Leitsatz (amtlich)

Der Zinsanteil der nach dem Ende der Entziehungsperiode nächstfälligen HGA-Leistungen kann nicht für einen Zeitraum erhoben werden, der vor dem Ende der Entziehungsperiode liegt.

 

Normenkette

LAG § 137; 15. AbgabenDV-LA § 4 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit geht um die Frage, von welchem Zeitpunkt ab Leistungen auf die HGA von den Abgabeschuldnern zu erbringen sind.

Das Grundstück, auf dem die vom FA festgesetzten Abgabeschulden der HGA als öffentliche Last ruhen, unterlag der Rückerstattung.

Das Rückerstattungsverfahren wurde durch Beschluß der Wiedergutmachungskammer vom 16. Februar 1961 zum Abschluß gebracht. Im Beschluß wurde festgestellt, daß der Verfall des Grundstücks auf Grund der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 nichtig sei und daß sämtliche Rechte an dem Grundstück den Antragstellern zustünden. Die Entscheidung der Wiedergutmachungskammer wurde rechtskräftig.

Im Rechtsmittelverfahren gegen den HGA-Bescheid änderte das Verwaltungsgericht (VG) die Einspruchsentscheidung und den HGA-Bescheid dahin ab, daß der Beginn der Leistungspflicht bezüglich der HGA-Leistungen auf den 12. Juli 1961 festgelegt wurde. Zur Begründung führte das VG aus, der Entziehungszeitraum sei nicht schon mit Verkündung der maßgeblichen Entscheidung im Rückerstattungsverfahren, sondern erst mit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung beendet. Der Beschluß der Wiedergutmachungskammer vom 16. Februar 1961 sei am 11. Juli 1961 rechtskräftig geworden. Mit diesem Zeitpunkt habe die Entziehungsperiode geendet, so daß die Abgabeschuldner erst vom 12. Juli 1961 an aus der HGA in Anspruch genommen werden könnten. Daß die Behörde in Fällen wie dem vorliegenden nicht berechtigt sei, die festgesetzten Vierteljahrsbeträge oder Halbjahrsbeträge in voller Höhe einzuziehen, wenn und soweit diese sich teilweise auf die Zeit vor Beginn der Leistungspflicht erstreckten, ergebe sich eindeutig aus dem Urteilstenor.

Mit der vom beklagten FA eingelegten Rechtsbeschwerde, die nach dem inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist, wurde beantragt, das Urteil des VG aufzuheben und die Einspruchsentscheidung des FA und den ihr zugrunde liegenden HGA-Bescheid zu bestätigen. Das Urteil des VG beruhe auf unrichtiger Anwendung bestehenden Rechts. Die Frage der zeitlichen Abgrenzung sei nicht anders zu beurteilen als in den Fällen des § 147 Abs. 1 und Abs. 7 LAG. Hierzu habe der BFH im Urteil III 113/58 U vom 27. Februar 1959 (BFH 68, 512, BStBl III 1959, 196) entschieden, daß es nicht auf den Zeitraum ankomme, auf den sich die zu erbringenden oder als erbracht geltenden Leistungen bezögen, sondern daß für die zeitliche Abgrenzung allein die Fälligkeit maßgebend sei. Das FA vermöge den Standpunkt des VG, daß die Behörde in Fällen wie dem vorliegenden nicht berechtigt sei, die festgesetzten Vierteljahrsbeträge oder Halbjahrsbeträge in voller Höhe einzuziehen, wenn und soweit diese sich teilweise auf die Zeit vor Beginn der Leistungspflicht erstreckten, somit also erst ab 12. Juli 1961 zu erbringen seien, nicht anzuerkennen. Denn nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 147 LAG) sei auf den Fälligkeitszeitpunkt, der den RM-Verbindlichkeiten entspreche, abzustellen. Hiernach seien Leistungen für das Grundstück ab 1. April 1961 zu erbringen.

Der Prozeßbevollmächtigte der Revisionsbeklagten beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zu Unrecht habe der Revisionskläger die Ausführungen des VG darüber angegriffen, für welchen Zeitraum die erste in Frage kommende HGA-Rate zu entrichten sei, ob in voller Höhe oder nur zeitanteilig. Auch hier sei die Auffassung des VG richtig, denn es könne an HGA kein größerer Betrag verlangt werden, als entsprechend für das zugrunde liegende Stammrecht zu zahlen wäre, d. h. wofür entsprechend die Erben gegenüber dem Hypothekengläubiger, und zwar im Innenverhältnis gegenüber einem Voreigentümer, haften würden. Es müsse hier nach Zeitanteilen gerechnet werden, da auch die Zinsen der eigentlichen Hypothek nicht im voraus, sondern nachträglich zu entrichten seien oder gewesen seien. Mithin sei bei den nach dem Ende der Entziehungsperiode nächstfälligen Raten nur ein entsprechender Zeitanteil zu zahlen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision des beklagten FA ist im Ergebnis nicht begründet....

Das Ende der Entziehungsperiode ist von der Vorinstanz zutreffend ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Entziehungsperiode erst dann als beendet anzusehen, wenn dem Eintritt der vom Gesetz an die Rückerstattung geknüpften Wirkungen nichts mehr im Wege steht. Dies setzt, wie der erkennende Senat im Fall einer Rückerstattungsanordnung bereits ausgesprochen hat (Urteil III 53/60 U vom 27. Oktober 1961, BFH 74, 31, BStBl III 1962, 12) die Rechtskraft der Entscheidung in bezug auf die Rückerstattung des Grundstücks voraus; denn solange noch die Möglichkeit der Anfechtung der Rückerstattungsentscheidung besteht, können die im Gesetz an sie geknüpften Wirkungen nicht endgültig eintreten. Hiernach ist im Streitfall die Rückerstattungsentscheidung, wie von der Vorinstanz festgestellt wurde, mit dem Ablauf des 11. Juli 1961 rechtskräftig geworden und damit die Entziehungsperiode im Sinn des § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA beendet worden.

Die Vorinstanz hat am Schluß ihrer Entscheidungsgründe ausgeführt, daß die Behörde im Streitfall nicht berechtigt sei, die festgesetzten HGA-Leistungen in voller Höhe einzuziehen, wenn und soweit diese sich teilweise auf die Zeit vor Beginn der Leistungspflicht erstrecken. Dem ist zuzustimmen, soweit es sich bei den einzelnen nach dem Ende der Entziehungsperiode nächstfälligen HGA-Leistungen um Beträge handelt, die für eine Zeit zu entrichten sind, die noch in die Entziehungsperiode fällt. Dies folgt unmittelbar aus Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Rückerstattungsanordnung, wonach Ansprüche auf öffentliche Abgaben gegen den Rückerstattungsberechtigten für die Zeit, in der ihm die Vermögensgegenstände zu Unrecht entzogen waren, nicht geltend gemacht werden können. In § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA hat der Verordnungsgeber dieser Vorschrift Rechnung getragen. Wenn demgegenüber der Revisionskläger auf die in § 147 Abs. 1 und Abs. 7 LAG getroffene Regelung und die hierzu ergangene Entscheidung des BFH III 113/58 U vom 27. Februar 1959 (a. a. O.) hinweist, so verkennt er, daß diese allgemein anzuwendende Regelung für die Sondertatbestände der Rückerstattungsfälle kraft ausdrücklicher Sonderregelung durch Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Rückerstattungsanordnung und § 137 LAG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA nicht uneingeschränkt gilt. Die allgemeine Regelung gilt für die HGA-Leistungen bei Rückerstattungstatbeständen nur insoweit, als es sich bei den zu entrichtenden Beträgen um echte Fälligkeitsleistungen handelt. Echte Fälligkeitsleistungen sind aber nur die den Tilgungsanteil einer HGA-Leistung ausmachenden Beträge. Sie sind nicht für einen bestimmten Zeitraum, sondern zu einem bestimmten Zeit punkt, dem Fälligkeitszeitpunkt, zu entrichten. Auf die Tilgungs beträge kann sich die Sonderregelung für Rückerstattungstatbestände daher nicht beziehen. Anders dagegen verhält es sich bei den Beträgen, die den - postnumerando zu zahlenden - Zins anteil der einzelnen HGA-Leistung ausmachen. Denn Zinsen sind zwar auch zu einem Fälligkeitstermin zu entrichten, sie beziehen sich aber auf einen Zeitraum, für den sie zu entrichten sind. Dies folgt aus dem rechtlichen Charakter der Verzinsung schlechthin. Würde die Behörde bei den nach dem Ende der Entzie hungsperiode nächstfälligen HGA-Leistungen auch deren Zins anteil geltend machen, der für einen Zeitraum vor dem Ende der Entziehungsperiode zu zahlen wäre, so würde dies einen Verstoß gegen Art. 79 Abs. 1 Satz 2 der Rückerstattungsanordnung und gegen § 4 Abs. 1 der 15. AbgabenDV-LA bedeuten. Mit dieser Maßgabe tritt der Senat den Ausführungen der Vorentscheidung zur Frage der zeitlichen Abgrenzung bei.

...

 

Fundstellen

Haufe-Index 68209

BStBl II 1968, 808

BFHE 1968, 495

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