Leitsatz (amtlich)
Die Steuerermäßigung wegen auswärtiger Unterbringung eines in der Berufsausbildung stehenden Kindes kann einem Steuerpflichtigen für ein verheiratetes Kind, das am Ausbildungsort wohnt, auch dann zustehen, wenn das Kind die Berufsausbildung erst nach der Heirat begonnen hat. Voraussetzung ist, daß nach den Umständen die Berufsausbildung die Ursache für die auswärtige Unterbringung ist.
Normenkette
EStG 1969 § 33 a Abs. 2
Tatbestand
Die 1948 geborene Tochter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) bestand im Juli 1967 das Abitur. Ende Juli 1967 heiratete sie einen Studenten und brachte am 5. September 1967 eine Tochter zur Welt. Danach bezog sie mit ihrem Ehemann eine gemeinsame Wohnung in B. An der dortigen Universität studierte bereits ihr Ehemann; auch die Tochter nahm im Oktober 1967 mit dem Beginn des Wintersemesters 1967/68 das gleiche Studium wie ihr Mann auf. Beide erhalten eine Studienbeihilfe nach dem Honnefer Modell. Außerdem werden sie von dem Kläger und den Schwiegereltern der Tochter mit monatlich je 200 DM unterstützt. Den Antrag des Klägers auf Gewährung des Freibetrags gemäß § 33 a Abs. 2 EStG lehnte der Beklagte und Revisionskläger (FA) ab.
Die Klage hatte Erfolg. Das FG führte aus, die Anwendung des § 33 a Abs. 2 EStG werde nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Tochter des Klägers an ihrem Studienort verheiratet sei und mit ihrem Ehemann und deren Kind dort eine Wohnung bezogen habe. Die Tochter sei auch weiterhin im Verhältnis zum Kläger auswärtig untergebracht, da sie wegen der Unterhaltszahlungen des Klägers trotz ihrer Verheiratung bis zum Abschluß ihres Studiums wirtschaftlich zum Haushalt des Klägers gehöre. Wenn das FA die Kausalität zwischen Berufsausbildung und auswärtiger Unterbringung deshalb verneine, weil die Tochter erst nach ihrer Eheschließung an den Universitätsort gezogen sei, so werde dabei nicht berücksichtigt, daß die Tochter nach dem Abitur frühestens zum Wintersemester 1967/68 ihr Studium habe beginnen können. Auch wenn sie noch ledig gewesen wäre, hätte sie schon aus Kostengründen nicht früher ihr Elternhaus verlassen. Die zwischen den Beteiligten streitige Länge der Fahrzeit zwischen dem Wohnort der Eltern und dem Universitätsort sei unerheblich, weil es - unabhängig vom Familienstand der Tochter - dem Studium dienlich gewesen sei, am Universitätsort zu wohnen. Letztlich sei es im Hinblick auf die Zweckbestimmung des § 33 a Abs. 2 EStG nicht sachgerecht, die Heirat der vom Steuerpflichtigen unterhaltenen Person und die Inanspruchnahme einer gemeinsamen Wohnung mit ihrem Ehemann am Studienort zum Anlaß zu nehmen, die Ursächlichkeit der durch die Berufsausbildung bedingten auswärtigen Unterbringung zu verneinen. Durch dieses Ereignis ändere sich für den Kläger bei der im Steuerrecht gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Ergebnis nichts.
Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt es u. a. aus, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG seien nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur dann gegeben, wenn das verheiratete Kind, das einen eigenen Hausstand führe, sowohl außerhalb des ehelichen als auch des elterlichen Haushalts untergebracht sei. Da im Streitfall die Tochter des Klägers zwar außerhalb des elterlichen, aber nicht des ehelichen Haushalts untergebracht sei, könne dem Kläger der Freibetrag nicht zugebilligt werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Dem FG ist darin beizupflichten, daß die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG im Streitfall gegeben sind. Der Senat hat schon im Urteil vom 8. Februar 1974 VI R 322/69 (BFHE 111, 413, BStBl II 1974, 299) entschieden, daß diese Steuervergünstigung einem Steuerpflichtigen auch dann zustehen kann, wenn das Kind heiratet und am Universitätsort eine eheliche Wohnung bezieht. Der damals entschiedene Fall unterscheidet sich vom Streitfall nur dadurch, daß die Tochter zur Zeit der Heirat und des Bezuges einer gemeinsamen Wohnung bereits studierte. Das ist aber dann nicht entscheidend, wenn die Berufsausbildung der entscheidende Anlaß für die auswärtige Unterbringung war. Dann ist es unwesentlich, ob und wann das Kind heiratete und eine eheliche Wohnung bezieht, vorausgesetzt, daß dadurch der kausale Zusammenhang zwischen auswärtiger Unterbringung und Berufsausbildung nicht unterbrochen worden ist. Das ist im Streitfall nicht anzunehmen. Die Tochter hat zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Abitur eine Berufsausbildung aufgenommen, die sie am Wohnort ihrer Eltern nicht durchführen konnte. Für die Unterbringung am Universitätsort liegen somit in jedem Fall vernünftige Gründe vor; ob ihr ein tägliches Fahren zum Universitätsort zuzumuten war, braucht nicht untersucht zu werden.
Der Ansicht des FA, die Voraussetzungen für die Gewährung eines Freibetrags nach § 33 a Abs. 2 EStG seien nur dann gegeben, wenn das verheiratete Kind, das einen eigenen Hausstand führe, sowohl außerhalb des ehelichen als auch außerhalb des elterlichen Haushalts untergebracht sei, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt das Urteil VI R 322/69) entschieden, daß die Bezeichnung "auswärts" in § 33 a Abs. 2 EStG auf den Haushalt der Eltern bezogen ist. Für die Annahme, bei einem verheirateten Kind müsse hinzukommen, daß es außerdem außerhalb des ehelichen Haushalts zur Berufsausbildung untergebracht sein müsse, ist dem Gesetz nichts zu entnehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 71378 |
BStBl II 1975, 488 |
BFHE 1975, 365 |