Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Weder die Entgegennahme der Vermögensanzeige und Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe noch die Sollstellung des selbstberechneten Betrags und die Annahme von Zahlungen können als Willenskundgebung des Finanzamts im Sinne des § 212 AO (formloser Abgabebescheid) angesehen werden. Die Selbstberechnung kann daher, solange nicht ein förmlicher Abgabebescheid nach § 20 SHG erteilt ist, auch durch den Abgabepflichtigen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist ohne besondere Einschränkungen berichtigt werden.
Der Senat schließt sich der Auffassung des Reichsfinanzhofs (Urteil vom 1. Juli 1942, RStBl. 1942 S. 1081) und des Obersten Finanzgerichtshofs (Urteil vom 30. März 1949, StuW 1949 Nr. 48) an, daß bei einer Betriebsaufspaltung die von dem bisherigen Betriebsinhaber an eine zur Fortführung des Betriebs gegründete Kapitalgesellschaft vermieteten oder verpachteten Gegenstände des Anlagevermögens auch weiterhin Betriebsvermögen des bisherigen Unternehmers bleiben, wenn er an der Kapitalgesellschaft maßgebend beteiligt ist.
Normenkette
AO § 212; SHG §§ 19-20; BewG § 54 Abs. 1, § 95/1
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) war von 1932 bis zum 31. März 1948 Alleininhaberin des unter der Firma ... & Co. geführten Baugeschäfts. Sie gründete zusammen mit ihrem Sohn ..., der an der Einzelfirma als stiller Gesellschafter beteiligt war, mit Wirkung vom 1. April 1948 eine GmbH unter der Firma ... & Co. Baugesellschaft mbH, deren Gegenstand die Fortführung der Einzelfirma ... & Co. sein sollte. Am Stammkapital der GmbH von 50.000 RM waren die Bfin. und ihr Sohn mit je 25.000 RM beteiligt mit der Maßgabe, daß die Bfin. ihre Stammeinlage durch das Einbringen von Aktiven und Passiven der bisherigen Einzelfirma leistete. Gleichzeitig mit der Gründung der GmbH wurde ein Pachtvertrag zwischen der Bfin. und der GmbH geschlossen, inhaltlich dessen die Bfin. an die GmbH die in der Bilanz der Einzelfirma zum 31. März 1948 unter der Bezeichnung "Inventarkonto" mit 29.581,95 RM enthaltenen Maschinen, Geräte, Kraftfahrzeuge und Büroausstattung, sowie das Nutzungsrecht an einer Kiesgrube gegen einen jährlichen Pachtzins von 15.000 RM verpachtete.
In der am 12. Oktober 1949 eingereichten Vermögensabgabe und Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe hatte die Bfin. nur Grundvermögen, das mit der Einzelhandelsfirma nichts zu tun hatte, angegeben und daraus einen Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe von 775 DM errechnet, der vom Finanzamt unverändert und ohne Erteilung eines Abgabebescheids zum Soll gestellt wurde. Durch Berichtigungsbescheid vom 23. November 1951 setzte das Finanzamt unter Berufung auf § 94 der Reichsabgabenordnung (AO) den Jahresbetrag der allgemeinen Soforthilfeabgabe in Abweichung von der Selbstberechnung auf 1.570 DM fest, indem es die an die GmbH verpachteten Anlagegegenstände, die in einer von der Bfin. aufgestellten RM-Schlußbilanz zum 20. Juni 1948 mit 26.482,69 RM angesetzt waren, mit diesem Betrag als Betriebsvermögen der Bfin. zusätzlich der Soforthilfeabgabe unterwarf.
Einspruch und Berufung der Bfin., die den Berichtigungsbescheid verfahrensrechtlich nicht für zulässig hielt, ihre zusätzliche Heranziehung zur Soforthilfeabgabe nach Ablauf von zwei Jahren seit Einreichung der Vermögensanzeige und Selbstberechnung als gegen Treu und Glauben verstoßend ansah und sich sachlich gegen die Annahme wandte, die strittigen Gegenstände seien in ihrer Hand Betriebsvermögen geblieben, hatten keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Finanzämter die Soforthilfeabgabe abweichend von dem zunächst zum Soll gestellten Selbstberechnungsbetrag des Abgabepflichtigen festsetzen können, sind nach § 21 Abs. 1 des Soforthilfegesetzes (SHG) die Vorschriften der AO maßgebend. Nun kann allerdings sowohl ein förmlicher (§ 211 AO) als auch ein formloser (§ 212 AO) Steuerbescheid nach § 94 Abs. 1 AO, sofern er andere Steuern als Zölle oder Verbrauchsteuern betrifft, durch das Finanzamt nur zurückgenommen oder geändert werden, wenn der Steuerpflichtige (Stpfl.) zustimmt oder soweit einem Antrag des Stpfl. der Sache nach entsprochen wird. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall unstreitig nicht gegeben. Der Vertrauensschutz, der hiernach auch für formlose Steuerbescheide gegeben wäre, wird aber durch § 94 Abs. 3 in Verbindung mit den §§ 222, 223 AO für diejenigen Fälle eingeschränkt, in denen nach § 223 AO Nachforderungen von Steuern bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig sind (Riewald, Anm. 1 c zu § 94 AO). Dieses grundsätzlich nur durch die Verjährung eingeschränkte Nachforderungsrecht ist, auch wenn man mit der Bfin. in der Sollstellung oder in der Entgegennahme der selbstberechneten Soforthilfeabgabe durch das Finanzamt eine formlosen Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO erblicken würde, bezüglich der Soforthilfeabgabe immer dann und solange gegeben, als ein schriftlicher Abgabebescheid nach § 20 SHG nicht erteilt ist und infolgedessen die eine Berichtigung erschwerenden Bestimmungen des § 222 Abs. 1 AO nicht eingreifen. Der Senat nimmt jedoch in übereinstimmung mit dem Finanzgericht und mit Kühne (Die Soforthilfeabgabe in der Praxis, Textziff. 313) an, daß weder die Einreichung der Selbstberechnung und die Sollstellung noch die Entgegennahme von Zahlungen auf die Soforthilfeabgabe durch das Finanzamt Vorgänge darstellen, die als Erteilung eines formlosen Steuerbescheids angesehen werden könnten. Zwar hat der Reichsfinanzhof in ständiger Rechtsprechung in der Entgegennahme von Steuerabzugsbeträgen beim Kapitalertrag (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 54/27 vom 6. Dezember 1927, Slg. Bd. 22 S. 233) und bei der Lohnsteuer (Urteil des Reichsfinanzhofs IV 189/40 vom 6. Februar 1941, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 164) einen Steuerbescheid im Sinne des § 212 AO erblickt, eine Auffassung, die von Lucas, Steuer und Wirtschaft (StuW) 1949, Sp. 475 ff., und von Riewald, Anm. 4 zu § 152 AO als gekünstelt und heute nichtmehr befriedigend abgelehnt wird. Es kann dahingestellt bleiben, ob für das Steuerabzugsverfahren an der Auffassung des Reichsfinanzhofs festzuhalten ist. Mit den Bestimmungen der §§ 19, 20 SHG ist die Annahme eines im Verlauf des Selbstberechnungsverfahrens (einschließlich der Entgegennahme der auf der Selbstberechnung beruhenden Zahlungen) zustande kommenden formlosen Abgabebescheids jedenfalls nicht zu vereinbaren. Das ergibt sich schon aus der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Ziff. 3 SHG, wonach ein schriftlicher Abgabebescheid zu erteilen ist, wenn der Abgabepflichtige einen solchen beantragt. Damit ist den Belangen des Abgabepflichtigen, der eine Berichtigung der aus der Selbstberechnung sich ergebenden Abgabeschuld im Rechtsmittelverfahren anstrebt, hinreichend Rechnung getragen. Es wäre nicht verständlich und nur verwirrend, daneben und dem schriftlichen Bescheid vorangehend das Vorliegen eines - ggf. rechtskräftig gewordenen - formlosen Abgabebescheids anzunehmen. Diese Annahme wäre aber auch aus einem weiteren Grund unbefriedigend. Die Verpflichtung zur Vermögensanzeige und zur Selbstberechnung der Soforthilfeabgabe stellt sowohl bezüglich der Grundlagen der Berechnung als auch hinsichtlich der Ermittlung der Abgabeschuld an den Abgabepflichtigen viel weitergehende Anforderungen als die Vornahme des Steuerabzugs vom Kapitalertrag und vom Arbeitslohn. Dem erhöhten Interesse des Abgabepflichtigen, eine fehlerhafte Vermögensanzeige und Selbstberechnung zu seinen Gunsten zu berichtigen, würde aber bei Annahme eines auf der Grundlage der Selbstberechnung erteilten formlosen Abgabebescheids nach Ablauf der Rechtsmittelfrist die eingetretene Rechtskraft entgegenstehen, während für das Finanzamt die nur durch die Verjährung eingeschränkte Nachforderungsmöglichkeit § 223 AO bestehen bliebe. Der vom Finanzamt erlassene Berichtigungsbescheid vom 23. November 1951 stellt somit nicht die Berichtigung eines bereits vorliegenden formlosen Abgabebescheids, sondern die formell ohne weiteres zulässige Berichtigung der Angaben der Bfin. in ihrer Vermögensanzeige und Selbstberechnung dar, wobei es für die Wirksamkeit des Bescheids unerheblich ist, daß er vom Finanzamt fälschlicherweise als "Berichtigung nach § 94 AO" bezeichnet wurde.
Auch von einem Verstoß gegen Treu und Glauben, den die Bfin. darin erblickt, daß die Berichtigung ihrer Selbstberechnung erst zwei Jahre nach Einreichung der Erklärung erfolgte, kann keine Rede sein. Der Zweck des für die Soforthilfeabgabe gewählten Verfahrens der Vermögensanzeige und Selbstberechnung ging gerade dahin, zunächst einmal eine Grundlage für den schnellen Eingang der Abgabe zu schaffen und die Finanzämter einer vorherigen zeitraubenden Prüfungs- und Veranlagungstätigkeit zu entheben. Ein solches Verfahren erforderte schon im Interesse einer gleichmäßigen und gerechten Besteuerung die Möglichkeit einer uneingeschränkten späteren Nachprüfung und Berichtigung der eingereichten Erklärungen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist. Im übrigen hätte die Bfin., wenn sie in ihrer Vermögensanzeige und Selbstberechnung auf den zu erheblichen Zweifeln Anlaß gebenden Umstand der Zurückbehaltung von Gegenständen des Betriebsvermögens anläßlich der Gründung der GmbH hingewiesen hätte, selbst zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen können.
Aus dem Vergleich der von der Bfin. für die Einzelfirma erstellten Bilanz zum 31. März 1948 mit der Eröffnungsbilanz der GmbH zum 1. April 1948 ergibt sich, daß in die GmbH nur Teile des Betriebsvermögens der Einzelfirma, und zwar überwiegend Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens, eingebracht wurden. Das gesamte Anlagevermögen (Maschinen, Betriebsausstattung, Kraftfahrzeuge, Büroausstattung mit einem Buchwert von damals 29.581,95 RM) mit Ausnahme von zwei Beteiligungen (Arbeitsgemeinschaft Nordmark und Hauptausschuß Bau mit einem Buchwert von 800 RM) verblieb der Bfin. und wurde von ihr an die GmbH verpachtet. Außerdem behielt die Bfin. einen Teil der Debitoren sowie sonstige Wirtschaftsgüter. Insgesamt betrug der Buchwert der von der Bfin. zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgüter zum 1. April 1948 rund 65.000 RM. Die GmbH besaß sowohl am Gründungstag (1. April 1948) als auch noch am 21. Juni 1948 außer den genannten beiden Beteiligungen überhaupt kein Anlagevermögen. Das Finanzgericht hat diesen Tatbestand dahin gewürdigt, daß die Verpachtung eines sowohl wertmäßig wie betriebstechnisch so wesentlichen Teiles des Betriebsvermögens der Einzelfirma an die GmbH in Verbindung mit den Bestimmungen des Pachtvertrages (Ersatzansprüche der Verpächterin für Beschädigungen, Verschlechterungen und Zerstörungen, Eigentumserwerb der Verpächterin an Ersatzbeschaffungen für untergegangene Pachtgegenstände und Recht der Verpächterin zum Erwerb der mit den Pachtgegenständen fest verbunden oder vermischten Neuanschaffungen) für die Bfin. eine beachtliche laufenden Verwaltungstätigkeit mit sich bringe, die über den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hinausgehe und dazu führe, weiterhin Betriebsvermögen in der Hand der Bfin. anzunehmen. Dazu komme, daß bei der Aufspaltung eines bestehenden Unternehmens, bei der Teile des Betriebsvermögens bei dem früheren Betriebe verblieben, der eigentliche Betrieb jedoch unter maßgeblicher Beteiligung der bisherigen Unternehmer durch eine Kapitalgesellschaft fortgeführt werde, nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und Obersten Finanzgerichtshofs die an die Kapitalgesellschaft verpachteten Wirtschaftsgüter weiterhin als Betriebsvermögen des Verpächters angesehen werden müßten.
Auch diese Ausführungen des Finanzgerichts lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen verpachtete Wirtschaftsgüter in der Hand des Verpächters Betriebsvermögen darstellen, sind zwei Fälle zu unterscheiden. Bei der Verpachtung an einen Dritten (z. B. die Witwe eines Apothekers verpachtet die Apotheke an einen anderen Apotheker) wird man beim Verpächter einkommensteuerrechtlich einen Gewerbebetrieb, d. h. eine über die reine Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit, und vermögensteuerrechtlich Betriebsvermögen nur dann annehmen können, wenn die Pacht die wesentlichen Gegenstände des Betriebsvermögens, insbesondere des Anlagekapitals, umfaßt. Ist jedoch die Verpachtung, wie im vorliegenden Fall, dergestalt mit der Aufspaltung eines Betriebs verbunden, daß ein Teil des bisherigen Betriebsvermögens gegen Gewährung einer maßgeblichen Beteiligung in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, der übrige Teil zurückbehalten und an die Kapitalgesellschaft verpachtet wird, so muß grundsätzlich angenommen werden, daß der in der Hand des früheren Betriebsinhabers und nunmehrigen Anteilseigners und Verpächters verbliebene Teil des bisherigen Betriebsvermögens auch weiterhin Betriebsvermögen in seiner Hand darstellt. Der Senat schließt sich dazu den Ausführungen des zur Gewerbesteuer ergangenen Urteils des Reichsfinanzhofs vom 1. Juli 1942 (RStBl 1942 S. 1081) und des die Bewertung betreffenden Urteils des Obersten Finanzgerichtshofs vom 30. März 1949 (StuW 1949 Nr. 48) an. In diesen Urteilen ist dargelegt, daß im Falle einer Betriebsaufteilung auch bei einem äußerlich zunächst als reine Vermögensverwaltung sich darstellenden Tatbestand die Vorgänge, die zu den gegenwärtigen Verhältnissen geführt hätten, sowie die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht unbeachtet bleiben dürften. Der frühere Betriebsinhaber setze sein Unternehmen wirtschaftlich auch nach der Aufspaltung über den Betrieb der Kapitalgesellschaft fort, übe dadurch weiterhin unter Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr einen Gewerbebetrieb aus und bleibe daher auch Inhaber von Betriebsvermögen, ohne daß noch besondere Gründe erforderlich seien, um die angebliche reine Verwaltungstätigkeit zu einer gewerblichen Betätigung zu machen. Hiernach sind die von der Bfin. an die GmbH verpachteten Gegenstände des Anlagevermögens sowohl unter dem Gesichtspunkt der überlassung der wesentlichen Betriebsgrundlagen als auch der Betriebsaufspaltung bei der Bfin. Betriebsvermögen geblieben.
Auch gegen den Wertansatz mit den in der Schlußvermögensübersicht zum 20. Juni 1948 angesetzten Werten bestehen keine Bedenken. Zwar sind Gegenstände des Anlagevermögens nach § 11 Ziff. 2 Satz 1 SHG regelmäßig mit den Werten anzusetzen, mit denen sie in dem letztmals vor dem Währungsstichtag festgestellten Einheitswert enthalten sind. Ist jedoch der Betrieb in der Zeit vom 1. Januar 1948 bis zum 20. Juni 1948 neu gegründet, so sind nach § 11 Ziff. 2 Satz 2 SHG die Werte der Schlußvermögensübersicht maßgebend. Wurde in diesem Zeitraum eine Betriebsaufspaltung vorgenommen, so muß dieser Vorgang, wenn man nicht hinsichtlich Umfang und Wert des dem verbliebenen restlichen Betrieb zuzurechnenden Betriebsvermögens für die Soforthilfeabgabe zu unmöglichen Ergebnissen kommen will, einer Neugründung im Sinne des § 11 Ziff. 2 Satz 2 SHG gleichgeachtet werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407855 |
BStBl III 1954, 91 |
BFHE 1954, 473 |
BFHE 58, 473 |