Leitsatz (amtlich)

Bei der Destillation von Erdöl als Seitenfraktion angefallenes „Vacuum-Schweröl”, in dem die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen Bestandteilen überwiegen, gehört als ähnliches Erzeugnis i. S. der Vorschrift 2 zu Kap. 27 zu der Öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer erfassenden Tarifnr. 27.07 und dort zur Tarifst. G.

 

Normenkette

GZT Vorschriften 2 zu Kap. 27, Tarifnr. 27.07; GZT Vorschriften 2 zu Kap. 27, Tarifnr. 27.10; GZT Vorschriften 3 zu Kap. 27, Tarifnr. 27.07; GZT Vorschriften 3 zu Kap. 27, Tarifnr. 27.10; MinöStG 1964 § 1 Abs. 2 Nr. 2 i.d.F. vom 20. Dezember 1963, BGBl I 1964, 1003 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1968, BGBl I 1968, 1391

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhält einen Mineralöl-Herstellungsbetrieb. In ihrer Vacuum-Destillationsanlage fällt bei der Destillation von Erdöl als Seitenfraktion ein sogenanntes Vacuum-Schweröl an. In ihrer Steueranmeldung für August 1968 meldete sie in der Annahme, daß es sich bei dem Vacuum-Schweröl um ein steuerbares Erzeugnis der Tarifst. 27.10 C II des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) handele, dieses zur Versteuerung als Heizöl an (Steuersatz 2,50 DM/100 kg). Das Zollamt (ZA) setzte die später am 30. September und 21. Oktober 1968 entrichtete Steuer entsprechend der Anmeldung fest.

Bei der Untersuchung einer Probe des Vacuum-Schweröls kam die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) zu dem Ergebnis, daß es sich um ein nichtsteuerbares Erzeugnis der Tarifst. 27.07 G handele. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) das Ergebnis der Klägerin bekanntgegeben hatte, legte sie gegen den Steuerbescheid Einspruch ein.

Während des Einspruchsverfahrens stellte sich die ZPLA auf den Standpunkt, das Vacuum-Schweröl falle unter die Tarifst 27.10 C II bzw. III (Steuersatz 2,50 DM/100 kg), weil es kein ähnliches Öl der Tarifst 27.07 im Sinne der Vorschrift 2 zu Kap. 27 des GZT, sondern bearbeitetes Erdöl der Tarifnr. 27.10 sei. Darauf gestützt wies das HZA den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, für die Abgrenzung der Tarifnrn. 27.07 und 27.10 seien die Vorschriften Nr. 2 und 3 zu Kap. 27 GZT maßgebend. Danach gehörten zu den genannten Tarifnummern neben den namentlich aufgeführten Waren auch ähnliche Erzeugnisse ohne Rücksicht auf ihre Herkunft oder das Herstellungsverfahren, wenn in ihnen jeweils der Gehalt an aromatischen Bestandteilen oder nichtaromatischen Bestandteilen überwiege und wenn sie entweder dem einen oder dem anderen Erzeugnis ähnlich seien. In diesem Zusammenhang verwies sie auf eine nicht veröffentlichte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29. Mai 1974 VII R 22/71.

Das Gericht gab der Klage statt und änderte den Mineralölsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des HZA in der Weise, daß es die Mineralölsteuer um 165 513 DM auf 368 868,75 DM herabsetzte, weil die Ware unter die Tarifst. 27.07 G falle. Zur Begründung führte es aus:

Waren der Tarifnr. 27.10 unterlägen im Gegensatz zu Waren der Tarifst. 27.07 G gemäß § 1 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) der Mineralölsteuer. Die Tarifnr. 27.10 umfasse u. a. Erdöl und öl aus bituminösen Mineralien, ausgenommen Rohöle und bestimmte Zubereitungen daraus, die Tarifnr. 27.07 öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer und ähnliche Erzeugnisse. Ließe man die Vorschriften 2 und 3 des Kap. 27 GZT außer acht, müßte das Vacuum-Schweröl als bearbeitetes Erdöl der Tarifnr. 27.10 zugewiesen werden. Nach Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT gehörten zur Tarifnr. 27.07 neben den Ölen und anderen Erzeugnissen der Destillation von Steinkohlenteer auch ähnliche Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenschwelteer oder anderen Mineralteeren, der Cyclisierung von Erdöl oder eines anderen Verfahrens, in denen die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen Bestandteilen überwögen. Die mit der Vorschrift 2 korrespondierende Vorschrift 3 zu Kap. 27 GZT bestimme, daß unter den Bezeichnungen „Erdöl” und „Öl aus bituminösen Mineralien” in Tarifnr. 27.10 neben Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien auch ähnliche Öle ohne Rücksicht auf das Herstellungsverfahren zu verstehen seien, in denen die nichtaromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen Bestandteilen überwögen. Voraussetzung für eine Zuweisung zu Tarifnr. 27.07 sei somit ein bestimmter Aromatengehalt und außerdem eine Ähnlichkeit mit einer anderen bestimmten Ware (so auch BFH-Urteil vom 29. Mai 1974 VII R 22/71, S. 6). Es könnten also Erzeugnisse, die ihrer Herkunft nach bearbeitete Erdöle der Tarifnr. 27.10 seien, zur Tarifnr. 27.07, und Steinkohlenteererzeugnisse als ähnliche öle zu Tarifnr. 27.10 gehören, wobei es im Streitfall für das Vacuum-Schweröl nicht darauf ankomme, in welchem Verfahren es erzeugt worden sei. Vorschrift 2 meine mit den Worten „oder eines anderen Verfahrens” irgendein anderes Verfahren und nicht lediglich ein solches, in dem eine chemische Umwandlung des Ausgangsstoffes erfolgt sei. Diese Auffassung werde durch die Erläuterungen zum Brüsseler Zolltarifschema zu Tarifnr. 27.10 Buchst. B letzter Absatz bestätigt.

Das Vacuum-Schweröl sei ein Ölen und anderen Erzeugnissen der Destiallation von Steinkohlenteer ähnliches Erzeugnis.

Da im Vacuum-Schweröl unbestritten die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen überwögen, gehöre es nach Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT zu Tarifst. 27.07 G. Es sei damit steuerfrei (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1964 i.d.F. vom 20. Dezember 1963, BGBl I 1964, 1003).

Mit seiner Revision rügt das HZA die Verletzung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und des § 3 Abs. 1 MinöStG einschließlich des in Bezug genommenen Kap. 27 GZT i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 (VO Nr. 950/68) des Rates vom 28. Juni 1968 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 172/1 vom 22. Juli 1968). Es rügt ferner die Verletzung der §§ 76 Abs. 1 und 81 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Verstöße gegen die Denkgesetze (§ 96 Abs. 1 FGO) und trägt vor:

Das Finanzgericht (FG) sei methodisch unrichtig vorgegangen. Der BFH habe in seinem Urteil VII R 22/71 hervorgehoben, daß für die Tarifierung einer Ware nach der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 1 Sätze 2 und 3 in erster Linie der Wortlaut der Tarifnummern maßgebend sei und daß die Vorschriften zu den Kapiteln erst eingriffen, wenn der Wortlaut der Tarifnummern nicht zu einem Ergebnis führe. Eine Ware, die durch den Wortlaut der Tarifnr. 27.10 erfaßt werde, könne nicht auf dem Wege über die Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT doch noch der Tarifnr. 27.07 zugewiesen werden.

Auch wenn die Frage der Ähnlichkeit entscheidungserheblich sein sollte, müßte das Urteil wegen Entscheidungs- und Verfahrensmängeln aufgehoben werden. Als anderes Verfahren im Sinne der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT könne nur ein besonders intensives, strukturveränderndes Verfahren verstanden werden. Die Destillation genüge diesen Anforderungen nicht.

Das FG habe den Begriff der Ähnlichkeit unzutreffend ausgelegt Es hätte nicht auf die Mischbarkeit, den Aggregatzustand, die Viskosität, den Schwefelgehalt und die Nutzung zur Wärmeerzeugung abstellen sollen, sondern richtigerweise auf Merkmale, in denen Waren der Tarifnrn. 27.07 und 27.10 nicht übereinstimmten, etwa die Farbe, Oberflächenbeschaffenheit, Dichte, Geruch, Gehalt an typischen Substanzen und Verwendbarkeit.

Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie trägt vor, die vom HZA erwähnte Änderung der Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) habe keine den Wortlaut der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT ändernde Wirkung. Sie sei außerdem erst Jahre nach Rechtshängigkeit, nämlich etwa im Jahre 1973, erfolgt und deshalb für die Entscheidung unerheblich.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet.

Das FG ist zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß das streitige Vacuum-Schweröl der Tarifst. 27.07 G (öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer und ähnliche Erzeugnisse:…, andere) zuzuweisen ist und daß es im für den Streitfall maßgebenden Zeitpunkt nicht der Mineralölsteuer unterlag (vgl. § 1 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 2 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1964 i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1963, BGBl I, 1003). Die Steuerpflicht für Waren der Tarifst. 27.07 G wurde, soweit diese nicht aus Kohle hergestellt worden sind, erst durch das Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1968 (BGBl I, 1391) eingeführt (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG).

Es ist unstreitig, daß das Vacuum-Schweröl bei der Destillation von Erdöl als Seitenfraktion entstanden ist und daß im Streifall die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen Bestandteilen überwiegen. Für die Tarifierung kommt danach vom Ausgangspunkt Erdöl her gesehen zunächst die Tarifnr. 27.10 (Erdöl, … ausgenommen rohe Öle) und die Unterposition C-Schweröle in Betracht. Maßgebend für die Tarifierung sind aber neben dem Wortlaut der Tarifnummern auch die Vorschriften zu den Abschnitten und Kapiteln sowie die ATV, wobei nur die letzteren zweitrangig sind und nur insoweit gelten, als in den Tarifnummern oder in den Vorschriften nichts anders bestimmt ist (vgl. ATV Nr. 1 Satz 2 und 3). Der Wortlaut der Tarifnummern und die Vorschriften zu den Abschnitten und Kapiteln sind dagegen gleichrangige Rechtsvorschriften. Eine einem Kapitel des Zolltarifs vorangestellte Vorschrift kann deshalb in dem Sinne maßgebend für die Tarifierung sein, als sie Waren zweier oder mehrerer in Betracht kommender Tarifnummern dieses Kapitels in bestimmter Weise voneinander abgrenzt oder ändert. So verhält es sich im Streitfall.

Die Zuweisung des aus Erdöl gewonnenen Vacuum-Schweröls zur Tarifst. 27.07 G kann deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß Schweröle aus Erdöl in der Tarifst. 27.10 C erfaßt seien und daß die Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT erst dann eingreife, wenn nicht schon der Wortlaut der genannten Tarifnummer zu einem Ergebnis führe. An dieser in dem unveröffentlichten Urteil VII R 22/71 vertretenen Auffassung hält der Senat nicht mehr fest.

In Kap. 27 GZT sind u. a. unter der Tarifnr. 27.07 öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer und ähnliche Erzeugnisse und unter der Tarifnr. 27.10 Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien erfaßt. Die öle beider Tarifnummern unterscheiden sich vom Ausgangsprodukt her betrachtet dadurch, daß öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer hauptsächlich aus Mischungen von aromatischen Kohlenwasserstoffen und anderen aromatischen Verbindungen bestehen (vgl. die Erläuterungen zur Nomenklatur des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens – Erl. zur NRZZ –, Ziff. 1 zu Tarifnr. 27.07, ErlZT zu 27.07 Teil I Rdnr. 2), während Erdöle der Tarifnr. 27.10 hauptsächlich aus nichtaromatischen Kohlenwasserstoffen bestehen (vgl. Erl. zur NRZZ Buchst. A zur Tarifnr. 27.10, ErlZT zu 27.10 Teil I Rdnr. 3). Spiegelt sich der produkt-typische Aromatengehalt in den aus der Destillation von Steinkohlenteer bzw. aus Erdöl gewonnenen Erzeugnissen wider, so sind diese den in Betracht kommenden Unterpositionen der genannten Tarifnummern zuzuweisen.

Für die Tarifierung von Ölen aus der Destillation von Steinkohlenteer und von Erdöl sind daneben aber auch die Vorschriften 2 und 3 zu Kap. 27 GZT von entscheidender Bedeutung. Die Tarifnr. 27.07 erfaßt, wie bereits gesagt, „Öle und andere Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenteer und ähnliche Erzeugnisse”. Nach der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT gehören zur Tarifnr. 27.07 neben den Ölen und anderen Erzeugnissen der Destillation von Steinkohlenteer auch ähnliche Erzeugnisse der Destillation von Steinkohlenschwelteer oder anderen Mineralteeren, der Cyclisierung von Erdöl oder eines anderen Verfahrens, in denen diearomatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen Bestandteilen überwiegen. Damit korrespondierend ist in der Vorschrift 3 zu Kap. 27 GZT bestimmt, daß unter den Bezeichnungen „Erdöl” und „Öl aus bituminösen Mineralien” in Tarifnr. 27.10 neben Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien auch ähnliche öle ohne Rücksicht auf das Herstellungsverfahren zu verstehen sind, in denen dienichtaromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den aromatischen Bestandteilen überwiegen.

Aus beiden Vorschriften geht klar hervor, daß es für die Tarifierung von aus Steinkohlenteer bzw. aus Erdöl gewonnenen Erzeugnissen nicht nur auf die Ursprungsprodukte ankommt, aus denen sie hergestellt worden sind, sondern auch auf den Gehalt an aromatischen Bestandteilen. Im streitigen Vacuum-Schweröl überwiegen, obwohl es aus Erdöl gewonnen worden ist unbestritten die aromatischen Bestandteile im Gewicht gegenüber den nichtaromatischen Bestandteilen. Dem FG ist darin zuzustimmen, daß unter dieser Voraussetzung zu den ähnlichen Erzeugnissen im Sinne der Vorschrift 2 auch solche gehören können, die aus Erdöl gewonnen worden sind. Das ergibt sich zunächst aus der ausdrücklichen Erwähnung von Erzeugnissen der Cyclisierung von Erdöl. Dem Einwand des HZA, daß es sich bei der Cyclisierung um ein aufwendiges Verfahren handele und daß deshalb nur in einem ähnlich aufwendigen anderen Verfahren hergestellte aromatenreiche Erzeugnisse aus Erdöl von der Vorschrift 2 erfaßt würden, kann nicht gefolgt werden. Denn von der Vorschrift 2 werden auch Erzeugnisseeines anderen Verfahrens erfaßt, in denen die aromatischen Bestandteile überwiegen. Dem Wortlaut der Vorschrift kann weder entnommen werden, daß diese anderen Verfahren nicht Erdöl als Ausgangspunkt betreffen würden, noch auch, daß es sich nicht um das Destillationsverfahren handeln darf. Das Cyclisierungsverfahren ist offenbar nur deshalb besonders aufgeführt, weil es vom Zweck her der Aromatisierung von Erdöl dient (vgl. Römpp, Chemie-Lexikon, 7. Aufl., Bd. 1, S. 718). In seiner Auffassung, daß als ähnliche Erzeugnisse eines anderen Verfahrens im Sinne der Vorschrift 2 auch Destillationserzeugnisse anzusehen sind, sieht sich der Senat auch durch die Erl. zur NRZZ bestätigt, die nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bei der Auslegung von Positionen des GZT als maßgebliches Erkennungsmittel herangezogen werden können. In der Erläuterung 2 zur Tarifnr. 27.07 (ErlZT zu 27.07 Teil I Rdnr. 4) heißt es unter Hinweis auf die Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT in diesem Zusammenhang, daß zu dieser Tarifnummer auch aromatenreiche ähnliche öle und Erzeugnisse gehören, die u. a. durch Cyclisierung von Erdöl oderin irgendeinem anderen Verfahren (also auch durch Destillation) gewonnen werden.

Daneben ergibt sich auch aus der Tarifst. 27.07 B, daß aus Erdöl gewonnene Erzeugnisse, wenn die aromatenreichen Bestandteile überwiegen, unter diese Tarifnummer fallen können. Dort sind u. a. Benzole und aromatenreiche öle im Sinne der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT erfaßt, bei deren Destillation mehr als 65 Raumhundertteile bis 250 Grad C übergehen. Im anschließenden Klammersatz sind ausdrücklich Benzin-Benzol-Gemische beispielhaft aufgeführt. Die in der Tarifst. 27.07 B aufgeführten Erzeugnisse kommen nach der Unterposition 1 für eine Verwendung als Kraft- oder Heizstoffe in Betracht Auch hier schließt der Wortlaut im übrigen nicht aus, daß das in den Gemischen enthaltene Benzin etwa nicht durch Destillation gewonnen sein darf.

Bei der Destillation von Erdöl als Seitenfraktion angefallenes Vacuum-Schweröl kann allerdings nach der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT nur dann zur Tarifnr. 27.07 gehören, wenn es den in dieser Tarifnummer aufgeführten Erzeugnissenähnlich ist. Der Senat ist der Auffassung, daß dem Begriff der Ähnlichkeit im Sinne dieser Vorschrift und der Vorschrift 3 zu Kap. 27 GZT keine wesentliche eigene Bedeutung zukommt; daß vielmehr die Ähnlichkeit schon dann zu bejahen ist, wenn ein Produkt einem von den Tarifnrn. 27.07 oder 27.10 erfaßten Erzeugnis offensichtlich entspricht. Jede andere Auffassung würde ungewöhnliche und mit Zolltarifrecht unvereinbare Schwierigkeiten bei der tarifmäßigen Einordnung mit sich bringen. Gerade bei Erzeugnissen der hier in Rede stehenden Art sind zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine Ähnlichkeitsfeststellung denkbar, z. B. physikalische und chemische Eigenschaften (wie Geruch, Farbe, sonstiges Aussehen, Viskosität, Dichte, Siedepunkt) oder auch die Marktgängigkeit und der Preis. Angesichts des Schweigens des Gesetzgebers kann nicht gesagt werden, welches davon entscheidende, welches nicht entscheidende Merkmale sein sollen. Es ist auch durchaus denkbar, daß hinsichtlich einer Reihe von Merkmalen eine Ware Erzeugnissen der Tarifnr. 27.07, hinsichtlich einer anderen Reihe von Merkmalen solchen der Tarifnr. 27.10 ähnlich ist; es ist nicht ersichtlich, nach welchen Kriterien die Ware dann der einen oder der anderen Gruppe zugeordnet werden soll.

Die nichtverbindlichen Erläuterungen zum Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften (ErlGZT), wonach als Schweröle der Tarifst. 27.10 C ohne Rücksicht auf ihren Gehalt an aromatischen Bestandteilen Schweröle auf der Grundlage von Kohlenwasserstoffen gelten, deren Dichte bei 15 Grad C nicht größer als 1,000 kg/l ist (vgl. ErlGZT zu Vorschriften 2 und 3 zu Kap. 27 GZT, Nr. 2, ErlZT Teil II Rdnr. 4), ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin erst im Jahre 1973, also mehrere Jahre nach dem für den Streitfall maßgebenden Zeitpunkt, ergangen und schon deshalb nicht ohne weiteres für eine Auslegung verwertbar. Gerade dieser Versuch einer Klärung zeigt aber auch wiederum, wie problematisch eine Abgrenzung ist, und gibt Anlaß zu der Frage, ob diese Erläuterung, soweit sie ohne Rücksicht auf den Gehalt an aromatischen Bestandteilen allein auf die Dichte abstellt, nicht in Widerspruch zum Wortlaut der Vorschriften 2 und 3 zu Kap. 27 GZT steht.

In seiner vorstehend dargelegten Auffassung, wie der Begriff „ähnliche Erzeugnisse” im Sinne der Vorschrift 2 zu verstehen ist, sieht sich der Senat durch die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes 1964 (Drucksache des Bundesrats 101/68) bestätigt. Nach dem später zum Gesetz gewordenen Entwurf (vgl. Änderungsgesetz vom 20. Dezember 1968, BGBl I, 1391) wurden in Nr. 2 des § 1 Abs. 2 MinöStG die Worte eingefügt: „, die Waren der Nr. 27.07 G, soweit sie nicht nachweislich aus Kohle hergestellt sind”. Diese Waren unterlagen damit der Mineralölsteuer. In der Begründung heißt es unter I, daß in zunehmendem Maße Heizöle, die einer Steuer unterliegen, durch nichtsteuerbare Substitutionsgüter ersetzt unddaß als solche vor allem aromatenreiche Rückstände aus der Erdölverarbeitung verwendet werden. Unter II der Begründung heißt es weiter, daß die neue Regelung die Substitutionsgüter der Mineralölsteuer unterwirft, und weiter wörtlich: „Es sind dies die den anderweit nicht genannten Erzeugnissen aus der Destillation von Steinkohlenteer ähnlichen Erzeugnissen der Nr. 27.07 G des Zolltarifs. Hier sind besonders die aromatenreichen Rückstände aus der Erdölverarbeitung von Interesse.” Der Gesetzgeber ist aber offenbar in Übereinstimmung mit dieser Begründung davon ausgegangen, daß aromatenreiche Rückstände aus der Erdölgewinnung zur Tarifst. 27.07 G gehören, was voraussetzt, daß diese als ähnliche Erzeugnisse im Sinne der Vorschrift 2 zu Kap. 27 GZT angesehen worden sind. Er hat damit unter Bejahung der geforderten Ähnlichkeit zwischen aromatenreichen Rückständen aus der Erdölverarbeitung und schweren Steinkohlenteer-Heizölen den gewünschten gesetzgeberischen Zweck, nämlich aromatenreiche Schweröle aus Erdöl der Mineralölsteuer zu unterwerfen, nicht durch eine Tarifauffassung, wie sie das HZA für richtig hält, für erreichbar gehalten, sondern nur durch eine Änderung des § 1 MinöStG.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:

Das hier zu beurteilende Vacuum-Öl ist ein Schweröl, das zu Heizzwecken verwendbar ist. Es stammt an sich aus dem Bereich der petrostämmigen Öle, hat aber einen Aromatengehalt, der über 50 % liegt. Ein ähnliches Produkt im oben genannten Sinne ist von der Tarifst. 27.07 G (andere Öle als die in 27.07 A bis F genannten) erfaßt Es ist unstreitig, daß unter diese Tarifstelle auch schwere Steinkohlenteeröle fallen (vgl. auch Schädel/Langer/Gotterbarm, Mineralölsteuer und Mineralölzoll, Kommentar, 4. Aufl., S. 369, Tarifnr. 27.07 Anm. 10). Auch nach den ErlGZT gehören zur Tarifst 27.07 G Schweröle aus der Destillation von Steinkohlenteer, sofern bei ihrer Destillation weniger als 65 Raumhundertteile bis 250 Grad C übergehen (ErlZT zu 27.07 Teil II Rdnr. 40).

 

Fundstellen

Haufe-Index 510512

BFHE 1981, 197

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