Leitsatz (amtlich)
Teile des Gasturbinenteils eines Abgasturboladers sind als Gasturbinenteile und nicht als Abgasturboladerteile zu tarifieren.
Normenkette
GZT
Streitjahr(e)
1961
Tatbestand
Die Klägerin ließ am 23. Februar 1961 u. a. einen Rotor und einen Düsenring "für Abgasturbolader" zum freien Verkehr abfertigen. Die Zollstelle wies die Teile der Tarifnr. 84.08 - D - II - a des Zolltarifs (ZT) 1961 - Teile von Gasturbinen - zu und erhob durch Steuerbescheid vom gleichen Tage Eingangsabgaben in Höhe von ... DM. Mit ihrem Einspruch hiergegen machte die Klägerin geltend, daß die Teile entsprechend der Vorschrift 2 b zu Abschn. XVI der Tarifnr. 84.11 - C ZT 1961 - Ventilatoren und dergleichen, I - Abgasturbogebläse zum Aufladen von Dieselmotoren (Abgasturbolader) - zugewiesen werden müßten. Der Einspruch blieb erfolglos.
Auf die Berufung der Klägerin setzte die Vorinstanz den Abgabenbetrag auf ... DM herab. Sie ging dabei davon aus, daß Abgasturbolader eine konstruktive Einheit aus Gasturbinen- und Ventilatorenteil seien und daher Waren, die erkennbar Teile dieser Maschinenart seien, nach der Vorschrift 2 b zu Abschn. XVI des ZT als Teile von Abgasturboladern der Tarifnr. 84.11 - C - I zuzuweisen seien.
Mit seiner nunmehr als Revision zu betrachtenden Rechtsbeschwerde macht das Hauptzollamt (HZA) folgendes geltend:
Das Finanzgericht (FG) sei nicht auf die Ausführungen eingegangen, daß es für die Tarifierung der eingeführten Waren nicht darauf ankomme, daß Antriebs- und Arbeitsmaschine des Turboladers als unselbständige Einbaumaschinen für sich nicht arbeitsfähig seien. Das Antriebselement und das Arbeitselement seien vielleicht nicht im technischen Sinne, aber im Sinne des ZT einwandfrei als Maschinen und der Abgasturbolader als Aggregat anzusehen. Das FG mache den Fehler, daß es den wesentlich engeren Maschinenbegriff der angehörten Sachverständigen mit dem umfassenderen zolltariflichen Begriff "Maschine" gleichsetze.
Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, führt folgendes aus:
Der Abgasturbolader sei eine untrennbare Maschineneinheit, aber nicht eine Einzelmaschine. Von entscheidender Bedeutung sei, daß der ZT und die Erläuterungen beim Warenbegriff "Abgasturbolader" von der Vorstellung eines aus Antriebs- und Arbeitsmaschine bestehenden Maschinenaggregats ausgingen und daß sich diese Auffassung auch aus der Entstehungsgeschichte der tariflichen Bestimmung ergebe. Der Wortlaut der Überschrift zu Tarifnr. 84.11 "Ventilatoren und dergleichen" umfasse nur reine Arbeitsmaschinen, die durch fremde Kräfte angetrieben würden. Das schließe die Einbeziehung auch solcher Arbeitsmaschinen nicht aus, die mit Eigenantrieb ausgestattet seien. Aber nur auf Grund der Vorschrift 6 zu Abschn. XVI gehörten zur Tarifnr. 84.11 neben der reinen Arbeitsmaschine auch mit Antriebsmaschine ausgestattete Ventilatoren. Würden Teile zur Abfertigung gestellt, verliere die Vorschrift 6 ihre Wirkung mit der Folge, daß nach Tarifnr. 84.11 nur solche Waren tarifiert werden könnten, die durch die Überschrift erfaßt seien. Die Erläuterungen (I, 7) zu Tarifnr. 84.11 trügen den Grundsätzen des ZT, wie sie in der erwähnten Vorschrift 6 zum Ausdruck kämen, in sorgfältig gewählter Formulierung Rechnung, wenn sie von "durch Gasturbinen angetriebenen Gebläsen" sprächen. Die Abgasturbolader seien als besondere Position auf Grund des deutsch-schweizerischen Zollvertrages vom 20. Dezember 1951 (BGBl 1952 II S. 405 ff.) in den Deutschen Zolltarif aufgenommen worden. Da man die Abgasturbolader zunächst als Dieselmotorenteile angesehen habe, seien Expositionen bei Tarifnr. 84.06 (ZT 1951) geschaffen worden. 1958 seien die Abgasturbolader umtarifiert und als Exposition zu den Ventilatoren der Tarifnr. 84.11 - B genommen worden. Durch Übernahme der früheren Begriffsbestimmung in die Erläuterungen sollte rechtsverbindlich klargestellt werden, daß der Abgasturbolader ein Maschinenaggregat sei, das aus zwei auf einer gemeinsamen Welle befindlichen Teilen bestehe, nämlich einem Gebläse (als Arbeitsmaschine und einer Gasturbine (als Antriebsmaschine). Daß die Gasturbinenstufe des ein Maschinenaggregat bildenden Abgasturboladers zu Tarifnr. 84.08 - B - II gehöre, ergebe sich aus dem klaren Wortlaut der Vorschrift 2 a zu Abschn. XVI und finde seine Bestätigung in den zu dieser Vorschrift gegebenen Brüsseler Erläuterungen. Infolgedessen seien Teile dieser Gasturbinenstufe wie der Rotor und Düsenring ihrer unmittelbaren Zweckbestimmung entsprechend zolltariflich Gasturbinenteile und nicht Abgasturboladerteile oder gar Dieselmotorenteile. Die Vorschrift 2 b zu Abschn. XVI, die für die Tarifierung des Rotors und Düsenrings maßgebend sei, beziehe sich hinsichtlich der Maschinenart stets nur auf den engsten zolltariflichen Warenbegriff, also im vorliegenden Falle weder auf die Maschinenart Abgasturbolader noch auf die Maschinenart Dieselmotor, sondern auf die Gasturbinenstufe.
Der Bundesminister der Finanzen beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Abgasturbolader sei kein Maschinenaggregat, sondern eine Einheit, wie sich aus dem vorgelegten Gutachten von Prof. ... in allen Einzelheiten ergebe. Für die Tarifierung der eingeführten Maschinenteile scheide die Vorschrift 3 zu Abschn. XVI des ZT aus, da die Teile nicht eine unvollständige Maschine darstellten. Auch die Vorschriften 5 und 6 schieden aus, da es sich um Maschinenteile handle, die von der Vorschrift 2 erfaßt würden. Die eingeführten Maschinenteile stellten sich nicht als Waren einer Tarifnr. des Kap. 84 oder 85 dar, so daß auch nicht die Vorschrift 2 a zur Anwendung käme. Sie seien nach ihrer Beschaffenheit erkennbar für Abgasturbolader bestimmt, daher wie diese der Tarifnr. 84.11 zuzuweisen. Die Vorschrift 3 zu Abschn. XVI grenze nur Maschinenteile gegenüber vollständigen Maschinen ab. Das könne aber nicht nach Vorschrift 5 dazu führen, daß eine Einzelmaschine zur kombinierten Maschine würde. Nach § 49 Abs. 3 ZG 1939 könnten Erläuterungen zum ZT nur einer Interpretation des Gesetzes dienen, dieses aber nicht abändern. Eine wörtliche Auslegung der Erläuterungen führe zu falschen Ergebnissen.
Entscheidungsgründe
Der Revision war der Erfolg nicht zu versagen.
- Bei den im Februar 1961 eingeführten Waren - Rotor und Düsenring - handelt es sich um Maschinenteile. Für ihre Tarifierung ist die Vorschrift 2 zu Abschn. XVIZT 1961 maßgebend. Sie scheidet zunächst Teile von Waren der Tarifnr. 84.64, 85.23, 85.24, 85.25 und 85.27 sowie von Waren aus, die durch die Vorschriften 1 zu Abschn. XVI, Kap. 84 oder 85 von Abschn. XVI ausgenommen sind oder nach der Vorschrift 3 zu tarifieren sind. Da die eingeführten Maschinenteile offensichtlich nicht Teile von Waren sind, die zu den angeführten Ausnahmen gehören, kommen für ihre Tarifierung folgende in der Vorschrift 2 enthaltene Regeln in Betracht:
"a) Teile, die sich als Waren einer Tarifnummer des Kapitels 84 oder 85 (ausgenommen die Tarif-Nrn. 84.65 und 85.28) darstellen, sind dieser Tarifnummer zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine sie bestimmt sind.
- Andere Teile sind, wenn zu erkennen ist, daß sie ihrer Beschaffenheit nach ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschinenart oder für mehrere in der gleichen Tarifnummer (auch in Tarif-Nr. 84.59 oder 85.22) erfaßte Maschinenarten bestimmt sind, der Tarifnummer für diese Maschinenart oder Maschinenarten zuzuweisen. Teile, die ihrer Beschaffenheit nach hauptsächlich sowohl für Waren der Tarif-Nr. 85.13 als auch für Waren der Tarif-Nr. 85.15 bestimmt sind, sind der Tarif-Nr. 85.13 zuzuweisen.
- Alle übrigen Teile sind der Tarif-Nr. 84.65 oder 85.28 zuzuweisen."
Da die eingeführten Waren nach ihrer Beschaffenheit entweder (wie die Zollverwaltung meint) als Teile einer Gasturbine - Tarifnr. 84.08 - B - oder (wie die Klägerin in Übereinstimmung mit der Vorinstanz meint) als Teile eines Abgasturboladers - Tarifnr. 84.11 - C - I - zu tarifieren sind, scheiden die unter c) und im letzten Satz von b) genannten Regeln aus.
- Eine Tarifierung der eingeführten Waren nach der Vorschrift 2 a ist insofern nicht möglich, als in dem in Betracht kommenden Kap. 84 des ZT 1961 sich eine Tarifnr., unter die der Düsenring oder der Rotor als solche fallen, nicht findet. Insbesondere können diese Teile nicht auch nur als unvollständige Gasturbine (siehe Vorschrift 3) angesehen werden, sondern sind nichts anderes als allenfalls Teile einer solchen, da es mangels einer Lagerung der Rotorwelle, eines Gehäuses und anderer Teile an den für eine Gasturbine charakteristischen Merkmalen fehlt.
Es bleibt daher nur die Regel der Vorschrift 2 b anwendbar. Demnach kommt es darauf an, ob zu erkennen ist, daß die Teile ihrer Beschaffenheit nach ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschinenart bestimmt sind, so daß deren Tarifnr. für die Tarifierung der Teile maßgebend wäre. Daß der Düsenring und der Rotor (Welle mit fest verbundenen Turbinenrad) ausschließlich oder hauptsächlich für eine Gasturbine bestimmt sind, kann nach Auffassung des Senats nicht in Zweifel gezogen werden. Wenn aber damit ihre - unmittelbare - Bestimmung für eine Gasturbine, und zwar nur für eine solche eindeutig erkennbar ist, kommt es für ihre zolltarifliche Einordnung nicht mehr darauf an, ob sie als Teile einer Gasturbine mit dieser zusammen zu einer Verwendung im Rahmen eines größeren Ganzen, nämlich eines Abgasturboladers bestimmt sind. Sie können daher schon aus diesem Grunde nicht als Teile eines Abgasturboladers nach Tarifnr. 84.11, sondern nur als Teile einer Gasturbine nach Tarifnr. 84.08 - D - II - a tarifiert werden.
- Daß nur eine solche Tarifierung zutreffend ist, ergibt sich aber auch aus folgendem.
Würden nicht nur die genannten Teile eingeführt werden, sondern der vollständige Gasturbinenteil eines Abgasturboladers, so würde dieser - wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend betont hat -, ohne Rücksicht darauf, ob er für einen Abgasturbolader bestimmt ist, nach der Vorschrift 2 a zu Abschn. XVI als eine Ware der Tarifnr. 84.08 dieser Tarifnr. zuzuweisen sein. Wenn danach aber sogar der ganze Gasturbinenteil eines Abgasturboladers - also einschließlich des Rotors und Düsenrings- nicht als Teil eines Abgasturboladers, sondern als Gasturbine zu tarifieren wäre, kann es nicht angängig sein, einzelne seiner Teile nicht als Teile einer Gasturbine, sondern als Teile eines Abgasturboladers einzureihen.
Unter diesen Umständen kommt es im Streitfall, in dem nur Teile einer Gasturbine zu tarifieren waren, auf die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten darüber, ob ein Abgasturbolader als eine aus Gasturbinen- und Gebläseteil bestehende Einzelmaschine oder als Maschinenaggregat (bzw. kombinierte Maschine im Sinne der Vorschrift 5 zu Abschn. XVI) oder als feste Verbindung einer Antriebs- und einer Arbeitsmaschine (Vorschrift 6) anzusehen ist, nicht an.
- Da nach Vorstehendem die Vorinstanz zu Unrecht die eingeführten Waren als Teile eines Abgasturboladers der Tarifnr. 84.11 zugewiesen hat, war sie aufzuheben. Die Sache ist, da es einer weiteren Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht nicht bedarf, spruchreif. Im Hinblick darauf, daß die vom Zollamt vorgenommene und von der Einspruchsentscheidung gebilligte Tarifierung als zutreffend anzusehen ist und die Abgabenberechnung einen Fehler nicht erkennen läßt, war die nunmehr als Klage anzusehende Berufung der Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 425792 |
BFHE 1966, 578 |
BFHE 85, 578 |