Entscheidungsstichwort (Thema)
Detektivkosten als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (NV)
Kosten für die Einschaltung eines Detektivs gehören grundsätzlich nicht zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Ehescheidungsprozesses und entstehen somit nicht zwangsläufig.
Normenkette
EStG § 33; BGB §§ 1361, 1579 ff.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beantragte 1983 vor dem Familiengericht X die Scheidung seiner Ehe. Gegenstand des Verfahrens war auch die von ihm begehrte Regelung des Versorgungsausgleichs (§§ 1587 bis 1587t des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). In einem weiteren Verfahren machte er darüber hinaus den ehelichen Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) geltend. In diesem Zusammenhang erteilte die Klägerin am 7. September 1983 dem Detektivbüro Z einen Ermittlungsauftrag.
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr 1983 begehrte die Klägerin die Berücksichtigung der ihr aus der Auftragserteilung an Z erwachsenen Kosten als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies ab.
Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, die Einschaltung des Z sei zur Abwehr des von ihrem Ehemann eingeklagten Trennungsunterhalts bzw. Versorgungsausgleichs notwendig gewesen. Sie sei bezüglich der Voraussetzungen der §§ 1361 Abs. 3 i.V.m. 1579 bzw. 1587c Nr.1 und 3 BGB beweispflichtig gewesen. Zur notwendigen Beweissicherung habe sie Z mit den entsprechenden Ermittlungen beauftragt. Diese Maßnahme habe entscheidend zu einem für sie günstigen Ausgang der Verfahren vor dem Familiengericht beigetragen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, daß die von der Klägerin geltend gemachten Detektivkosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien. Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus:
Gemäß § 33 Abs. 1 EStG seien nicht nur die unmittelbar und unvermeidbar mit einer Ehescheidung selbst zusammenhängenden Kosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig, sondern auch die Aufwendungen, die die Scheidungsfolgeregelungen beträfen. Aufwendungen für einen Detektiv ständen in unmittelbarem Zusammenhang mit Scheidungsfolgesachen, wenn die Beauftragung aus der Sicht einer vernünftigen Partei notwendig sei und die Kosten sich in angemessenen Grenzen hielten. In einem solchen Fall würden die Kosten nicht freiwillig aufgewendet, obwohl die Scheidung ohne die Beauftragung eines Detektivs durchgeführt werden könne. Die Prozeßpartei müsse dann aber in Kauf nehmen, in Ehescheidungsfolgesachen zu unterliegen, weil sie dort die für sie günstigen Umstände nicht beweisen könne.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Schrifttums sei die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten nur zu bejahen, wenn diese unmittelbar und unvermeidlich durch die prozessuale Durchführung des Ehescheidungsverfahrens veranlaßt seien. Das FG setze sich zu dieser Auffassung in Widerspruch.
Das FA hat den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1983 geändert und die Festsetzung hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig erklärt. Die Klägerin hat den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Aufwendungen für die Beauftragung des Z sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Die Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen, d.h. vom Willen der Steuerpflichtigen unabhängig, auf ihre Entschließung in einer Weise einwirken, daß sie ihnen nicht auszuweichen vermögen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 27. Februar 1987 III R 209/81, BFHE 149, 240, BStBl II 1987, 432, und vom 27. Oktober 1989 III R 205/82, BFHE 158, 431, BStBl II 1990, 294 m.w.N.). Zur Entstehung der hier streitigen Aufwendungen haben derartige Gründe, die ohnehin nur rechtlicher oder tatsächlicher Art sein könnten, nicht geführt.
Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen ist zunächst nicht deshalb zu bejahen, weil die Klägerin nach Beauftragung der Detektei rechtlich verpflichtet war, dieser das vereinbarte Entgelt zu zahlen. Denn diese Verpflichtung hat die Klägerin selbst gesetzt; sie beruht nicht ihrerseits auf einer gesetzlichen oder sittlichen Verpflichtung bzw. einer tatsächlichen Zwangslage. Dies wäre aber erforderlich, um die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG bejahen zu können (BFH-Urteil in BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745).
Allerdings werden Kosten einer Ehescheidung in der Rechtsprechung des BFH als zwangsläufige und damit gemäß § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigungsfähige Aufwendungen anerkannt. Die Begründung dafür hat im Laufe der Zeit gewechselt. Während zunächst auf den rechtsgestaltenden Charakter der Ehescheidung, also auf rechtliche Gründe abgestellt wurde (BFH-Urteil vom 8. November 1974 VI R 22/72, BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111), prüfte der VI.Senat des BFH die Zwangsläufigkeit von Ehescheidungskosten später unter dem Gesichtspunkt der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen (Urteil vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Dabei vertrat der VI.Senat die Auffassung, es könne insbesondere wegen des inzwischen im Ehescheidungsrecht maßgebenden Zerrüttungsprinzips im Regelfall davon ausgegangen werden, daß sich Ehepartner scheiden ließen, wenn die Ehe so zerrüttet sei, daß ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich ist; deshalb sei die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen.
Der vorliegende Streitfall zwingt den Senat nicht zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dieser Rechtsprechung und ihrer Begründung. Denn sie bezieht sich nur auf die infolge der prozessualen Durchführung des Ehescheidungsverfahrens unmittelbar und unvermeidbar entstehenden Kosten, also im Regelfall die Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsprozesses (Urteile in BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111, und vom 10. Februar 1977 IV R 87/74, BFHE 121, 440, BStBl II 1977, 462). Folgekosten eines Ehescheidungsprozesses sind nach der Rechtsprechung ebenfalls nur insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie unmittelbar und unvermeidbar durch die Ehescheidung entstehen (z.B. für ein Verfahren über das Sorgerecht für die Kinder, Urteil in BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116; vgl. auch Abschn. 186 Abs. 6 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1900).
Zwar wird danach davon auszugehen sein, daß die - notwendigen - Kosten des Verfahrens betreffend den Versorgungsausgleich grundsätzlich auch zu den Ehescheidungskosten im vorstehenden Sinn gehören (vgl. auch Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 33 EStG Anm.150 - Prozeßkosten; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 33 EStG Anm.121; Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.C 43; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Anm.78 - Prozeßkosten; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 33 Rdnr.57a; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 33 Anm.8 - Ehescheidung). Letztlich kommt es darauf für die Entscheidung des Streitfalles aber nicht an.
Der Senat braucht hier auch nicht abschließend zu entscheiden, ob zu den Ehescheidungskosten im Sinn der vorstehenden Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung auch die Kosten eines Klageverfahrens betreffend den Unterhalt in der Zeit des Getrenntlebens vor der Ehescheidung (§ 1361 BGB) gehören. Denn jedenfalls könnten auch bei solchen Verfahren nur die unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten als zwangsläufig angesehen und deshalb als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 Abs. 1 EStG anerkannt werden. An einem derart engen Zusammenhang fehlt es jedoch bei den hier streitigen Detektivkosten.
Nach der Rechtsprechung des VI.Senats des BFH und der überwiegenden Auffassung in der Literatur gehören Kosten für die Einschaltung eines Detektivs zur Beschaffung von Beweismitteln schon im Ehescheidungsverfahren selbst nicht zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten dieses Prozesses (Urteil in BFHE 114, 90, BStBl II 1975, 111; Oepen in Blümich, a.a.O., Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 33 EStG Anm.119 ff.; Arndt in Kirchhof/Söhn, a.a.O., § 33 Anm.C 22f., 42f.; Fitsch in Lademann/ Söffing/Brockhoff, a.a.O.; Borggreve in Littmann/Bitz/Meincke, a.a.O., § 33 Rdnr.57b; Schmidt/Drenseck, a.a.O.).
Der erkennende Senat ist ebenfalls der Auffassung, daß Aufwendungen für einen Detektiv grundsätzlich nicht zu den unmittelbaren und unvermeidbaren Kosten eines Ehescheidungsprozesses gehören. Andere Kosten als mit der Ehescheidung verbundene Anwalts- und Gerichtskosten sind in der Regel nicht zwingend erforderlich, um die Ehescheidung, deren Zwangsläufigkeit unterstellt wird, durchzuführen. Das gilt auch für den Streitfall.
Zwar mag die Beauftragung des Z zur Beweissicherung zweckmäßig gewesen sein. Mit Hilfe des Z konnten die Voraussetzungen des § 1361 Abs. 3 i.V.m. § 1579 bzw. § 1587c BGB jedoch nicht allein bewiesen werden, wie sich auch aus dem Beschluß des Familiengerichts vom . . . in dem Verfahren . . . ergibt. Das Ermittlungsergebnis des Z konnte allenfalls eines von mehreren möglichen Beweismitteln sein. Die Beauftragung eines Detektivs war mithin nicht zwingend erforderlich, so daß eine objektive Zwangslage nicht bestand.
Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr.1 FGO); die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 64034 |
BFH/NV 1993, 356 |