Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer. Steueranpassungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Für die Zurechnung eines zurückerstatteten Grundstücks ist maßgeblich, daß die Rückerstattung eines Grundstücks erst im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Rückerstattungsverfahrens durchgeführt ist. Dabei ist die Eintragung im Grundbuch für den Fall der Grundstücksrückerstattung bedeutungslos. Strittig war, ob die Erblasserin an ihrem Todestag bereits wieder rechtliche Eigentümerin des zurückerstatteten Grundstückes war.
Orientierungssatz
Zeitpunkt der Rechtskraft der Rückerstattungsentscheidung maßgeblich für die Erbschaftsteuer
Normenkette
StAnpG § 11; ErbStG 1951 § 18 Abs. 1 Nr. 11
Tatbestand
Die Bf. sind die Erben der im Ausland, ihrem letzten Wohnsitz, verstorbenen Frau X (Erblasserin). Die Erblasserin war Miteigentümerin zur Hälfte eines in Berlin (West) belegenen Grundstücks. Bezüglich dieses Grundstücks hat ein Rückerstattungsverfahren geschwebt. Die Wiedergutmachungskammer des LG Berlin hat durch Teilbeschluß die Rückerstattung der fraglichen Grundstückshälfte an die Erblasserin angeordnet. Der Beschluß der Wiedergutmachungskammer ist dein. Bevollmächtigten der Berechtigten am 15. Dezember 1951 zugestellt worden. Die Herausgabe des Grundstücks an die Erblasserin ist im Februar 1952 erfolgt, die Erblasserin am 14. Juli 1952 wieder als Eigentümerin zu K im Grundbuch eingetragen worden. Das FA hat die beiden – beschränkt steuerpflichtigen – Erben mit je ½ der Grundstückshälfte unter Abzug verschiedener Belastungen bzw. Verbindlichkeiten durch vorläufigen Steuerbescheid zur ErbSt herangezogen. Der Einspruch der Bf. gegen diesen Steuerbescheid ist erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht (VerwG) hat die Berufung der Bf. ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde (Rb) begehren die Bf. wie in den Vorinstanzen in erster Linie Freistellung von der ErbSt, da das fragliche Grundstück der Erblasserin an ihrem Todestage noch gar nicht gehört habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Das VerwG geht davon aus, daß die fragliche Grundstückshälfte nach § 11 Ziff. 4 StAnpG der Erblasserin an ihrem Todestage bereits zuzurechnen gewesen sei. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Mit Recht berufen sich die Bf. auf das an den Oberbürgermeister von Berlin gerichtete Schreiben der Alliierten Kommandantur BK/Lettre (50) 175 v. 14. Dezember 1950 (VOBl. Berlin II 1951, 220). Zwar waren der unmittelbare Anlaß dieser Anordnung Verfahren zur Eintreibung von Steuern für Vermögensgegenstände, die der Rückerstattungsanordnung unterliegen. Es ist aber unrichtig, wenn das FA dem genannten Schreiben nur Bedeutung hinsichtlich des (Beitreibungs-)Verfahrens beilegt. Wenn die Anordnung ausführt, daß alle Beitreibungen zurückzustellen sind „bis zu dem Zeitpunkt, in dem über den Vermögensgegenstand durch endgültiges rechtskräftiges Urteil verfügt wird”, so ist das nur die selbstverständliche Folgerung aus dem in den verschiedenen Rückerstattungsgesetz (REG) niedergelegten Grundsatz. Die REG wollen dem Rückerstattungsberechtigten wieder die ihm vor der Entziehung zustehende Rechtsstellung verschaffen (Art. 1 Abs. 1 des amerik. REG, Art. 1 Abs. 1 des brit. REG und Art. 1 Abs. 1 der Rückerstattungsanordnung für Berlin). Die Rückerstattung kann also erst im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Rückerstattungsverfahrens durchgeführt sein. Daß die Rückerstattung erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des betreffenden Verfahrens beendet ist, ergibt sich schließlich auch aus den steuerlichen Bestimmungen der verschiedenen REG (Art. 91 Abs. 1 des amerik. REG, Art. 77 Abs. 1 des brit. REG und Art. 79 Abs. 1 der Rückerstattungsanordnung für Berlin). Wenn dort bestimmt ist, daß Ansprüche auf öffentliche Abgaben gegen den Berechtigten für die Zeit der Entziehung nicht geltend gemacht werden können, so bezieht sich das nach dem oben dargelegten Zweck der REG auf die Zeit der rechtlichen Entziehung i.S. des Zivilrechts. Der Zeitpunkt der Beendigung der Entziehung ist auch um deswillen von Bedeutung, weil nach den angeführten steuerlichen Vorschriften der REG „Steuern aus Anlaß der Rückerstattung nicht erhoben” werden, also auch in dieser Hinsicht der Zeitpunkt zur Beendigung der Entziehung bedeutsam ist, weil je nachdem beurteilt werden muß, ob eine Erhebung von Steuern noch mit der Rückerstattung im Zusammenhang steht. Auf Grund dieser Erwägungen kann der erkennende Senat dem für das Gebiet der Einheitsbewertung ergangenen Urteil des BFH III 53/55 U v. 15. Juli 1955 (BStBl. III 1955, 242 = BFH 61, 113) nicht beitreten, in dem die Auffassung vertreten wird, daß der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Rückerstattungsberechtigten genügt.
Hiernach ist im vorliegenden Fall allein ausschlaggebend, ob die Erblasserin an ihrem Todestag bereits wieder rechtliche Eigentümerin der Grundstückshälfte geworden war. Hierbei ist allerdings entgegen der von den Bf. ursprünglich vertretenen Auffassung die Eintragung der Erblasserin im Grundbuch ohne Bedeutung, weil sich der Eigentumsübergang eines zurückerstatteten Grundstücks außerhalb des Grundbuchs vollzieht, es sich bei der Wiedereintragung des Rückerstattungsberechtigten also nur um eine Grundbuchberichtigung handelt (vgl. Urteil des BFH III 298/56 U v. 27. September 1957 BStBl. III 1957, 427 – BFH 65, 508).. Der Zeitpunkt des Rückerwerbs des Eigentums durch die Erblasserin hängt davon ab, wann die Entscheidung der Wiedergutmachungskammer rechtskräftig geworden ist. Nach Art. 62 Abs. 2 der für Berlin geltenden Rückerstattungsanordnung der Alliierten Kommandantur Berlin betrug die Frist zur Beschwerde gegen den Beschluß der Wiedergutmachungskammer vom Tag der Zustellung an drei Monate für die Erblasserin und einen Monat für den Rückerstattungsverpflichteten. Da der Beschluß der Wiedergutmachungskammer sich nicht in den Akten befindet, vermag der erkennende Senat nicht zu beurteilen, ob – und ggf. wann – der Teilbeschluß der Wiedergutmachungskammer rechtskräftig geworden ist, ob insbesondere, wie die Bf. behaupten, eine Rechtskraft dieses Teilbeschlusses erst mit der Rechtskraft der Entscheidung des von den Rückerstattungsbeteiligten wegen der sog. Nebenansprüche mit der sofortigen Beschwerde angerufenen Kammergericht (KG) eintreten konnte. Unter diesen Umständen ist die Sache nicht spruchreif. Die Vorentscheidung wird daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das VerwG zurückverwiesen.
Das fragliche Grundstück liegt offenbar im britischen Sektor von Berlin. Hiernach wäre für eine eventuelle Nachprüfung der von deutschen Stellen getroffenen Rückerstattungsentscheidungen der durch die DVO Nr. 1 v. 22. August 1950 (VOBl. Groß-Berlin 1950, 459) zur Rückerstattungsanordnung gebildete Board of Review zuständig gewesen. Es wird deshalb nachzuprüfen sein, wann unter Beachtung der im Art. 5 der genannten DVO Nr. 1 (idF der DVO Nr. 7 v. 17. Juli 1952 zur Rückerstattungsanordnung, GVBl. Berlin 1952, 540) für einen Nachprüfungsantrag an den Board of Review gesetzten Fristen die maßgebliche Entscheidung der Wiedergutmachungskammer bzw. des KG Rechtskraft erlangt hat. Dabei werden die Ausführungen der Bf. in der Rb. zu würdigen sein.
Fundstellen