Leitsatz (amtlich)
Der Teilwert von Investmentanteilen, die für den Betrieb entbehrlich sind, wird durch den Rücknahmepreis der Anteile bestimmt.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2, 4
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, führte im Streitjahr 1964 in ihrem Betriebsvermögen 1000 Investaanteile und 950 Intervestanteile. Am 11. November 1964 entnahmen die Gesellschafter 700 Investaanteile und am 31. Dezember 1964 950 Intervestanteile sowie die restlichen Investaanteile, jeweils zu den Buchwerten. Der Revisionskläger (das FA) ermittelte den Gewinn der Klägerin im Anschluß an eine Betriebsprüfung in der Weise, daß er die Entnahmen der Anteile mit den Ausgabepreisen bewertete. Das ergab eine Gewinnerhöhung von 10 137 DM.
Die Klägerin begehrte dagegen die Bewertung der Entnahmen mit den Rücknahmepreisen der Anteile, mit der Folge, daß sich der Gewinn um 4 395 DM erhöht hätte.
Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage hin hat das FG den Gewinn der Klägerin auf 279 058 DM herabgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Entnahme der Investmentanteile sei nicht mit den Ausgabepreisen der Anteile, sondern mit den Rücknahmepreisen der Anteile zu bewerten. Aus dem Urteil des BFH VI 226/64 vom 15. Juli 1966 (BFH 86, 699, BStBl III 1966, 643) ergebe sich zwar folgerichtig die Bewertung zum Ausgabepreis. Dieses Urteil sei jedoch nicht richtig.
Den Streitwert hat das FG auf 2 411 DM festgesetzt, außerdem aber, für den Fall, daß der Streitwert 1 000 DM nicht übersteigen sollte, die Revision zugelassen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen Abweichung vom BFH-Urteil VI 226/64 (a. a. O.).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und den Gewinn auf 284 800 DM festzusetzen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Der Teilwert der Investmentanteile, mit dem die Entnahmen anzusetzen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG) wird durch den Rücknahmepreis der Anteile bestimmt.
1. Teilwert ist nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs - unter der Annahme der Fortführung des Betriebs - im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Zur Bewertung von Wertpapieren des Umlaufvermögens hat der BFH entschieden, daß dann, wenn ihr Kurs sinkt, der Teilwert dem Betrag entspricht, der sich ergibt, wenn die Anschaffungskosten (Kaufpreis und Nebenkosten) in demselben Verhältnis gemindert werden, in dem der Kaufpreis (ohne die Nebenkosten) zum gesunkenen Börsenkurs steht (BFH-Urteil VI 226/64, a. a. O.). Das bedeutet, daß die Nebenkosten nicht voll, sondern nur anteilig abgeschrieben werden können. Der Senat braucht auf die Einwendungen des FG gegen dieses Urteil nicht näher einzugehen. Denn entgegen der Ansicht des FG zwingt dieses Urteil nicht zu dem Schluß, daß im Streitfall die Entnahmen der Investmentanteile mit den Ausgabepreisen zu bewerten sei.
a) Das BFH-Urteil VI 226/64 (a. a. O.) betrifft das Verhältnis zwischen Kaufpreis und Nebenkosten bei der Ermittlung des Teilwerts. Werden Investmentanteile ausgegeben, so hat der Erwerber nicht einen Kaufpreis und Nebenkosten zu entrichten, sondern einen "Ausgabepreis" (§ 18 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften vom 16. April 1957 - KAGG 1957 -, BGBl I 1957, 378). Der Ausgabepreis setzt sich zusammen aus dem Wert des Anteils am Sondervermögen und einem in den Vertragsbedingungen festzusetzenden Aufschlag (§ 18 Abs. 2 Satz 1, § 14 Abs. 3 ff. KAGG 1957). Der Wert des Anteils ergibt sich aus der Teilung des Wertes des Sondervermögens durch die Zahl der Anteile (§ 18 Abs. 2 Satz 2 KAGG 1957). Der Aufschlag dient, wie sich aus § 14 Abs. 3 ff. KAGG 1957 ergibt, zur Deckung der Kosten der Gesellschaft. Er geht ein in das eigene Vermögen der Gesellschaft oder in das Sondervermögen, je nachdem, aus welchen dieser Vermögen die Kosten zu decken sind (Baur, Investmentgesetze, S. 251). Die Zusammensetzung des Ausgabepreises und seine Verwendung im Bereich der Gesellschaft ändern nichts daran, daß es sich für den Erwerber um einen einheitlichen Ausgabepreis handelt. Der Aufschlag gehört nicht zu den "Nebenkosten".
b) Das BFH-Urteil VI 226/64 (a. a. O.) betrifft den Teilwert von Wertpapieren, deren Börsenkurs gesunken ist. Der Rücknahmepreis der Investmentanteile, mit dem die Klägerin die Entnahmen bewerten will, ist kein gesunkener Börsenkurs. Nach § 10 Abs. 2 KAGG 1957 kann jeder Anteilsinhaber verlangen, daß ihm gegen Rückgabe des Anteilscheins sein Anteil an dem Sondervermögen ausgezahlt wird. Die Höhe des Rücknahmepreises ist in den Vertragsbedingungen festzusetzen (§ 14 Abs. 3g KAGG 1957). Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen hat dazu folgende Anhaltspunkte gegeben: Der Rücknahmepreis ist der Anteilwert, er wird ohne jeden weiteren Abschlag erstattet. Der Anteilwert wird in der Weise ermittelt, daß der Wert der zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände durch die Zahl der umlaufenden Anteile geteilt wird (Baur, a. a. O., 208). Neben dem Ausgabepreis und dem Rücknahmepreis gibt es, wie das FG festgestellt hat, keinen Marktpreis für die Investmentanteile. Das in Deutschland geltende openend-Prinzip, dessen wesentliches Merkmal das Rückgaberecht des Anteilinhabers darstellt, hat gerade den Zweck, selbständige, vom wirklichen Beteiligungswert abweichende Kurse der Investmentanteile zu verhindern (v. Cammerer, Juristen-Zeitung 1958 S. 41 [43]; Baur, a. a. O., 9, 173, 250).
Im Rücknahmepreis spiegelt sich somit der wirkliche Wert der Investmentanteile wider. Er ist unbeeinflußt von subjektiven Vorstellungen und Erwartungen der Gesellschaft und des Anteilinhabers.
c) Diese Unterschiede zwischen Wertpapieren, deren Kurs gesunken ist, und Investmentanteilen, deren Rücknahmepreis unter dem Ausgabepreis liegt, sind auch im Hinblick auf den Begriff des Teilwerts rechtlich erheblich. Ein gedachter Erwerber des Betriebs, in dessen Vermögen Investmentanteile liegen, wird im Rahmen des Gesamtkaufpreises für die Investmentanteile nicht mehr ansetzen als deren Rücknahmepreise. Denn diese dürfen nach den erwähnten Vorschriften als Ausdruck des wirklichen Wertes der Anteile angesehen werden, eine Annahme, die dadurch gestützt wird, daß die Investmentanteile auch nach dem Bewertungsgesetz (BewG) mit den Rücknahmepreisen anzusetzen sind (§ 11 Abs. 4, § 109 Abs. 3, § 113 BewG 1965). Bei dieser Sachlage wird der Erwerber des Betriebs auch keine Rücksicht darauf nehmen, daß der Veräußerer seinerzeit für die Anteile einen höheren Ausgabepreis zu zahlen hatte. Das gilt jedenfalls im Streitfall, in dem die Investmentanteile nach den Feststellungen des FG zu den entbehrlichen Wirtschaftsgütern des Betriebs zählten, deren Teilwert im allgemeinen nicht durch den Wiederbeschaffungspreis, sondern durch den Einzelveräußerungspreis (Verkehrswert) bestimmt wird (BFH-Urteil IV 166/65 vom 25. Juni 1970, BFH 99, 482, 484, BStBl II 1969, 721).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 413192 |
BStBl II 1972, 489 |
BFHE 1972, 141 |