Leitsatz (amtlich)
Wird bei Aufgabe eines gepachteten städtischen Hotelbetriebs und anschließender Eröffnung eines eigenen ländlichen Hotels nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Betriebsvermögens veräußert, während der weit größere Teil im Betriebsvermögen zur weiteren gewerblichen Nutzung verbleibt, so fällt der bei der Veräußerung erzielte Gewinn nicht unter die § 16 Abs. 3 und 4, § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG.
Normenkette
EStG 1960 § 16 Abs. 3-4, § 34 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) betrieb bis zum 31. Dezember 1960 als Pächterin das Parkhotel A in D. Zum 15. Januar 1961 eröffnete sie das neu errichtete eigene Hotel S. in E. Bei der Veräußerung eines Teiles des Inventars des Parkhotels erzielte sie einen Gewinn, den sie für einen Veräußerungsgewinn bei einer Betriebsaufgabe und für steuerfrei nach § 16 Abs. 3 und 4 EStG 1960 hält, da er nicht mehr als 10 000 DM betragen hat. Der Revisionsbeklagte (FA) hingegen beurteilt den Sachverhalt nicht als Betriebsaufgabe, sondern als Betriebsverlegung und lehnte die Steuerfreiheit bei der Veranlagung für das Streitjahr 1960 ab. Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg.
Die Steuerpflichtige trug im Berufungsverfahren vor, die beiden Hotels seien nach ihrer Betriebsstruktur sehr verschieden. Das Parkhotel sei ein typisches städtisches Hotel mit Restaurantbetrieb für Durchgangsgäste, ohne Cafebetrieb, das Hotel S. eine dörfliche Vollpension für Dauergäste mit Restaurant- und Cafebetrieb. Dem Eigentümer des Parkhotels seien das Großinventar und die als geringwertige Wirtschaftsgüter bilanzierten Gegenstände gegen eine Abfindung von 14 881 DM überlassen worden. In das Hotel S. seien nur die Hotelwäsche, das kleine Inventar (Porzellan, Bestecke) und die Warenbestände übernommen worden; mithin keine wesentlichen Grundlagen für einen Hotelbetrieb. Die Fremdenzimmereinrichtungen und die Restaurantmöbel für das Hotel S. seien neu angeschafft worden. Es seien auch eine neue Konzession und eine neue Eintragung in das Handelsregister notwendig gewesen.
Das FA erwiderte, die veräußerten Gegenstände (Hallenmöbel, veräußert für 6 000 DM, Großmuldenmangel, veräußert für 5 000 DM, und geringwertige Wirtschaftsgüter, veräußert für 3 881 DM), seien, gemessen am Gesamtinventar eines Hotelbetriebs, von untergeordneter Bedeutung gewesen. Dagegen habe die Steuerpflichtige in ihr neues Hotel die gesamte übrige Geschäftsausstattung, Maschinen, Büroeinrichtung, Kraftfahrzeuge, geringwertige Wirtschaftsgüter und Warenvorräte im Gesamtbuchwert von 29 249 DM überführt. Der Verkehrswert dieser Gegenstände sei erheblich höher gewesen. Allein die geringwertigen Wirtschaftsgüter des Hotels S. habe die Steuerpflichtige selbst zum 1. Januar 1961 mit einem Teilwert von 29 000 DM angesetzt. In das Privatvermögen habe sie aus dem Parkhotel nichts übernommen. Nennenswerte Zugänge zum Anlagevermögen des neuen Hotels seien, abgesehen von einem Fernsehgerät, einer Registrierkasse und geringwertigen Wirtschaftsgütern im Anschaffungswert von 4 275 DM, im Jahre 1961 nicht zu verzeichnen gewesen.
Nach der Begründung der Vorentscheidung hat die Steuerpflichtige ihr Unternehmen, wenn auch mit gewissen, für die Entscheidung aber unerheblichen Änderungen, von D. nach E. verlegt. Der Begriff der Betriebsaufgabe habe zum Inhalt, daß der Betrieb unter Realisierung der Werte des Betriebsvermögens als der wesentlichen Betriebsgrundlagen aufhöre zu bestehen. Davon könne keine Rede sein. Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des FA betreibe die Steuerpflichtige nach wie vor ein Hotel, und zwar im wesentlichen mit denselben Gegenständen, die als eigenes Betriebsvermögen der Steuerpflichtigen bereits die Grundlage des Parkhotels gebildet hätten. Der Verkehrswert der nach E. übernommenen und dort verwendeten Betriebsgegenstände belaufe sich auf weit über 60 000 DM, während nur Werte von rd. 15 000 DM veräußert worden seien. Im ersten Jahr nach der Betriebsverlegung seien für weniger als 5 000 DM Neuanschaffungen vorgenommen worden, was ebenfalls beweise, daß das neue Hotel trotz seines in verschiedener Hinsicht anderen Charakters in der Hauptsache mit der aus D. mitgebrachten Einrichtung habe betrieben werden können. Für einen Hotelbetrieb sei die Einrichtung die wichtigste Betriebsgrundlage. Konzession, Handelsregistereintragung, Kundenkreis usw. seien zwar auch von Wichtigkeit, aber im Zusammenhang mit der Frage, ob die Realisierung stiller Reserven tarifbegünstigt werden solle, ohne Bedeutung.
Mit der nach § 184 Abs. 2 FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt die Stpfl. mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Auslegung des Begriffs der Betriebsaufgabe. Das FG habe verkannt, daß es für die Frage, ob der Pachtbetrieb aufgegeben und der neue Betrieb eröffnet worden sei, entscheidend auf die unterschiedliche Struktur der beiden Hotels ankomme. Nicht entscheidend sei, ob Einrichtungsgegenstände, die dem ursprünglichen Pachtbetrieb gedient hätten, in den neuen Betrieb übernommen worden seien. Die Feststellung des FG, das neue Hotel sei in der Hauptsache mit der bereits in D. verwendeten Einrichtung betrieben worden und deren Verkehrswert habe weit über 60 000 DM betragen, widerspreche den Tatsachen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Nach den §§ 16, 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG 1960 wird der Gewinn, der bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebs anfällt, steuerlich in der Weise begünstigt, daß er steuerfrei bleibt oder einem günstigeren Tarif unterliegt. Ein solcher Aufgabegewinn kann nach ständiger Rechtsprechung nur angenommen werden, wenn ein Betrieb eingestellt wird und die wesentlichen Grundlagen des Betriebs innerhalb kurzer Zeit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang an einen oder mehrere Abnehmer veräußert oder ins Privatvermögen überführt werden. Durch die Steuervergünstigung sollen nämlich Härten vermieden werden, die dadurch entstehen können, daß buchführende Unternehmen die oft in langen Jahren angesammelten stillen Reserven bei der Betriebsaufgabe mit einem Schlag auflösen und den dabei entstandenen Gewinn nach dem progressiven Einkommensteuertarif versteuern müssen (vgl. Urteile des BFH I 294/56 U vom 10. September 1957, BFH 65, 468, BStBl III 1957, 414; IV 411/61 U vom 4. November 1965, BFH 84, 134, BStBl III 1966, 49, und VI 118-119/65 vom 16. September 1966, BFH 87, 134, BStBl III 1967, 70).
Unbestritten betrug der Erlös aus den Gegenständen, die die Steuerpflichtige bei Aufgabe des Parkhotels veräußerte, 14 881 DM. Andererseits wurden Wirtschaftsgüter im Buchwert von 29 249 DM in das Hotel S. überführt. Hierbei sind für die Büroeinrichtung und die geringwertigen Wirtschaftsgüter nur je 1 DM angesetzt. Allein die geringwertigen Wirtschaftsgüter hatten aber nach der Vermögenserklärung der Steuerpflichtigen bereits einen Teilwert von 29 000 DM. Danach ist die Feststellung der Vorinstanz, daß die Steuerpflichtige von ihrem Betriebsvermögen bei Aufgabe des Parkhotels Wirtschaftsgüter im Verkehrswert von mehr als 60 000 DM ins Hotel S. übernommen habe, nicht zu beanstanden. Ins Privatvermögen wurden unbestritten keine Wirtschaftsgüter übernommen.
Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz den Gewinn aus den veräußerten Wirtschaftsgütern zutreffend nicht als Aufgabegewinn im Sinn des § 16 Abs. 3 und 4 EStG 1960 angesehen. Es fehlt bereits an der unabdingbaren Voraussetzung für die Steuervergünstigung, daß die wesentlichen Grundlagen des aufgegebenen Betriebs veräußert wurden. Es wurde nur ein verhältnismäßig kleiner Teil des Betriebsvermögens veräußert, während der weit größere Teil weiterhin gewerblich genutzt worden ist. Scheidet die Annahme eines begünstigten Veräußerungsgewinns schon aus diesem Grunde aus, so kommt es auf den Einwand der Steuerpflichtigen, der neue Betrieb im Hotel S. sei ganz anderer Struktur als der vorangegangene Betrieb im Parkhotel, nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 425911 |
BStBl II 1968, 276 |
BFHE 1968, 166 |