Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherungsvertreter hat Provisionsansprüche für diejenigen von ihm vermittelten Lebensversicherungsverträge zu aktivieren, für die die Erstprämie am Bilanzstichtag bereits bezahlt war. Das gilt auch dann, wenn anstelle von Einmalprovisionen laufende Provisionen nach Maßgabe der Prämienzahlungen vereinbart wurden.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob, wann und in welcher Höhe die Revisionsbeklagte, eine GdbR, die sich mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen befaßte, Provisionsforderungen gegenüber dem Versicherungsunternehmen (Lebensversicherungs-AG - AG -) aktivieren mußte.
Die Gesellschaft wurde als "Firma WM" (Firma) von dem Gesellschafter WM und seiner Ehefrau zum 1. Januar 1953 gegründet. Zweck der Firma war die Vermittlung von Versicherungsverträgen. Zur Erreichung dieses Zwecks trat die Firma in die vertraglichen Beziehungen ein, die zwischen dem Gesellschafter WM und der AG seit vielen Jahren bestanden. Diese Beziehungen wurden durch eine Vereinbarung, die in einem Bestätigungsschreiben der AG vom 23. November 1951 schriftlich niedergelegt wurde, dahingehend modifiziert, daß die AG für ab 1. November 1951 eingereichte Lebensversicherungsanträge nicht mehr Abschlußprovisionen, sondern lediglich laufende Provisionen bezahlen werde. U. a. heißt es dann wörtlich:
"Die laufende Provision zerfällt in zwei Provisionssätze: In einen Provisionssatz der in Promill der Versicherungssumme und je nach der Dauer des Versicherungsvertrages laut beigefügter Tabelle festgesetzt ist, und in einen Provisionssatz in Höhe von 3 % der Prämie. Sowohl der Provisionssatz in Promill der Versicherungssumme als auch der Provisionssatz in Prozenten der Prämie wird vom 1. Versicherungsjahre an gezahlt; er wird verdient und fällig pro rata der bei uns eingegangenen Prämien. Für lebenslängliche Todesfallversicherungen wird eine 30jährige Prämienzahlungsdauer angenommen und der jährliche Provisionssatz der beigefügten Tabelle für eine 30jährige Dauer entnommen.
Da Sie damit einverstanden sind, daß die Abschlußprovision für die von Ihnen vermittelten Versicherungen nicht mehr gezahlt wird, haben wir Ihnen als Ausgleich hierfür bestätigt, daß Sie die laufende Provision, und zwar sowohl die Promill- als auch die Prozentprovision, solange erhalten, wie die Lebensversicherungsverträge bei unserer Gesellschaft bestehen. Im Falle Ihres vorzeitigen Ablebens wird die Provision an Ihre Ehefrau in voller Höhe weitergezahlt; im Falle, daß sowohl Sie als auch Ihre Gattin gestorben sind, geht der Anspruch auf die laufenden Provisionen in voller Höhe auf Ihre Tochter über.
Bei den Sätzen der beigefügten Tabelle ist ein Rechnungszinssatz von 4 % zu Grunde gelegt. Soweit der in den Geschäftsberichten unserer Gesellschaft ausgewiesene Durchschnittszinsertrag den Rechnungszinsfuß von 4 % übersteigt, leisten wir Ihnen den entsprechenden Überzins jeweils bei Zahlung der letzten jährlichen Provision."
Diese Vereinbarung wurde dahingehend ergänzt, daß die AG bei vorzeitiger Beendigung eines nach dem 1. November 1951 vermittelten Vertrages, für den nur laufende Provisionen bezahlt wurden, unabhängig davon, aus welchem Grunde der Vertrag beendet wurde, je nach der tatsächlichen Vertragsdauer einen Provisionsrest bezahlt. Die Höhe des Provisionsrestes sollte sich aus einer "beiliegenden" Tabelle ergeben.
Bei einer im Jahre 1960 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte der Prüfer zu dem Ergebnis, daß die Gewinne zu erhöhen seien, weil die Firma bisher nur die ausgeschütteten Provisionen versteuert und es verabsäumt habe, Forderungen auf Provisionen und Überzinsen zu aktivieren, die ihr nach den Feststellungen einer bei der AG durchgeführten Betriebsprüfung bei dieser gutgeschrieben worden seien. Der Prüfer vertrat die Auffassung, als Versicherungsmaklerin habe die Firma ihre Leistung jeweils beim Abschluß des Versicherungsvertrages erbracht. Damit sei auch der volle Provisionsanspruch entstanden.
Dem Ergebnis der Betriebsprüfung folgend erließ das FA einen auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid, durch den ein entsprechend höherer Gewinn festgestellt wurde. Der Einspruch, mit dem die Firma geltend machte, die vom Prüfer aktivierten Forderungen seien nach der Vereinbarung vom 23. November 1951 an den Bilanzstichtagen noch nicht entstanden gewesen, hatte keinen Erfolg.
Mit der Berufung (jetzt Klage) wurde im wesentlichen geltend gemacht:
Hinsichtlich der Aktivierung von Provisionsansprüchen könne ein Lebensversicherungsmakler nicht mit einem Handelsvertreter verglichen werden. § 87a HGB könne daher zur Beurteilung nicht herangezogen werden. Dasselbe gelte aber auch für die die Gruppe der Versicherungsvertreter betreffende Bestimmung des § 92 Abs. 4 HGB. Beide Vorschriften seien zeitlich nach der Vereinbarung vom 23. November 1951 durch die Novelle vom 6. August 1953 in das HGB eingefügt worden; im übrigen sei die Firma nicht Versicherungsvertreter, sondern Versicherungsmakler. Daß nach der genannten Vereinbarung bei vorzeitiger Beendigung des Versicherungsvertrages eine Restprovision bezahlt werde, sei ausschließlich in der Gestaltung des Tarifwerks begründet. Soweit die gezillmerten Abschlußkosten bei vorzeitiger Vertragsbeendigung noch nicht durch Prämienzahlungen abgedeckt seien, würden sie aus dem Risikoanteil der Prämie vereinnahmt. Selbst wenn man im übrigen dem FA hinsichtlich der Aktivierungspflicht folge, müsse beachtet werden, daß den Provisionsforderungen zahlreiche Verpflichtungen und Dienstleistungen gegenüberstünden, die durch die Bildung von Rückstellungen berücksichtigt werden müßten. Hierfür sei ein Abschlag von 25 % angemessen.
Die Klage hatte Erfolg. Zwischen der Firma und der AG - so führte das FG aus - sei ausdrücklich vereinbart gewesen, daß die Provisionen abweichend von den sonst üblichen Abschlußprovisionen pro rata der bei der AG eingegangenen Prämien verdient und fällig werden sollten. Wenn auch die vereinbarte Verzinsung und die Regelung für den Fall der vorzeitigen Beendigung eines vermittelten Vertrages zu einer gewissen Gleichstellung mit Versicherungsvermittlern führten, die eine Abschlußprovision erhielten, so schließe das FG doch aus Wortlaut und Sinngehalt der getroffenen Vereinbarungen, daß die Vertragspartner die Entstehung der laufenden Provisionen an den Eingang der jeweiligen Prämien geknüpft hätten. Eine solche Vereinbarung habe getroffen werden können. Wenn die Firma sich auch als technischer Versicherungsmakler bezeichne, so sei sie doch kein Handelsmakler im Sinne von § 93 HGB, da sie von der AG ständig mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen für diese betraut sei. Nach dem Rechtszustand, wie er vor dem am 1. Dezember 1953 in Kraft getretenen HGB-Änderungsgesetz (HGB-ÄndG) vom 6. August 1953 (BGBl I S. 771) bestanden habe, habe die Firma als Handlungsagent im Sinne des § 84 HGB a. F. gegolten, dem nach § 88 HGB a. F. im Zweifel eine Provision für jedes zustande gekommene und ausgeführte Geschäft gebührt habe. Bei Vermittlungsgeschäften sei der Anspruch auf Provision erst nach Zahlungseingang und im Verhältnis des eingegangenen Betrages erworben worden. Das alles sei dispositiv gewesen. Nach der ab 1. Dezember 1953 geltenden gesetzlichen Regelung gelte für Versicherungsvertreter als Sondergruppe der Handelsvertreter § 92 HGB, nach dessen Abs. 4 der Versicherungsvertreter Anspruch auf Provision habe, sobald der Versicherungsnehmer die Prämie bezahlt habe, aus der sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechne. Die Vereinbarungen mit der AG entsprächen dieser Regelung und seien daher gem. Art. 6 Abs. 2 HGB-ÄndG wirksam geblieben. Darüber, wie die AG die streitigen Vorgänge bilanzmäßig zu erfassen hätte, sei hier nicht zu entscheiden.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde des FA wird Verletzung des materiellen Rechts gerügt. Das FG habe aus Wortlaut und Sinngehalt der Vereinbarungen zwischen der Firma und der AG nicht folgern können, daß die Provisionen erst jeweils mit dem Eingang der Prämien entstanden seien. "Verdienen" (so die Vereinbarung) müsse nicht mit "entstehen" gleichgesetzt werden. Auch der Sinngehalt schließe nicht aus, daß lediglich ein Hinausschieben der Fälligkeit gewollt gewesen sei, womit der angegebene Zweck (Reduzierung der Erwerbskosten der AG) ebenfalls erreicht worden wäre. All das könne aber dahingestellt bleiben, da die Bilanzierung einer Forderung nicht davon abhängig sei, daß sie bürgerlich-rechtlich bereits entstanden sei. Entscheidend sei vielmehr, ob ein bewertbares Wirtschaftsgut bestehe. Die Grundsätze, von denen der BFH hinsichtlich der Aktivierung der Provisionsansprüche von Handelsvertretern ausgegangen sei, seien auch auf den Streitfall anwendbar. Das ergebe sich auch aus dem sich mit einem Versicherungsvertreter befassenden Urteil des FG Bremen vom 4. Mai 1962 (EFG 1963, 4). Der Provisionsanspruch entstehe mit Abschluß des Geschäfts aufschiebend bedingt durch die Ausführung des Geschäfts. Zumindest habe aber die Firma mit Vertragsabschluß eine Provisionsanwartschaft erhalten, die lediglich mit dem Risiko der Prämienzahlung behaftet sei. Ein Zahlungsrisiko sei jedoch bei jeder Forderung gegeben. Daß die Provisionsforderungen wirtschaftlich bereits vor den einzelnen Prämienzahlungen entstanden seien, ergebe sich aus den Vereinbarungen über die Verzinsung, die Zahlung einer Restprovision auch bei Stornierungen und Todesfällen und dem Übergang der Forderungen auf die Angehörigen. Daß die Verzinsung nicht nur eine rechnerische Aufhebung der Abzinsung sei, folge aus der Vereinbarung über die Zahlung der vom Durchschnittsertrag der AG abhängigen Überzinsen. Die Pflicht zur Aktivierung der vollen Provisionsforderungen werde auch nicht dadurch beeinträchtigt oder gar beseitigt, daß die Firma über die Vertragsvermittlung hinaus noch weitere Aufgaben, (Beratung, Erstellung versicherungsmathematischer Gutachten, Aufstellung von Versorgungsplänen) zu erfüllen habe. Diese Aufgaben seien nicht unmittelbar Ausfluß des jeweiligen Vermittlungsgeschäfts, sondern dienten der Vertiefung und Ausweitung der Geschäftsbeziehungen.
Das FA beantragt Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Die Firma beantragt Zurückweisung der Revision.
Sie macht geltend, hinsichtlich der streitigen Aktivierungsfrage könnten Versicherungsvertreter nicht mit Handelsvertretern verglichen werden. Zwischen der Ausführung eines Geschäfts durch den Geschäftsherrn im Warenhandel und der Durchführung eines Lebensversicherungsvertrages bestehe der bedeutsame Unterschied, daß die Warenlieferung eine einmalige Handlung sei, während der Versicherungsvertrag sich auf einen längeren Zeitraum erstrecke. Abweichend von der Provisionsregelung für den Handelsvertreter in § 87a Abs. 1 HGB sei in § 92 Abs. 4 HGB bewußt die Entstehung des Provisionsanspruchs des Versicherungsvertreters an die Prämienzahlung geknüpft worden, weil von dieser die Leistungspflicht des Versicherers abhänge. Im übrigen müsse es rechtlich und auch steuerrechtlich anerkannt werden, wenn aufgrund besonderer versicherungsmathematischer Kalkulationen Versicherer und Versicherungsvertreter in Anwendung des § 92 Abs. 4 HGB eine vom Normalfall abweichende Regelung über Entstehung und Fälligkeit der Provisionsansprüche und den Ausschluß der Zahlung einer Abschlußprovision vereinbarten. Endlich sei noch darauf hinzuweisen, daß die Firma sich als "technischer Versicherungsmakler" mit der versicherungstechnischen Beratung und Betreuung von Industrie- und Handelsunternehmen befasse. Hierbei handle es sich um eine Tätigkeit "sui generis", die sich, da auch keine Hilfspersonen bei der Versicherungsvermittlung beschäftigt würden, von den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters oder Generalagenten unterscheide. Die versicherungstechnische Betreuung der Unternehmen sei auch mit Abschluß eines Versicherungsvertrages nicht, wie beim Versicherungsvertreter, beendet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Mit der hier zu entscheidenden Frage, wann im Versicherungs-Vermittlungsgeschäft der Versicherungsvermittler nach bilanzsteuerlichen Grundsätzen Ansprüche gegenüber dem Versicherer zu aktivieren hat, hat sich der BFH bislang noch nicht befaßt. Als bilanzierende Kaufleute, die das Versicherungs-Vermittlungsgeschäft betreiben, kommen in Betracht der Versicherungsvertreter als eine seit dem HGB-ÄndG von 1953 in § 92 HGB besonders erwähnte Unterart des Handelsvertreters (§§ 84 ff. HGB) und der Versicherungsmakler, der zu den Handelsmäklern gehört (§§ 93 ff. HGB). Hinsichtlich des Anspruchs auf Vermittlungsvergütung gelten handelsrechtlich unterschiedliche Bestimmungen über die Provision des Vertreters (§ 87a HGB für den Handelsvertreter, § 92 HGB für den Versicherungsvertreter) und die Courtage des Maklers (§ 652 BGB). Diese Bestimmungen sind jedoch weitgehend dispositiv. Darüber hinaus wird im Schrifttum darauf hingewiesen, daß sich beim Versicherungs-Vermittlungsgeschäft in der Praxis nach Handelsbrauch hinsichtlich des Courtageanspruchs eine weitgehende Gleichstellung mit dem Provisionsanspruch herausgebildet hat (vgl. Bruck-Möller, Versicherungsvertragsgesetz, 8. Aufl., vor §§ 43 bis 48 Anm. 82; Siber, BB 1957, 702). Die Frage, ob diese Unterschiede von Bedeutung sein können bei der steuerlichen Beurteilung der Aktivierungspflicht, für die im übrigen, wie noch auszuführen ist, primär nicht die bürgerlich-rechtliche Rechtslage, sondern die wirtschaftliche Betrachtung entscheidend ist, braucht jedoch vom Senat nicht entschieden zu werden, da das FG in tatsächlicher Hinsicht und für den Senat bindend festgestellt hat, daß die Firma ständig damit betraut war, für die AG Versicherungsverträge zu vermitteln, und da die hieraus vom FG gezogene Folgerung, die Firma sei insoweit als Versicherungsvertreter tätig gewesen (vgl. Bruck-Möller, a. a. O., Anm. 13; Trinkhaus, Handbuch der Versicherungsvermittlung, S. 129), nicht zu beanstanden ist. Wie sie selbst ihre Tätigkeit bezeichnet, ist nicht entscheidend (Schlegelberger, HGB, 4. Aufl., § 92 Anm. 2). Der Hinweis der Firma, sie übe als "technischer Versicherungs-Makler" eine Tätigkeit "sui generis" insbesondere deshalb aus, weil diese Tätigkeit dem Umfange nach über die eines bloßen Versicherungsvertreters hinausgehe, kann die Frage der Aktivierung jedenfalls dem Grunde nach nicht beeinflussen.
Für die Vermittlungsprovisionen (Erfolgsprovisionen) im Versicherungsgeschäft gilt im allgemeinen der Grundsatz der Prämienabhängigkeit, d. h. so viele Prämien, so viele Provisionen (laufende Provisionen). Eine Ausnahme gilt auf dem Gebiet der Lebens- und Krankenversicherung, wo im allgemeinen Einmalprovisionen gezahlt werden. Beide Systeme werden vom Wortlaut des § 92 Abs. 4 HGB gedeckt (vgl. auch Bruck-Möller, a. a. O., Anm. 269). Im Streitfall, wo es um die Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen geht, wurde nun wieder abweichend vom "Normalfall" der Zahlung von Einmalprovisionen die Zahlung von laufenden Provisionen "pro rata der eingegangenen Prämien" vereinbart. Dieser Vereinbarung maß das FG entscheidende Bedeutung zu. Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.
Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Revisionsvorbringen des FA der Auffassung, daß für die Aktivierung von Provisionsforderungen eines Versicherungsvertreters zunächst von denselben Grundsätzen auszugehen ist, die von der Rechtsprechung des BFH für die Aktivierung von Provisionen beim Handelsvertreter entwickelt wurden (Urteile I 259/61 S vom 15. Januar 1963, BFH 76, 699, BStBl III 1963, 256; IV 335/59 S vom 17. Januar 1963, BFH 76, 702, BStBl III 1963, 257; I 386/60 vom 30. September 1964, HFR 1965, 456; für Versicherungsvertreter vgl. auch die genannte Entscheidung des FG Bremen, EFG 1963, 4; ferner Hedemann, Versicherungswirtschaft 1967 S. 85, und Oswald, Steuerwarte 1968 S. 75). Das bedeutet, daß es für die Beantwortung der Aktivierungsfrage nicht darauf ankommen kann, ob die Provisionsforderungen bürgerlich-rechtlich noch nicht entstanden, bedingt oder unbedingt entstanden oder gar fällig sind. Maßgeblich sind vielmehr die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze, bei denen es darauf ankommt, ob, wann und in welchem Umfange der Kaufmann bereits ein bewertbares Wirtschaftsgut erlangt hat. Das ist grundsätzlich der Fall, wenn von seiner Seite die Leistung erbracht und von seinem Geschäftspartner abgenommen worden ist. Für die Aktivierung von Provisionsforderungen beim Handelsvertreter wies der Senat im Urteil IV 335/59 S darauf hin, daß dieser Status an sich bereits mit dem Abschluß des durch den Vertreter vermittelten Geschäfts erreicht sei, daß aber unter dem Gesichtspunkt der kaufmännischen Vorsicht es vertretbar sei, die Aktivierungspflicht erst dann eingreifen zu lassen, wenn der Geschäftsherr seinerseits das vermittelte Geschäft ausgeführt habe. Sei dies aber geschehen, so sei es für die Aktivierung des Provisionsanspruchs ohne Einfluß, daß z. B. der Anspruch nach den getroffenen Vereinbarungen erst nach Maßgabe der Kundenzahlungen entstehen solle.
Es sind keine einleuchtenden Gründe erkennbar, die dagegen sprechen, diese Grundsätze auch bei den Provisionsansprüchen des als Versicherungsvertreter tätigen Handelsvertreters anzuwenden. Zu prüfen ist allenfalls die Frage, ob sich im Versicherungsgeschäft hinsichtlich des Erfordernisses, daß der Geschäftsherr das Geschäft ausgeführt haben muß, eine Verschiebung ergibt. Der Zeitpunkt, in dem der Versicherer das Geschäft ausgeführt hat, ist nur schwer definierbar (vgl. Bruck-Möller, a. a. O., Anm. 291). Hier könnte genannt werden die Annahme des Versicherungsantrages, die Aushändigung der Versicherungspolice, die Übernahme der Gefahrtragung (Eintritt der Leistungsbereitschaft) oder gar erst die Versicherungsleistung selbst. Hedemann (a. a. O.) hat darauf hingewiesen, daß die Entwicklungsstufen bei einem von einem üblichen Handelsvertreter vermittelten Geschäft (z. B. Warenlieferungsgeschäft) und einem von einem Versicherungsvertreter vermittelten Geschäft verschieden verlaufen. Während in der Regel dort der Vertragsannahme durch den Geschäftsherrn dessen Geschäftsausführung (z. B. Warenlieferung) folge, worauf der Kunde dann zu bezahlen habe, folge hier der Vertragsannahme durch den Versicherer die Zahlung des Einlösungsbetrages durch den Versicherungsnehmer und dann erst beginne die Leistungspflicht des Versicherers. Dieser Gesichtspunkt erscheint dem Senat beachtlich. Geht man auf den Ursprung dessen zurück, warum beim Handelsvertreter die Geschäftsausführung durch den Geschäftsherrn als das die Aktivierungspflicht des Vertreters auslösende Moment angesehen wurde, so kann dahingestellt werden, in welchem Entwicklungsstadium beim Versicherungsgeschäft man eine "Geschäftsausführung" durch den Versicherer annehmen will; denn entscheidend ist, in welchem Entwicklungsstadium der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters nicht mehr mit Risiken behaftet ist, die eine Bewertung als Wirtschaftsgut ausschließen. Es liegt nahe, hier auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem Hedemann (a. a. O.) auch die Geschäftsausführung durch den Versicherer annimmt, nämlich den Zeitpunkt des materiellen Versicherungsbeginns. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Erstprämie bezahlt ist, da bis dahin der Versicherer nach § 38 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. Von da ab besteht die Leistungsbereitschaft des Versicherers, von da ab besteht nicht mehr die in der Lebensversicherung z. T. übliche Einschränkung der Prämieneinklagung (vgl. Bruck-Möller, a. a. O., § 38 Anm. 11), von diesem Zeitpunkt ab, in dem im Normalfall der Lebensversicherungsvertreter auch nach § 92 Abs. 4 HGB seine Provision verlangen kann, hat sich der Provisionsanspruch so weit konkretisiert, daß seine Aktivierung als bewertbares Wirtschaftsgut gefordert werden kann. Ob dann durch entsprechende Vereinbarung die Zahlung der Provision durch Koppelung an die Zahlung der Folgeprämien zeitlich hinausgeschoben ist, hat auf die Aktivierungspflicht keinen Einfluß, wie der Senat im Urteil IV 335/59 S ja auch beim Handelsvertreter für den Provisionsanspruch, der vereinbarungsgemäß erst nach Maßgabe der Kundenzahlung entstehen soll, entschieden hat.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich für den Streitfall folgendes:
Das FG hat allein auf Wortlaut und Sinngehalt der Vereinbarung vom 23. November 1951 abgestellt und damit den für die Aktivierung entscheidenden wirtschaftlichen Gesichtspunkt außer acht gelassen. Daß es sich hier bei der in der Entstehung begriffenen Provisionsforderung um ein konkretisiertes Wirtschaftsgut handelt, ergibt sich auch aus der Zahlung von Zinsen nebst Überzinsen und der Tatsache, daß dieses Wirtschaftsgut auch auf dritte Personen übergehen kann. Da die Vorentscheidung dies verkannt hat und von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war sie aufzuheben.
Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das FG folgendes zu beachten haben. Aktivierungspflichtig sind nur Provisionen für vermittelte Versicherungsverträge, auf die die Erstprämie am Bilanzstichtag bereits bezahlt war. Auf die bilanzmäßige Behandlung der Provisionen bei der AG kommt es hier nicht an. Wenn auch der Zusammenhang zwischen der Aktivierung des Anspruchs beim Versicherungsvertreter und der Passivierung der Verpflichtung beim Versicherer nicht ohne jede Bedeutung ist (BFH-Urteile I 259/61 S und IV 335/59 S), so kann jedenfalls nicht entscheidend sein, in welchem passiven Bilanzposten die Belastung mit den späteren Provisionszahlungen Berücksichtigung gefunden hat. Hinsichtlich der Höhe der zu aktivierenden Provisionsansprüche wird das FG Überlegungen anzustellen haben, ob und inwieweit eine Wertberichtigung wegen eines etwa noch bestehenden Wagnisses angebracht erscheint. Hierbei wird jedoch zu berücksichtigen sein, daß der Firma unabhängig vom Vertragsverlauf eine Restprovision zusteht. Dem Umstand, daß die Firma u. U. im Rahmen der Bestandspflege weitere Aufgaben (versicherungstechnische Beratung und Betreuung von Unternehmen) übernommen hat, wird keine Bedeutung zukommen. Von der Erfüllung dieser allenfalls gegenüber dem Versicherten, nicht aber gegenüber der AG übernommenen Aufgaben ist die Realisierung der Provisionsansprüche nicht abhängig. Die Übernahme solcher Aufgaben erfolgt in der Regel im Interesse einer Fortentwicklung der Geschäftsbeziehung. Die dadurch sich alljährlich ergebenden und sich in etwa wiederholenden Kosten werden daher im allgemeinen das Wirtschaftsjahr belasten, in dem sie entstehen.
Fundstellen
BStBl II 1972, 274 |
BFHE 1972, 56 |