Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Selbständigkeit eines Berufsboxers.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 1, § 19/1; GewStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bf. selbständiger oder unselbständiger Berufsboxer ist.
Der Bf. vereinbarte mit den Boxveranstaltern K., daß er alle seine Kämpfe in Deutschland in der Zeit ... bei den Veranstaltern austrägt, wobei diese ihm für den genannten Zeitraum mindestens vier Kämpfe mit einer von den Einnahmen abhängigen Gage, mindestens jedoch 100 DM je Kampf, garantierten und der Bf. sich zur Austragung von vier Kämpfen verpflichtete. Als Gegner konnten nach dem Vertrag alle weißen Schwergewichtler der Welt verpflichtet werden. Für jeden Kampf sollte der Bf. fünf Wochen vorher zur Aufnahme seines Trainings benachrichtigt werden. Lohnsteuer ist von den an den Bf. gezahlten Gagen nicht einbehalten und abgeführt worden.
Das Finanzamt betrachtete den Bf. als selbständig und daher seine Tätigkeit als Gewerbebetrieb. Es erließ gegen ihn für das Streitjahr einen Gewerbesteuermeßbescheid.
Im Rechtsmittelverfahren hat der Bf. geltend gemacht, er sei Angestellter der Veranstalter, weil er diesen seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stelle und im wesentlichen deren Weisungen zu folgen habe. Auf ihn treffe Rechtssatz 2 des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (BStBl 1951 III S. 97, Slg. Bd. 55 S. 255) zu. Er sei in den Organismus der Veranstalter eingegliedert, wobei diese seine Gegner sowie Termin und Ort der Kämpfe bestimmten. Seine Eingliederung komme auch in Redewendungen wie "Angehöriger des Stalles K." zum Ausdruck. Darin schlage sich die allgemeine Verkehrsauffassung nieder, daß Berufsboxer nicht selbständig seien. Für seine Unselbständigkeit spreche auch, daß die Veranstalter das geschäftliche Risiko der Veranstaltungen trügen sowie dem Publikum gegenüber für die Durchführung der Kämpfe verantwortlich seien und nicht der Boxer. Dieser trete auch nach außen nicht als Unternehmer auf.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Die Frage, ob die Voraussetzungen für die Arbeitnehmereigenschaft des Bf. nach § 1 Abs. 2 und 3 LStDV vorlägen, so hat das Finanzgericht ausgeführt, könne nur nach Abwägen der gesamten Umstände des Falles beantwortet werden. Entscheidend sei, ob die auf Selbständigkeit oder die auf Unselbständigkeit hindeutenden Merkmale überwögen. Die sich aus dem Vertrag vom ... ergebende Abhängigkeit vom Willen seiner Vertragspartner gehe für den Bf. nicht so weit, daß er während der Vertragsdauer seine ganze Arbeitskraft den Veranstaltern zur Verfügung stelle. Es seien nur vier Tage im Jahr, an denen die Vertragspartner Gegner, Ort und Zeit eines Kampfes einseitig bestimmen könnten. Diese Tage lägen weit auseinander, da sich der Bf. für jeden Kampf mindestens fünf Wochen Trainingszeit ausbedungen habe. Dagegen sei der Bf. bei der Vorbereitung seiner Kämpfe, die den größten Teil seiner Arbeitskraft in Anspruch nehme, keinen Weisungen unterworfen. Er könne seine Trainings- und Sparringspartner sowie seine Trainingsmethoden selbst wählen. Die Intensität seiner Kampfvorbereitungen, den Aufwand an Zeit und Geld dafür, bestimme er selbst. Darüber hinaus könne der Bf., abgesehen von den vier Pflichtkämpfen, jeden Kampf, der ihm angeboten werde, ausschlagen. Er stehe insoweit seinen Vertragspartnern gleichberechtigt und ohne die Verpflichtung, Weisungen entgegenzunehmen, gegenüber. Schließlich könne der Bf. während der Vertragsdauer im Ausland bei anderen Veranstaltern boxen, ohne hierüber den Vertragspartnern Rechenschaft schuldig zu sein. Der Bf. sei somit überwiegend nicht an Weisungen der Veranstalter gebunden und im wesentlichen in der Gestaltung seiner Arbeit frei. Darin unterscheide er sich deutlich von den Berufsringern im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (a. a. O.), die an einer Reihe von aufeinanderfolgenden Tagen für ihre Veranstalter aufträten und während der Vertragsdauer weder Kämpfe ablehnen noch bei anderen Veranstaltern kämpfen könnten noch über weite Zeiträume bei ihrem Training sich selbst überlassen seien. Für die berufliche Selbständigkeit des Bf. spreche weiter, daß er ein erhebliches geschäftliches Risiko habe. Dies zeigten Art und Höhe seiner eigenen Aufwendungen im Streitjahre. Bei einer Garantie von 100 DM je Kampf habe der Bf. nicht mit Sicherheit damit rechnen können, daß seine außerordentlich hohen Aufwendungen (fast 125.000 DM) durch die Einnahmen aus den Kämpfen gedeckt würden. Gegenüber diesen Umständen falle die Tatsache, daß der Bf. in Deutschland nur für eine Veranstaltergruppe auftreten dürfe, was für sich allein betrachtet für Unselbständigkeit sprechen könnte, nicht ins Gewicht. Schließlich sei auch nach der Verkehrsauffassung der Berufsboxer nicht grundsätzlich unselbständig. Die beim interessierten Publikum gebräuchliche Redewendung möge auf eine gewisse Bindung des betreffenden Boxers an bestimmte Veranstalter hinweisen; sie sage aber nichts über dessen Selbständigkeit oder Unselbständigkeit aus.
In der Rb. legt der Bf. in längeren Ausführungen dar, daß er durch den Vertrag vom ... auch für die Zeit zwischen den vier Pflichtkämpfen seine Arbeitskraft soweit gebunden habe, daß nur von einer nichtselbständigen Tätigkeit gesprochen werden könne. Er weist dabei auf die im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (a. a. O.) angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs betreffend die Lohnsteuerpflicht der Artisten, Filmkünstler, Musikkapellen und Opernsänger hin. Im Rahmen des Vertrages vom ... habe er entsprechend den "Sportlichen Regeln" des Bundes Deutscher Berufsboxer den Veranstaltern vor jedem Kampf auf dem vom genannten Bund vorgeschriebenen Formblatt die Erklärung abgeben müssen, "daß er in körperlich bestem Zustand zum Kampf antreten wird und keine Gebrechen oder physische Unfähigkeit zu verheimlichen hat". Um diese einen Vertragsbestandteil bildende Voraussetzung erfüllen zu können, sei er bei vier jährlichen Pflichtkämpfen mindestens 11 Monate im Jahr gebunden gewesen. Das Kampftraining und das vorausgehende Aufbautraining erforderten vor jedem Kampf eine Zeitdauer von etwa je vier, also insgesamt acht Wochen. Dazu komme nach jedem Kampf eine Zeitspanne von durchschnittlich drei Wochen zur Erholung und Ausheilung von Verletzungen. Die Vertragsbestimmung, daß er mindestens fünf Wochen vor jedem Kampf zu benachrichtigen sei, sei lediglich eine Schutzbestimmung zu seinen Gunsten, um ihm ausreichende Zeit für das Kampftraining zu sichern; ihr Sinn sei nicht in einer Trainingsverpflichtung zu suchen. Sei er somit als Angestellter anzusehen, so komme es nicht mehr darauf an, nach welchen Grundsätzen das Entgelt für seine Arbeit bemessen werde. Im übrigen könne aus der Gegenüberstellung seiner Aufwendungen und der Mindestgarantie von 100 DM nicht darauf geschlossen werden, daß er ein erhebliches Geschäftsrisiko trage. Aus der Höhe seiner Einkünfte könne entnommen werden, daß die Garantie von 100 DM nichts als eine leere Form gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß es für die Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit des Bf. auf die Gesamtumstände des Falles ankommt. Dabei hat es für die Beurteilung, ob sich der Bf. durch den Vertrag vom 2. Dezember 1954 den Veranstaltern gegenüber so stark gebunden hat, daß er als deren Arbeitnehmer anzusehen ist, mit Recht lediglich auf die Zahl und die zeitliche Lage der Kampftage abgestellt. Der Rb. kann darin nicht beigetreten werden, daß auch die dem Training und der Erholung dienende Zeit für die Frage der Bindung mit einzurechnen sei. Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der Bf. für die Vorbereitung seiner Kämpfe, insbesondere für den Aufwand an Zeit und Geld dafür, keinen Weisungen seitens der Vertragspartner unterworfen war, vielmehr hierüber frei bestimmen konnte. Der Bf. hat selbst ausgeführt, daß die Vertragsbestimmung, wonach er von jedem Kampf mindestens fünf Wochen vorher zu benachrichtigen sei, nicht eine Trainingsverpflichtung beinhalte, sondern eine Schutzbestimmung für ihn darstelle.
Wenn das Finanzgericht bei vier - zeitlich weit auseinander liegenden - Kampftagen im Jahr noch keine zur Annahme seiner Unselbständigkeit führende Bindung des Bf. als gegeben angesehen hat, so ist dies nicht zu beanstanden. Die Vorentscheidung hat zutreffend die Unterschiede hervorgehoben, die zwischen dem Streitfall und dem im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 197/50 U vom 16. März 1951 (a. a. O.) behandelten Fall der Berufsringer bestehen. Auch die in dem vorgenannten Urteil angeführten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs können zu keiner anderen Beurteilung des vorliegenden Falles führen. In dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 572/26 vom 1. Dezember 1926 (RStBl 1927 S. 77) wird ausgeführt, daß ein Artist, der sich auf Wochen oder Monate zum täglichen Auftreten am Abend verpflichtet, als Angestellter anzusehen sei. Das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 358/36 vom 10. Juni 1936 (RStBl 1936 S. 1010) spricht aus, daß Opernsänger, die sich nur für einzelne Abende zu Gastspielen verpflichtet hätten, grundsätzlich selbständig seien. Bei Filmkünstlern, die sich für die Dauer einer Woche zur Mitarbeit bei der Filmproduktion verpflichtet hatten, hat der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI A 601/30 vom 16. April 1930 (RStBl 1930 S. 481) allerdings Unselbständigkeit angenommen. Darüber hinaus hat der Senat in dem Urteil I 116/61 U vom 27. November 1962 (BStBl 1963 III S. 95, Slg. Bd. 76 S. 266) ausgesprochen, daß es für die Arbeitnehmereigenschaft von Filmschauspielern nicht entscheidend auf die Dauer der Filmtätigkeit ankomme. Er hat jedoch die Unselbständigkeit daraus hergeleitet, daß der einzelne Schauspieler im Zusammenspiel mit den anderen beteiligten Schauspielern weitgehend in den Organismus der Filmproduktion eingegliedert sei. Bei Filmschauspielern, die nur mit der Synchronisation von Filmen und der Herstellung von Werbefunkbändern befaßt sind, hat der Senat in dem gleichen Urteil eine die Unselbständigkeit begründende Eingliederung ausdrücklich verneint. Beim Bf. kommt eine Eingliederung nach Art eines bei der Filmproduktion mitwirkenden Filmschauspielers nicht in Betracht; denn er vollbringt bei den Wettkämpfen eine Einzelleistung.
Als für die Selbständigkeit des Bf. sprechend hat das Finanzgericht mit Recht auch angeführt, daß er ein erhebliches geschäftliches Risiko trägt. Wenn er auch damit rechnen konnte, daß die Einnahmen aus den Kämpfen weit über die im Vertrag festgelegte Garantiesumme hinausgehen würden, so ist dabei doch in Betracht zu ziehen, daß seine tatsächlichen Ausgaben im Streitjahr den Betrag von fast 125.000 DM erreicht haben.
Nach alledem konnte das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis kommen, daß die Stellung des Bf. im Streitjahr überwiegend Merkmale der Selbständigkeit aufgewiesen hat und daß er daher nicht als Arbeitnehmer, sondern als Gewerbetreibender zu behandeln ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. die Urteile IV 197/50 U vom 16. März 1951, a. a. O., und IV 77/53 S vom 17. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 100, Slg. Bd. 60 S. 257) sind die Einkünfte von Berufssportlern, die ihre Tätigkeit selbständig ausüben, nicht als solche aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), sondern aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) anzusehen. Sie unterliegen daher gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes der Gewerbesteuer.
Hiernach war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411107 |
BStBl III 1964, 207 |
BFHE 1964, 543 |
BFHE 78, 543 |