Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Erbschaftsteuerbefreiung bei Rückfall von Vermögensgegenständen an Eltern
Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 setzt Identität des zugewandten mit dem zurückfallenden Vermögensgegenstand voraus. Ausgeschlossen ist damit grundsätzlich die Begünstigung des Erwerbs von Vermögensgegenständen, die im Austausch der zugewandten Gegenstände in das Vermögen des Beschenkten gelangt waren. Etwas anderes gilt nur, wenn zwischen dem zugewandten und dem zurückfallenden Vermögensgegenstand bei objektiver Betrachtung Art- und Funktionsgleichheit besteht.
Normenkette
ErbStG 1974 § 13 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
FG München (Entscheidung vom 13.03.1991; Aktenzeichen 4 K 10228/85) |
Tatbestand
I. Streitig ist die Steuerbefreiung nach § 13 Abs.1 Nr.10 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 (Rückfall von Vermögensgegenständen an den Schenker).
Frau A hatte mit notariell beurkundetem Vertrag vom Dezember 1971 u.a. ihrem Sohn Grundstücke unentgeltlich zu Miteigentum übertragen. Im Jahr 1976 wurde ein Teil dieses Grundbesitzes enteignet. Im Jahre 1981 verstarb der Sohn. Er wurde u.a. von seiner Mutter zu 1/2 beerbt. Die Enteignungsentschädigung befand sich, so die Feststellung des Finanzgerichts (FG), im Zeitpunkt des Todes des Erblassers auf zwei seiner Konten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es unter Hinweis auf den Einführungserlaß zum ErbStG 1974 vom 10. März 1976 (BStBl I 1976, 145) ab, den Erwerb der Mutter des Erblassers hinsichtlich des auf sie entfallenden Anteils von 487 859 DM an der Enteignungsentschädigung nach § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 als steuerfrei zu behandeln.
Im Jahre 1984 ist die Mutter des Erblassers verstorben; sie ist von den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) zu je 1/3 beerbt worden.
Ihre Klage blieb erfolglos. Nach Auffassung des FG ist der Tatbestand des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 nur erfüllt, wenn die rückfallenden Vermögensgegenstände dieselben sind wie die seinerzeit zugewandten. Es leitet diese Auslegung der Vorschrift daraus ab, daß durch das ErbStG 1974 an die Stelle des bisher in der entsprechenden Vorschrift des § 18 Abs.1 Nr.13 ErbStG 1959 verwendeten Begriffs "Vermögen" der engere Begriff "Vermögensgegenstand" gesetzt worden ist.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 und beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Erbschaftsteuerbescheid des FA vom 11. November 1982 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 22. August 1985 dahingehend zu ändern, daß der eingetretene Vermögensrückfall in Höhe von 487 859 DM gemäß § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 als steuerfrei berücksichtigt wird.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der streitige Erwerb nicht von der Erbschaftsteuer befreit ist.
1. Nach § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 bleiben steuerfrei Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen. Der Tatbestand der Vorschrift ist im Streitfall nicht erfüllt. Bei dem der Mutter von Todes wegen nach ihrem Sohn angefallenen Geldvermögen handelt es sich, auch soweit es nachvollziehbar wäre, daß es aus der Entschädigung für die Enteignung der Grundstücke stammt, nicht um die Vermögensgegenstände, die sie ihrem Sohn durch Schenkung zugewandt hatte. Die von den Klägern begehrte Befreiung wäre zwar nach der dem § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 vorangegangenen Vorschrift des § 18 Abs.1 Nr.13 ErbStG 1959 zu gewähren gewesen, denn diese war nicht nur dann erfüllt, wenn dieselbe Sache oder dasselbe Recht so, wie es zugewandt wurde, zurückfällt, sondern auch dann, wenn bei Verwendung des Zugewandten dessen Wert bis zum Rückfall erhalten geblieben ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. März 1974 II R 40/68, BFHE 113, 45, BStBl II 1974, 658). Maßgebend hierfür war, daß nach § 18 Abs.1 Nr.13 ErbStG 1959 der Erwerb von "Vermögen, das Eltern, Großeltern oder entferntere Verwandte ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und das an diese Personen zurückfällt" steuerfrei blieb. Während nämlich der Begriff "Vermögen" regelmäßig eine Gesamtheit geldwerter Gegenstände umschreibt (vgl. § 1922 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--; BFH-Urteil in BFHE 113, 45, BStBl II 1974, 658), bezeichnet der in § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 anstelle des Begriffs Vermögen eingefügte Begriff "Vermögensgegenstand" die einzelnen zum Vermögen gehörenden konkreten Gegenstände (vgl. § 1085 Satz 1 BGB; BFH-Urteil in BFHE 113, 45, BStBl II 1974, 658). Dies entspricht auch im übrigen dem Verständnis des Begriffs "Vermögensgegenstand" im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz 1974 (vgl. § 2 Abs.3 in der bis 30. Juni 1990 geltenden Fassung des ErbStG 1974, § 10 Abs.6, § 21 Abs.2 Nr.1 und Nr.2 ErbStG 1974 i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes --BewG--, § 33 Abs.1 ErbStG 1974). Die Steuerbefreiung des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 ist danach auf den "Rückerwerb" der Gegenstände des Vermögens beschränkt, die dem Erblasser zuvor vom Erwerber geschenkt worden waren. Dies wird durch die Eingangsworte des § 13 Abs.1 und die Wendung des zweiten Satzteils des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 "steuerfrei bleiben ... (Vermögensgegenstände), die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen" verdeutlicht. Es genügt nicht ein Zurückfließen des Wertes, vielmehr muß der konkrete Gegenstand als solcher zurückfallen. Es muß sich danach --grundsätzlich-- um dieselben (identischen) Vermögensgegenstände handeln; die Verwendung des Begriffs Vermögensgegenstand (anstelle des Begriffs Vermögen in § 18 Abs.1 Nr.13 ErbStG 1959) schließt es aus, eine lediglich wertmäßige Kontinuität, die Werterhaltung, genügen zu lassen. Ausgeschlossen ist damit --grundsätzlich-- die Begünstigung des Erwerbs von Vermögensgegenständen, die im Austausch der zugewendeten Gegenstände in das Vermögen des Beschenkten gelangt waren, denn diese verkörpern allenfalls den Wert der zugewendeten Gegenstände (vgl. BFH-Urteil in BFHE 113, 45, BStBl II 1974, 658).
Allerdings würde der Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift übermäßig eingeengt, wenn von einer strikten Identität im Sinne einer völligen Übereinstimmung des zugewandten mit dem zurückgefallenen Vermögensgegenstand ausgegangen würde, denn in diesem Sinne wäre etwa die an den Schenker zurückfallende Geldforderung bereits dann nicht mehr identisch mit der zugewandten Geldforderung, wenn ein Wechsel in der Person des Schuldners, etwa durch Schuldübernahme (§§ 414 ff. BGB), eingetreten wäre. Der Senat sieht es deshalb für ausreichend, aber auch für erforderlich an, daß zwischen dem zugewandten und dem zurückfallenden Vermögensgegenstand bei objektiver Betrachtung Art- und Funktionsgleichheit besteht.
Für ein darüber hinausgehendes Verständnis der nach dem gesetzlichen Tatbestand des § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 für die Steuerbefreiung vorausgesetzten Identität des Zugewandten mit dem zurückfallenden Vermögensgegenstand ist kein Raum. Insbesondere teilt der erkennende Senat nicht die in der Literatur vertretene Auffassung (vgl. u.a. Kapp, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13 Rz.89; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 9.Aufl., § 13 Anm.30; Troll, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13 Tz.20), daß entsprechend der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs --RFH-- (Urteil vom 3. März 1931 I eA 234/30, Mrozek, Steuerrechtskartei, Erbschaftsteuergesetz, § 18 Nr.12, Rechtssatz 3; RStBl 1931, 297) und der früheren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 23. Februar 1966 II 21/63, BStBl III 1966, 356) ein befreiter Rückfall ursprünglich zugewandter Gegenstände auch dann vorliege, wenn zwar nicht diese Gegenstände in natura zurückfallen, sondern ersatzweise angeschaffte Gegenstände, "die bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise noch als dieselben Vermögensgegenstände anzusehen" seien (Meincke, a.a.O.). Eine derart weite Auslegung würde von der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung wegführen; wie im Urteil in BFHE 113, 45, 47, BStBl II 1974, 658 zutreffend ausgeführt wird, wäre eine "wirtschaftliche Identität" mangels irgendwelcher (erbschaftsteuerrechtlicher) Normen, welche über die "wirtschaftliche" Surrogation verfügen, auch schlechthin undefinierbar. Ein Rückgriff auf die Surrogationsbegriffe des bürgerlichen Rechts verbietet sich schon deshalb, weil diese in sich unterschiedlich sind (vgl. zur sog. dinglichen Surrogation auch Reichsgerichtsurteil vom 26. Juni 1922 VI 788/21, RG 105, 84, 87; Wolff, Juristische Schulung --JuS-- 1975, 643, 646).
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es als fragwürdig erscheint, ob zur Auslegung des im ErbStG 1974 verwendeten Tatbestandsmerkmals "Vermögensgegenstand" auf die zitierte Rechtsprechung verwiesen werden kann. Zum einen ist die Auffassung des RFH im Urteil vom 3. März 1931, daß der Begriff Vermögensgegenstand nicht wörtlich, sondern --in einer nicht näher definierten Weise-- wirtschaftlich zu verstehen sei, vor dem Hintergrund zu sehen, daß das ErbStG 1919/1925, zu dem diese Entscheidung ergangen ist, nicht diesen Begriff, sondern den Begriff Vermögen als gesetzliches Tatbestandsmerkmal verwendet hat. Zum anderen gibt der in RStBl 1931, 297 abgedruckte Text nicht die vollständige Entscheidung wieder; es handelt sich auch nicht um die die Entscheidung tragenden Gründe. Wie sich aus dem in der Mrozek-Kartei (a.a.O.) wiedergegebenen (mit der Urschrift übereinstimmenden) Text des Urteils ergibt, war nicht eine "wirtschaftliche Identität" der die zugewandten Vermögensgegenstände ersetzenden und zurückgefallenen Vermögensgegenstände entscheidungserheblich. Streitentscheidend war vielmehr, daß nicht nachprüfbar war, ob der Wert des Zugewandten bis zum Erbfall erhalten geblieben war.
2. Aus den Ausführungen zu 1. folgt für die vom erkennenden Senat zu treffende Entscheidung, daß der streitige Erwerb nicht (teilweise) nach § 13 Abs.1 Nr.10 ErbStG 1974 befreit ist, weil sich das der Mutter des Erblassers angefallene Geldvermögen als ein anderer Vermögensgegenstand darstellt, als es die dem Erblasser zugewendeten Grundstücke waren. Geldvermögen und Grundstücke werden im Rechts- und Wirtschaftsverkehr unterschiedlich beurteilt und behandelt. Eine andere Betrachtung ist im Streitfall auch nicht geboten, soweit das im Streitfall zu beurteilende Geldvermögen aus der Entschädigung für die Enteignung der zugewendeten Grundstücke herrührt, denn auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes besteht keine Art- und Funktionsgleichheit; nicht ausreichend ist, daß sich der Wert der Grundstücke im Geldvermögen niedergeschlagen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 65287 |
BFH/NV 1994, 64 |
BStBl II 1994, 656 |
BFHE 174, 377 |
BFHE 1995, 377 |
BB 1994, 1491 |
BB 1994, 1691 |
BB 1994, 1691-1692 (LT) |
DB 1994, 1603-1604 (LT) |
DStR 1994, 1148-1149 (KT) |
DStZ 1994, 754-755 (KT) |
HFR 1994, 602-603 (KT) |
StE 1994, 444 (K) |