägiger Berechnung den Verkehrswert des bisherigen Wirtschaftsguts übersteigt.
Macht der Steuerpflichtige von dem eingeräumten Wahlrecht Gebrauch, hat er auch dann Anspruch auf einkommensteuerliche Begünstigungen, die nach der jeweiligen gesetzlichen Regelung an die Herstellung eines Gebäudes anknüpfen, wenn die Voraussetzungen für die Herstellung eines (neuen) Gebäudes --wie im Streitfall-- nicht erfüllt sind.
b) Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob es sich bei dieser Verwaltungsregelung um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handelt, an welche die Steuergerichte grundsätzlich nicht gebunden sind, oder um eine zur Selbstbindung der Verwaltung führende Billigkeitsregelung, auf deren Anwendung der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch hat (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2003 III B 152/02, BFH/NV 2003, 1290, m.w.N.). Denn jedenfalls kann eine Bindung nur zugunsten des Anspruchsberechtigten bestehen.
Dagegen kann ein nach dem Gesetz bestehender Anspruch --hier auf Investitionszulage für das Jahr 2000 nach §§ 3, 4 InvZulG 1999-- nicht unter Berufung auf die Richtlinie verwehrt werden. Denn der Steuerpflichtige kann danach unter den genannten Voraussetzungen von der Herstellung ausgehen. Gegen den Willen des Steuerpflichtigen --und damit zu seinen Lasten-- ist die Regelung nicht anwendbar.
c) Die Kläger müssen sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben daran festhalten lassen, dass sie sich bei der Einkommensteuerveranlagung 1997 für die Inanspruchnahme von Vergünstigungen auf die Richtlinie berufen haben.
Entgegen der Auffassung des FA ist der Steuerpflichtige, der für einkommensteuerliche Vergünstigungen von dem Wahlrecht Gebrauch macht, nicht außerhalb des Einkommensteuerrechts an die getroffene Wahl gebunden. Die Regelung dient angesichts des Prüfungsaufwandes, den die Definition des Herstellungsbegriffs durch die Rechtsprechung erfordert, dazu, die Rechtsanwendung für die Verwaltung und den Steuerpflichtigen durch die Fiktion der Herstellung bei erheblichem Bauaufwand zu vereinfachen. Eine Festlegung des Steuerpflichtigen über das Einkommensteuerrecht hinaus ist damit weder ausdrücklich noch der Sache nach verbunden.
Allerdings vertreten die Finanzverwaltung und ihr folgend teilweise auch die Literatur die Auffassung, die Investitionszulage sei zu versagen, wenn der Anspruchsberechtigte bei nachträglichen Baumaßnahmen nach dem 31. Dezember 1990 in Anwendung des R 43 Abs. 5 Satz 2 EStR von der Herstellung eines anderen Gebäudes ausgegangen ist. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass die ertragsteuerliche Behandlung einer Baumaßnahme auch zulagenrechtlich maßgeblich sei; die dem Investor durch die Anwendung der EStR entstandenen Vorteile müssten zur Folge haben, dass eine nochmalige Förderung nicht in Betracht komme (BMF-Schreiben vom 28. Februar 2003, BStBl I 2003, 218 Rz. 2; Rosarius in Jasper/Sönksen/Rosarius, Investitionsförderung Handbuch, § 3 InvZulG 1999 Rz. 26; Masuch, ABC der Investitionszulage, 3. Aufl., S. 456; Stuhrmann, Deutsches Steuerrecht 2003, 580 Tz. 2.1; a.A. Beck in Beck/Dyroff, Rechtshandbuch Sanierungsgebiete und Steuern Rz. 504).
Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.
Auch wenn der dem Einkommensteuerrecht entnommene Begriff der Herstellung (Fertigstellung) im Investitionszulagenrecht entsprechend den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen ist, muss für die Gewährung der Investitionszulage nicht die konkrete ertragsteuerliche Behandlung zugrunde gelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003 III B 73/02, BFH/NV 2003, 657).
Die Förderung der im Jahr 2000 angefallenen Aufwendungen für die Dachreparatur und die allgemeine Instandhaltung widerspricht auch nicht dem mit §§ 3 und 4 InvZulG 1999 verfolgten Zweck, die Modernisierung des Altbaubestands zu fördern (BTDrucks 13/8059 S. 20 f.; Senatsurteil vom 19. Februar 2004 III R 41/03, BFHE 205, 380, BStBl II 2004, 522). Denn trotz der einkommensteuerlichen Behandlung der nachträglichen Herstellungsarbeiten als Herstellung eines anderen Gebäudes, ist nach den Grundsätzen der Rechtsprechung kein neues Wirtschaftsgut entstanden. Da die im Jahr 2000 angefallenen Erhaltungsaufwendungen nicht in die Bemessungsgrundlage für § 10e EStG einzubeziehen sind, werden die Erhaltungsmaßnahmen der Kläger auch nicht mehrfach begünstigt.
d) Schließlich steht der Investitionszulage für 2000 auch das Kumulierungsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 nicht entgegen. Dieses Verbot greift nur, soweit im Veräußerungsfall der Erwerber für das Gebäude Sonderabschreibungen in Anspruch nimmt. Im Übrigen bezieht es sich nur auf dieselben nachträglichen Herstellungsarbeiten (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 218 Rz. 11).
Fundstellen
Haufe-Index 1480534 |
BFH/NV 2006, 815 |