Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Das Recht zur Sandgewinnung ist auch in Schleswig-Holstein kein Recht im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 GrEStG.
Aufwendungen des Grundstückserwerbers für das Sandvorkommen sind deshalb grundsätzlich Teile der Gegenleistung.
Ist das Recht eines Dritten zur unbeschränkten Sandgewinnung (bis zur Erschöpfung des Vorkommens) durch eine Grunddienstbarkeit gesichert, so kann dieser Art Grunddienstbarkeit der Charakter einer dauernden Last zugesprochen werden.
Normenkette
GrEStG § 2 Abs. 1 S. 2, § 11 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige - Stpfl. -) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 6. Februar 1960 ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück, auf dem sich ein Sandvorkommen befand. Das Sandausbeuterecht stand auf Grund eines Vertrages vom 24. Juni 1927 der Firma X.-KG (KG) zu und war seit 1936 durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit zugunsten eines Betriebsgrundstücks der KG dinglich gesichert. Die Stpfl. trat in den Sandausbeutevertrag ein und sicherte im Einvernehmen mit dem Ehemann als dem Komplementär der KG der Verkäuferin eine jährliche Mindestsandabnahme zu. Als Gegenleistung waren u. a. vereinbart a) für die überlassung des Grundstücks 1 DM/qm, d. h. insgesamt 49.187 DM, b) "für die übertragung des Sandausbeutevertrags" laufende Zahlungen entsprechend der Sandentnahme durch die KG, die sich nach Zahl und Art der von der KG hergestellten Steine bemaß. Die KG verpflichtete sich unwiderruflich, diese Beträge unmittelbar an die Verkäuferin zu zahlen.
Das Finanzamt (FA) kam zu dem Ergebnis, daß Gegenstand des Kaufvertrags nur der Verkauf eines Grundstücks, nicht auch noch der einer Gewerbeberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 GrEStG und daß deshalb auch das Entgelt für die sog. übertragung der Rechte aus dem Sandausbeutevertrag zur Gegenleistung für das Grundstück zu rechnen sei. Den Kapitalwert dieser Leistungen ermittelte das FA gemäß §§ 15 Abs. 2, 17 BewG auf 153.000 DM und setzte durch Steuerbescheid vom 10. November 1961 eine entsprechende Grunderwerbsteuer fest.
Der Einspruch war erfolglos. Die Berufung, mit der die Stpfl. sich hinsichtlich des Sandausbeuterechts gegen Grund und Höhe der Besteuerung wehrte, hatte Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat in dem auszugsweise in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1963 S. 263 veröffentlichten Urteil III 184/62 vom 27. Februar 1963 die Auffassung, daß die sich aus dem Eigentum ergebende Befugnis zur Sandentnahme als Grunddienstbarkeit in ein selbständiges dingliches Recht verwandelt worden und auf den auf diese Weise Berechtigten (die KG) übergegangen sei, also nicht mehr durch die Verkäuferin auf die Stpfl. habe übertragen werden können. - Die für das Sandausbeuterecht bestellte Grunddienstbarkeit sei wegen der dauernden Wertminderung des Grundstücks durch den Sandabbau als dauernde Last und somit gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG nicht als Teil der Gegenleistung anzusehen.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des FA als Revisionskläger unzureichende Sachaufklärung, Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und unrichtige Rechtsanwendung besonders des § 11 GrEStG. Aus den Akten ergebe sich, daß "die Käuferin" auch die als Zahlung "für die übertragung des Sandausbeutevertrags" bezeichnete Leistung tatsächlich als Entgelt für den Erwerb des Gesamtgrundstücks selbst bewirkt habe. Grunderwerbsteuerrechtlich sei es unerheblich, ob ein solcher Ausbeutevertrag in Form eines Nießbrauchs oder eines durch eine Grunddienstbarkeit gesicherten Pachtvertrags geschlossen sei. Entscheidend sei nicht nur die Rechtsnatur der Grunddienstbarkeit, sondern auch deren Inhalt, also der ausdrücklich jederzeit kündbare Pachtvertrag, so daß die Grunddienstbarkeit nicht als dauernde Last behandelt werden dürfe.
Entscheidungsgründe
Die ab 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. des Vorstehers des FA kann keinen Erfolg haben.
Richtig ist allerdings, daß grunderwerbsteuerrechtlich als Gegenstand des Kaufvertrags der Verkauf des gesamten Grundstücks einschließlich des Sandvorkommens und nicht auch noch einer Gewerbeberechtigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 GrEStG anzusehen ist. Der Senat hat in Fortführung der ständigen Rechtsprechung in dem Urteil II 130/62 vom 22. Juni 1966, das in der Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs veröffentlicht wird, erneut entschieden, daß als Mineralgewinnungsrechte und sonstige Gewerbeberechtigungen im Sinne dieser Bestimmung nur diejenigen Gewerbeberechtigungen in Betracht kommen, die als solche wirklich nach den maßgeblichen Vorschriften als grundstücksgleiche Rechte oder als Grundstücksbestandteile (§ 96 BGB) begründet worden sind. Insoweit wird auf die Gründe des oben angeführten Urteils II 130/62 Bezug genommen.
Sand gehört auch in Schleswig-Holstein nicht zu den dem Verfügungsrecht des Eigentümers entzogenen sog. Regalen Mineralien (§§ 1, 2 des Allgemeinen Berggesetzes in der Fassung des Landesgesetzes vom 12. November 1952, GVBl S. 176). Das Recht zur Sandgewinnung ist also keine selbständige Gewerbeberechtigung im obigen Sinne, sondern nur eine im Eigentumsrecht selbst enthaltene Befugnis und somit Teil des Grundstückseigentums. Hieran ändert sich - anders als es anscheinend das FG meint - auch nichts dadurch, daß das im Jahre 1927 eingeräumte Sandausbeuterecht seit 1936 durch eine Grunddienstbarkeit (§§ 1018 ff. BGB) dinglich gesichert worden ist. Allerdings kann ein Recht zur Gewinnung von Bodenbestandteilen Gegenstand einer Grunddienstbarkeit sein, und zwar auch dann, wenn hierdurch das Bodenvorkommen mit der Zeit völlig erschöpft ist (Urteil des Reichsgerichts in Zivilsachen V 392/25 vom 14. April 1926, I. A. Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten, Bd. 80, Nr. 169; Höchstrichterliche Rechtsprechung 1936 Nr. 662; Baur in Soergel-Siebert, BGB, 9. Aufl., § 1018 Tz. 13, § 1019 Tz. 2; Denecke in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum BGB, 11. Aufl., § 1018 Anm. 18; Ring in Staudinger, Kommentar zum BGB, 11. Aufl., § 1018 Tz. 21, § 1019 Tz. 6; Wolff-Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, § 110 zu VI). Die Grunddienstbarkeit ist Bestandteil im Sinne des § 96 BGB, jedoch nur des herrschenden Grundstücks, dagegen für das - hier allein streitbefangene - dienende Grundstück nur Belastung (Palandt, Kommentar zum BGB, 25. Aufl., überblick vor § 1018 Anm. 1 a, Einführung vor § 1018 Anm. 3; Wolff-Raiser, a. a. O., § 106 zu I). Außerdem ist zwar die Grunddienstbarkeit eine Beschränkung des Eigentumsinhalts des dienenden Grundstücks in dem Sinne, daß der Eigentümer dieses Grundstücks zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks im einzelnen bestimmte, aus einem Eigentum fließende Rechte nicht ausüben darf (Baur, a. a. O., § 1018 Tz. 2; Ring, a. a. O., § 1018 Tz. 1, 32). Die Art der Beschränkung der Herrschaftsbefugnis schließt aber - unbeschadet der dinglichen Wirkung der Grunddienstbarkeit gegenüber jedem Erwerber - die Befugnis des Eigentümers zur Veräußerung des dienenden Grundstücks einschließlich aller seiner Bestandteile nicht aus. Da sich jedenfalls grunderwerbsteuerrechtlich der Erwerbsvorgang auch auf das Sandvorkommen als Bestandteil des dienenden Grundstücks selbst erstreckt, sind auch gesondert ausgewiesene Aufwendungen für solche Vorkommen - in welcher Einkleidung auch immer, z. B. als Entgelt für ein "Mineralgewinnungsrecht" oder, wie im Streitfall, "für die übertragung des Sandvorkommens" - grundsätzlich als Teile der Gegenleistung zu behandeln (vgl. hierzu auch das heutige oben angeführte Urteil II 130/62 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Insoweit ist deshalb dem FA im Ergebnis darin beizutreten, daß die Verkäuferin, nachdem diese sich ihrer Rechte und Pflichten aus dem Sandausbeutevertrag durch Veräußerung des dienenden Grundstücks entäußert hatte, sämtliche Aufwendungen der Käuferin (Stpfl.) einschließlich der sonstigen Leistungen für den Eintritt in den Sandausbeutevertrag grundsätzlich nur noch als Gegenleistung im Sinne des § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG für die Hingabe des Grundstücks selbst habe fordern und erhalten können.
Gleichwohl bedurfte es einer Aufhebung der Vorentscheidung, die in diesem Punkte von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, nicht, weil dem FG im zweiten Punkt zuzustimmen ist, daß die für das Sandausbeuterecht bestellte Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) jedenfalls im Streitfall aus den folgenden Gründen als dauernde Last im Sinne des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG zu betrachten ist.
Der dem Grunderwerbsteuerrecht eigene Begriff der "dauernden Last" ist aus der Rechtsprechung des RFH entwickelt (vgl. Begründung zum GrEStG vom 29. März 1940, RStBl 1940, 387, 408). Der Nichtzurechnung einer dauernden Last zur Gegenleistung gemäß § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG liegt der Gedanke zugrunde, daß solche Lasten, mit deren Wegfall der jeweilige Grundstückseigentümer in absehbarer Zeit nicht rechnen kann, im rechtsgeschäftlichen Verkehr als eine dauernde wertmindernde Eigenschaft des Grundstücks selbst empfunden werden (vgl. allgemein Urteil des Senats II 157/57 U vom 9. September 1959, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69 S. 558 - BFH 69, 558 -, BStBl III 1959, 468). Deshalb zählen "immerwährende" Grunddienstbarkeiten (für ein Wegerecht vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs II A 529/31 vom 13. Oktober 1931, RFH 29, 348), "namentlich Grundgerechtigkeiten von unbegrenzter Dauer" (Urteil des Reichsfinanzhofs II A 560/31 vom 12. April 1932, RFH 31, 243, 249) zweifelsfrei zu den dauernden Lasten. Unter Bezugnahme auf Ott (Steuer und Wirtschaft 1932 I Sp. 722) hat der RFH dies auch (allgemein) ausgesprochen für die in einer Nutzung eines Grundstücks bestehenden Grunddienstbarkeiten, weil entscheidend sei, daß die Grunddienstbarkeit dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks zustehe (Urteil des RFH II A 390/34 vom 18. Januar 1935, RStBl 1935, 604; vgl. auch Boruttau- Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 8. Aufl., § 11 Tz. 337). Dagegen ist der nicht übertragbare, unvererbliche, nur zugunsten einer bestimmten natürlichen Person bestellte Nießbrauch (§§ 1030, 1059, 1061 BGB) keine dauernde Last (vgl. auch das Urteil des Senats II 49/60 U vom 13. Juli 1960, BFH 71, 440, BStBl III 1960, 413; Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tz. 339; Ott, Steuer und Wirtschaft 1932 I Sp. 720; 1935 Sp. 410), so daß die Gleichstellung der Grunddienstbarkeit mit dem Nießbrauch durch das FA in dieser allgemeinen Form nicht zutrifft.
In der weiteren Bemerkung des FA, es müsse in diesem Zusammenhang nicht nur auf die (abstrakte) Rechtsnatur der Grunddienstbarkeit als solcher, sondern auf deren Inhalt abgestellt werden, liegt insofern ein richtiger Kern, als auch eine Grunddienstbarkeit, gegebenenfalls unter Bezugnahme in der Eintragungsbewilligung auf den ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Vertrag, in gewissen Fällen auflösend bedingt oder zeitlich befristet bestellt werden kann (Baur, a. a. O., § 1018 Tz. 11; Denecke, a. a. O., § 1018 Anm. 6; Ring, a. a. O., § 1019 Tz. 4 vorletzter Absatz, alle mit Nachweisen der Rechtsprechung). Die Frage, ob in solchen Fällen auch Grunddienstbarkeiten, mit deren Ausübung eine wesentliche Veränderung (Verringerung) der Grundstückssubstanz nicht verbunden ist (z. B. Wege- und Weiderechte, Bauverbote), als dauernde Lasten im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 GrEStG anerkannt werden können, braucht für den Streitfall nicht entschieden zu werden. Zwar enthält der Sandausbeutevertrag von 1927, auf den in der Bewilligung zur Eintragung der Grunddienstbarkeit von 1936 Bezug genommen worden ist, keine Kündigungsbestimmungen. Das FA mißt aber dem Umstand, daß für den früher maßgeblichen Vertrag die gesetzlichen Kündigungsfristen (§ 595 BGB) galten, angesichts der tatsächlichen Entwicklung ein zu großes Gewicht bei: Der Ausbeutevertrag ist bereits im Jahre 1927 geschlossen und die Grunddienstbarkeit bereits im Jahre 1936 bestellt worden, bestand also im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages im Jahre 1960 bereits 24 Jahre; außerdem hatten sich die ausbeuteberechtigte KG schon im Jahre 1927 und die Stpfl. im Kaufvertrag im Einvernehmen mit der KG erneut sogar zu einer jährlichen Mindestsandentnahme verpflichtet. Die weitere Vereinbarung, daß das Abkommen auch bei Einstellung des Fabrikationsbetriebes erlösche, ist schon deshalb unschädlich, weil in solchen Fällen jede Grunddienstbarkeit dieser Art wegen Vorteilswegfalls für das herrschende Grundstück (§ 1019 BGB) kraft Gesetzes erlischt (Baur, a. a. O., § 1019 Tz. 6; Denecke, a. a. O., § 1019 Anm. 1 a. E.; Ring, a. a. O., § 1018 Tz. 45 und § 1019 Tz. 6; Wolff-Raiser, a. a. O., § 108 zu V 5; Meikel- Imhof-Riedel, Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 84 Tz. 7). Bereits in dem Urteil des Senats II 129/51 U vom 27. Februar 1952 (BFH 56, 250, BStBl III 1952, 98) hat der Senat angedeutet, daß Grunddienstbarkeiten den Charakter dauernder Lasten nicht schon deshalb verlieren, weil sie wegen besonderer Umstände - wie des Erlöschens im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 52 des Zwangsversteigerungsgesetzes - vorzeitig erlöschen.
Entscheidend kommt im Streitfall hinzu, daß vertraglich die praktisch unbeschränkte Sandausbeute durch den jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks vereinbart und durch die Grunddienstbarkeit dinglich gesichert worden ist. Der Senat hat unter diesen Umständen wie das FG keine Bedenken, dieser Art Grunddienstbarkeit den Charakter einer dauernden Last auch deshalb zuzusprechen, weil das dienende Grundstück nach Erschöpfung des Sandvorkommens entsprechend und auf Dauer in seinem Wert gemindert worden ist. Die Gestaltung des Streitfalls hinsichtlich der Verrechnung des Ausbeuteentgelts kann im Ergebnis nicht anders beurteilt werden als der Fall, daß dieses Entgelt in einer Summe an den früheren Grundstückseigentümer entrichtet worden ist, so daß der Erwerber des dienenden Grundstücks nur noch die Ausbeutelast zu tragen hat, ohne daß ihm ein Gegenwert zuflösse.
Bei dieser rechtlichen Beurteilung sind die Verfahrensrügen des FA gegenstandslos.
Da bereits bestehende dauernde Lasten auch dann nicht zur Gegenleistung gehören, wenn sie ausdrücklich übernommen worden sind (Urteil des RFH II A 390/34 vom 18. Januar 1935, a. a. O.; Boruttau-Klein, a. a. O., § 11 Tz. 135), war die Revision zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412160 |
BStBl III 1966, 550 |
BFHE 1966, 428 |
BFHE 86, 428 |