Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiungsvorschrift für Kleinsiedlungen in Nr. 39 der Bestimmungen über die Förderung der Kleinsiedlung vom 14. September 1937 - KSB - (Reichsanzeiger Nr. 214) rechtfertigt es nicht, bei nur durch Anerkennung unterstützten Kleinsiedlungen, die ohne Einschaltung von Verfahrensträgern durchgeführt werden, Vergütungen für Umsätze an den Siedler selbst zu gewähren.
Normenkette
RSiedlG § 29
Tatbestand
Der Antragsteller ist Siedler einer durch Verfügung des Regierungspräsidenten vom 9. Juli 1952 anerkannten Kleinsiedlung im Sinne des Vierten Teils, Kapitel II der Dritten Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 6. Oktober 1931 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 537, 551) und der Ausführungsverordnungen dazu vom 23. Dezember 1931 / 15. Januar 1937 (RGBl. I S. 790 / RGBl. I S. 17 ff.) sowie der Verordnung über die weitere Förderung der Kleinsiedlung vom 19. Februar 1935 (RGBl. I S. 341). In der oben genannten Verfügung heißt es:
"Gleichzeitig wird zur Befreiung von Gebühren, Stempelabgaben oder Steuern auf Grund des § 20 Vierter Teil, Kapitel II der Verordnung vom 6. Oktober 1931 in Verbindung mit § 29 des Reichssiedlungsgesetzes die Versicherung abgegeben, daß die durch ... den Bau des Hauses erforderlichen Handlungen zur Durchführung des Vorhabens erfolgen."
Der Antragsteller hat als Eigensiedler ohne Einschaltung eines Trägers der Siedlungsarbeiten selbst die Siedlungsarbeiten an die Bauhandwerker vergeben. Er hat am 27. August 1952 beim Finanzamt einen Vergütungsantrag im Sinne des § 49 Abs. 3 und 4 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 gestellt, der vom Finanzamt abgelehnt worden ist, weil der Antragsteller nicht zu den vergütungsberechtigten Stellen im Sinne des § 49 UStDB rechne.
Im Berufungsverfahren ist der Vergütungsanspruch dem Grunde nach als gerechtfertigt anerkannt worden, weil § 49 UStDB, soweit hierdurch die Befreiungsvorschrift der Nr. 39 der Bestimmungen über die Förderung der Kleinsiedlung vom 14. September 1937 (KSB) - Deutscher Reichsanzeiger Nr. 214 vom 16. September 1937 - eingeschränkt werde, rechtsungültig sei.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Es ist zwar richtig, daß § 49 UStDB, worauf sich das Finanzamt stützt, keine selbständigen Befreiungsvorschriften enthält, daß vielmehr für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit alle Rechtsnormen des Siedlungsrechts maßgebend sind. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats wie schon des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 31/53 S vom 26. November 1953, Slg. Bd. 58 S. 341, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1954 III S. 43). In dem angeführten Urteil ist auch ausgeführt, daß die KSB, soweit sie Rechtsvorschriften enthalten und nicht durch das Kontrollratsgesetz Nr. 1 aufgehoben oder durch die staatsrechtliche Entwicklung überholt sind, heute noch geltendes Recht sind.
Die Vorentscheidung ist der Auffassung, daß die Umsätze der Bauhandwerker an den Eigensiedler auf Grund von Nr. 39 KSB steuerfrei seien; sie setzt sich damit ausdrücklich in Gegensatz zur Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteile V A 104/32 vom 10. November 1933, Slg. Bd. 34 S. 252, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1933 S. 1359, und V A 288/34 vom 24. Mai 1935, RStBl. 1935 S. 1087). Wenn der Antragsteller darauf hinweist, daß mit der Einführung des Vergütungsverfahrens durch die UStDB 1938 die Gründe, die zu jener Rechtsprechung geführt hätten, nicht mehr zuträfen, so ist dem folgendes entgegenzuhalten: Die durch den Reichsfinanzhof gegebene enge Auslegung des § 29 des Reichssiedlungsgesetzes (RSiedlG), der gemäß § 20 Kapitel II des Vierten Teils der Dritten Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Oktober 1931 auch für die Kleinsiedlungen (ß 49 Abs. 1 Ziff. 3 UStDB 1951) entsprechend Anwendung findet, hat in den UStDB 1938, die das Vergütungsverfahren einführten, ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden und ist unverändert in die hier anzuwendenden UStDB 1951 übernommen worden. Man kann daher davon ausgehen, daß die UStDB eine vollständige Zusammenfassung der geltenden siedlungsrechtlichen Bestimmungen in übereinstimmung mit diesen darstellen. Auf Landesgesetze, die bereits im zeitlichen Geltungsbereiche des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ergangen sind, kann sich der Antragsteller nicht berufen. Denn da das Siedlungsrecht als Bundesrecht weitergilt, ist gemäß Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland die in den KSB Nr. 47 erteilte Ermächtigung als erloschen anzusehen. Es ist aber zu prüfen, ob die durch das Finanzgericht gegebene Auslegung der Ziff. 39 KSB die Vorentscheidung trägt. Im Gegensatz zu den durch Darlehen und Bürgschaften geförderten Kleinsiedlungen ist bei den nur durch Anerkennung unterstützten Kleinsiedlungen die Einschaltung von Verfahrensträgern nicht vorgeschrieben, ihre Einschaltung ist aber möglich. Damit ist aber nicht ohne weiteres anzunehmen, daß Eigensiedler für die an sie bewirkten Umsätze die Steuervergütung in Anspruch nehmen können. Denn Nr. 39 KSB stimmt mit § 29 RSiedlG, für den an der durch den Reichsfinanzhof gegebenen Auslegung festgehalten wird, inhaltlich überein. Im § 29 RSiedlG ist aber überhaupt nur von gemeinnützigen Siedlungsunternehmen die Rede. Im Bereiche des RSiedlG kommen Eigensiedlungen nicht in Betracht. Es liegt daher nahe, daß die KSB, die wohl das Anerkennungsverfahren einführten, eine über § 29 RSiedlG hinausgehende Steuerbefreiung nicht begründen wollten, obwohl sie an Stelle des Wortes "Siedlungsverfahren" im § 29 a. a. O. das Wort "Siedlungsvorhaben" verwenden. Der erkennende Senat geht deshalb davon aus, daß die Möglichkeit, auch Eigensiedlungen als Kleinsiedlungen im Sinne der maßgebenden Vorschriften anzuerkennen, keine über § 29 RSiedlG hinausgehende Steuerbefreiung mit sich bringen sollte. Dafür spricht auch, daß die die gleiche Auslegung vertretenden Erlasse des Reichsministers der Finanzen S 4153 - 42 III und S 4504 - 355 III vom 11. Dezember 1940 (RStBl. 1940 S. 1025/1026) im Einvernehmen mit allen beteiligten Ministern ergangen sind. Der innere Grund dieser Auslegung liegt darin, daß bei Lieferungen eines Privatunternehmens unmittelbar an den Siedler dieser in der Regel nicht die Möglichkeit hat, festzustellen und darauf zu dringen, daß die Lieferung an ihn angemessen preislich kalkuliert wird. Es wäre aber mit dem gemeinnützigen Zweck der Befreiungsvorschrift nicht vereinbar, dem Privatunternehmer ohne jeden in der Zielrichtung der Befreiungsvorschriften liegenden Grund einen Vorteil zu verschaffen. Denn selbst wenn der Siedler infolge des Vergütungsverfahrens einen finanziellen Erfolg hat, so entzieht sich doch - wie vorausgesetzt - der Umsatz an ihn jeder preislichen Nachprüfung. Deshalb setzt auch der Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 4015 - 1 III vom 20. Januar 1939 (RStBl. S. 129) das Vorhandensein von Trägern voraus und gewährt nur aus Billigkeitsgründen Steuervergünstigungen an den Bauherrn unmittelbar, wenn ein Verfahrensträger die Bauten im Namen und für Rechnung des Bauherrn ausführt (vgl. Ziff. 4 a. a. O.).
Die Berufung des Antragstellers auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 29/52 U vom 2. Juli 1952 (Slg. Bd. 56 S. 522, BStBl. 1952 III S. 203) geht insofern fehl, als dieses Urteil zur Grunderwerbsteuer ergangen ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die dort vertretene Auffassung bei der rechtlichen Eigenart dieser Steuer, die an einmalige Vorgänge des Rechtsverkehrs anknüpft, auch für die Umsatzsteuer zutreffend ist, zumal die Befreiungsvorschrift in den UStDB für die hier vertretene Auslegung einen anderen Ausgangspunkt bot.
Es bleibt zu prüfen, ob die Bescheinigung des Regierungspräsidenten als Anerkennungsbehörde, die auch zur Erlangung von Steuerbefreiungen erteilt wurde, der Auffassung der Rechtsbeschwerde entgegensteht. Dies ist aus den Gründen des oben angeführten Urteils des Bundesfinanzhofs V 31/53 S vom 26. November 1953 zu verneinen. Die an die Anerkennung geknüpfte Rechtsfolge der Steuerfreiheit unterliegt der Nachprüfung durch die Steuerbehörden und Steuergerichte und muß zur Versagung der Umsatzsteuervergütung führen, da feststeht, daß in dem streitigen Kleinsiedlungsverfahren die Vergünstigung nicht für Umsätze der Träger der Arbeiter oder für Umsätze an die Träger der Arbeiten, sondern für Umsätze an den Siedler selbst beantragt wurde, die nach obigen Ausführungen nicht begünstigt sind. Hieraus ergibt sich, daß der Vergütungsanspruch nicht begründet ist.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung war deshalb die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 28. April 1953 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408094 |
BStBl III 1955, 78 |
BFHE 1955, 204 |
BFHE 60, 204 |