Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerfreie Verwendung von Mineralöl, Begriff „Verheizen“; Konkurrenz von begünstigtem und nicht begünstigtem Zweck; Ammoniaksynthesegaserzeugung in einem Primärreformer (Rohrreaktor)
Leitsatz (amtlich)
1. Das zur Herstellung der erforderlichen Prozesswärme bei der Ammoniaksynthesegaserzeugung in einem Primärreformer (Rohrreaktor) eingesetzte Erdgas wird verheizt und kann daher nicht steuerfrei verwendet werden.
2. § 17 Abs. 11 MinöStV regelt Fälle der Konkurrenz von begünstigtem und nicht begünstigtem Zweck hinsichtlich ein- und derselben Menge Mineralöl.
Normenkette
MinöStG 1993 § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b; MinöStDV § 17 Abs. 4 S. 1; MinöStV 1993 § 17 Abs. 11
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein petrochemisches Unternehmen, betreibt auf ihrem Betriebsgelände eine Anlage zur Herstellung von Ammoniak, in der Erdgas sowohl als Rohstoff als auch zur Gewinnung von Prozesswärme für die Ammoniakherstellung verwendet wird. Die Klägerin besitzt eine Erlaubnis, Erdgas unversteuert zu beziehen und nach Maßgabe der jeweils gültigen Betriebserklärung zu gewerblichen Zwecken zu verwenden.
Der Verfahrensabschnitt des sog. Primärreforming, um den es im Streitfall geht, ist der grundlegende Betriebsabschnitt zur Ammoniaksynthesegaserzeugung. Er stellt sich wie folgt dar: Die in die Ammoniakanlage führende Gasleitung wird innerhalb dieser Anlage in zwei Leitungen unterteilt, von denen eine zur Zuführung von Erdgas als Rohstoff und die andere zur Zuführung von Erdgas zwecks Herstellung der erforderlichen Prozesswärme dient. Vor der eigentlichen Verarbeitung wird der Rohstoff Erdgas zunächst zusammen mit Wasserstoff in einem Reaktor bei einem Druck von etwa 35 bis 40 bar und einer Temperatur von etwa 350 Grad Celsius katalytisch entschwefelt. Das entschwefelte Erdgas wird sodann mit Wasserdampf aus eigener Produktion verdünnt; anschließend wird das auf 540 Grad Celsius erhitzte Erdgas/Dampf-Gemisch dem Primärreformer zugeführt. Hierbei handelt es sich um einen Rohrreaktor mit 196 Rohren, die mit einem Katalysator gefüllt sind. Während das Erdgas/Dampf-Gemisch diese Rohre im Reaktor durchläuft, wird es bei ca. 800 Grad Celsius chemisch umgewandelt in ein Gasgemisch aus Kohlenoxid, Kohlendioxid und Wasserstoff mit einem Restanteil an Methan. Die zur Umwandlung erforderliche Energie wird durch Decken- und Bodenbrenner (Prozessbrenner) an der Decke und am Boden des Rohrreaktors erzeugt, die mit einem Teil des für die Ammoniakanlage bezogenen Erdgases (in der zweiten Leitung) befeuert werden. Das durch die Prozessbrenner erzeugte Rauchgas in dem
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG ist zu Unrecht von einer steuerfreien Verwendung des zur Erzeugung der erforderlichen Prozesswärme in den Prozessbrennern der Ammoniakanlage der Klägerin eingesetzten Erdgases ausgegangen. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung der entsprechenden Mineralölsteuer (§ 25 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993) besteht daher nicht.
1. Erdgas ist Mineralöl i.S. des MinöStG (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 MinöStG 1993) und damit Steuergegenstand (§ 1 Abs. 1 Satz 1 MinöStG 1993). Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 MinöStG 1993 darf Mineralöl unter Steueraufsicht (§ 12 MinöStG 1993) steuerfrei "zu anderen Zwecken als" u.a. "zum Verheizen" (Buchst. b) verwendet werden. Ein Verheizen schließt somit die Steuerfreiheit aus.
"Verheizen" bedeutet nach der vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsprechung die gewollte Ausnützung des Heizwertes eines Stoffes, d.h. sein (ganzes oder teilweises) Verbrennen zur Erzeugung von Wärme, die (ganz oder teilweise) auf einen anderen Stoff übertragen wird, wobei die Wärmeerzeugung und die Übertragung der Wärme neben anderen Zwecken der Verwendung des Mineralöls nicht nur untergeordnete Bedeutung haben darf (Senatsurteil vom 11. November 1969 VII R 57/67, BFHE 97, 400, 404). Das Erfordernis der Wärmeübertragung auf einen anderen Stoff ist dann dahin gehend präszisiert worden, dass dem Stoff, auf den die Wärme übertragen wird, die Eigenschaft eines neuen Energie- bzw. Wärmeträgers (Heizmittels) zukommen muss (Senatsurteile vom 20. September 1994 VII R 57/93, BFHE 176, 502, 507, und vom 25. Oktober 1994 VII R 96/93, BFHE 176, 165, 169; Senatsbeschluss vom 21. Januar 1997 VII B 84/96, BFH/NV 1997, 531). Gerade der konkrete Einsatz des neuen Wärmeträgers rechtfertigt nach Auffassung des Senats den Schluss, dass das zur Erzeugung dieses Wärmeträgers verwendete Mineralöl verheizt worden ist (Senatsurteil vom 30. September 1997 VII R 114/96, BFHE 184, 170, 173, mit einem Überblick über die Fälle, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung als Verheizen beurteilt hat).
Eine andere ―die Annahme eines Verheizens ausschließende― rechtliche Beurteilung des Mineralöleinsatzes ist nach der Rechtsprechung des Senats nur dann gerechtfertigt, wenn der die Verbrennungsenergie aufnehmende Stoff der Wärme selbst als Objekt zur Herstellung eines bestimmten, anders beschaffenen Produkts ausgesetzt ist und dabei seiner stofflichen Beschaffenheit (z.B. durch Cracken) verlustig geht (Senatsurteil in BFHE 176, 165). Ein Ausnutzen des Heizwertes des eingesetzten Mineralöls zur Wärmegewinnung liegt aber auch dann nicht vor, wenn der Hauptzweck in der Beseitigung von schädlichen Abgasen durch deren vollständige Verbrennung liegt und zu diesem Zweck mit Erdgas eine Zünd- und Lockflamme unterhalten oder das Erdgas zusammen mit den zu vernichtenden Abgasen in einer Brennkammer vermischt und vollständig verbrannt wird (Senatsurteil in BFHE 176, 502). Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Verbrennung des Mineralöls (einschließlich Erdgas) mit der Umwandlung bzw. Vernichtung des die Wärmeenergie aufnehmenden Stoffes in einem einheitlichen Vorgang zusammenfällt, so dass eine Weiterleitung der aufgenommenen Energie oder Übertragung auf einen anderen Stoff nicht möglich ist und dass sich eine Aufteilung in einen dem eigentlichen Verwendungszweck zeitlich vorgelagerten Abschnitt der Mineralölverwendung und einen zeitlich nachfolgenden Abschnitt, in dem eine stoffliche Veränderung oder Vernichtung des erhitzten Stoffes erfolgt, nicht vornehmen lässt (Senat in BFHE 184, 170, 174).
2. Ausgehend von dieser Rechtsprechung gelangt der Senat zu dem Schluss, dass die Verwendung des streitigen Erdgases in der Ammoniakanlage der Klägerin als die steuerfreie Verwendung ausschließendes Verheizen anzusehen ist.
a) Im Ansatz kann mit dem HZA und auch mit dem FG nicht fraglich sein, dass das hier streitige Erdgas in den Prozessbrennern an der Decke und am Boden des Primärreformers der Ammoniakanlage zur Erzeugung von Rauchgasen und damit der erforderlichen Wärme in dem Reaktor verbrannt worden ist. Die erzeugte Wärme wurde auch auf einen anderen Stoff übertragen, nämlich auf die 196 Rohre in dem Reaktor, die mit einem Katalysator gefüllt waren und durch die das als Rohstoff eingesetzte Erdgas, nunmehr bereits in die Form eines Erdgas/Wasserdampf-Gemisches gebracht, zwecks chemischer Umwandlung in das herzustellende Synthesegas durchgeleitet wurde. Die Wärmeerzeugung durch Verbrennen dieses Erdgases war auch nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung. Damit sind aber bereits alle Merkmale des Begriffs des Verheizens, so wie ihn die Rechtsprechung des Senats begreift, erfüllt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt den Rohren, auf welche die Wärme übertragen wird, auch die Eigenschaft eines neuen Wärmeträgers zu. Denn ersichtlich müssen die Rohre aufgeheizt werden, damit die Wärmestrahlung mittels und durch die Rohre auf den sich in den Rohren befindlichen Rohstoff einwirken und dort die gewünschten chemischen Reaktionen hervorrufen kann. Die Rohre sind damit, wie das HZA anschaulich formuliert hat, Heizkörpern vergleichbar, über die die Wärmeenergie auf den Rohstoff übertragen wird. Wenn die Klägerin demgegenüber meint, die Rohre bezweckten lediglich eine Trennung des Rauchgases im Reaktor von dem in den Rohren durchströmenden Synthesegas, speicherten aber keine Wärme, weil diese lediglich infolge von Molekülbewegungen durch die Rohrwand hindurch geleitet würden, so dass die Rohre nicht als Wärmeträger bzw. Heizmittel angesehen werden könnten, so verkennt sie, dass der Stoff, auf den die Wärmeenergie übertragen wird, nicht notwendig die Funktion eines Wärmespeichers aufweisen muss. Es genügt vielmehr bereits jede Transportfunktion des die Verbrennungswärme aufnehmenden Stoffes, um diesen zum Energie- oder Wärmeträger zu machen (vgl. Senatsurteil in BFHE 184, 170, 175, für Rauchgas als Energieträger allein durch seine Transportfunktion). Nichts anderes kann gelten, wenn dem die Verbrennungswärme aufnehmenden Stoff eine bloße Durchleitfunktion zukommen sollte, wie die Klägerin hinsichtlich der Rohre im Reaktor vorträgt. Denn ein Durchleiten von Wärme ist nichts anderes als der Transport von Wärme durch die Aufnahme und die Abgabe von Wärme in einem einheitlichen Vorgang. Entschiede man diesen Fall anders, so führte, um einmal ein banales, aber plastisches Beispiel zu gebrauchen, jede Zubereitung einer Speise in einem Kochtopf auf dem Gasherd zur steuerfreien Verwendung von Erdgas. Dies widerspräche der Grundkonzeption des Gesetzgebers, wonach die Mineralölsteuer als verwendungsorientierte Verbrauchsteuer auf Energieleistungen jegliche Nutzung von Mineralöl zur Erzeugung von motorischen Leistungen und Wärme erfassen soll (Senat in BFHE 184, 170, 172).
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Senatsurteile in BFHE 176, 165 (Furnaceruß-Fall) bzw. 502 (Abfackeln und Verbrennen von Abgasen) berufen. Denn anders als im Streitfall fiel dort die Verbrennung des eingesetzten Mineralöls (einschließlich Erdgas) mit der chemischen Umwandlung (Cracken) bzw. Vernichtung des die Wärmeenergie aufnehmenden Stoffes in einem einheitlichen Vorgang zusammen, so dass sich die Frage einer Weiterleitung bzw. Übertragung der aufgenommenen Energie auf einen anderen Stoff gar nicht stellte. Im Streitfall kam es ersichtlich weder zu einer chemischen Umwandlung noch zu einer Vernichtung der die Wärmeenergie aufnehmenden Rohre im Zusammenhang mit der Verbrennung des streitigen Erdgases. Eine chemische Reaktion fand vielmehr in den Rohren am eingesetzten Rohstoff als Folge der Wärmeübertragung mittels der Rohre statt. Darauf kommt es aber für die Frage des Verheizens nicht an.
b) Anders als das FG meint kommt im Streitfall eine Anwendung des § 17 Abs. 4 Satz 1 MinöStDV nicht in Betracht. Dies liegt zunächst schon darin begründet, dass nach § 34 Nr. 2 MinöStG 1993 die gesamte MinöStDV und damit auch die genannte Vorschrift mit dem In-Kraft-Treten des MinöStG 1993 zum 1. Januar 1993 (s. Art. 24 Abs. 1 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes) aufgehoben worden ist. Zur Zeit der Verwendung des streitbefangenen Erdgases im Mai 1993 gab es insoweit einen rechtlich ungeregelten Zustand, weil die meisten Vorschriften der neuen MinöStV vom 15. September 1993 als Nachfolgeregelung der MinöStDV und so auch der § 17 Abs. 11 MinöStV als Nachfolgeregelung des § 17 Abs. 4 MinöStDV erst am 23. September 1993 in Kraft getreten sind (s. § 62 Satz 1 und 2 MinöStV). Diese Ungeschicklichkeit von Gesetz- und Verordnungsgeber, die durch den zeitlichen Druck, der sich zwangsläufig aus der erforderlichen pünktlichen Umsetzung der EG-Verbrauchsteuerharmonisierung in Deutschland zum 1. Januar 1993 ergeben hatte, verursacht worden sein mag, darf der Klägerin nach Auffassung des Senats jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen. Da die Nachfolgeregelung des § 17 Abs. 11 MinöStV inhaltlich der Vorgängerregelung des § 17 Abs. 4 MinöStDV voll entspricht, kann davon ausgegangen werden, dass eine Anwendung der den Bürger im Ergebnis begünstigenden Vorschrift bereits in dem insoweit ungeregelten Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis zum 22. September 1993 der Absicht des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers entsprochen hätte, hätte dieser das von ihm versehentlich bewirkte rechtliche Defizit erkannt.
§ 17 Abs. 11 MinöStV regelt Konkurrenzfälle, d.h. Fälle, in denen das zur Verwendung kommende Mineralöl neben einem begünstigten Zweck auch einen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c MinöStG 1993 von der Begünstigung ausgeschlossenen Zweck erfüllt. Vom grundsätzlichen Ausschluss einer steuerfreien Verwendung bei einer solchen Zweckkonkurrenz wird zugunsten des Verwenders in zwei Fällen abgesehen, nämlich einmal dann, wenn das Mineralöl in einem einheitlichen Verwendungsvorgang in erster Linie zu begünstigten Zwecken dienen soll, und zum anderen dann, wenn das Mineralöl bei zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb eines Geräts oder einer Maschine überwiegend für begünstigte Zwecke verwendet wird.
Das FG hat in erster Linie einen einheitlichen Verwendungsvorgang mit der Begründung angenommen, beide zum Einsatz gekommenen Erdgasmengen, also sowohl die als Rohstoff in den Rohren der Ammoniakanlage verwendete Menge als auch die zur Erzeugung der erforderlichen Prozesswärme in den Prozessbrennern verbrauchte Menge, dienten nach der der Verwendung des Erdgases zugrunde liegenden Absicht insgesamt dem Zweck, in einem einheitlichen Produktionsvorgang Ammoniak herzustellen, wobei angesichts des Verhältnisses der beiden Mengen (ca. 2:1) der begünstigte Zweck klar überwiege. Dabei hat das FG ausdrücklich in Kauf genommen, dass dem Primärreformer nicht dasselbe Erdgas zugeführt wird, welches zur Gewinnung der Wärmeenergie eingesetzt wird.
Diese Betrachtungsweise des FG wird nach Auffassung des Senats der Funktion des § 17 Abs. 11 MinöStV nicht gerecht. Die Ausnahmeregelung von dem Grundsatz, dass bei Konkurrenz eines begünstigten mit einem nicht begünstigten Zweck keine Steuerfreiheit gewährt wird, in Satz 1 dieser Vorschrift ("es sei denn …") soll ersichtlich Härten abmildern, die dadurch entstehen, dass eine bestimmte Menge an eingesetztem Mineralöl, obwohl sie überwiegend einem begünstigten Zweck dient, nur deshalb nicht in den Genuss der Steuerfreistellung kommt, weil bei dem einheitlichen Verwendungsvorgang oder bei zusammenhängenden Verwendungsvorgängen innerhalb einer Produktionseinheit, notwendigerweise gleichzeitig oder unmittelbar aufeinander abfolgend ein an sich steuerschädlicher Nebenzweck (wie etwa das Verheizen) von untergeordneter Bedeutung verwirklicht wird. Die Zweckkonkurrenz muss sich daher, anders als das FG und die Klägerin meinen, auf ein und dieselbe Menge Mineralöl beziehen.
Auch die bisherige Rechtsprechung des Senats zu § 17 Abs. 4 MinöStDV beruhte stillschweigend auf der Voraussetzung, dass die Zweckkonkurrenz beim Einsatz ein und desselben Mineralöls bestehen muss und dass die nichtbegünstigte Verwendung gleichzeitig oder unmittelbar im Anschluss an den begünstigten Zweck, sozusagen als zwangsläufige Folge, eintritt, aber immer bezogen auf dasselbe Mineralöl. Wenn es im "Hochofenurteil" (Urteil vom 25. November 1969 VII R 23/66, BFHE 97, 331) heißt, "daß für die Frage der Gewährung der Steuerfreiheit der eigentliche, in erster Linie verfolgte Verwendungszweck entscheidend ist, während nur nebenher und erst recht spätere, nach der Erreichung des Hauptzwecks stattfindende und damit offensichtlich an Bedeutung wesentlich zurückstehende weitere Verwendungen außer Betracht bleiben", so ist diese Aussage eindeutig auf ein und dasselbe Mineralöl bezogen, das "gleichzeitig mehreren Zwecken" dient. Auf diese Aussage stützte sich auch später der vom Verordnungsgeber geänderte § 17 Abs. 4 MinöStDV, der erstmals im Urteil vom 5. Juli 1988 VII R 119/84 (BFHE 154, 286) zur Anwendung kam. Auch dort war die "Dampfgewinnung von Anfang an eine notwendige Folge" des Abkühlungsvorgangs, der untrennbarer Bestandteil der Schutzgasherstellung war, wobei ein und dieselbe Menge Mineralöl zum Einsatz kam.
Des Weiteren hat sich der Senat in seinem Urteil in BFHE 176, 502, 509, für den Fall, dass die Einsatzmengen des Erdgases teilbar sind, also von vornherein bestimmbar und berechenbar ist, welche Teilmenge des zu verbrennenden Erdgases für den Herstellungsprozess (dort von Schutzgas) und welche Teilmenge für die Erzeugung von Wärmeenergie benötigt wird, von einer isolierten Teilmengenbetrachtung (und zwar außerhalb des Anwendungsbereichs von § 17 Abs. 4 MinöStDV) leiten lassen und ist so zu dem Ergebnis gekommen, dass jede der beiden Teilmengen die ihr gemäße steuerliche Behandlung finden kann. Dabei hielt der Senat die rechnerische Teilbarkeit der einzelnen Mengen, obschon diese während des Verbrennungsvorgangs aus betriebstechnischen oder auch betriebswirtschaftlichen Gründen für kurze Zeit zusammengeflossen sind, für ausschlaggebend. Erst recht muss diese Lösung aber auch dann gelten, wenn die verschiedenen Einsatzmengen, wie im Streitfall, während des gesamten Produktionsvorgangs körperlich getrennt bleiben, also nicht nur rechnerisch teilbar, sondern tatsächlich geteilt sind. Unter solchen Umständen findet jede der beiden getrennten Einsatzmengen unausweichlich ihre eigene steuerliche Behandlung: Die als Rohstoff in den Rohren der Ammoniakanalage verwendete Menge Erdgas ist für einen begünstigten Zweck eingesetzt worden und war folglich, wie auch geschehen, steuerfrei zu stellen; die zur Erzeugung der erforderlichen Prozesswärme in den Prozessbrennern verbrauchte Menge Erdgas ist verheizt worden und kann demgemäß nicht in den Genuss der Steuerbefreiung kommen.
Bei Zugrundelegung dieser Teilmengenbetrachtung, die nach Auffassung des Senats auch mit der aufgezeigten Grundkonzeption der Regelung, jegliche Nutzung von Mineralöl zur Erzeugung von motorischen Leistungen und Wärme mit Steuer zu belegen, übereinstimmt, kommt eine Anwendung des § 17 Abs. 11 MinöStV nicht in Betracht. Das gilt nicht nur, wie ausgeführt, für den ersten dort geregelten Ausnahmefall (einheitlicher Verwendungsvorgang), sondern auch für den vom FG hilfsweise für einschlägig erachteten zweiten Fall (zusammenhängender Verwendungsvorgang). Denn beide Fälle setzen voraus, dass ein und dasselbe Mineralöl einer Zweckkonkurrenz ausgesetzt ist und eine körperliche Aufteilung oder wenigstens eine rechnerische Trennung der Einsatzmengen nicht möglich ist.
Unbehelflich ist schließlich das von der Klägerin geteilte Argument des FG, ein einheitlicher Verwendungsvorgang hinsichtlich des insgesamt von der Klägerin zum Einsatz gebrachten Erdgases sei deshalb anzunehmen, weil die zur Wärmeerzeugung eingesetzte Menge Erdgas prozessnotwendig in dem Sinne sei, dass ohne dieses Erdgas eine chemische Reaktion in den Rohren und damit die Herstellung von Ammoniak in der Ammoniakanlage nicht stattfinden könne. Denn allein die Tatsache, dass der Einsatz von Mineralöl zur Herstellung eines Produkts zwingend notwendig ist, entbindet nicht von der Prüfung, ob dieses Mineralöl bei seinem konkreten Einsatz zur Erzeugung von Wärmeenergie verheizt worden ist.
3. Da das Urteil der Vorinstanz auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung hinsichtlich des Begriffs des Verheizens in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993 sowie in der dazu erlassenen Durchführungsbestimmung beruht, war das Urteil des FG aufzuheben und, da die Sache spruchreif ist, unter Abweisung der Klage durchzuerkennen.
4. Der Senat war in Anwendung der Grundsätze des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415) nicht nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet. Dem Senat ist zwar ―bislang nur aus Presseberichten― bekannt, dass die Auslegung des Begriffs "Verheizen" in Deutschland auf die Kritik der Kommission gestoßen ist und Anlass zur Erhebung einer Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. Ob die vom Senat vertretene Auslegung des Begriffs "Verheizen" in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b MinöStG 1993 den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem Verständnis der einer Steuerbefreiung nicht zugänglichen "zu Heizzwecken" verwendeten Mineralöle i.S. der Richtlinie 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316/12) entspricht, bedarf hier keiner Klärung, da der Senat im vorliegenden Fall von einem Verheizen ausgegangen ist und eine Steuerbefreiung versagt hat, während die Kommission eine angeblich zu großzügige und damit industriefreundliche Handhabung des Begriffs "Verheizen" in Deutschland beanstandet. Der Senat hält daher die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im vorliegenden Fall für offenkundig; er ist davon überzeugt, dass für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewissheit bestünde.
Fundstellen
Haufe-Index 519543 |
BFH/NV 2001, 562 |
BFHE 193, 245 |
BFHE 2001, 245 |
BB 2001, 510 |
DStRE 2001, 424 |
StE 2001, 127 |