Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Verwendet ein Unternehmer einen betrieblichen Pkw zu einem Betriebsausflug, so sind die durch einen Unfall veranlaßten Aufwendungen keine Betriebsausgaben, wenn der Unternehmer den Unfall durch grobe Fahrlässigkeit und durch Alkoholmißbrauch veranlaßt hat.
Ist der Gesellschafter einer OHG gleichzeitig Gesellschafter einer KG und erfüllt die OHG auf Veranlassung des Gesellschafters Verbindlichkeiten der KG, so kann sie, wenn die KG keinen Ausgleich leistet, den Verlust nicht im Verfahren der Gewinnfeststellung der OHG geltend machen. Ein etwaiger Verlust des Gesellschafters ist vielmehr im Verfahren der Gewinnfeststellung der KG zu berücksichtigen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 5, 9 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2; AO § 215 Abs. 2 Nr. 2, § 218
Tatbestand
Die Revision betrifft die folgenden zwei Streitpunkte.
Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall
Die beiden Gesellschafter der Stpfl. - einer OHG - hatten im September 1955 mit Arbeitnehmern ihres Betriebes das Oktoberfest und anschließend noch eine Bar besucht. Zur Heimfahrt benutzten sie einen betrieblichen Pkw. Der von dem einen Gesellschafter gesteuerte Pkw geriet ins Schleudern und wurde stark beschädigt. Zwei Arbeitnehmer wurden dabei verletzt; es wurden ihnen mehrere Zähne eingeschlagen. Der Gesellschafter wurde vom Amtsgericht zu einer Geldstrafe verurteilt, der Führerschein auf mindestens sechs Monate entzogen. Nach der Feststellung des Amtsgerichts hatte der Gesellschafter einen Blutalkoholgehalt von 1,6 Promille. Das Amtsgericht stellte ferner fest, der Gesellschafter sei unverantwortlich schnell gefahren.
Die Stpfl. buchte im Streitjahr 1955 den Buchwert des Pkw zu Lasten des Gewinns aus. Die von ihr bezahlten Zahnarztkosten für die Arbeitnehmer und die Abschleppkosten für den Pkw buchte die Stpfl. als Betriebsausgaben.
Das FA betrachtete den Unfall nicht als einen betrieblichen Vorgang und erhöhte den Gewinn der OHG um die abgezogenen Beträge.
Die Klage beim FG hatte insoweit keinen Erfolg. Das FG führte aus, der Besuch des Oktoberfestes mit Betriebsangehörigen und die Benutzung betrieblicher Fahrzeuge dabei sei zwar durch den Betrieb veranlaßt gewesen. Auch wenn man den anschließenden Barbesuch, an dem nur drei Mitarbeiter teilgenommen hätten, noch als betrieblich veranlaßt ansehen wollte, so könnten doch die Aufwendungen, die durch den späteren Unfall entstanden seien, nicht zu Lasten der Stpfl. gehen, weil der Gesellschafter den Unfall grob fahrlässig verursacht habe. Damit sei der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Betrieb und dem Unfallschaden unterbrochen.
Abdeckung von Schulden eines anderen Unternehmens
Die Stpfl. hatte im Jahre 1956 einen Wechsel der in Liquidation befindlichen Firma X. KG, an der ihre beiden Gesellschafter als Kommanditisten beteiligt waren, aufgekauft und später eingelöst; sie hatte ferner eine Honorarschuld der KG an ihren Steuerberater beglichen. In der Bilanz der Stpfl. für das Jahr 1956 wurden beide Beträge zunächst als Forderungen gegen die KG aktiviert; im Jahre 1957 wurden sie dann zu Lasten des Gewinns der Stpfl. ausgebucht.
Das FA erkannte das nicht an. Es behauptete, die Gesellschafter der Stpfl. hätten die Wertlosigkeit der Forderungen bereits beim Erwerb gekannt. Wenn sie trotzdem die Forderungen erworben hätten, so erkläre sich das nur daraus, daß sie gleichzeitig Kommanditisten der KG gewesen seien.
Mit ihrer Klage beim FG machte die Stpfl. geltend, die Geschäftsbeziehungen der KG mit ihren Geschäftsfreunden seien auf ihre - der OHG - Empfehlung entstanden. Sie habe deshalb oft die Verbindlichkeiten der KG aus eigenen Mitteln getilgt und dann von der KG den Ausgleich gefordert und erhalten. Sie habe praktisch den Geschäftsfreunden gegenüber die Garantie für die Einbringlichkeit der Forderungen gegen die KG übernommen, und zwar in ihrem eigenen geschäftlichen Interesse; die Ablehnung der Zahlungen an die Geschäftsfreunde der KG würde für sie geschäftsschädigend gewirkt haben. Im übrigen hätte sie von der Wertlosigkeit der Forderungen erst im Jahre 1957 Kenntnis erhalten.
Die Klage hatte auch in diesem Punkt keinen Erfolg. Das FG führte aus, die von der Stpfl. übernommenen Verbindlichkeiten hätten nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit ihren eigenen Geschäften gestanden. Den übernommenen Verbindlichkeiten der KG hätten Lieferungen fremder Lieferanten an die KG und die Steuerberatung der KG zugrunde gelegen. Kein Fremder wäre bereit gewesen, diese Verbindlichkeiten der KG zu übernehmen. Die übernahme beruhe nur auf der persönlichen Doppelstellung der Gesellschafter als Komplementäre der Stpfl. und als Kommanditisten der KG. Etwaige Garantie- und Bürgschaftsverpflichtungen würden nur die Gesellschafter selbst, nicht aber die Stpfl. betroffen haben.
Entscheidungsgründe
Zu 1: Die Revision, mit der die Stpfl. Rechtsfehler und unzureichende Sachaufklärung rügt, ist in diesem Streitpunkt nicht begründet.
Soweit mangelnde Sachaufklärung gerügt wird, weil an dem Barbesuch nicht nur drei, sondern alle Mitarbeiter teilgenommen hätten, liegt kein wesentlicher Verfahrensmangel vor. Das Urteil des FG beruht nicht auf dieser Feststellung; denn das FG erklärt ausdrücklich, daß, auch wenn man den Barbesuch noch zum Betriebsausflug rechne, der Unfall und die dadurch verursachten Aufwendungen nicht mehr im betrieblichen Bereich der Stpfl. gelegen hätten.
Das FG beruft sich für seine Auffassung auf die Rechtsprechung des BFH, besonders auf das Urteil des Senats VI 79/60 S vom 2. März 1962 (BFH 74, 513, BStBl III 1962, 192). Der Einwand der Stpfl., diese Rechtsprechung widerspreche dem Grundgesetz, greift nicht durch. Die Frage, ob die durch einen verschuldeten Unfall verursachten Aufwendungen Betriebsausgaben sind, ist eine Frage der Auslegung von §§ 4 Abs. 4 und 12 Nr. 1 EStG. Ob derartige Aufwendungen steuerlich Betriebsausgaben sind, ist keine Frage des Strafrechts oder der Zuständigkeit des Strafrichters. Es geht nur um die Auslegung steuerrechtlicher Vorschriften bei der Abgrenzung der Betriebsausgaben von den Kosten der Lebensführung.
Das Urteil des Senats VI 79/60 S (a. a. O.), auf das sich das FG stützt, betrifft zwar nicht Betriebsausgaben im Sinn des § 4 Abs. 4 EStG, sondern Werbungskosten im Sinn des § 9 Satz 1 EStG 1955. Das ist aber unerheblich; denn Betriebsausgaben und Werbungskosten sind gegenüber den Kosten der Lebenshaltung grundsätzlich gleich abzugrenzen (vgl. z. B. Urteil des Senats VI 166/60 U vom 16. Dezember 1960, BFH 72, 169, BStBl III 1961, 63).
Bei Aufwendungen, die durch die Benutzung eines betrieblichen Pkw veranlaßt sind, kann der Zusammenhang mit dem Betrieb so gelockert sein, daß die Aufwendungen keine Betriebsausgaben sind. Das gilt vor allem, wenn der Steuerpflichtige vorsätzlich oder grob fahrlässig einen Schaden verursacht, indem er sich bewußt oder leichtfertig über Verkehrsvorschriften hinwegsetzt oder trotz Fahruntüchtigkeit den Pkw steuert. In solchen Fällen sind die Aufwendungen nicht mehr im Sinn des § 4 Abs. 4 EStG durch den Betrieb veranlaßt, sondern durch das eigene schuldhafte Verhalten des Steuerpflichtigen, das außerhalb des üblichen Betriebsrisikos liegt.
Die tatsächlichen Feststellungen des FG, die vor allem auf dem Urteil des Amtsgerichts beruhen, tragen die Entscheidung, daß die streitigen Aufwendungen keine Betriebsausgaben, sondern dem privaten Lebensbereich des Gesellschafters zuzurechnen sind.
Zu 2: Die Revision, mit der unrichtige Würdigung des Sachverhalts und unrichtige Rechtsanwendung gerügt wird, ist auch in diesem Streitpunkt im Ergebnis unbegründet.
Bei Personengesellschaften sind steuerlich die Gesellschafter Unternehmer (Mitunternehmer), wie sich aus § 15 Nr. 2 EStG ergibt. Die Personengesellschaft ist nach der sogenannten Bilanzbündeltheorie eine Vereinigung selbständiger Gewerbetreibender.
Die Begriffe "Unternehmer" und "Unternehmen" decken sich im Einkommensteuerrecht nicht; denn ein Unternehmer kann auch mehrere Unternehmen haben. Ist ein Steuerpflichtiger Gesellschafter (Mitunternehmer) bei mehreren Personengesellschaften, so muß festgestellt werden, zu welchen "Mitunternehmen" ein Geschäftsvorfall, den der Gesellschafter vollzieht, gehört. Erfüllt ein Mitunternehmer, der an mehreren Gesellschaften beteiligt ist, aus den Mitteln des einen Betriebes eine Verbindlichkeit des anderen Betriebes, so macht er aus dem ersten Betrieb eine Entnahme, die er in den zweiten Betrieb einlegt. Diese beiden Vorgänge gleichen sich wirtschaftlich aus; denn es geht nur um Verschiebungen auf den beiden Kapitalkonten des Mitunternehmers.
Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus der folgenden überlegung: Ist ein Steuerpflichtiger an mehreren Gesellschaften als Mitunternehmer beteiligt, so ist für jede Gesellschaft eine selbständige Gewinnfeststellung nach § 215 AO zu treffen. Diese Tatsache zwingt dazu, die betrieblichen Vorgänge der verschiedenen Unternehmen klar gegeneinander abzugrenzen. Haben die Gesellschafter als Kommanditisten Einlagen in die KG gemacht, die sie als Komplementäre zuvor aus der OHG entnommen hatten, so kann nur im Verfahren der Gewinnfeststellung der KG entschieden werden, ob und wann diese Einlage "verloren" ist. Denn ob und in welchem Jahr die Kommanditisten wirklich einen "Verlust" erlitten haben, hängt von den betrieblichen Verhältnissen der KG und auch von den vertraglichen oder gesellschaftsrechtlichen Ausgleichsansprüchen gegen die Mitgesellschafter der KG ab. Weil diese Fragen alle Gesellschafter der KG berühren und nur aus den betrieblichen Unterlagen der KG beurteilt und entschieden werden können, müssen die entsprechenden Feststellungen des FA für alle Gesellschafter der KG verbindlich im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung gemäß § 215 AO gegen die KG getroffen werden.
Nach diesen Grundsätzen hat das FG es im Ergebnis zutreffend abgelehnt, den behaupteten Verlust, der den Gesellschaftern als Kommanditisten bei der KG entstanden ist, im Verfahren der Feststellung des Gewinns der steuerpflichtigen OHG zu berücksichtigen. Die Gewinnfeststellungen für die Stpfl. und die KG sind voneinander zu trennen und selbständig vorzunehmen. Hat ein Gesellschafter bei seiner OHG einen Gewinn erzielt und bei seiner KG einen Verlust erlitten, so tritt der Ausgleich gemäß § 218 AO bei seiner persönlichen Einkommensteuerveranlagung ein. Der bei der OHG festgestellte Gewinnanteil wird dann um den bei der KG festgestellten Verlustanteil gemindert.
Den Einwand der Stpfl., sie habe als OHG ein eigenes Interesse an der Abdeckung der Schulden der KG gehabt, weil es dabei um ihren eigenen geschäftlichen Ruf gegangen sei, hat das FG im Ergebnis zutreffend nicht durchgreifen lassen. Es konnte ohne Rechtsverstoß annehmen, daß der wirkliche Grund in der Doppelstellung der Gesellschafter als Komplementäre der Stpfl. und Kommanditisten der KG gelegen habe.
Fundstellen
Haufe-Index 412689 |
BStBl III 1967, 734 |
BFHE 1967, 520 |
BFHE 89, 520 |
BB 1967, 1321 |
DB 1967, 1921 |
DStR 1967, 781 |