Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung des Werts des Streitgegenstands im Rechtsmittelverfahren über die allgemeine Soforthilfeabgabe bleiben etwaige Anrechnungsmöglichkeiten nach § 24 Absatz 1 SHG außer Betracht.
Der Betrieb eines Flughafens kann - im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung des RFH - unter Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse heute nicht mehr als gemeinnützig angesehen werden.
Normenkette
AO § 286 Abs. 1, § 320; SHG § 5 Ziff. 8; StAnpG § 1 Abs. 2, § 17
Tatbestand
Die beschwerdeführende GmbH ist Inhaberin eines Flughafenbetriebs. Nach § 2 ihrer Satzung ist Zweck und Gegenstand der Gesellschaft, in gemeinnütziger Weise den Luftverkehr der Stadt zu fördern, den vom Staat zur Verfügung gestellten Flugplatz zu verwalten und alle damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten zu erledigen. Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat in der Vermögensanzeige und Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe ihr aus Betriebsgrundstücken bestehendes Vermögen mit 284 900 DM angegeben und dabei Steuerfreiheit im Rahmen des § 5 Ziffer 8 des Soforthilfegesetzes (SHG) wegen Gemeinnützigkeit geltend gemacht. Das Finanzamt hat grundsätzlich die Gemeinnützigkeit der Bfin. anerkannt, den Wert des nicht unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzten Grundbesitzes (§ 5 Ziffer 8 Satz 3 SHG) mit 102 500 DM angenommen und hieraus den Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe auf 3 075 DM festgesetzt. Gegen diese Festsetzung hat die Bfin. Sprungberufung eingelegt und sich dabei auf den Standpunkt gestellt, ihr gesamter Grundbesitz gehöre einheitlich zum Flughafen und diene daher, nachdem die Gemeinnützigkeit des Flughafenbetriebs anerkannt sei, in vollem Umfang unmittelbar gemeinnützigen Zwecken. Außerdem verwies die Bfin. auf die erheblichen Kriegsschäden, die sie insbesondere an ihren Gebäuden erlitten habe, und die in den angegebenen Einheitswerten nicht berücksichtigt seien. In der Stellungnahme zur Sprungberufung gab das Finanzamt seine ursprüngliche Auffassung von der Gemeinnützigkeit des Flughafenbetriebs auf unter Hinweis auf die Beteiligung der Bfin. am allgemeinen Verkehr sowie darauf, daß Einrichtungen, die dem Land-, Wasserstraßen- und Seeverkehr dienten, auch nicht als gemeinnützig anerkannt seien, und beantragte die Heranziehung der Bfin. mit ihrem gesamten Betriebsvermögen zur Soforthilfeabgabe.
Auf Veranlassung des Finanzgerichts wurden die Einheitswerte der Betriebsgrundstücke der Bfin. auf den 21. Juni 1948 im Hinblick auf die Kriegsschäden auf 225 500 DM fortgeschrieben. Diesen Betrag legte das Finanzgericht, das im übrigen die Gemeinnützigkeit der Bfin. verneinte, der Berechnung der Soforthilfeabgabe zugrunde und setzte hiernach den Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe auf 6 765 DM fest, so daß nach Anrechnung der Zinsen und Tilgungsbeträge aus Umstellungsgrundschulden mit 6 682 DM der für das erste Jahr der Laufzeit der Soforthilfeabgabe noch zu zahlende Abgabebetrag 83 DM betrug.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde (Rb.), in der die Bfin. erneut Freistellung von der Soforthilfeabgabe wegen Gemeinnützigkeit begehrt, ist nicht begründet.
Der Tenor des Urteils des Finanzgerichts lautet: "Der Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe wird auf 83 DM herabgesetzt". Da das Finanzgericht die Rb. nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat, müßte die Rb., falls man den Jahresbetrag der Soforthilfeabgabe mit 83 DM annehmen und dementsprechend nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung den Streitwert der Rb. auf das Doppelte des angefochtenen Jahreswerts festsetzen würde, als unzulässig verworfen werden, da der erforderliche Streitwert von mehr als 200 DM nicht erreicht würde. Der Senat ist aber der Auffassung, daß in einem Streit über den für die ganze Zeit der Erhebung der Soforthilfeabgabe gleichbleibenden Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe etwaige Anrechnungsmöglichkeiten nach § 24 Absatz 1 SHG, die sich von Jahr zu Jahr ändern können, für den Streitwert außer Betracht zu bleiben haben. Der Streitwert für die Rb. beträgt daher 2 x 6 765 = 13 530 DM, die Rb. ist somit zulässig.
Das Finanzgericht hat die Gemeinnützigkeit der Bfin. im Hinblick auf § 9 der Satzung vom 17. Juni 1937 verneint. Dort war vorgesehen, daß aus dem Reingewinn der GmbH zunächst 4 v. H. auf die Normalanteile verteilt werden, aus dem verbleibenden überschuß der Staat eine bestimmte jährliche Pachtsumme erhalten und der Rest des Reingewinns einem Reservefonds für die satzungsmäßigen Zwecke der GmbH zufließen sollte. Diese Satzungsbestimmung stand nach der Auffassung des Finanzgerichts der Ausschließlichkeit der Gemeinnützigkeit entgegen, da nach § 3 Ziffer 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung die Körperschaft keinen Gewinn erstreben und die Mitglieder oder Gesellschafter keine Gewinnanteile erhalten dürften. In der Rb. nimmt die Bfin. auf die schon früher vorgetragene änderung der Satzung in der Gesellschafterversammlung vom 2. September 1949 Bezug. Diese Satzungsänderung, nach der u. a. der Reingewinn der GmbH unter Ausschluß einer Gewinnverteilung an die Gesellschafter einem Reservefonds für die satzungsmäßigen Zwecke der GmbH zufließen sollte, behebe den bisherigen Satzungsmangel entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nach § 16 Absatz 1 der Gemeinnützigkeitsverordnung mit Wirkung auch für die Vergangenheit.
Es kann dahingestellt bleiben, ob diesen Ausführungen der Bfin. zugestimmt werden kann. Die Gemeinnützigkeit der GmbH ist schon allgemein deshalb zu verneinen, weil die Zwecke der Bfin. heute und auch schon am Währungsstichtag nicht mehr als gemeinnützig i. S. des § 17 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (i. d. F. des Artikels II des Kontrollratsgesetzes - KontrRG - Nr. 1 und des Artikels I KontrRG Nr. 12) angesehen werden können. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nach § 17 Absatz 2 a. a. O. nur anzunehmen, wenn die Tätigkeit dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nutzt. Keine Gemeinnützigkeit liegt nach § 17 Absatz 4 a. a. O. vor, wenn eine Tätigkeit in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Nun hat der Reichsfinanzhof in mehreren zur Vermögensteuer und zur Aufbringungsumlage ergangenen Urteilen die Gemeinnützigkeit von Flughafenbetrieben bejaht (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs I A 549/28 vom 23. Oktober 1928, Steuer und Wirtschaft 1929 Nr. 148; III A 37/28 vom 20. Dezember 1929, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1930 S. 140; III A 139/29 vom 23. Oktober 1930, RStBl. S. 858). Als Begründung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit hat der Reichsfinanzhof in diesen Urteilen im wesentlichen ausgeführt, daß die Bestrebungen zur Vervollkommnung des Verkehrs durch Zuhilfenahme des Luftverkehrs dem allgemeinen Besten dienlich seien. Auch hätten die Flughafenbetriebe nach dem damaligen Stand des Flugwesens nicht nur keine Gewinne erzielt, vielmehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben auf nicht absehbare Zeit erheblicher Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln bedurft, sich also aus selbstlosen Gründen in den Dienst einer werdenden Kulturerrungenschaft gestellt. Der Reichsfinanzhof hat also damals den Nutzen von Flughäfen für das allgemeine Beste hauptsächlich darin erblickt, daß diese Unternehmungen ohne greifbare Aussichten auf eigene wirtschaftliche Vorteile Pionierarbeit auf dem Gebiet des Flugwesens leisteten und dadurch wesentlichen Anteil an dem Streben auf ein zukünftiges Ziel, die Luft dem allgemeinen Verkehr zu erschließen, nahmen. Heute ist dieses Ziel weitgehend erreicht; der Betrieb eines Lufthafens unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von anderen Verkehrseinrichtungen, die dem Land-, Wasserstraßen- und Seeverkehr dienen. Er kann daher nach der bei der Auslegung der Steuergesetze gebotenen Berücksichtigung der Entwicklung der Verhältnisse und nach dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung ebensowenig wie diese anderen Verkehrseinrichtungen auch jetzt noch als gemeinnützig anerkannt werden. Dazu kommt, daß bei der wirtschaftlichen Bedeutung, die den ganz allgemein bei Großstädten angelegten Verkehrsflughäfen angesichts des gesteigerten Flugverkehrs für die betreffende Stadt zukommt, der Betrieb eines solchen Flughafens in besonderem Masse den eigenwirtschaftlichen Belangen der Gesellschafter des Flughafenunternehmens dient, wenn diese, wie im vorliegenden Fall, im wesentlichen die betreffende Stadt selbst und in ihr ansässige Unternehmer sind. Dann verbietet sich aber die Anerkennung der Gemeinnützigkeit auch nach § 17 Absatz 5 StAnpG.
Hiernach mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407386 |
BStBl III 1952, 112 |
BFHE 1953, 280 |
BFHE 56, 280 |
DB 1952, 427 |