Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Werbungskostenabzug bei fehlender Einkunftserzielung; zum Abzug von Unterhaltsleistungen als dauernde Last bei den Sonderausgaben
Leitsatz (NV)
1. Nutzt ein Steuerpflichtiger eine ihm nicht gehörende Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition unentgeltlich (z.B. Leihvertrag), so hat er den Nutzungswert zu versteuern. In diesem Fall kann der Eigentümer mangels Einkunftserzielung keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.
2. Der Übernehmer des Vermögens kann den Nutzungswert einer dem Übertragenden aufgrund des Übertragungsvertrages unentgeltlich überlassenen Wohnung nicht als dauernde Last abziehen, wenn der Nutzungswert der Wohnung dem Überlassenden zuzurechnen ist.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2; EStG §§ 7b, 9, 10 Abs. 1 Nr. 1a, §§ 10d, 21 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, sind Eigentümer des im Oktober 1976 fertiggestellten Einfamilienhauses. Sie haben dieses Einfamilienhaus aufgrund einer schuldrechtlichen (mündlichen) Vereinbarung ihrer Tochter seit 1976 unentgeltlich überlassen.
Dem Kläger war im Jahre 1959 der landwirtschaftliche Betrieb seines Vaters übertragen worden, dessen landwirtschaftliche Nutzflächen er im Streitjahr 1980 für unstreitig 2800 DM verpachtet hat. Auf der Hofstelle war zugunsten der Mutter des Klägers durch Übergabevertrag ein unentgeltliches dingliches Wohnrecht eingeräumt worden.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 erklärten die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung insgesamt einen Werbungskostenüberschuß von ./. 1000 DM, den sie wie folgt ermittelten:
Mieteinnahme Einfamilienhaus 0 DM
erhöhte Absetzungen nach
§ 7b des Einkommensteuer-
gesetzes (EStG) 5 v.H.
von 100000 DM = ./. 5000 DM
Pachteinnahmen für land-
wirtschaftliche Flächen 2800 DM
Nettomietwert des unent-
geltlichen dinglichen
Wohnrechts der Mutter 1200 DM
Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung ./. 1000 DM
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ bei der Einkommensteuerfestsetzung 1980 die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG für das Einfamilienhaus bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt, weil die Kläger die Herstellungskosten nicht nachgewiesen hatten. Den Mietwert für die der Mutter überlassenen Wohnung erhöhte es um 1200 DM auf 2400 DM, weil die Kläger die Größe der Wohnung nicht angegeben hatten. Danach ergaben sich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 5200 DM.
Im Dezember 1983 beantragten die Kläger - nachdem sie die Herstellungskosten für das der Tochter überlassene Haus nachgewiesen hatten - beim FA, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 1980 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) dahin zu ändern, daß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erhöhte Absetzungen nach § 7b EStGin Höhe von 5 v.H. von 100000 DM = 5000 DM berücksichtigt werden. Das FA lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 sei nicht anwendbar, weil die Kläger ein grobes Verschulden daran treffe, daß dem FA die Herstellungskosten für das Einfamilienhaus durch Vorlage der Baurechnungen erst nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 1980 bekannt geworden seien. Aus der dem Vordruck Anlage V beigefügten Anleitung zur Anlage V ergebe sich u.a., daß die Herstellungskosten durch Einzelaufstellung nachzuweisen seien, wenn erstmals die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG beantragt werden. Dies sei auch dem steuerlichen Berater der Kläger bekannt gewesen. Komme der Berater der Nachweispflicht nicht nach, sei dies ein grobes Verschulden bei der Anfertigung der Steuererklärung, das den Klägern nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Februar 1983 IV R153/80 (BFHE 137, 547, BStBl II1983, 324) zuzurechnen sei. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage begehrten die Kläger weiter den Abzug von erhöhten Absetzungen gemäß § 7b EStG in Höhe von 5000 DM. Außerdem beantragten sie erstmals, den Nutzungswert von 2400 DM der an die Mutter des Klägers überlassenen Wohnung als dauernde Last bei den Sonderausgaben abzuziehen. In der mündlichen Verhandlung beantragten sie sodann, Werbungskostenüberschüsse aus dem der Tochter überlassenen Haus, die sich aufgrund der Nachholung der erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 3 Satz 1 EStG für die Jahre 1976 bis 1978 ergäben, im Streitjahr im Wege des Verlustvortrags gemäß § 10d zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es ließ offen, ob die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 erfüllt seien. Denn jedenfalls hätten sowohl die Tochter als auch die Mutter eine gesicherte Rechtsposition, so daß die Nutzenden den Nutzungswert zu versteuern hätten. Da den Klägern aus der Überlassung des Einfamilienhauses und der Wohnung auf der Hofstelle keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen seien, könnten sie weder die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG für die Wohnung im Einfamilienhaus von 5000 DM geltend machen, noch könnten sie nach dem Senatsurteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84 (BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610) den Nutzungswert der Wohnung auf der Hofstelle als dauernde Last bei den Sonderausgaben abziehen.
Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung von §§ 163, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977, 119 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), §§ 9, 21 Abs. 2 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat rechtsfehlerhaft unterlassen zu prüfen, ob das FA verpflichtet war, den Einkommensteuerbescheid 1980 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zu ändern.
1. Überläßt ein Eigentümer eine Wohnung in einem Einfamilienhaus unentgeltlich in der Weise, daß der Nutzende die Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition innehat, so hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Nutzende den Nutzungswert zu versteuern (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 IX R 131/90, BFHE 170, 165, BStBl II 1993, 490, m.w.N.). Die gesicherte Rechtsposition kann der Nutzende durch die Einräumung eines sachenrechtlichen Nutzungswerts (z.B. dingliches Wohnrecht) oder eines schuldrechtlichen Nutzungsrechts (z.B. aufgrund eines Leihvertrags) erlangen (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366). Eine besondere Form ist für die Vereinbarung eines Leihverhältnisses nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 1986 IX R 27/83, BFH/NV 1986, 456, m.w.N.).
2. a) Nach diesen Grundsätzen kommt das FG zunächst zutreffend zu dem Ergebnis, daß die Kläger aus der an die Tochter unentgeltlich überlassenen Wohnung im Einfamilienhaus keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen, weil die Tochter dieses - wie die Kläger selbst vortragen - aufgrund eines Leihvertrages und damit aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nutzt. Ist im Streitfall der Nutzungswert der Wohnung im Einfamilienhaus nicht den Klägern, sondern der Tochter gemäß § 21 Abs. 2 EStG zuzurechnen, können die Kläger mangels Einkunftserzielung keine Werbungskosten einschließlich des Abzugs erhöhter Absetzungen gemäß § 7b EStG geltend machen (vgl. BFH-Urteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390, und vom 6. August 1985 IX R 11/84, BFH/NV 1986, 326). Da die Tochter der Kläger die Wohnung bereits seit 1976 aufgrund einer gesicherten Rechtsposition unentgeltlich nutzt, können die Kläger auch keine erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG nachholen und entsprechende Werbungskostenüberschüsse gemäß § 10d EStG auf das Streitjahr vortragen.
b) Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Abzug des Nutzungswerts der an die Mutter des Klägers überlassenen Wohnung als dauernde Last bei seinen Sonderausgaben daran scheitert, daß es insoweit an der für die Anerkennung einer dauernden Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG erforderlichen Aufwendungen des Klägers fehlt. Die Überlassung der Wohnung konnte nicht Inhalt einer Sachleistung des Klägers an seine Mutter als dauernde Last sein, weil der Nutzungswert der von dem dinglichen Wohnrecht betroffenen Wohnung nicht den Klägern, sondern nach den unter 1. dargestellten Grundsätzen gemäß § 21 Abs. 2 EStG der Mutter zuzurechnen war (vgl. BFH-Urteile in BFHE 143, 317, BStBl II 1985, 610, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/ NV 1990, 628).
3. Das FG hat bei seiner Prüfung jedoch übersehen, daß das FA unzutreffend den Klägern für das der Mutter auf der Hofstelle eingeräumte dingliche Wohnrecht einen Nutzungswert in Höhe von 2400 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet hat. Die Einkünfte der Kläger aus Vermietung und Verpachtung sind mithin sachlich im Einkommensteuerbescheid fehlerhaft um 2400 DM zu hoch festgesetzt. Das FG hätte bei dieser Sachlage folglich nicht offenlassen dürfen, ob im Streitfall § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zugunsten der Kläger zur Anwendung kommt.
4. Das Urteil ist hiernach aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen tatsächliche Feststellungen für die Prüfung, ob § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 im Streitfall zugunsten der Kläger anwendbar ist. Das FG wird hierbei auch den Sachvortrag der Kläger zum Wohnrecht der Mutter in Ziffer 1 ihrer Anlage zur Einkommensteuererklärung 1979 zu berücksichtigen haben. Die Streitsache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die entsprechenden Feststellungen nachholen kann.
Fundstellen
Haufe-Index 419470 |
BFH/NV 1994, 307 |