Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Unternehmer wegen der im Zusammenhang mit Getränkelieferungen übernommenen Verpflichtung, ein vereinnahmtes Flaschenpfand bei Rückgabe der Flaschen zurückzugewähren, in der RM-Schlußbilanz eine Rückstellung gebildet, so entsteht durch die Umstellung dieses Postens auf DM kein Schuldnergewinn im Sinne des § 163 LAG.
Normenkette
LAG § 163
Tatbestand
In dem vorliegenden Rechtsmittelverfahren ist die Frage streitig, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) mit dem buchmäßigen Gewinn, den sie bei der Umstellung einer in der RM-Schlußbilanz gebildeten Rückstellung für Flaschenpfandrückgewähr erzielt hat, der Kreditgewinnabgabe unterliegt oder nicht.
Die Bfin. betreibt den Großhandel mit Salz, Medizingläsern, Flaschen und nat. Mineralwasser. Um den Rücklauf der von ihr an die Kunden gelieferten Mineralwasserflaschen zu sichern und den Verlust an Leergut zu vermindern, hat sie in der RM-Zeit ein Flaschenpfand in der Höhe von 1 RM pro Flasche bei ihren Kunden erhoben. Wegen der Verpflichtung zur Rückgabe des Pfandgeldes bei Rückgabe des Leergutes (Flaschen und Kisten) bildete die Bfin. in der RM-Schlußbilanz eine Rückstellung im Betrage von 15.380 RM, die in Höhe von 1.538 DM in die DM-Eröffnungsbilanz übernommen wurde.
Das Finanzamt hat bei der Berechnung der Kreditgewinnabgabe für die Bfin. auch den durch die Umstellung entstandenen Differenzbetrag aus der Flaschenpfandrückstellung in der RM-Schlußbilanz und derjenigen in der DM-Eröffnungsbilanz als Schuldnergewinn behandelt und die Bfin. auch mit diesem Betrag zur Kreditgewinnabgabe herangezogen.
Die Bfin. hat gegen diese Behandlung des buchmäßigen Gewinns aus der Umstellung der für das Flaschenpfand gebildeten Rückstellung eingewendet, nach einhelliger Rechtsanschauung seien echte Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten bei der Kreditgewinnabgabe nicht zu berücksichtigen. Eine echte Rückstellung liege vor, wenn entweder der Gläubiger oder die Höhe der Schuld nicht festzustellen sei und die Schuld selbst von einem Tätigwerden des Gläubigers abhänge. Um eine derartige Eventualverbindlichkeit handle es sich in ihrem Falle. Denn sie habe für Mineralwasserflaschen von unbekannten Abnehmern eine RM Pfand erhoben. Würde einer ihrer Kunden eine solche Flasche zurückgebracht haben, so hätte sie ihm dementsprechend 1 RM auszahlen müssen. Es sei geschäftsüblich, unter solchen Umständen eine Rückstellung zu bilden, die in dem besonderen Falle schon deshalb erforderlich sei, weil das Pfandgeld von 1 RM den sonst üblichen Satz weit überstiegen habe und weil deshalb damit zu rechnen gewesen sei, daß tatsächlich einzelne Gläubiger ihr Pfandgeld zurückfordern würden. In der DM-Eröffnungsbilanz sei die Bildung einer entsprechenden Rückstellung gleichfalls erforderlich gewesen. Allerdings habe diese Rückstellung einen anderen wirtschaftlichen Charakter getragen als die vor der Währungsumstellung gebildete Rückstellung. Sie sei nämlich deshalb notwendig gewesen, weil die Annahme nahegelegen habe, daß auch die Gläubiger der vor der Währungsumstellung gezahlten Pfandgelder, die an sich die gezahlten Beträge nur im Verhältnis 10 : 1 hätten zurückfordern können, ihre Flaschen nur gegen Erstattung des in der DM-Zeit üblichen Flaschenpfandes von 0,20 DM pro Flasche zurückgegeben würden. Gerade diese Gegenüberstellung der vor und nach der Währungsumstellung gebildeten Flaschenpfandrückstellungen mache deutlich, daß es sich dabei wirklich nur um Rückstellungen, nicht aber um echte Schulden gehandelt habe.
Sowohl der Einspruch der Bfin. als auch ihre Berufung, in der sie noch besonders betont hat, daß für sie die Pflicht zur Rückgewähr des Pfandgeldes erst mit der Rückgabe der Flaschen durch ihre Kunden entstanden sei und daß sie auch in der RM-Schlußbilanz nicht den vollen Betrag des zurückzugewährenden Pfandgeldes zurückgestellt habe, sondern nur denjenigen Teil, um den das Pfandgeld (1 RM pro Flasche) die Leergutverbindlichkeit (0,20 RM pro Flasche) überstiegen habe, sind als unbegründet zurückgewiesen worden. Dabei sind die Vorinstanzen in der Begründung ihrer Rechtsmittelentscheidungen übereinstimmend davon ausgegangen, daß für die Bfin. schon vor der Währungsumstellung eine echte Schuldverbindlichkeit auf Rückgewähr der von ihr vereinnahmten Pfandgelder bestanden habe und daß diese Verbindlichkeit sowohl in der RM-Schlußbilanz als auch in der DM-Eröffnungsbilanz habe ausgewiesen werden müssen. Der sich aus der Umstellung ergebende Schuldnergewinn unterliege daher der Kreditgewinnabgabe. Dazu hat insbesondere das Finanzgericht ausgeführt, in der RM-Zeit sei bei der Lieferung von Mineralwasserflaschen der Wille des jeweiligen Brunnens oder des sonstigen Lieferanten infolge der Materialknappheit dahin gegangen, daß die Abnehmer grundsätzlich zur Rückgabe der Flaschen verpflichtet sein sollten. Es habe sich bei den damaligen Lieferverträgen hinsichtlich der Flaschen entweder um Flaschendarlehen im Sinne des § 607 BGB oder um die Begründung einer gattungsschuldähnlichen Verpflichtung auf Rückgewähr von Flaschen gleicher Art, Güte und Menge gehandelt. Auf jeden Fall habe - gleich aus welchen Rechtsgründen - ein Rückgewähranspruch hinsichtlich der Flaschen bestanden. Auf der anderen Seite stehe die Verpflichtung des Lieferanten, das empfangene Pfandgeld zurückzuzahlen. Da in einem Falle wie dem vorliegenden davon auszugehen sei, daß jeder Beteiligte seine Verpflichtung erfülle, sei die Rückgabeverpflichtung hinsichtlich des Pfandbetrages nicht aufschiebend bedingt, sondern komme bereits mit der Hingabe des Geldes an den Sicherheitsnehmer zustande. Da im Streitfalle im Hinblick auf den bezüglich der Flaschen bei Rechnungserteilung erklärten Eigentumsvorbehalt außerdem angenommen werden müsse, daß von vornherein eine Rückgabevereinbarung bezüglich der Flaschen bestanden habe, so habe für die Bfin. auch am Währungsstichtag bereits eine Verpflichtung zur Rückgabe der Pfandgelder bestanden. Diese sei, wie geschehen, im Verhältnis 10 : 1 umzustellen und der Schuldnergewinn bei der Kreditgewinnabgabe zu erfassen gewesen.
Die Bfin. hat Rechtsbeschwerde (Rb.) erhoben. Sie hat ihren bisherigen Rechtsstandpunkt aufrechterhalten und rügt Verstöße gegen den klaren Inhalt der Akten sowie fehlerhafte Anwendung des geltenden Rechts durch die Vorinstanzen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Zutreffend ist die Vorinstanz zunächst davon ausgegangen, daß ein Schuldnergewinn im Sinne des § 163 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) nur dann und insoweit in Betracht kommen kann, als am Währungsstichtag eine RM-Verbindlichkeit bestanden hat. Nach Ansicht des Finanzgerichts trägt der in der RM-Schlußbilanz der Bfin. ausgewiesene Posten Rückstellung für Flaschenpfand trotz seiner Bezeichnung als "Rückstellung" den Charakter einer echten Schuldverbindlichkeit, und der bei der Umstellung dieser Verbindlichkeit erzielte Gewinn ist deshalb nach der Meinung der Vorinstanz bei der Ermittlung der für die Bfin. festzusetzenden Kreditgewinnabgabe als Schuldnergewinn in Ansatz zu bringen. In diesem Zusammenhang hat sich die Vorinstanz vor allem darum bemüht, für den Währungsstichtag bei der Bfin. das Bestehen einer Schuldverbindlichkeit im Sinne des bürgerlichen Rechts gegenüber den Abnehmern ihrer Mineralflaschen darzulegen.
Schon in diesem Punkte geben jedoch die Ausführungen der Vorinstanz Anlaß zu rechtlichen Bedenken. Selbst wenn man es, wie die Vorinstanz ablehnt, im Streitfalle das Verhältnis der Bfin. zu ihren Kunden unter dem Gesichtspunkt eines Kaufes mit Rückkaufsverpflichtung hinsichtlich der Flaschen zu betrachten, kann man den Ausführungen des Finanzgerichts nicht darin folgen, daß für die Bfin. eine nur auflösend bedingte Verpflichtung zur Rückgabe des Flaschenpfandes schon vor der Währungsreform, d. h. schon vor Rückgabe der Flaschen, und zwar schon in dem Zeitpunkt entstanden sei, in dem die Bfin. die Flaschen lieferte und dafür das Pfandgeld in Empfang nahm. Diese Annahme entspricht jedenfalls nicht den Rechtsregeln, die das BGB für das sogenannte Faustpfand geschaffen hat (ß 1204 ff. BGB). Nun ist allerdings das Flaschenpfand unstreitig kein Pfandrecht im üblichen und eigentlichen Sinne, sondern ein sogenanntes pignus irregulare, weil der Gläubiger der Pfandforderung in diesem Falle das Eigentum an den ihm "pfandweise" überlassenen Geldstücken, also mehr als ein bloßes Faustpfand im Sinne des § 1204 BGB erwirbt. Trotzdem sind nach den Ausführungen, die Oertmann in Leipziger Zeitschrift 1918, 479 ff., gemacht und denen sich das Reichsgericht weitgehend angeschlossen hat, auch auf dieses unregelmäßige Pfandrecht die Vorschriften der §§ 1204 ff. BGB grundsätzlich anzuwenden, soweit sich nicht Besonderheiten aus der übereignung des "Pfandes" ergeben. Nach § 1223 BGB ist der Pfandgläubiger zur Rückgabe des Pfandes erst nach dem Erlöschen des Pfandrechtes verpflichtet. Abgesehen davon, daß das Pfandrecht auch aus einigen anderen im Gesetz besonders aufgezählten - hier aber nicht in Betracht kommenden - Gründen erlischt, tritt im Regelfalle das Erlöschen des Pfandrechts nach § 1252 BGB erst dann ein, wenn auch die Forderung, zu deren Sicherung es bestellt ist, erlischt. Das bedeutet für das Flaschenpfand, daß die Verpflichtung zur Rückgabe des Pfandgeldes erst mit der Rückgabe der Flaschen entsteht. Denn zur Sicherung dieser Rückgabeverpflichtung ist das Flaschenpfand erlegt worden und erst mit der Erfüllung dieser Verpflichtung endet der Sicherungszweck des Pfandgeldes, so daß auch erst von diesem Zeitpunkt an die Verpflichtung zu seiner Rückgewähr besteht.
Da nach den vorstehend dargelegten Gründen im Streitfalle eine Verpflichtung zur Rückgewähr des Pfandgeldes am Währungsstichtag überhaupt nicht bestanden hat, bedarf es keiner weiteren Erörterungen darüber, ob eine solche Verpflichtung im Falle ihres Bestehens als aufschiebend oder auflösend bedingt anzusehen wäre. Sofern aber diese Frage hier zu entscheiden wäre, würde der Senat nach den Verhältnissen des vorliegenden Falles allerdings mehr zu der Auffassung neigen, daß es sich um eine (durch die Rückgabe der Flaschen) aufschiebend bedingte Verpflichtung handele.
Wenn es der Senat somit unter den gegebenen Umständen auch ablehnen muß, bei der Prüfung des Umfangs der die Bfin. treffenden Kreditgewinnabgabepflicht das Bestehen einer echten Schuldverbindlichkeit auf Rückgewähr von Flaschenpfand für den Währungsstichtag anzuerkennen, so besagt diese Entscheidung andererseits nichts für die auf einem ganz anderen Gebiet liegende Frage, ob und in welchem Umfang unter Beachtung der Grundsätze einer ordnungsmäßigen Buchführung die Bildung einer Rückstellung aus dem gleichen Anlaß nach einkommensteuerlichen oder körperschaftsteuerlichen Grundsätzen zulässig wäre.
Im Streitfall haben die Vorinstanzen auf jeden Fall die wahre Rechtslage verkannt. Die Vorentscheidung war daher ebenso wie die Einspruchsentscheidung des Finanzamts aufzuheben. Die Sache geht zur rechnerischen Durchführung an das Finanzamt zurück, das die Kreditgewinnabgabe der Bfin. neu zu berechnen hat, ohne dabei den Gewinn aus der Umstellung der Rückstellung für Flaschenpfand mitzuerfassen.
Fundstellen
Haufe-Index 409233 |
BStBl III 1959, 103 |
BFHE 1959, 264 |
BFHE 68, 264 |