Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des Abschnitts 2 Abs. 2 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien ist als Vorschrift mit Rechtsnormcharakter aufzufassen und ist deshalb von den Finanzgerichten anzuwenden und auszulegen.
Normenkette
EStG § 19/1/1; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob die vom Beschwerdegegner (Bg.) an seine Filialleiter in den Jahren 1952 bis 1955 unter der Bezeichnung "Fehlgeldentschädigungen" gezahlten Beträge von monatlich 30 DM gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) behandelt werden können.
Das Finanzamt hielt Lohnsteuerpflicht für gegeben, weil die Filialleiter nicht im "Kassen- oder Zähldienst" im Sinne des Abschnitts 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR beschäftigt gewesen seien. Demgemäß forderte es vom Bg. durch Haftungsbescheid vom 13. September 1956 291,40 DM Lohnsteuer und 19,60 DM Notopfer Berlin.
Der dagegen erhobene Einspruch blieb erfolglos. Auf die Berufung des Bg. kam das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß in der Tätigkeit der Filialleiter, die durchschnittlich zwischen 2.600 und 6.000 DM monatlich liegende Kasseneingänge aufzuweisen hätten, ein Kassen- oder Zähldienst im Sinne der LStR zu erblicken sei, zumal sich die Barumsätze aus einer Vielzahl kleinerer Beträge zusammensetzten. überdies hätten die Filialleiter auch für die Unstimmigkeiten einzustehen, die den neben ihnen in den Filialen tätigen Kräften unterliefen. Demgemäß hob das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 1956 und den Haftungsbescheid ersatzlos auf.
Mit der dagegen erhobenen Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts Verkennung des Begriffes "Kassen- oder Zähldienst" im Sinne des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung VI 2/56 U vom 29. März 1957 (Slg. Bd. 64 S. 592, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 221) zum Ausdruck gebracht, daß die Vorschrift des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR, die auf den gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1941 S. 697) zurückgeht, der sich seinerseits auf die §§ 12, 13 der Reichsabgabenordnung (AO) stützte, sehr wohl als eine nicht ausschließliche Verwaltungsvorschrift, sondern auch als Vorschrift mit Rechtsnormcharakter aufzufassen sei. Der Senat hat in dem angezogenen Urteil allerdings noch nicht abschließend dazu Stellung genommen; er verbleibt bei dieser Auffassung. Er vermag daher der Entscheidung IV 556/55 U vom 15. November 1956 (Slg. Bd. 64 S. 396, BStBl 1957 III S. 148) nicht zu folgen.
So war das Finanzgericht in der Lage, die Vorschrift auszulegen. Jedoch kann seiner Auslegung nicht gefolgt werden. Wie das Urteil IV 531/52 U vom 3. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 662, BStBl 1953 III S. 252) erkennen läßt, ist der Begriff "Kassen- oder Zähldienst" eng zu fassen. Art- und umfangmäßig muß ein anhaltender Verkehr mit fortgesetzt wechselnden Ein- und Auszahlungen stattfinden.
Gedacht ist dabei allein an den Kassenverkehr, wie ihn eine Bank, eine Finanzkasse oder die Kasse eines großen Warenhauses mit sich zu bringen pflegt. Dort wird sich trotz der gebotenen Sorgfalt bei der Größe der Geldumsätze im Rahmen eines stark fluktuierenden Verkehrs erfahrungsgemäß immer wieder ein Kassenfehlbetrag einstellen. Damit kann aber die hier von den Filialleitern zu leistende Kassenarbeit nicht verglichen werden. Es handelt sich hier um verhältnismäßig bescheidene Bargeldumsätze, die in den zu betreuenden Kassen abgewickelt werden; sie bewegen sich im Monat nur zwischen 2.600 und 6.000 DM. Diese Tätigkeit kann bei der gebotenen engen Auslegung des Begriffes nicht als Kassen- oder Zähldienst angesprochen werden. Eine Steuervergünstigung gemäß Abschnitt 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR ist nicht gegeben. Mit Recht hat das Finanzamt die Lohnsteuerpflicht der unter der Bezeichnung Fehlgeldentschädigung gezahlten Beträge von 30 DM monatlich bejaht und den Bg., der diese Beträge nicht der Lohnsteuer unterworfen hatte, zur Haftung herangezogen.
Die angefochtene Entscheidung, die dies verkannte, ist deshalb aufzuheben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung vom 22. Oktober 1956 ist als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409056 |
BStBl III 1958, 265 |
BFHE 1958, 692 |
BFHE 66, 692 |