Leitsatz (amtlich)
Ein umsatzsteuerbarer und -pflichtiger Leistungsaustausch (Geschäftsveräußerung im ganzen) liegt vor, wenn eine GmbH ihr gesamtes Vermögen gemäß dem Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 (RGBl I 1934, 569) an ihre alleinige Gesellschafterin, eine AG, überträgt und diese auf ihre Beteiligung an der GmbH verzichtet und deren Schulden übernimmt.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1; UStDB 1951 § 85; Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 (RGBl I 1934, 569)
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) war die alleinige Gesellschafterin der A-GmbH (im folgenden: GmbH). Durch notariell beurkundeten Gesellschafterbeschluß vom 2. Dezember 1955 wurde das Vermögen der GmbH mit allen Aktiven und Passiven gemäß dem Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften vom 5. Juli 1934 – UmwG – (RGBl I 1934, 569) und der dazu ergangenen Durchführungsverordnung vom 14. Dezember 1934 (RGBl I 1934, 1262) auf die Steuerpflichtige übertragen. Die Umwandlung wurde an demselben Tage in das Handelsregister eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –), der für die Umsatzbesteuerung der GmbH zuständig war, erblickte in der Vermögensübertragung unter Verzicht der Steuerpflichtigen auf ihre Beteiligung an der GmbH einen steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustausch, und zwar eine Geschäftsveräußerung im ganzen gemäß § 85 UStDB 1951. Hiergegen legte die Steuerpflichtige Sprungberufung ein mit der Begründung, der Vermögensübergang im Rahmen der Umwandlung unterliege nicht der Umsatzsteuer; ein Leistungsaustausch sei nicht gegeben, es handele sich vielmehr um einen innerbetrieblichen Vorgang. Die Sprungberufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) bejahte das Vorliegen eines Leistungsaustausches. Dieser sei nicht deshalb zu verneinen, weil er sich auf Grund des Gesellschafterbeschlusses vom 2. Dezember 1955 gemäß dem UmwG von 1934 in einem einzigen Rechtsakt vollzogen habe. Die Übertragung des Vermögens der GmbH an die Steuerpflichtige könne nicht als gedachte Leistung der Steuerpflichtigen an sich selbst behandelt werden; denn die Auflösung der GmbH und die Vermögensübertragung seien nicht durch die Steuerpflichtige, sondern durch die GmbH als selbständige juristische Person beschlossen und durchgeführt worden. Die Annahme eines innerbetrieblichen, nicht steuerbaren Vorgangs zwischen der GmbH als Tochtergesellschaft und der Steuerpflichtigen als Muttergesellschaft aber scheitere daran, daß im Jahre 1955 die Organschaft auf dem Gebiet der Umsatzsteuer durch Art. II des Kontrollratgesetzes (KRG) Nr. 15 aufgehoben gewesen sei.
Mit der Rb., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist (vgl. §§ 184 Abs. 2, 115 ff. FGO), macht die Steuerpflichtige geltend, das FG habe durch die Annahme eines Leistungsaustausches zwischen der GmbH und ihr das Vorliegen eines „Erwerbs” der von der GmbH hergestellten Gegenstände bejaht. Dementgegen habe das für sie zuständige FA denselben „Erwerb” anläßlich der Prüfung der Großhandelsvergünstigungen gemäß § 4 Nr. 4 und § 7 Abs. 3 UStG 1951 bei der Weiterlieferung dieser durch die Umwandlung übernommenen Gegenstände verneint. Der Begriff „Erwerb” könne aber für das Umsatzsteuerrecht bei der gebotenen Gesamtschau nur einheitlich beurteilt werden. Nehme man einen „Erwerb” an, so sei zwar ein Leistungsaustausch gemäß § 1 Nr. 1 UStG 1951 in Verbindung mit § 85 UStDB 1951 gegeben, es müsse dann aber die Vergünstigung des § 4 Nr. 4 bzw. § 7 Abs. 3 UStG 1951 Platz greifen; lehne man einen „Erwerb” ab, so könnten zwar die Vergünstigungsvorschriften für Großhandelslieferungen nicht angewendet werden, es entfalle aber auch ein Leistungsaustausch anläßlich der Umwandlung. – Die Steuerpflichtige bittet, außerdem zu prüfen, ob nicht wegen der organschaftlichen Einheit beider Unternehmen die Anwendung des § 85 UStDB 1951 abzulehnen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die Übertragung des Vermögens einer GmbH mit allen Aktiven und Passiven an ihre alleinige Gesellschafterin, eine AG, ist als letzter Akt der gewerblichen Tätigkeit der GmbH zur Umsatzsteuer heranzuziehen. Die Gegenleistung der Gesellschafterin besteht in dem Verzicht auf die Gesellschaftsrechte an der GmbH und in der Übernahme ihrer Schulden. Die bisher als Beteiligung zu Buche stehenden GmbH-Anteile werden bei der Gesellschafterin (hier Steuerpflichtigen) ausgebucht; Besitz und Schulden der GmbH werden in die Bilanz der Gesellschafterin übernommen (vgl. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 9. Aufl., Tz. 904).
Ein Leistungsaustausch findet auch dann statt, wenn sich der Vermögensübergang nicht durch Einzelakte, sondern durch einen einheitlichen Gesamtakt vollzieht. Es liegt im Streitfalle nicht bloß ein Wechsel der Rechtsform, eine sog. „formwechselnde” oder „echte” Umwandlung, vor, bei der eine Nachfolge überhaupt nicht eintritt (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., 1954, Anm. 45 zu § 1922) und eine Umsatzsteuer nicht entsteht (vgl. Böttcher-Meilicke, Umwandlung und Verschmelzung von Kapitalgesellschaften, 5. Aufl., Teil III Tz. 904; Plückebaum-Malitzky, a. a. O., Tz. 913), sondern eine sog. „übertragende” Umwandlung, bei der dem Leistenden (GmbH) ein selbständiger Leistungsempfänger, nämlich die AG, als alleinige Gesellschafterin (Steuerpflichtige), gegenübersteht (vgl. Böttcher-Meilicke, a. a. O., Teil III Tz. 16; Urteile des Reichsfinanzhofs V 138/40 vom 10. Juli 1942, RStBl 1942, 952; V 190/41 vom 30. November 1944, RStBl 1945, 45).
Die „übertragende” Umwandlung unterliegt als „Geschäftsveräußerung” im Sinne des § 85 UStDB 1951 der Umsatzsteuer mit dem Steuersatz von 1 v. H. Die Tatsache, daß zwischen der Steuerpflichtigen als Muttergesellschaft und der GmbH als Tochtergesellschaft alle Voraussetzungen einer Organschaft vorlagen, vermag hieran nichts zu ändern. Denn auf Grund des Art. II KRG Nr. 15 bestand das Organschaftsverhältnis zwischen den beiden Gesellschaften im Jahre 1955 im ganzen nicht (vgl. Urteil des Senats V 17/52 S vom 17. Juli 1952, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 56 S. 604, – BFH 56, 604 – BStBl III 1952, 234).
Auf den Einwand der Steuerpflichtigen bei der Annahme eines Leistungsaustausches zwischen der GmbH und ihr müsse hinsichtlich der Weiterveräußerung der übertragenen Vermögensgegenstände davon ausgegangen werden, daß diese im Sinne des § 4 Nr. 4 bzw. § 7 Abs. 3 UStG 1951 erworben wurden, war im vorliegenden Rechtsstreit nicht einzugehen; es wird insoweit auf das Urteil des Senats V R 100/67 vom heutigen Tage (BFH 92, 114) Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 514867 |
BFHE 1968, 112 |