Entscheidungsstichwort (Thema)
Auch ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis kann Mitunternehmerschaft rechtfertigen
Leitsatz (NV)
1) Ein Gesellschaftsverhältnis liegt auch ohne den ausdrücklichen Abschluß eines Gesellschaftsvertrags vor, wenn sich aus den zwischen den Beteiligten bestehenden nicht als Gesellschaftsvertrag bezeichneten Rechtsbeziehungen ergibt, daß sie den Rechtsbindungswillen haben, sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenzuschließen und sich gegenseitig verpflichten, die Erreichung dieses Zwecks durch ihre Beiträge zu fördern - § 705 BGB - (verdecktes Gesellschaftsverhältnis). Ob den Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten diese Eigenschaft zukommt, muß nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beurteilt werden (Anschluß an BFH in BFHE 156, 93, BStBl II 1989, 705 m. w. N.).
2) Ein solcher Rechtsbindungswille kann weder aus der Erwartung, den Betrieb einmal zu erben, noch aus der Bürgschaftsübernahme noch aus der Darlehensgewährung hergeleitet werden.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin zu 1. wurde vom Finanzamt (- FA -) für die Jahre 1975 bis 1979 zunächst als Alleininhaberin eines Gewerbebetriebes behandelt. Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA abweichend hiervon die Ansicht, daß der Betrieb von den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) als Mitunternehmer geführt werde. Es erließ deshalb für die Jahre 1975 bis 1979 Gewinnfeststellungsbescheide und einen entsprechenden Feststellungsbescheid über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980.
Der Einspruch, den die Kläger auch wegen anderer Streitpunkte einlegten, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage wegen der Mitunternehmerschaft des Klägers zu 2. für die Streitjahre 1977 bis 1979 und wegen des entsprechenden Bescheids über die Festsetzung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 ab. Es ging dabei davon aus, daß auch ein Nichtgesellschafter Unternehmer eines von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens sein könne und zur Annahme eines Mitunternehmerrisikos es ausreiche, wenn der Nichtgesellschafter für Betriebsschulden eine Bürgschaft übernehme, dem Betrieb ein unverzinsliches Darlehen gewähre und die Hoffnung habe, den Betrieb einmal zu erben. Hinsichtlich der Streitjahre 1975 und 1976 gab das FG der Klage statt.
Mit der Revision, die sich nur gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1979 und die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 richtet, rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts und fehlerhafte Beweiswürdigung.
Die Kläger beantragen, unter Abänderung der Vorentscheidung die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide 1977 bis 1979 sowie den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der dieser vorangegangenen Einspruchsentscheidung vom 12. April 1983, soweit die Gewinnfeststellungsbecheide 1977 bis 1979 und der Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1980 betroffen sind und zur Aufhebung dieser Bescheide.
1. Entgegen der Ansicht des FG war der Kläger zu 2. auch in den Streitjahren 1977 bis 1979 kein Mitunternehmer des von seiner Mutter, der Klägerin zu 1. betriebenen Unternehmens.
a) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 6. Dezember 1988 VIII R 362/83, BFHE 156, 93, BStBl II 1989, 705 m. w. N.) ist Mitunternehmer, wer aufgrund eines Gesellschaftsverhältnisses oder eines wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.
Nach den vom FG getroffenen Feststellungen bestand in den Streitjahren 1977 bis 1979 zwischen den Klägern weder ein Gesellschaftsverhältnis noch ein wirtschaftliches vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis noch hat der Kläger zu 2. in diesen Streitjahren Mitunternehmerrisiko getragen.
b) Ein Gesellschaftsverhältnis bestand nicht, weil die Kläger keinen Gesellschaftsvertrag geschlossen hatten.
aa) Allerdings ist für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses nicht der ausdrückliche Abschluß eines Gesellschaftsvertrags erforderlich. Ein zivilrechtliches Gesellschaftsverhältnis i. S. von § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), insbesondere in Form einer Innengesellschaft kann vielmehr auch dann bestehen, wenn die Beteiligten ihren Rechtsbeziehungen einen anderen Namen geben (z. B. Anstellungs-, Miet- oder Pachtvertrag); denn vertragliche Beziehungen werden den schuldrechtlichen Vertragstypen entsprechend den vereinbarten Leistungen zugeordnet (BFH-Urteil vom 5. Juni 1986 IV R 272/84, BFHE 147, 146, BStBl II 1986, 802). Demzufolge liegt ein Gesellschaftsverhältnis auch ohne den ausdrücklichen Abschluß eines Gesellschaftsvertrags vor, wenn sich aus den zwischen den Beteiligten bestehenden nicht als Gesellschaftsvertrag bezeichneten Rechtsbeziehungen ergibt, daß sie den Rechtsbindungswillen haben, sich zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenzuschließen und sich gegenseitig verpflichten, die Erreichung dieses Zwecks durch ihre Beiträge zu fördern - § 705 BGB - (verdecktes Gesellschaftsverhältnis). Ob den Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten diese Eigenschaft zukommt, muß nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beurteilt werden (BFH in BFHE 156, 93, BStBl II 1989, 705 m. w. N.).
bb) Ein solcher Rechtsbindungswille kann im Streitfall weder aus der Erwartung des Klägers zu 2., den Betrieb einmal zu erben, noch aus der Bürgschaftsübernahme noch aus der Darlehensgewährung noch aus der Gesamtschau dieser drei Umstände hergeleitet werden.
Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß es sich bei einer Erberwartung hinsichtlich eines Betriebes um einen zukunftsorientierten Umstand handelt, aus dem nichts dafür hergeleitet werden kann, daß die Beteiligten schon vor Eintritt des Erbfalls den Rechtsbindungswillen haben, den Betrieb auf der Ebene einer partnerschaftlichen Gleichordnung für gemeinsame Rechnung zu führen. Ein solcher Rechtsbindungswille kann auch weder aus einer Bürgschaftsübernahme noch aus einer Darlehensgewährung entnommen werden.
Auch aus einer Gesamtschau der drei vorgenannten Umstände kann nichts für einen solchen Rechtsbindungswillen entnommen werden, der zur Folge hätte, daß dem Kläger zu 2. Gesellschaftsrechte wie z. B. Stimmrechte, Kontrollrechte, Widerspruchsrechte oder Entnahmerechte zustehen würden. Nichts dergleichen hat das FG festgestellt.
Schließlich fehlt es für die Annahme eines verdeckten Gesellschaftsverhältnisses zwischen den Klägern auch an einer Gewinnbeteiligung des Klägers zu 2. Eine solche ist zur Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses stets erforderlich.
c) Daß zwischen den Klägern kein einem Gesellschaftsverhältnis wirtschaftlich vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis bestand, ist offensichtlich. Diese Frage bedarf daher keiner weiteren Erörterung.
d) Entgegen der Ansicht des FG hat der Kläger zu 2. auch kein Mitunternehmerrisiko in den Streitjahren 1977 bis 1979 getragen.
Obgleich das FG selbst davon ausgeht, daß Mitunternehmerrisiko die Beteiligung am Gewinn und Verlust, an den stillen Reserven und am Geschäftswert voraussetzt, hat es keine Feststellungen getroffen, aus denen die Erfüllung auch nur eines dieser Merkmale entnommen werden könnte.
e) Da im Streitfall in den Streitjahren 1977 bis 1979 weder ein Gesellschaftsverhältnis zwischen den Klägern bestanden noch der Kläger zu 2. Mitunternehmerrisiko getragen hat, braucht der Senat auf das dritte Merkmal der Mitunternehmerschaft nicht näher einzugehen. Denn selbst wenn das Vorliegen dieses Merkmals zu bejahen wäre, könnte dies nicht zur Mitunternehmerschaft des Klägers zu 2. führen.
Fundstellen
Haufe-Index 416782 |
BFH/NV 1990, 427 |