Leitsatz (amtlich)

Die Umstellung des Wirtschaftsjahres eines im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben übergegangenen Unternehmens auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum bedarf des Einvernehmens mit dem FA.

 

Normenkette

EStG 1958 § 2 Abs. 5 Nr. 2 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine OHG, die von den Erben des bisherigen Inhabers gebildet wurde, zur Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum des Einvernehmens mit dem FA bedarf.

Das Unternehmen des am 1. November 1958 verstorbenen Einzelkaufmanns ging auf seine Tochter und seinen Sohn als Erben zu gleichen Anteilen über. Am 21. März 1959 wurde im Handelsregister die Umwandlung in eine aus den beiden Erben bestehende OHG mit Wirkung vom 2. November 1958 ab eingetragen. Die OHG legte dem FA einen von den beiden Erben am 15. April 1959 unterzeichneten Vertrag vor, in dem unter anderem bestimmt wird, daß das Geschäftsjahr vom 1. März bis zum 28. Februar laufe und die Gesellschaft am 1. November 1958 begonnen habe.

Während die OHG erstmals den Gewinn für das abweichende Wirtschaftsjahr vom 1. November 1958 bis 28. Februar 1959 ermittelte, legte das FA der einheitlichen Feststellung des Gewinns für 1958 nur den auf 1 998 DM geschätzten Gewinnanteil vom 1. November 1958 bis 31. Dezember 1958 zugrunde, weil es die seiner Auffassung nach notwendige Zustimmung zur Umstellung des Wirtschaftsjahres (§ 2 Abs. 5 Nr. 2 EStG) auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum verweigerte.

Einspruch und Berufung der OHG blieben ohne Erfolg.

Das FG führte im wesentlichen folgendes aus. Es sei anzunehmen, daß die Vereinbarung, das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweichen zu lassen, erst Ende März 1959 getroffen worden sei. Da zu dieser Zeit das noch mit dem Kalenderjahr übereinstimmende Wirtschaftsjahr 1958 bereits abgelaufen gewesen sei, sei der Gewinn für das am 31. Dezember 1958 endende Wirtschaftsjahr durch die Veranlagung 1958 zu erfassen. Dieser am 31. Dezember 1958 verwirklichte Sachverhalt habe nicht mehr verändert werden können. Ob ein abgekürztes Wirtschaftsjahr für den Zeitraum vom 1. Januar bis 28. Februar 1959 anzuerkennen sei und ob eine ohne Einvernehmen mit dem FA mögliche Neugründung oder eine nur im Einvernehmen mit dem FA mögliche Umstellung des Wirtschaftsjahres auf einen vom Kalenderjahr abweichenden Zeitraum vorliege, könne in diesem Verfahren nicht entschieden werden.

Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt die OHG die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Sie ist der Auffassung, daß die Umstellung des Wirtschaftsjahres ab 1. November 1958 wirksam sei und des Einvernehmens mit dem FA nicht bedürfe.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.

Der Senat hält es im vorliegenden Fall für vertretbar, gegen die im Vertrag vom 15. April 1959 vereinbarte Umstellung des Wirtschaftsjahrs mit Wirkung vom 2. November 1958, dem im Handelsregister eingetragenen Beginn der Gesellschaft, keine Bedenken zu erheben. Denn zwischen dem Tod des bisherigen Einzelinhabers und der Vereinbarung des Gesellschaftsverhältnisses zwischen den Erben liegen knapp sechs Monate, eine Zeitspanne, die mit Rücksicht auf die üblicherweise zeitraubende Nachlaßregelung auch steuerlich noch gerechtfertigt werden kann, zumal in jedem Fall vom 1. November 1958 ab eine Mitunternehmerschaft mit gleichbleibenden Gesellschaftern und denselben Beteiligungsverhältnissen bestand. Von ähnlichen Erwägungen ging offenbar auch das Registergericht bei der Eintragung der OHG auf den 2. November 1958 aus. Es kommt daher entscheidend darauf an, ob diese Umstellung nach § 2 Abs. 5 Nr. 2 Satz 2 EStG steuerlich nur im Einvernehmen mit dem FA möglich war. Dieses Einvernehmen war erforderlich.

Im Urteil IV 284/63 U vom 18. März 1964 (BFH 79, 197, BStBl III 1964, 304) entschied der Senat, daß nach Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Personengesellschaft beim verbleibenden Gesellschafter keine Neugründung des Unternehmens vorliege, weil dieser als maßgeblicher Gesellschafter Unternehmer des gesamten Betriebs gewesen sei und das Ausscheiden des anderen Gesellschafters keine wesentliche Änderung des bisherigen Unternehmens herbeigeführt habe. Aus diesem Grunde wurde dem nunmehrigen Einzelunternehmer nicht gestattet, sein Wirtschaftsjahr ohne Einvernehmen mit dem FA auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr umzustellen. Der Senat wandte ferner im Urteil IV 236/64 vom 3. August 1967 (BFH 90, 14, BStBl III 1967, 753) gleichartige Grundsätze bei Aufnahme eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen an und hielt es nicht für gerechtfertigt, die Fälle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft und des Eintritts eines Gesellschafters in ein Einzelunternehmen unterschiedlich zu behandeln. Die für diese Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte führten zu dem Ergebnis, daß auch die im wesentlichen unveränderte Weiterführung eines Unternehmens durch die Erben des bisherigen Alleininhabers nicht als Neugründung angesehen werden kann. Denn die Erben treten bürgerlich-rechtlich (§ 1922 BGB) und steuerlich in vollem Umfang in die Rechtsstellung des Erblassers ein. So gehen z. B. die Steuerschulden des Erblassers auf den Erben über (§ 8 StAnpG). Gegenüber dem Erblasser ergangene Bescheide muß der Erbe gegen sich gelten lassen (§ 119 AO). Der Erbe ist, wenn zum Nachlaß ein Gewerbebetrieb gehört, für die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung an die Wertansätze der letzten Bilanz des Erblassers gebunden (§ 7 Abs. 1 EStDV 1956, 1957). Auf gleichen Überlegungen beruhen die Urteile des BFH IV 166/59 U vom 2. März 1961 (BFH 73, 528, BStBl III 1961, 458), das die Frage, ob beim Erben Reparaturen an einem ererbten Grundstück Erhaltungsaufwand sind, nach denselben Grundsätzen wie beim Erblasser beurteilt, sowie VI 49/61 S vom 22. Juni 1962 (BFH 75, 328, BStBl III 1962, 386), nach dem der Erbe einen in der Person des Erblassers entstandenen und von diesem nach § 10d EStG absetzbaren Verlust geltend machen kann. Auch wirtschaftlich gesehen ändert sich durch die Weiterführung des bisherigen Unternehmens durch die Erben so wenig, daß es nicht gerechtfertigt wäre, den Erbübergang einer Neugründung gleichzusetzen. Diesen Erwägungen gegenüber kann nicht entscheidend sein, daß die neue Personengesellschaft eine Eröffnungsbilanz aufstellt und die einheitliche Gewinnfeststellung nur für die Zeit ab Bestehen der Gesellschaft durchgeführt wird, also den Gewinn des Einzelunternehmers nicht enthält.

Dieses Ergebnis ist mit den Grundsätzen des Urteils des I. Senats des BFH I 47/64 vom 11. Oktober 1966 (BFH 87, 153, BStBl III 1967, 86) nicht in der Weise unvereinbar, daß die Anrufung des Großen Senats des BFH erforderlich wäre (§ 11 Abs. 3 FGO). In dieser Entscheidung ist zwar ausgeführt, daß eine genehmigungspflichtige Umstellung bei unentgeltlichem Erwerb des Unternehmens durch vorweggenommene Erbfolge nicht vorliege. Selbst wenn sich aber der Senat dieser Auffassung anschließen könnte, so muß daraus aber nicht zwingend gefolgert werden, daß der Übergang des Unternehmens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge der vorweggenommenen Erbfolge gleichsteht.

Obwohl das Wirtschaftsjahr steuerlich nur im Einvernehmen mit dem FA umgestellt werden konnte, muß die Vorentscheidung aufgehoben werden, damit das FG prüft, ob die Verweigerung des Einvernehmens ausnahmsweise als Ermessensmißbrauch des FA anzusehen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68334

BStBl II 1969, 34

BFHE 1968, 520

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