Leitsatz (amtlich)
1. Wird füllfertig erworbener, entkeimter Traubensaft nach Berührung mit Luft erneut einem Entkeimmungsverfahren unterzogen, so handelt es sich hierbei nicht um eine steuerlich schädliche Bearbeitung im Sinne von § 12 Abs. 1 UStDB, sondern um eine erforderliche Erhaltungsmaßnahme, die die Steuerermäßigung nach § 7 Abs. 3 UStG nicht ausschließt.
2. Der generelle Nachweis, daß das erneute Entkeimungsverfahren zur Erhaltung des Traubensaftes unerläßlich ist, reicht aus, um die steuerlich unschädliche Bearbeitung gemäß § 14 Abs. 3 und § 57 Abs. 1 Ziff. 3 und Ziff. 4 UStDB nachzuweisen.
Normenkette
UStG § 7 Abs. 3; UStDB 1951 § 12 Abs. 1, § 14 Abs. 3-4, § 57 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bfin., die eine Weinkellerei und eine Fruchtsaftkelterei betreibt, für die Entgelte aus Großhandelslieferungen von Traubensaft, den sie füllfertig erworben hatte, den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG in Anspruch nehmen kann, wenn sie vor der Weiterlieferung
1. den Traubensaft erhitzt,
2. rote Traubensäfte verschiedener Helligkeit vermischt.
Nach den Feststellungen einer im Jahre 1956 durchgeführten Betriebsprüfung und des Finanzgerichts liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Bfin. hat 1955 aus Frankreich gefilterten, gekühlten, von Trübstoffen befreiten, auf Flaschen füllfertigen roten Traubensaft eingeführt. Der Traubensaft ist nach dem Eintreffen mit Tankwagen auf Lagertanks umgefüllt und unter Kohlensäuredruck eingelagert worden. Vor dem Abfüllen auf Flaschen ist er aus den Lagertanks durch Filter gepumpt, über einen Plattenerhitzer geleitet, bei etwa 75\'f8 Celsius pasteurisiert und in Flaschen versandfertig gefüllt worden. Ferner bestand die Möglichkeit, daß durch die Bfin. rote Traubensäfte verschiedener Helligkeit miteinander vermischt worden sind.
Das Finanzamt hat auf Grund dieser Feststellungen bei der erstmals durchgeführten Veranlagung für 1955 für alle Großhandelslieferungen von Traubensaft den ermäßigten Steuersatz nach § 7 Abs. 3 UStG versagt und die hierfür erzielten Entgelte von insgesamt . . . . . . DM dem vollen Steuersatz unterworfen. Es vertrat die Auffassung, daß das Filtern der Traubensäfte eine steuerlich schädliche Bearbeitung im Sinne des § 12 UStDB sei und im übrigen der buchmäßige Nachweis über die Bearbeitung (§ 14 Abs. 4 Ziff. 3 UStDB) nicht vorliege. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
In der Berufung wiederholt die Bfin. im wesentlichen ihre im Einspruchsverfahren vorgebrachten Einwendungen, insbesondere, daß das Filtern des Traubensaftes nicht steuerlich schädlich sei. Das Finanzgericht hat den technischen Betriebsleiter der Bfin. und den Prüfer als Auskunftspersonen vernommen und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß das Filtern keine steuerlich schädliche Bearbeitung darstelle, da es lediglich den Zweak verfolge, den Traubensaft von Unreinheiten zu säubern, die bei der Beförderung und beim Pumpen in die Behälter gelangen konnten. Es hat aber in dem Erhitzen des Traubensaftes und in dem Mischen von roten Traubensäften eine steuerlich schädliche Bearbeitung gesehen und daher den ermäßigten Steuersatz versagt.
Mit der Rb. macht die Bfin. im wesentlichen geltend, sie habe haltbar gemachten Traubensaft erworben und haltbar gemachten Traubensaft im Großhandel weitergeliefert. Das Erhitzen sei lediglich eine Erhaltungsmaßnahme. Im übrigen bestreitet sie, im Jahre 1955 rote Traubensäfte gemischt zu haben. Aber selbst wenn eine Mischung von roten Traubensäften verschiedener Helligkeit stattgefunden hätte, könne sie nicht steuerlich schädlich sein. Denn die Wesensart des Traubensaftes ändere sich hierdurch nicht. Was den buchmäßigen Nachweis über die Bearbeitung betreffe, müsse berücksichtigt werden, daß es sich bei der Erhitzung um eine unerläßliche Bearbeitung handle, die immer die gleiche sei und immer mit den gleichen Maschinen nach der gleichen Methode erfolge, so daß sie auch ohne zusätzliche Aufzeichnungen für jeden Prüfer leicht nachprüfbar sei.
Entscheidungsgründe
Der Rb. kann der Erfolg nicht versagt werden.
Unstreitig sind die im Jahre 1955 eingeführten Traubensäfte von der Bfin. vor dem Abfüllen auf Flaschen erhitzt worden. Mit Recht hat das Finanzgericht festgestellt, daß die Säfte hierdurch keimfrei und in den Flaschen auf praktisch unbegrenzte Zeit haltbar gemacht worden sind. Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, wenn es ausführt, daß es wesensunterschiedlich sei, ob es sich um haltbaren oder nicht haltbaren Traubensaft handle. Dennoch kann der Schlußfolgerung des Finanzgerichts, durch das Erhitzen sei ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstanden, nicht zugestimmt werden.
Das Finanzgericht hat bei der Feststellung des Sachverhalts und bei seiner Tatsachenwürdigung übersehen, daß die Bfin. bereits haltbar gemachte Traubensäfte erworben hatte. Sowohl der Prüfer als auch das Finanzamt haben offensichtlich aus diesem Grunde dem Erhitzen zum Zwecke der Wiederhaltbarmachung keine Bedeutung beigemessen. Die Bfin. hat auch in ihrer Stellungnahme zum Betriebsprüfungsbericht darauf hingewiesen, daß es sich bei den eingeführten Traubensäften jeweils um füllfertige Endprodukte gehandelt habe. Sie hat diese Behauptung durch zwei Bescheinigungen ihrer Lieferer belegt. Darüber hinaus hat die Bfin. auch in ihrem Berufungsschreiben und später erneut vorgetragen, sie habe haltbar gemachte Traubensäfte erworben. Das Finanzamt hat dies nicht bestritten. Auch den Aussagen des technischen Betriebsleiters der Bfin. ist zu entnehmen, daß jeder Traubensaft einem Haltbarmachungs- = Entkeimungsverfahren unterworfen werden muß, wenn er als Traubensaft Bestand haben und nicht in Gärung übergehen soll. Das Finanzgericht verkennt daher die Sachlage, wenn es ausführt, daß erst durch das Erhitzen die in dem Traubensaft enthaltenen Keime abgetötet und der Saft hierdurch erst auf unbegrenzte Zeit haltbar gemacht werde. Schon der Hersteller des Traubensaftes mußte diesen entkeimen, wenn er ihn füllfertig an die Bfin. liefern wollte. Denn gewonnener Traubensaft ohne Entkeimungsverfahren geht in kürzester Zeit in Gärung über. Ein bereits entkeimter und haltbar gemachter Traubensaft muß aber stets dann wiederum entkeimt und haltbar gemacht werden, wenn er mit Luft in Verbindung kommt. Die Bfin. mußte daher, wie der Betriebsleiter erklärte, die Bakterien, die während des Transports auf die Säfte einwirkten, durch ein Entkeimungsverfahren (hier Kohlensäuremethode) töten, um die unbegrenzte Haltbarkeit der Traubensäfte wiederherzustellen. Dasselbe mußte sich wiederholen (hier Erhitzungsmethode), als die Bfin. den Saft aus den Lagertanks zum Abfüllen auf Flaschen pumpte. Denn der Traubensaft war wiederum mit Luft in Berührung gekommen und wurde wiederum mit Hefebakterien durchsetzt, die in kürzester Zeit die Umwandlung des Zuckers in Kohlensäure und Alkohol verursacht hätten. Der Senat sieht daher in dem Erhitzen des Traubensaftes lediglich eine Maßnahme, die erforderlich ist, um den erworbenen haltbar gemachten Traubensaft als solchen zu erhalten. Hierdurch wird die Wesensart des erworbenen Traubensaftes nicht geändert; eine die Steuerbegünstigung ausschließende Bearbeitung liegt nicht vor.
Soweit das Finanzgericht in seiner Entscheidung davon ausgeht, daß die Verhandlung ergeben habe, die Bfin. habe hellrote Traubensäfte mit dunkelroten Traubensäften vermischt, ist nicht ersichtlich, auf welche tatsächlichen Feststellungen das Finanzgericht diese Folgerung stützt. Der Betriebsleiter der Bfin. hat lediglich ausgesagt, es sei vorgekommen, daß rote Traubensäfte verschiedener Helligkeit miteinander vermischt worden seien. Ob dies im Jahre 1955 der Fall war, konnte seiner Aussage nicht entnommen werden. Die Bfin. bestreitet, 1955 derartige Mischungen vorgenommen zu haben. Nicht erwiesene und nicht festgestellte Tatsachen können aber bei der Urteilsfindung nicht verwertet werden. Da nicht zu erwarten ist, daß der Streitfall insoweit sachlich weiter aufgeklärt werden kann, sieht der Senat von einer Zurückverweisung ab.
Hinsichtlich der Frage, ob der Buchnachweis als geführt anzusehen ist, ist festzustellen, daß das Finanzgericht bei seiner Beurteilung von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen ist. Der Senat hat in seinem Urteil V 160/59 S vom 21. Dezember 1961 (BStBl 1962 III S. 209, Slg. Bd. 74 S. 565) klargestellt, daß es für den Buchnachweis als Voraussetzung der Steuervergünstigung entscheidend auf § 14 Abs. 3 UStDB ankommt und § 14 Abs. 4 UStDB lediglich Richtliniencharakter hat. Es genügt deshalb, daß die sachlichen Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sind. Dieser rechtlichen Beurteilung kommt gerade in einem Fall der vorliegenden Art besondere Bedeutung zu. Da feststeht, daß die Bfin. alle Traubensäfte bei der Einlagerung in Tanks und vor dem Füllen auf Flaschen stets mit den gleichen Maschinen nach den gleichen Entkeimungsverfahren wieder haltbar gemacht hat, müßte es als Überforderung der Bfin. angesehen werden, wenn sie diese unumgängliche Behandlung jeweils zusätzlich festhalten müßte. Unter den besonderen Umständen des Streitfalls muß der generelle Nachweis der Unerläßlichkeit eines Entkeimungsverfahrens als ausreichend im Sinne des § 14 Abs. 3 UStDB angesehen werden.
Nach allem war der Rb. stattzugeben. Der Senat vermag unter den gegebenen Verhältnissen in der Sache selbst zu entscheiden. Da die sonstigen Voraussetzungen für die Steuerermäßigung nach § 7 Abs. 3 UStG nicht streitig sind, waren die Vorentscheidungen aufzuheben und die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 1955 auf . . . . . . DM festzusetzen.
Fundstellen
BStBl III 1963, 249 |
BFHE 1963, 684 |