Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
In der Einbringung von Grundstücken aus einer Gemeinschaft zur gesamten Hand in eine GmbH ist regelmäßig kein doppelter Erwerbsvorgang zu erblicken. Dem Urteil des V. Senats V 140/53 S vom 20. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 271, Slg. Bd. 66 S. 708) wird beigetreten.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1, § 3/3, § 3 Ziff. 7; UStG § 4 Ziff. 9
Tatbestand
Der am 23. September 1949 verstorbene August B. wurde von seinen drei Töchtern beerbt. Zum Nachlaß gehörte das Betriebsvermögen der Firma B. & C. in D., alleiniger Inhaber war der Erblasser gewesen. Die Geschäfte des Unternehmens wurden zunächst von einem gerichtlich bestellten Nachlaßverwalter fortgeführt. Durch Gesellschaftsvertrag vom 21. Dezember 1953 gründeten die drei Töchter die Bfin., eine GmbH. Das Stammkapital betrug 240.000 DM. Auf jede Gesellschafterin entfiel ein Geschäftsanteil in Höhe von 80.000 DM. Die Stammeinlagen wurden in der Weise geleistet, daß der Nachlaßverwalter das zum Nachlaß gehörende Betriebsvermögen der Firma B. & C. mit dem Recht zur Fortführung der Firma und den zu diesem Unternehmen gehörenden vier Grundstücken in die Bfin. einbrachte.
Das Finanzamt stellte die Bfin. gemäß § 3 Ziff. 2 und 7 GrEStG von der Grunderwerbsteuer frei. Die Aufsichtsbehörde beanstandete dies bei einer Nachprüfung. Daraufhin zog das Finanzamt die Bfin. durch einen auf § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO gestützten Bescheid vom 18. Dezember 1956 unter Berücksichtigung des § 13 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG in Höhe von 23.959,64 DM zur Grunderwerbsteuer heran.
In der Einspruchsentscheidung ermäßigte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer auf 23.100,35 DM.
Die Berufung war dem Grunde nach erfolglos. Das Finanzgericht verneinte, daß die Steuerbefreiung gemäß § 3 Ziff. 7 GrEStG zu gewähren sei. Jedoch wurde die Steuer der Höhe nach auf 22.108,85 DM ermäßigt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist ohne Erfolg.
Der Senat ist der Auffassung, daß das zur Umsatzsteuer ergangene Urteil des V. Senats V 140/53 S vom 20. Februar 1958 (BStBl 1958 III S. 271, Slg. Bd. 66 S. 708) auf die Grunderwerbsteuer entsprechend anwendbar ist; soweit der Senat in anderen Urteilen einen abweichenden Standpunkt vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Wegen der Gründe wird auf das vorerwähnte Urteil V 140/53 S vom 20. Februar 1958 verwiesen. Daraus, daß dieses Urteil auch für die Grunderwerbsteuer als richtig anerkannt wird, kann aber nicht gefolgert werden, daß die Rb. begründet ist. Bei Zugrundelegung des angeführten Urteils ergibt sich, daß Erwerberin der Grundstücke die GmbH, Veräußerin die aus den drei Töchtern bestehende Erbengemeinschaft ist. Davon sind aber bereits das Finanzamt und ihm folgend das Finanzgericht aus anderen Gründen ausgegangen.
Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, ist die Erbengemeinschaft grunderwerbsteuerlich als selbständige Rechtsträgerin anzusehen. Vgl. die Urteile des Senats II 210/54 S vom 13. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 269, Slg. Bd. 61 S. 182) und II 102/56 U vom 15. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14). Es handelt sich somit um einen der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG unterliegenden Erwerbsvorgang zwischen zwei selbständigen Rechtsträgern, nämlich der Erbengemeinschaft und der GmbH.
Zu Unrecht behauptet die Bfin., daß die Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 7 GrEStG anwendbar sei. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen: "der Erwerb durch eine ausschließlich aus dem Veräußerer und seinen Abkömmlingen oder aus diesen allein bestehende Vereinigung". Es ist richtig, daß die Vereinigung (das heißt hier die GmbH) ausschließlich aus Abkömmlingen des Verstorbenen besteht. Das reicht aber nicht bereits aus, um die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr außerdem, daß der Veräußerer mit dem Erwerber (zum Beispiel als Vater, Mutter, Großvater usw.) in aufsteigender Linie verwandt ist. Ist aber Veräußerer die Erbengemeinschaft, so ist ein solcher Fall nicht gegeben; denn die Erbengemeinschaft als selbständiger Rechtsträger ist weder mit der GmbH noch ihren Gesellschaftern verwandt.
Selbst wenn aber als Veräußerer die drei Miterben nach durchgeführter Erbteilung anzusehen wären, könnte kein anderes Ergebnis eintreten. In diesem Fall würde jede der drei Miterbinnen ihr Miteigentum an eine Vereinigung veräußern, deren Gesellschafter die selbst sind. Ein solcher Fall reicht gleichfalls nicht aus, um die vorerwähnte Befreiungsvorschrift anwenden zu können.
Eine Anwendbarkeit der Steuerbefreiung käme nur dann in Betracht, wenn der verstorbene Erblasser, was jedoch nicht zutrifft, zu seinen Lebzeiten selbst der Veräußerer gewesen wäre. Dieser Fall kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil auf der Veräußererseite ein Nachlaßverwalter tätig wurde. Die Miterben sind mit dem Tode des Erblassers Eigentümer der Grundstücke geworden (ß 1922 BGB). Diese Rechtsstellung ändert sich auch nicht dadurch, daß eine Nachlaßverwaltung eingerichtet wird.
Sonstige Gründe, die die Anwendbarkeit von Steuerbefreiungsvorschriften rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist auch die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Zff. 3 GrEStG nicht anwendbar; Voraussetzung wäre der Erwerb durch einen Miterben im Wege der Erbteilung, nicht aber die Veräußerung an eine GmbH als selbständige Rechtsträgerin. Erbengemeinschaft, Miterben und GmbH sind grunderwerbsteuerrechtlich nicht identisch.
Daß der Vorgang gemäß § 4 Ziff. 9 UStG in Verbindung mit § 2 Ziff. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) nicht unter die Umsatzsteuer fällt, ist grunderwerbsteuerlich ohne Belang. Das GrEStG kennt keine dem § 4 Ziff. 9 UStG entsprechende Regelung. Die Grunderwerbsteuer kann also neben der Gesellschaftsteuer erhoben werden. Dem Umstand, daß Grunderwerbsteuer und Gesellschaftsteuer nebeneinander zu entrichten sind, wird dadurch Rechnung getragen, daß nach § 13 GrEStG ein ermäßigter Steuersatz zur Anwendung gelangt. Dieser ermäßigte Steuersatz ist im Streitfall richtig angewendet worden. Auch sonst sind gegen die Höhe der Steuerberechnung Bedenken nicht vorhanden. Die Bfin. ihrerseits hat in dieser Instanz insoweit gleichfalls Einwendungen nicht erhoben.
Dem Finanzgericht ist auch darin zuzustimmen, daß sich aus dem von der Bfin. angeführten Urteil des Reichsfinanzhofs II A 583/21 vom 24. Januar 1922 (Slg. Bd. 8 S. 115) nichts zugunsten der Bfin. ergibt. In diesem Urteil, das zu § 8 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1919 (ß 3 Ziff. 7 GrEStG 1940) erging, ist lediglich ausgesprochen worden, daß die Steuerbefreiung zu versagen ist, wenn die erwerbende Vereinigung aus denselben Personen besteht, die als Veräußerer beteiligt sind. Dieses Urteil spricht somit gegen die von der Bfin. vertretene Auffassung, nicht aber dafür. Das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 145/22 vom 23. Juni 1922 (Slg. Bd. 10 S. 22) spricht gleichfalls nicht für den Rechtsstandpunkt der Bfin. Es betraf eine Vereinigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG 1919 (ß 3 Ziff. 7 GrEStG 1940), deren Gesellschafter in allgemeiner Gütergemeinschaft lebende Eheleute sowie eine GmbH waren; Gesellschafter der letzteren waren die Abkömmlinge der in allgemeiner Gütergemeinschaft lebenden Eheleute. Veräußerer waren die Eheleute, so daß - anders als im Streitfall - Verwandte aufsteigender Linie als Veräußerer in Betracht kamen. Ebenso ist das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 26. November 1959 (Der Betrieb, 1960 S. 197) nicht geeignet, die Rb. zu stützen. In diesem Fall wurde beim unmittelbaren übergang des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft entsprechend dem Urteil des Bundesfinanzhofs V 140/53 S vom 20. Februar 1958 ein zweifacher Erwerbsvorgang verneint; jedoch wurde ein einmaliger Erwerbsvorgang bejaht. Etwas anderes ist auch vom Finanzgericht im Streitfall nicht entschieden worden.
Richtig ist schließlich, daß es sich im Streitfall um eine vom Finanzamt gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO vorgenommene Steuerberichtigung handelt. Nach dieser Vorschrift kann eine änderung des Steuerbescheids dann stattfinden, wenn bei einer Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde Fehler aufgedeckt werden, deren Berichtigung eine höhere Veranlagung rechtfertigt, und noch keine Verjährung eingetreten ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im Streitfall gegeben. In der Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 3 Ziff. 7 Satz 1 GrEStG ist ein Fehler zu erblicken. Daß dem Finanzamt der wahre Sachverhalt bereits bekannt war, als es die Bfin. von der Steuer freistellte, ändert daran nichts. Dieser Umstand schließt die Anwendung des § 222 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 AO aus, die des § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO aber nicht. Die letztgenannte Vorschrift ist gerade dazu bestimmt, in Fällen der vorliegenden Art die Rechtsgrundlage für eine Steuerberichtigung zu geben.
Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409988 |
BStBl III 1961, 213 |
BFHE 1961, 583 |
BFHE 72, 583 |