Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine InvZul für in fremde Gebäude eingebaute Heizkörper, Steigleitungen und Anschlüsse (Sekundärnetz); kein wirtschaftliches Eigentum des Investors
Leitsatz (amtlich)
1. Wesentliche Bestandteile eines Gebäudes können als Betriebsvorrichtungen und damit als bewegliche Wirtschaftsgüter nur investitionszulagenbegünstigt sein, wenn sie aufgrund wirtschaftlichen Eigentums dem Anlagevermögen des Investors zuzurechnen sind.
2. Wirtschaftliches Eigentum an Einbauten in fremde Gebäude auf eigene Kosten setzt die Befugnis zur ausschließlichen Nutzung und einen Anspruch auf Wertersatz im Falle der Nutzungsbeendigung voraus. Wer im Zusammenhang mit der Errichtung einer Heizstation Heizkörper, Steigleitungen und Anbindungen an eine Heizstation in ein fremdes Gebäude einbaut, ist in der Regel schon mangels ausschließlicher Nutzungsbefugnis nicht deren wirtschaftlicher Eigentümer (Fortführung der Senatsurteile vom 6. August 1998 III R 28/97, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144; vom 30. März 2000 III R 58/97, BFHE 192, 176, BStBl II 2000, 449).
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 95; EStG § 4 Abs. 1; InvZulG 1993 §§ 2-3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter der X-GmbH (GmbH), über deren Vermögen mit Beschluss vom 1. April 1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
Die GmbH schloss am 16. August/12. September 1994 mit dem Land Berlin einen Wärmelieferungsvertrag (WLV), in dem sie sich verpflichtete, eine Schule mit Wärme zur Raumheizung zu versorgen und hierfür auf eigene Kosten eine Erdgasheizstation einschließlich des Sekundärnetzes zu errichten. Nach Ziff. 1.4 WLV wird die Heizstation nur zu einem vorübergehenden Zweck für die Vertragsdauer ―der Vertrag endet am 31. August 2014― mit dem Grundstück verbunden. Sie wird durch Eigentumsmarken begrenzt. Sie ist kein Bestandteil des Grundstücks gemäß § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und fällt nicht in das Eigentum des Landes Berlin oder des Grundstückseigentümers. Die GmbH hatte nach Ziff. 9.5 WLV die Heizzentrale nach der zwanzigsten Heizperiode zu demontieren, wenn sie nicht bis zum 1. Oktober 2013 schriftlich darüber informiert würde, ob die Anlage anstelle der Demontage in ordnungsgemäßem und funktionsbereitem Zustand kostenlos an das Land Berlin zu übereignen sei. Die Instandhaltung des Sekundärnetzes ist nach Anlage 1 Ziff. 4 WLV Sache des Landes Berlin, das auch alle durch die Gebäudenutzung verursachten Beschädigungen des Sekundärnetzes ersetzen muss.
Für die Herstellungskosten der Anlage in Höhe von rd. … DM beantragte die GmbH eine 20 %ige Investitionszulage. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) die Anlage als Teil des Gebäudes an und setzte im Investitionszulagenbescheid 1994 hierfür keine Investitionszulage fest. Der Einspruch der GmbH war erfolglos.
Während des Klageverfahrens änderte das FA den Investitionszulagenbescheid 1994 und gewährte im Hinblick auf das Senatsurteil vom 6. August 1998 III R 28/97 (BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144) für die geschätzten Herstellungskosten der Heizanlage die 8 %ige Grundzulage, nicht dagegen für die Herstellungskosten des Sekundärnetzes, bestehend aus Heizleitungen, Steigleitungen, Heizkörpern und deren Anbindungen.
Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, das FA habe zu Unrecht die Investitionszulage auf die Herstellungskosten des Sekundärnetzes versagt. Nicht nur die Heizungsanlage, sondern auch das Sekundärnetz sei eine Betriebsstätte der GmbH. Die Heizleitungen, Steigleitungen, Heizkörperanbindungen und Heizkörper seien eine Zusammenfassung von körperlichen Gegenständen, die unmittelbar der gewerblichen Tätigkeit der GmbH gedient hätten. Diese bestehe darin, die einzelnen Klassen- und Turnhallenräume der Schule mit Wärme zu versorgen. Insoweit seien die Anlagen mit der Verteileranlage und dem damit zusammenhängenden Rohrleitungssystem einer Erdölpipeline zu vergleichen, die der Bundesfinanzhof (BFH) als Betriebsstätte anerkannt habe. Das Sekundärnetz sei auch ein bewegliches Wirtschaftsgut. Aus Sicht der GmbH sei das Sekundärnetz eine Betriebsvorrichtung dieser Kapitalgesellschaft. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1110 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung des § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1993 (InvZulG 1993).
Das FA beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die in das Gebäude eingefügten Steigleitungen, Heizkörper und Anschlüsse (Sekundärnetz) sind nicht (wirtschaftliches) Eigentum der GmbH geblieben und daher bei dieser nicht investitionszulagenbegünstigt.
1. Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) und des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) haben Anspruch auf eine Investitionszulage, wenn sie nach den Vorschriften der §§ 2, 3 InvZulG 1993 begünstigte Investitionen vornehmen (§ 1 Abs. 1 InvZulG 1993). Begünstigt sind hiernach ―unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen― die Anschaffung und die Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 2 InvZulG 1993). Zum Anlagevermögen des Investors gehören Wirtschaftsgüter, die ihm aufgrund zivilrechtlichen oder zumindest wirtschaftlichen Eigentums zuzurechnen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311, und vom 15. Februar 2001 III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041).
Übt ein anderer als der (zivilrechtliche) Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung ―AO 1977―). Die in § 39 Abs. 2 AO 1977 enthaltene Definition des wirtschaftlichen Eigentums umfasst eine Mehrzahl ungleichartiger zivilrechtlicher Rechtslagen, die Nichteigentümern eine eigentumsähnliche Rechtsposition verschaffen. Deshalb erfordert die Anwendung dieser Vorschrift die Bildung von Fallgruppen und eine wertende Zuordnung (BFH, Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741, m.w.N.).
Für Mietereinbauten bejaht die Rechtsprechung wirtschaftliches Eigentum, wenn der Mieter während der Mietzeit den Eigentümer wirtschaftlich von Einwirkungen auf die Einbauten ausschließen kann und bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe des Restwertes der Einbauten besitzt. Denn damit steht der jeweilige Wert der Einbauten zu jedem gedachten Zeitpunkt des Mietvertrages dem Mieter zu (BFH, Urteile vom 28. Juli 1993 I R 88/92, BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164, und vom 11. Juni 1997 XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774).
Diesen Grundsätzen folgend hat der Senat bei einer in einem fremden Gebäude aufgestellten Heizstation (zumindest wirtschaftliches) Eigentum des Wärmelieferanten angenommen, weil die Heizstation dem Abnehmer der Heizwärme nicht zur Nutzung überlassen worden war und dieser keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten auf die in einem gemieteten Raum im Gebäude untergebrachte Heizstation hatte. Zudem konnte der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses entweder die Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangen oder die Heizstation gegen angemessene Entschädigung, d.h. den gegenwärtigen Verkehrswert, übernehmen. Damit hatte der Wärmelieferant nicht nur die alleinige Sachherrschaft über die Heizstation, sondern konnte zu jedem Zeitpunkt wirtschaftlich über deren Wert verfügen (BFH, Urteil in BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144; s. auch das zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangene Senatsurteil vom 30. März 2000 III R 58/97, BFHE 192, 176, BStBl II 2000, 449, bezüglich Hausanschlussstationen).
Entsprechendes gilt bei Bauten auf fremdem Grund und Boden, wenn der Hersteller aufgrund eines Nutzungsrechts im eigenen Interesse und ohne Zuwendungsabsicht eine Baulichkeit errichtet hat. Steht ihm gegen den Grundstückseigentümer ―wie regelmäßig― ein Ersatzanspruch gemäß §§ 951, 812 BGB zu, bejaht die Rechtsprechung wirtschaftliches Eigentum (BFH, Urteil in BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741).
2. Nach diesen Grundsätzen ist die GmbH weder zivilrechtliche noch wirtschaftliche Eigentümerin des Sekundärnetzes.
a) Es handelt sich nicht um Scheinbestandteile i.S. des § 95 BGB, so dass die GmbH nicht zivilrechtliche Eigentümerin des Sekundärnetzes geblieben ist.
Die Einbauten sind weder zu einem vorübergehenden, zeitlich begrenzten Zweck (§ 95 Abs. 2 BGB), noch in Ausübung eines dinglichen Rechts am Grundstück mit dem Gebäude verbunden worden (§ 95 Abs. 1 BGB). Ein vorübergehender Zweck ist nach der Rechtsprechung des BFH anzunehmen, wenn die Nutzungsdauer der eingefügten Sachen länger als die voraussichtliche Mietdauer ist und nach den gesamten Umständen damit gerechnet werden kann, dass die eingebauten Sachen später wieder entfernt werden (BFH, Urteil in BFHE 172, 333, BStBl II 1994, 164, m.w.N.). Im Streitfall ist nicht damit zu rechnen, dass die eingebauten Steig-, Heizleitungen und Heizkörper wieder entfernt werden, da das Gebäude ohne diese nicht nutzbar ist. Außerdem ergibt der Umkehrschluss aus Ziff. 1.4 WLV, nach dem die Heizstation nur zu einem vorübergehenden Zweck für die Vertragsdauer mit dem Grundstück verbunden ist, dass das Sekundärnetz nach dem Willen der Vertragschließenden dauerhaft in das Gebäude eingefügt werden soll.
b) Die GmbH ist auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin des Sekundärnetzes geblieben.
Wirtschaftliches Eigentum scheitert bereits daran, dass die GmbH während der Vertragsdauer nicht die tatsächliche Herrschaft unter Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers innehatte. Vielmehr liegt die tatsächliche Befugnis zur Nutzung des Gebäudes und des Sekundärnetzes ―anders als bei der Heizungsstation― beim Land Berlin. Während die in das Gebäude eingebaute Heizstation schon rein äußerlich durch die Eigentumsmarken vom übrigen Gebäude abgegrenzt ist und sich in einem eigens von der GmbH gemieteten Heizraum befindet (1.6 WLV sowie 1.2 der Anlage 1 zum WLV), ist dies hinsichtlich des Sekundärnetzes nicht der Fall. Vielmehr wird der GmbH insoweit nur ein Zutrittsrecht gewährt. Eine Sachherrschaft über Gegenstände, die sich in Gebäudeteilen befinden, die Mitarbeiter der GmbH nur zur Überprüfung der technischen Einrichtungen oder wenn dies zur Durchführung des Vertrages erforderlich war, betreten durften (vgl. 8.2 WLV), ist nicht gegeben. Zwar ist auch ein besitzloses wirtschaftliches Eigentum an Wirtschaftsgütern denkbar, Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Inhaber des zivilrechtlichen Eigentums hinsichtlich des Wirtschaftsgutes den Anweisungen des anderen zu folgen hat und dieser jederzeit die Herausgabe des Wirtschaftsgutes (Übertragung des Eigentums) verlangen kann (BFH, Urteil vom 29. Oktober 1986 II R 229/81, BFH/NV 1988, 20). Beide Vorausetzungen liegen hier offenkundig nicht vor.
Vor allem aber stand der GmbH für das Sekundärnetz nach Ablauf des 20-jährigen Vertrages kein Ersatzanspruch gegen das Land Berlin zu, und zwar unabhängig davon, ob das Sekundärnetz, wovon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht auszugehen war, wirtschaftlich verbraucht war oder nicht. Auch im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung richtet sich das vom Land Berlin zu entrichtende Entgelt nach dem Erfüllungsinteresse der GmbH und nicht nach dem Wert des Sekundärnetzes (9.12 WLV i.V.m. Anlage 2 WLV).
Da das Sekundärnetz nicht im wirtschaftlichen Eigentum der GmbH stand, rechnete es nicht zum Betriebsvermögen (Anlagevermögen) der GmbH, so dass insoweit kein Anspruch auf Investitionszulage gegeben ist. Auf die Frage, ob in ein fremdes Gebäude eingebaute Steigleitungen und Heizkörper stets als Gebäudebestandteile oder infolge einer auf den Betrieb ausgerichteten Funktion als Betriebsvorrichtungen und damit als bewegliche Wirtschaftsgüter beurteilt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 26/99, BFHE 193, 199, BStBl II 2001, 137), kommt es daher nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 1086834 |
BFH/NV 2004, 292 |
BStBl II 2004, 305 |
BFHE 2004, 564 |
BFHE 203, 564 |
BB 2004, 200 |
DB 2004, 2079 |
DB 2005, 15 |
DB 2005, 4 |
DStRE 2004, 232 |
HFR 2004, 245 |