Leitsatz (amtlich)
Die Schuld zur Leistung des Pflichtteils steht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Erbschaft, durch deren Anfall der Pflichtteilsanspruch ausgelöst wird; sie lastet insoweit auf dem Inlandsvermögen, als die Erbschaft zum Inlandsvermögen gehört.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 77; LAG § 17
Tatbestand
A ist ... 1944 verstorben. Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft waren seine Ehefrau zu 2/3 und die Klägerin und Revisionsbeklagte zu 1 zu 1/3. Der aus der Ehe des A hervorgegangene Sohn B wurde durch Verfügung von Todes Wegen von der Erbfolge ausgeschlossen. Er machte alsbald nach dem Erbfall seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Dieser Anspruch war am 21. Juni 1948 bis auf einen Betrag von 323 534 DM ausbezahlt.
Am 29. Mai 1948 verstarb die Ehefrau des A. Sie wurde von 16 Personen beerbt, die am 21. Juni 1948 zum Teil in der damaligen sowjetisch besetzten Zone Deutschland (SBZ) wohnten. Durch weitere Erbfälle und Erbteilsabtretungen hat sich die Erbengemeinschaft auf 21 Personen erweitert.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat durch endgültigen berichtigten Bescheid vom 15. März 1965 gemäß § 34 der 10. AbgabenDV-LA die der Vermögensabgabe unterliegenden Anteile der einzelnen am Nachlaß des A Beteiligten gesondert festgestellt. Bei den am 21. Juni 1948 in der damaligen SBZ wohnenden Erben zog das FA die anteilige Pflichtteilsverbindlichkeit gegenüber B nicht als Schuld ab, mit der Begründung, es handele sich hierbei um eine sog. neutrale Schuld.
Der Einspruch gegen den Feststellungsbescheid hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hat das FG den Feststellungsbescheid insoweit aufgehoben als die Pflichtteilsverbindlichkeit gegenüber B bei der Ermittlung des abgabepflichtigen Vermögens der beschränkt abgabepflichtigen Miterben nicht abgezogen wurde.
Die Revision des FA rügt, das FG habe die Pflichtteilsverbindlichkeit zur Ermittlung des abgabepflichtigen Vermögens der beschränkt Abgabepflichtigen zu Unrecht abziehen lassen, weil sie das Inlandsvermögen nicht belaste. Dies sei aber nach der Rechtsprechung des BFH Voraussetzung für den Abzug einer Schuld bei der Ermittlung des Inlandsvermögens. Die Pflichtteilsverbindlichkeit der Kläger liege nicht auf dem geerbten inländischen Grundbesitz. Denn der Schuldner müsse mit seinem ganzen Vermögen für die Pflichtteilsverbindlichkeit einstehen. Der fehlende wirtschaftliche Zusammenhang ergebe sich auch daraus, daß die Rechtsprechung nicht einmal bei einer hypothekarischen Belastung eines Grundstücks einen wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuld mit dem belasteten Grundstück annehme, wenn die dinglich gesicherte Schuld nicht für Zwecke des Grundstücks aufgenommen worden sei. Dasselbe müsse für eine Pflichtteilsverbindlichkeit gelten. Die Möglichkeit, wegen des Pflichtteilsanspruchs in den inländischen Grundbesitz zu vollstrecken, rechtfertige nicht die Annahme eines wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Schuld und dem Vermögensgegenstand. Ein rechtlicher Zusammenhang genüge aber für den Schuldenabzug nicht.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
Die am 21. Juni 1948 in der damaligen SBZ wohnenden Erben nach A und seiner Ehefrau unterliegen mit ihrem im Geltungsbereich des GG einschließlich Berlin (West) belegenen Inlandsvermögen der Vermögensabgabe (§ 17 LAG). Zur Ermittlung des abgabepflichtigen Inlandsvermögens sind von dem Rohvermögen im Sinne des § 77 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) die Schulden abzuziehen, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit diesem Vermögen stehen (§ 77 Abs. 3 in Verbindung mit § 74 BewG). Nach der Rechtsprechung des Senats setzt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld voraus, daß die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die diesen Vermögensgegenstand betreffen (vgl. BFH-Entscheidung III R 4/71 vom 28. Januar 1972, BFH 104, 569, BStBl II 1972, 416). Ein rechtlicher Zusammenhang ist für den Schuldabzug weder erforderlich noch für sich allein ausreichend.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß zwischen dem Vermögensübergang aufgrund des Erbfalles und der durch den Erbfall ausgelösten Verpflichtung der Erben zur Zahlung des Pflichtteils grundsätzlich ein bei der Besteuerung zu beachtender wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Der ursächliche und unmittelbare Zusammenhang ergibt sich daraus, daß die Erbschaft auf Grund letztwilliger Verfügung an eine Person fällt, die nur Erbe sein kann, weil durch letztwillige Verfügung bestimmte gesetzliche Erben (vgl. § 2303 BGB) von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Hinzu kommt, daß der Pflichtteilsanspruch ebenso wie die Gesamtrechtsnachfolge bezüglich des Vermögens des Erblassers durch dessen Tod ausgelöst wird (§§ 1922, 2317 BGB). Hierin liegt zwar auch, aber - entgegen der Auffassung des FA - nicht nur ein rechtlicher Zusammenhang. Der über den rechtlichen Zusammenhang hinausgegebene wirtschaftliche Zusammenhang folgt aus dem Charakter des Pflichtteilsrechts; es ist wirtschaftlich ein Ersatz für den Vermögensentgang, der dadurch eintritt, daß ein bestimmter gesetzlicher Erbe von der Erbfolge durch letztwillige Verfügung des Erblassers ausgeschlossen wird (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 31. Aufl., § 2303 Anm. 1, und Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band V S. 388 und 472). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem mit Urteil des BFH III 342/60 U vom 17. Dezember 1965 (BFH 86, 191, BStBl III 1966, 483) entschiedenen Fall, in dem der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem Anfall einer Erbschaft und der Belastung mit Vermächtnissen verneint wurde. Denn der durch letztwillige Verfügung eingesetzte Erbe, durch den ein Pflichtteilsberechtigter von der Erbschaft ausgeschlossen wurde, kann nicht Erbe werden, ohne daß der Pflichtteilsanspruch entsteht, während die Belastung eines Erben mit Vermächtnissen grundsätzlich nicht in diesem notwendigen inneren Zusammenhang steht.
Wenn das FA dagegen einwendet, der wirtschaftliche Zusammenhang bestehe deshalb nicht, weil der Pflichtteilsanspruch erst dann beim Erben zu einem Schuldabzug führen könne, wenn der Anspruch geltend gemacht werde (vgl. BFH-Entscheidung III R 94/70 vom 27. August 1971, BFH 103, 445, BStBl II 1972, 100), so verkennt es, daß es für die Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs nicht darauf ankommt, von welchem Zeitpunkt ab nach Bewertungsrecht ein Schuldabzug möglich ist, sondern mit welchem Sachverhalt der Pflichtteilsanspruch verbunden ist. Der wirtschaftliche Zusammenhang ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Erbe für den Pflichtteilsanspruch grundsätzlich mit seinem ganzen Vermögen haftet. Es trifft zwar zu, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einem Vermögensgegenstand und einer Schuld grundsätzlich dann nicht gegeben wäre, wenn wegen dieser Schuld in den betreffenden Vermögensgegenstand nicht vollstreckt werden könnte. Dagegen schließt der umgekehrte Fall, daß wegen dieser Schuld auch in andere Wirtschaftsgüter vollstreckt werden kann, den wirtschaftlichen Zusammenhang nicht aus.
Der Senat stimmt dem FA aber darin zu, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einem Wirtschaftsgut und einer Schuld selbst dann, wenn diese Schuld nach Entstehung und Zweckbestimmung mit dem Wirtschaftsgut verknüpft ist, nur insoweit gegeben ist, als die Schuld den Vermögensgegenstand wirtschaftlich belastet. Für die Ermittlung des Inlandsvermögens bedeutet dies, daß eine Schuld nur insoweit vom Rohvermögen abgezogen werden kann, als sie Wirtschaftsgüter belastet, die nach § 77 Abs. 2 BewG zum Inlandsvermögen gehören (BFH-Entscheidung III 319/63 vom 19. Mai 1967, BFH 89, 244, BStBl III 1967, 596). Das Recht auf den Pflichtteil ist eine Geldforderung, deren Höhe sich nach der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils bemißt (§ 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Pflichtteilsanspruch ist zwar ein obligatorischer Anspruch, der sich gegen den Erben und nicht gegen die Erbschaft richtet. Wirtschaftlich belastet ist aber die Erbschaft, was sich daraus ergibt, daß die Erbschaft Bemessungsgrundlage für die Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist. Hieraus folgt, daß die Verpflichtung eines beschränkt Abgabepflichtigen zur Leistung des Pflichtteils bei der Ermittlung des abgabepflichtigen Inlandsvermögens nur insoweit abgezogen werden kann, als der Erbteil als Inlandsvermögen der Abgabepflicht unterliegt. Denn nur insoweit steht die Schuld in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen.
Das FG hat nicht festgestellt, daß der Nachlaß nach A ausschließlich aus Inlandsvermögen im Sinne des § 77 Abs. 2 BewG besteht. Es hat die Verpflichtung zur Leistung des Pflichtteils bei den beschränkt abgabepflichtigen Erben trotzdem mit dem vollen anteiligen Schuldbetrag abgezogen. Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, diese Rechtsfolgerung zu ziehen. Seine Entscheidung war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat hierbei Feststellungen darüber zu treffen, inwieweit der Anteil der beschränkt abgabepflichtigen Erben Inlandsvermögen im Sinne der §§ 17 LAG, 77 Abs. 2 BewG ist.
Fundstellen
Haufe-Index 70214 |
BStBl II 1973, 3 |
BFHE 1973, 147 |