Leitsatz (amtlich)
Eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich der Teilwertabschreibung für ein Apothekenbetriebsrecht kann es rechtfertigen, den Wertansatz für das Apothekenbetriebsrecht in der DMEB auf den Einheitswert zu erhöhen.
Normenkette
DMBG § 74 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist die Änderung des Wertansatzes für ein Apothekenbetriebsrecht in der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) und die Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung zum 31. Dezember 1955.
Der Revisionskläger (Steuerpflichtiger) hat sein Apothekenbetriebsrecht, das in der RM-Schlußbilanz (RMSB) mit 17 500 RM ausgewiesen war, in der DMEB mit 15 000 DM angesetzt. Der am 21. Juni 1948 gültige Einheitswert für das Realrecht betrug 29 000 DM. Mit Schreiben vom 5. Oktober 1957 begehrte der Steuerpflichtige, den Ansatz in der DMEB und den Folgebilanzen auf 29 000 DM zu erhöhen. Er reichte eine berichtigte Bilanz zum 31. Dezember 1955 ein, in der das Betriebsrecht (durch Einbuchung von 14 000 DM über Kapitalkonto) mit 29 000 DM bewertet war. Aus der berichtigten Bilanz ergab sich außerdem eine Gewinnänderung, die den Revisionsbeklagten (das FA) zur Berichtigung der bestandskräftigen erstmaligen Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres 1955 veranlaßte. Die Änderung des Wertansatzes für das Apothekenrecht lehnte das FA indes ab. Im Einspruchsverfahren gegen den berichtigten Einkommensteuerbescheid 1955 hielt der Steuerpflichtige seinen Antrag auf Bilanzänderung aufrecht und verlangte außerdem wegen der inzwischen klargestellten Niederlassungsfreiheit der Apotheker eine Teilwertabschreibung von 8 000 DM zum 31. Dezember 1955. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte der Steuerpflichtige zum 31. Dezember 1955 nur noch eine Teilwertabschreibung von 5 800 DM auf einen Ausgangswert von 29 000 DM, hatte aber wieder keinen Erfolg.
Das FG hat die Ablehnung der Bilanzänderung unter Hinweis auf die Urteile des BFH I 147/52 U vom 23. März 1953 (BFH 57, 354, BStBl III 1953, 140) und I 204/53 U vom 28. Juni 1955 (BFH 61, 162, BStBl III 1955, 262) gebilligt. Die Gründe des Steuerpflichtigen seien nicht als beachtlich anzusehen. Auch die Teilwertabschreibung habe das FA zu Recht versagt, weil anderenfalls der im Bilanzwert des Apothekenbetriebsrechts mit enthaltene Geschäftswert unzulässigerweise unterschritten würde (vgl. BFH-Urteil IV 372/60 S vom 26. September 1963, BFH 77, 669, BStBl III 1963, 565).
Mit der Revision macht der Steuerpflichtige geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Verwirkung des Rechts auf Bilanzänderung angenommen. Der Ansatz des niedrigen Werts für das Apothekenbetriebsrecht in der DMEB habe auf mangelnder Sachkunde beruht. Er habe sich darauf verlassen, daß das FA auch zugunsten der Steuerpflichtigen prüfe. Dieses habe ihn aber, besonders bei den Betriebsprüfungen in den Jahren 1951 und 1955 pflichtwidrig nicht auf seine Rechte hingewiesen. In dem Verhalten des FA liege ein beachtlicher Grund für die Zulässigkeit der Bilanzänderung. Deshalb könne sich das FA auch nicht auf die Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben berufen. Hinsichtlich der Teilwertabschreibung müßten die Grundsätze des BFH-Urteils IV 372/60 S, a. a. O., auch schon für das Jahr 1955 angewendet werden.
Das FA hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Vorinstanz:
Die Vorinstanz ist bei ihrer Entscheidung, ob das FA die vom Steuerpflichtigen begehrte Bilanzänderung ablehnen durfte, zutreffend von den Grundsätzen des BFH-Urteils I 147/52 U, a. a. O., ausgegangen. Danach ist ein Steuerpflichtiger berechtigt, seine handelsrechtliche DMEB zu ändern, d. h. einen gewählten zulässigen Wertansatz durch einen anderen zulässigen Wertansatz zu ersetzen (vgl. BFH-Urteil I 38/53 U vom 25. August 1953, BFH 58, 320, BStBl III 1954, 36). Eine solche Änderung hat aufgrund des § 74 Abs. 1 DMBG die Änderung auch der steuerlichen DMEB zur Folge. Die DMEB-Werte können jedoch nicht willkürlich, sondern nur dann geändert werden, wenn beachtliche Gründe geltend gemacht werden und kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vorliegt. Eine zulässige Änderung der DMEB läßt unanfechtbar gewordene Veranlagungen unberührt. Sie kann lediglich für noch nicht endgültig veranlagte Jahre Bedeutung erlangen.
Es ist der Vorinstanz darin zuzustimmen, daß Umstände, die dem Steuerpflichtigen bereits bei der Aufstellung der DMEB bekannt waren, und deren Bedeutung er übersehen konnte, für sich allein in der Regel nicht zur Begründung einer Bilanzänderung ausreichen. Das ergibt sich daraus, daß ein Steuerpflichtiger nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen an die einmal getroffene Wahl grundsätzlich gebunden ist (BFH-Urteil I 204/53 U, a. a. O.). Die Vorinstanz hat auch zutreffend angenommen, daß der Steuerpflichtige im Streitfall schon wegen der inzwischen verstrichenen Zeit die Bilanzänderung nicht mehr allein darauf stützen kann, daß das Apothekenbetriebsrecht für die Erhebung der Vermögensabgabe mit dem Einheitswert angesetzt worden ist (vgl. Urteil des BFH III 17/56 U vom 27. Juli 1956, BFH 63, 123, BStBl III 1956, 245). Demgegenüber kann sich der Steuerpflichtige nicht darauf berufen, daß ihn das FA nicht von sich aus über die verschiedenen Bewertungsmöglichkeiten für das Betriebsrecht und deren steuerliche Auswirkungen belehrt hat. Das FA hatte dazu keinen Anlaß, nachdem der Steuerpflichtige einen zulässigen Wert in die DMEB eingesetzt hatte und steuersachverständig vertreten war.
Der Senat vermag der Vorinstanz aber nicht darin zu folgen, daß spätere, nicht vorhergesehene Umstände in keinem Fall eine Bilanzänderung rechtfertigen könnten. Es ist zwar von dem Grundsatz auszugehen, daß der Steuerpflichtige, wenn er ein Bewertungswahlrecht ausübt und seine Entscheidung gegenüber dem FA getroffen hat, in der Regel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an seine Erklärung gebunden bleibt (vgl. BFH-Urteile I 38/53 U, a. a. O.; I 204/53 U, a. a. O.). Er muß die sich aus der getroffenen Wahl später ergebenden Folgen für die Gewinnermittlung grundsätzlich in Kauf nehmen, z. B. eine durch die Entwicklung der Verhältnisse eintretende ungünstige Auswirkung des gewählten Wertansatzes auf die Höhe späterer Gewinne, etwa eines Veräußerungsgewinns, wie dies die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat. Die Rechtsprechung hat jedoch Ausnahmen zugelassen, besonders für Wertansätze in der DMEB, die sich steuerlich noch nicht ausgewirkt hatten. Im Urteil des BFH I 204/53 U, a. a. O., wurde die Bilanzänderung ausdrücklich deshalb anerkannt, weil die Steuerpflichtige bei der Erstellung der DMEB die Auswirkungen des erst später erlassenen Lastenausgleichsgesetzes nicht hatte zuverlässig überblicken können. Im BFH-Urteil IV 71/61 vom 26. Juli 1962 (HFR 1963, 164) wurde die Änderung des Wertansatzes für ein Apothekenbetriebsrecht in der DMEB noch bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1957 gebilligt, weil der Einheitswert für dieses Betriebsrecht auf den 21. Juni 1948 aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr 1955 erhöht worden war.
Auch im Streitfall liegt ein Ausnahmefall vor. Die Bilanzänderung ist gerechtfertigt durch die später eingetretene Wertminderung des Apothekenbetriebsrechts, die mit der Klarstellung der Niederlassungsfreiheit für die Apotheker verbunden war und einkommensteuerrechtlich die Befugnis zur Teilwertabschreibung begründete (vgl. BFH-Urteil IV 372/60 S, a. a. O.). Die Besonderheit besteht darin, daß es sich bei der Bewertung des Apothekenbetriebsrechts für die DMEB um die Bewertung eines Wirtschaftsguts handelte, bei dem damals unter gewöhnlichen Umständen keine Abschreibung in Betracht kommen konnte. Der Steuerpflichtige brauchte auch bei der Ausübung seines Wahlrechts mit der später eingetretenen Änderung der Rechtslage nicht zu rechnen. Zudem hat sich der ursprüngliche Wertansatz für das Apothekenbetriebsrecht in der DMEB steuerlich bislang nicht ausgewirkt, weder auf dem Gebiet der Einkommensteuer noch auf dem Gebiet der Vermögensteuer oder der Lastenausgleichsabgaben. Die bisherigen Veranlagungen werden von der Änderung nicht berührt. Nach der Feststellung der Vorinstanz hatte der Steuerpflichtige das Betriebsrecht in der DMEB offensichtlich unter dem Zeitwert bewertet. Das FA konnte deshalb nicht fest darauf vertrauen, daß der Steuerpflichtige es bei diesem Ansatz belassen werde. Unter diesen Umständen kann die Bilanzänderung nicht als willkürlich angesehen werden; ihre Zulassung mit der möglichen Folge einer Teilwertabschreibung erscheint als recht und billig und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dienlich.
Entgegen der Vorentscheidung ist danach für die Frage der Teilwertabschreibung von einem Bilanzwert von 29 000 DM auszugehen. Dann kann aber die beanspruchte Teilwertabschreibung von 5 800 DM nicht mehr – wie in der Vorentscheidung geschehen – mit der Begründung abgelehnt werden, daß ein Geschäftswert in Höhe von mindestens 15 000 DM bestehe; denn dieser Betrag würde nicht unterschritten werden. Die Vorentscheidung wird deshalb aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Prüfung der Teilwertabschreibung zurückverwiesen. Die Vorinstanz wird zu klären haben, ob nach den tatsächlichen Verhältnissen im Lande Niedersachsen bereits zum 31. Dezember 1955 eine die Teilwertabschreibung rechtfertigende Änderung des Apothekenbetriebsrechts eingetreten war. Auf die Urteile des BFH IV 372/60 S, a. a. O.; IV 234/60 U vom 27. Juli 1961, BFH 73, 563, BStBl III 1961, 470; III 400/60 S und III 24/61 U, beide vom 19. Oktober 1964, BFH 81, 6 und 13, BStBl III 1965, 3 und 6, sowie I 324/62 S vom 27. April 1965, BFH 82, 445, BStBl III 1965, 409, wird hingewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 557441 |
BStBl II 1969, 619 |
BFHE 1969, 173 |