Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Erstattung der Mineralölsteuer aus Billigkeitsgründen, wenn versteuertes Mineralöl durch Blitzschlag vernichtet wird.
2. Trägt eine Versicherung den dem Steuerschuldner entstandenen Schaden auch hinsichtlich der Steuer, so ist die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme in der Regel nicht ermessensfehlerhaft.
Normenkette
AO § 131; Billigkeitsrichtlinien des BdF, Dritter Teil, Zweiter Abschnitt, Nrn. 1 A 2, A 4, B 7; MinöStG § 8 Abs. 3 Nr. 3; MinöStDV § 5 Abs. 2, § § 40 ff.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, stellte einen Antrag auf Erstattung der von N gezahlten Mineralölsteuer aus Billigkeitsgründen. Sie habe N den durch Blitzschlag entstandenen Schaden an vernichtetem Superbenzin einschließlich der gezahlten Mineralölsteuer ersetzt. Das Benzin habe nach der Versteuerung im Zeitpunkt des Untergangs noch im Herstellungsbetrieb im Tank 117 gelagert. Dieser Tank gehöre nur deshalb nicht zum steuerlichen Herstellungsbetrieb, weil steuertechnische Besonderheiten es erforderten, daß im Endzeitpunkt der Herstellung die verbrauchsfertige Supermischung in den steuerlich freien Verkehr der Raffinerie übergehe. Die Oberfinanzdirektion (OFD) lehnte auf Anweisung des damaligen Bundesministers der Finanzen (BdF), im folgenden einheitlich als Bundesminister für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) bezeichnet, den Antrag ab.
Die Klage blieb erfolglos.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß nach dem BdF
Erlaß vom 7. Dezember 1953 |
III B–Z 2401–770/53 |
(BZBl 1953, 810) |
III C–V 9930–180/53 |
– Billigkeitsrichtlinien –, Dritter Teil, Zweiter Abschnitt, Nrn. 1 A 2 und 4 Billigkeitsmaßnahmen gerechtfertigt seien, wenn der Steuerpflichtige eine Verbrauchsteuer nicht mehr abwälzen könne. Lehne der BMWF entgegen der ständigen Übung in einem solchen Fall eine Billigkeitsmaßnahme ab, so handle er willkürlich. Wenn auch in Nr. 1 B 7 a. a. O. eine Erstattung aus Billigkeitsgründen für eine Verbrauchsteuer ausgeschlossen werde, wenn versteuerte Waren untergehen, so besage doch die vorangestellte Präambel, daß sich für die Verbrauchsteuern bei der Vielgestalt und Verschiedenartigkeit der Tatbestände allgemein gültige Grundsätze für die Behandlung aller Billigkeitsfälle nicht aufstellen ließen. Auch der Zoll werde aus Billigkeitsgründen erstattet, wenn die Ware unmittelbar im Anschluß an die Zollabfertigung vor den Augen des Zollbeamten zugrunde gegangen ist. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts (FG) seien auch die Finanzzölle wie die Mineralölsteuer eine reine Finanzquelle. Da sich das Mineralöl in einem Tank im Herstellungsbetrieb unter Steueraufsicht befunden habe, sei auch das Mineralöl unmittelbar nach der Versteuerung unter den Augen der Steueraufsichtsbehörde untergegangen. Bei unverschuldetem Untergang von versteuerter Ware beim Hersteller sei die Verfehlung des Gesetzeszwecks des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) durch die Vereinnahmung der Steuer offensichtlich. Dieses Gesetz gehe von dem Grundsatz aus, daß die Steuerschuld mit der Entfernung aus dem Herstellungsbetrieb entstehe und die Steuer abgewälzt werde. Der Gesetzgeber habe den Kraftverkehr als Einnahmequelle erschlossen, weil das Mineralölsteuer-Aufkommen aus der Verwendung von Benzin ausschließlich vom Kraftverkehr aufgebracht werde. Insoweit sei die Abgabe so konzipiert, daß sie ausschließlich den Teilnehmer am Kraftverkehr, also den Verbraucher treffe. Aus der Einrichtung des Steuerlagers für Kraftstoffe ergebe sich die Überwälzungsabsicht, da dadurch die Treibstoffsteuer möglichst unerhoben an den Verbraucher herangetragen werden solle.
Im Streitfall habe das Benzin trotz der Versteuerung noch unter Steueraufsicht gestanden, weil es im Bereich des insgesamt der Steueraufsicht unterliegenden Herstellungsbetriebs verblieben sei. Das Mineralöl sei nur versteuert worden, um es der Komponentenversteuerung zuzuführen. Das Mischen geschehe im freien Verkehr und sei nach der Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) keine Herstellung mehr. Deshalb könne der Hersteller die gesetzgeberische Absicht, die Ware unversteuert an den Verbraucher heranzubringen, nicht wahrnehmen, weil er die Ware „zu früh” versteuert habe. Beim Untergang derartiger „zu früh” versteuerter Waren beim Hersteller sei stets eine Billigkeitsmaßnahme angebracht, da die entrichtete Steuer offenkundig nicht mehr abgewälzt werden könne. Im übrigen sei durch das MinöStG 1964 von der Besteuerung nach der Beschaffenheit zur Besteuerung nach dem Verwendungszweck übergegangen worden. Deshalb müsse von der Abwälzung der Mineralölsteuer ausgegangen werden. In der nicht mehr möglichen Überwälzbarkeit liege bereits ein Erstattungsgrund.
Nach Ansicht des BMWF haben die Billigkeitsrichtlinien im Dritten Teil, Zweiter Abschnitt, Nrn. 1 A 2 und 4 andere Sachverhalte als den im Streitfall gegebenen zum Gegenstand. Im einen Fall handle es sich um die Doppelbesteuerung einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware. Im Streitfall sei die später untergegangene Ware nur einmal besteuert worden. Im anderen Fall handle es sich um Nachforderungen. Im Streitfall sei das Mineralöl ordnungsmäßig zur Versteuerung angemeldet und die Steuer entrichtet worden. Eine Nachforderung habe nicht vorgelegen. In beiden Fällen sei zwar vorausgesetzt, daß die Steuer nicht mehr abgewälzt werden könne. Dies sei aber nicht ein selbständiger sachlicher Billigkeitsgrund, sondern eine zusätzliche Voraussetzung neben anderen. Danach sei der BMWF auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung an die Richtlinien gehalten, dem Antrag des Klägers zu entsprechen.
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Entscheidungsgründe
Der Kläger sieht einen Ermessensmißbrauch des BMWF darin, daß dieser von der sich aus seinen Billigkeitsrichtlinien, Dritter Teil, Zweiter Abschnitt, Nrn. 1 A 2 und 4 ergebenden Verwaltungsübung abweiche. Danach sei eine Billigkeitsmaßnahme gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige eine Verbrauchsteuer nicht mehr abwälzen könne. Diese in den Richtlinien genannten Tatbestände, in denen die Abwälzbarkeit der Steuer eine Rolle spielt, betreffen, wie der BMWF zutreffend ausführt, andere Sachverhalte, die nicht den allgemeinen Schluß zulassen, daß die Einziehung von Steuern, die nicht mehr überwälzt werden können, unbillig wäre. So betrifft Nr. 1 A 2 die mehrfache Entstehung von Steueransprüchen für die nämliche Ware. Diesem Tatbestand kommt es nicht etwa gleich, daß das als Ersatz für das verbrannte Mineralöl zur Befriedigung des Marktes verwendete Benzin auch versteuert werden mußte. Denn darin liegt keine Doppelbesteuerung derselben Ware. Nr. 1 A 4 betrifft unverschuldete Nachforderungen, bei denen die Steuer nicht mehr abgewälzt werden kann, während im Streitfall auf Grund der Steueranmeldung des Steuerpflichtigen das Mineralöl ordnungsgemäß versteuert wurde. Bei einer Nachforderung kann die Steuer in der Regel deshalb nicht mehr abgewälzt werden, weil die Ware vorher schon weiterverkauft ist. Im Streitfall war dagegen das Mineralöl bereits versteuert. Die Mineralölsteuer konnte nur deshalb nicht abgewälzt werden, weil es im Zeitpunkt der Versteuerung noch nicht weiterverkauft war und danach untergegangen ist. Während bei der Nachforderung des Steuerrechtsverhältnisses zwischen der Verwaltung und dem Steuerpflichtigen noch nicht abgeschlossen ist und daher im Falle einer unverschuldeten Nachforderung die Abwälzungsmöglichkeit noch berücksichtigt werden kann, war im Streitfall dieses Steuerrechtsverhältnis hinsichtlich des untergegangenen versteuerten Mineralöls bereits abgeschlossen.
Auch die allgemeinen Hinweise des Klägers auf die Überwälzungsmöglichkeit bei den Verbrauchsteuern und auf den Zweck der Besteuerung des Kraftverkehrs sind nicht geeignet, den Ausschluß einer Billigkeitsmaßnahme für den Untergang versteuerter Waren in den Billigkeitsrichtlinien (Nr. 1 B 7 a. a. O.) als ermessensmißbräuchlich anzusehen. In dem vom Kläger angeführten Kommentar von Schädel-Langer, „Mineralölsteuer und Mineralölzoll”, 3. Aufl., S. 88/89, ist wohl ausgeführt, daß die Generalklausel des § 8 Abs. 3 Nr. 3 MinöStG, nach der die Steuerfreiheit nur noch von der Verwendung abhängt, aus der allgemeinen Steuer auf Mineralöl eine solche auf Treib- und Schmierstoffe mache und daß dies im Grunde den Übergang von der Besteuerung nach der Beschaffenheit zur Besteuerung nach dem Verwendungszweck bedeute. Damit sollte aber nicht gesagt sein, daß das Mineralöl nur dann versteuert werden könne, wenn es verwendet oder wenn die Steuer abgewälzt wird. Vielmehr ist im Ergebnis der Verwendungszweck für die Art der Versteuerung oder für die Steuerfreilassung anstelle der bloßen Beschaffenheit des Mineralöls maßgebend. Ist das Mineralöl einmal nach diesem Maßstab zu Recht versteuert worden, so kommt es auch nach der Neufassung des § 8 MinöStG durch Art. 4 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960 (BGBl I, 201) nicht mehr darauf an, ob die Steuer noch abgewälzt werden kann. Wenn demnach eine zumal zutreffend vorgenommene Besteuerung aus Gründen, die nicht mehr im Zusammenhang mit dem Steuertatbestand stehen und im Risikobereich des Herstellers liegen, nicht als unbillig angesehen wird, so kann darin kein Ermessensmißbrauch liegen.
Der Kläger sieht eine Besonderheit des Streitfalles darin, daß das Mineralöl nach der Versteuerung im Herstellungsbetrieb untergegangen ist, ohne daß über das Mineralöl verfügt worden sei. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob das Mineralöl nach seiner Versteuerung außerhalb des Herstellungsbetriebes untergeht oder in einem räumlichen Bereich des Herstellungsbetriebes liegenden Freitank. Der Herstellungsbetrieb unterliegt zwar der allgemeinen Steueraufsicht (§§ 40 ff. MinöStDV). Das versteuerte Mineralöl ist jedoch mit der Verbringung in einen Freitank aus der steuerlichen Bindung getreten und befindet sich steuerlich nicht mehr im Herstellungsbetrieb. Entscheidend ist dagegen, ob die Steuerschuld durch das schädigende Ereignis entstanden ist oder ob sie bereits vorher entstanden war. Zutreffend führt der Kläger aus, daß ein sachlicher Billigkeitgrund vorliegen kann, wenn die Anwendung des abstrakten Gesetzes sachlich zu einem unbilligen Ergebnis führt. Die vom Kläger behauptete Unbilligkeit ergibt sich im Streitfall aber nicht aus der Anwendung des Steuergesetzes, sondern kann allenfalls in dem durch Blitzschlag verursachten Untergang des bereits versteuerten, aber nicht veräußerten Mineralöls gesehen werden. Der vergleichende Hinweis des Klägers auf die Regelung für Leichtölgemische im Steuerlagerverkehr in § 2 MinöStG in Verbindung mit § 36 Abs. 7 MinöStDV läßt außer Betracht, daß sich das Mineralöl im Steuerlagerverkehr im gebundenen Steuerverkehr befindet und noch nicht versteuert ist.
Im Ergebnis zutreffend hat das FG den als sachlichen Billigkeitsgrund anerkannten Fall der Erstattung von Zoll für Waren, die unmittelbar im Anschluß an die Zollabfertigung vor den Augen des Zollbeamten zugrunde gegangen sind (Billigkeitsrichtlinien, Zweiter Teil, Nr. 2 A I 8 f) nicht als rechtsähnlich oder die Verwaltung auch für den Streitfall bindend angesehen. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit hierbei sich die Zölle und Verbrauchsteuern in ihren wirtschaftlichen oder finanziellen Auswirkungen unterscheiden. Im Streitfall ist das Mineralöl erst zwei Tage nach der Versteuerung untergegangen, also nicht unmittelbar nach einer Abfertigungshandlung und auch nicht unter den Augen des Abfertigungsbeamten. Denn die allgemeine Steueraufsicht über den Herstellungsbetrieb ist nicht mit einer bestimmten Abfertigungshandlung eines bestimmten Beamten zu vergleichen.
Liegt nach dem Vorstehenden keiner der in den Richtlinien anerkannten – im übrigen nicht erschöpfenden – Tatbestände vor, so ist auch kein anderer Grund ersichtlich, der eine Billigkeitsmaßnahme geboten erscheinen ließe. Vor allem fällt nämlich im Streitfall entscheidend ins Gewicht, daß die Steuerschuldner beim Kläger gegen den Untergang versteuerten Mineralöls versichert waren. Sie konnten daher zwar die Steuer nicht mehr im Preis auf ihre Abnehmer abwälzen, erhielten aber die Steuer in Form des Schadenersatzes durch den Versicherer zurück. Dem Kläger selbst aber diese Belastung abzunehmen, besteht kein Grund. Gegenstand seines Unternehmens ist es gerade, andere zu versichern und ihnen das versicherte Risiko, hier die Gefahr des Untergangs von Sachen, abzunehmen. Seine Versicherungsleistungen werden durch die Versicherungsbeiträge und ggf. eine Rückversicherung gedeckt. Es war daher nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Antrag des Klägers auch deshalb abgelehnt wurde, weil sonst das kaufmännische Wagnis auf den Fiskus abgewälzt und damit das Risiko auf die Allgemeinheit verlagert würde.
Fundstellen
Haufe-Index 514701 |
BFHE 1973, 77 |