Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Beförderungsteuer gründet sich die Steuerpflicht auf den Betrieb eines Unternehmens im Sinne des § 116 Abs. 1 Ziff. 1 AO ohne Rücksicht darauf, ob die Beförderungen für Dritte oder für Zwecke des eigenen Unternehmens (im Werkfernverkehr) durchgeführt werden.
Normenkette
AO § 116; BefStG § 1
Tatbestand
Streitig ist die Frage, ob es sich bei der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr um eine Steuer handelt, bei der sich die Steuerpflicht auf den Betrieb eines Unternehmens im Sinne des § 116 Abs. 1 Ziff. 1 AO gründet.
Entscheidungsgründe
Diese Frage hat das Finanzgericht zutreffend bejaht und sich dafür mit Recht auf die Begründung des Urteils des Reichsfinanzhofs IV A 192/27 vom 15. Juni 1927 (Slg. Bd. 21 S. 217 f.) berufen. Nach dem Rechtssatz dieses Urteils gründet sich die Zollpflicht nicht "auf den Betrieb eines Unternehmens" im Sinne des § 96 AO früherer Fassung, der insoweit mit der Fassung des jetzigen § 116 Abs. 1 Ziff. 1 AO übereinstimmt. Nach dem Rechtssatz tritt daher bei Veräußerung eines Unternehmens im ganzen eine Haftung des Erwerbers für Zollschulden nach § 96 AO früherer Fassung nicht ein. Nach der Begründung ist der Voraussetzung, daß sich die Steuerpflicht auf den Betrieb eines Unternehmens gründen muß, nicht schon dann genügt, wenn der steuerpflichtige Vorgang an den Betrieb des Unternehmens anknüpft oder in innerer Beziehung zum Unternehmen steht oder der Verwirklichung des Zweckes des Unternehmens dient. Die Haftung wird vielmehr nur dann als gegeben erachtet, "wenn die Steuerpflicht durch bestimmte, in den einzelnen Steuergesetzen selbst bezeichnete Tatbestände an den Betrieb eines Unternehmens geknüpft ist".
Diese Voraussetzung ist bei der Beförderungsteuer erfüllt, und zwar nicht nur bei der Beförderungsteuer der Beförderungsunternehmen, sondern auch bei der Beförderungsteuer für den Werkverkehr. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 des Beförderungsteuergesetzes (BefStG) 1955 ist Voraussetzung der Erhebung von Beförderungsteuer für die Beförderung unter anderem von Gütern, daß die Beförderung "von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens für Dritte oder für Zwecke des eigenen Unternehmens durchgeführt wird". Soweit danach im Werkfernverkehr die Beförderung für Zwecke des eigenen Unternehmens vorgenommen wird, ist wesentliche Voraussetzung der Steuerpflicht, daß sie "im Rahmen des Unternehmens" geschieht. Danach ist der im BefStG 1955 bezeichnete Tatbestand im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs IV A 192/27 "an den Betrieb eines Unternehmens" geknüpft, so daß sich die Steuer auf den Betrieb dieses Unternehmens gründet.
Soweit sich die Bfin. für ihre Auffassung, die Steuerpflicht müsse automatisch und zwangsläufig mit der Art des Betriebes des betreffenden Unternehmens verbunden sein - eine Voraussetzung, die bei den von einem Obstgroßhändler im Werkverkehr ausgeführten Beförderungen nicht gegeben sei -, unter anderem auf einige Formulierungen des genannten Urteils beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Rechtssatz und die sonstigen Darlegungen des Reichsfinanzhofs lassen eindeutig erkennen, daß der Reichsfinanzhof die Haftung für Zollschulden deshalb verneint hat, weil die Zollschuld "durch die überführung der Waren in den freien Verkehr des Zollinlandes, und zwar bei dem Inhaber der Waren" entsteht, und weil es dabei "völlig gleichgültig" ist, ob dieser Inhaber "ein Unternehmen" betreibt oder nicht, wie auch nach § 45 des Zollgesetzes vom 20. März 1939 (RGBl I S. 529) in der geltenden Fassung die Einfuhrzollschuld unabhängig davon entsteht, ob der Zollschuldner ein Unternehmen betreibt oder nicht. Gerade durch die Verneinung der Haftung bei einem steuerlichen Tatbestand, der unabhängig von dem Bestehen eines Unternehmens ist, ergibt sich aus der Begründung des Urteils des Reichsfinanzhofs die Bejahung der Haftung für solche Steuern, die, wie die Beförderungsteuer schlechthin, anders als im Rahmen eines Unternehmens gar nicht entstehen können. Soweit daher die erwähnten Formulierungen entgegen der Ansicht des erkennenden Senats zu Zweifeln Veranlassung geben könnten, würden diese etwaigen Zweifel durch den Gesamtinhalt des Urteils als beseitigt anzusehen sein. Ebenso ist es für die Beurteilung entgegen der Ansicht der Bfin. ohne Bedeutung, daß in dem Urteil die Worte "auf den Betrieb" und "gründet" zweimal in Sperrdruck erscheinen. Der Reichsfinanzhof folgte dabei offenbar der Terminologie des § 96 AO früherer Fassung. Der Rechtssatz und die sonstigen Ausführungen des Urteils lassen erkennen, daß der Reichsfinanzhof entscheidend darauf abstellte, ob der Tatbestand der Steuerpflicht sich auf den Betrieb "eines Unternehmens" gründet.
Der im Schrifttum vertretenen Auffassung, die Haftung nach § 116 Abs. 1 Ziff. 1 AO sei auf die Beförderungsteuer der Beförderungsunternehmen zu beschränken, kann der Senat nicht folgen. Aus dem Gesetz ergibt sich eine solche Einschränkung nicht. Die Haftung des Erwerbers setzt nach § 116 Abs. 1 Ziff. 1 AO nur voraus, daß sich die Steuerpflicht auf den Betrieb eines Unternehmens gründet. Diese Voraussetzung ist nicht nur bei der Beförderungsteuer eines Beförderungsunternehmens, sondern auch bei der Beförderungsteuer im Werkfernverkehr gegeben. Denn auch bei letzterer ist die Steuer ihrem Wesen nach zwangsläufig an den Betrieb eines Unternehmens geknüpft. Das Gesetz verlangt nicht, daß die Durchführung von Beförderungen für die Art des Betriebes typisch ist (wie bei eigentlichen Beförderungsunternehmen); es genügt vielmehr für die Bejahung der Haftung, daß im Rahmen des Unternehmens für Zwecke desselben Beförderungen im Werkfernverkehr vorgenommen werden, auch wenn der Unternehmer (wie im Streitfall der Obstgroßhändler) seine Güter auf andere Weise, z. B. durch einen Spediteur oder durch die Bahn, befördern lassen könnte.
Die Darlegung des Vertreters der Bfin., aus dem Gebrauch des Wortes "des" Unternehmens in Ziff. 1 des Abs. 1 des § 116 AO sei etwas anderes herzuleiten, kann nicht überzeugen. Die Haftung des Erwerbers wird nach den einleitenden Worten des Abs. 1 unter anderem für den Fall festgelegt, daß "ein" Unternehmen im ganzen übereignet wird; darauf bezieht sich die Fassung in Ziff. 1, nach der die Haftung eintritt für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb "des" (dieses) - in der Einleitung des Abs. 1 mit "ein" bezeichneten Unternehmens - gründet. ...
Fundstellen
Haufe-Index 410034 |
BStBl III 1961, 270 |
BFHE 1962, 1 |
BFHE 73, 1 |