Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausdrückliche Betriebsaufgabeerklärung bei Rechtsirrtum; Feststellungslast für vGA
Leitsatz (amtlich)
Erklärt der Unternehmer ausdrücklich, den Betrieb endgültig eingestellt zu haben, kann er sich später nicht darauf berufen, diese rechtsgestaltende Erklärung sei wirkungslos, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Betriebsaufgabe auch die stillen Reserven des verpachteten Betriebsgrundstücks aufzudecken seien. Die Rechtsprechung des BFH, nach der eine Betriebsaufgabeerklärung erkennbar von dem Bewusstsein der daraus folgenden Versteuerung der stillen Reserven getragen sein müsse, bezieht sich nur auf Fälle, in denen mangels ausdrücklicher Aufgabeerklärung aus anderen Umständen, Handlungen oder Äußerungen auf eine Betriebsaufgabe geschlossen wird.
Zuschätzungen aufgrund einer Nachkalkulation bei einer Kapitalgesellschaft sind als vGA an die Gesellschafter zu beurteilen, wenn die Nachkalkulation den Schluss zulässt, dass die Kapitalgesellschaft Betriebseinnahmen nicht vollständig gebucht hat und diese nicht gebuchten Betriebseinnahmen den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind.
Lässt sich der Verbleib nicht gebuchter Betriebseinnahmen nicht feststellen, ist im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist. Nach den Grundsätzen der Beweisrisikoverteilung geht die Unaufklärbarkeit des Verbleibs zu Lasten der Gesellschafter.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, 3, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Juli 1992 auf einem ihm gehörenden Grundstück eine Gaststätte. Durch notariellen Gesellschaftsvertrag vom 23. Juli 1992 gründete er zusammen mit seinem Sohn eine GmbH, an der beide zu je 1/2 beteiligt waren. Der Kläger veräußerte die Gaststätteneinrichtung und den Warenbestand an die GmbH und verpachtete ihr die bisherigen Geschäftsräume. Vom 1. August 1992 an betrieb die GmbH in diesen Räumen ebenfalls eine Gaststätte. Laut Auszug aus dem Handelsregister war der Sohn des Klägers Geschäftsführer der GmbH und zu deren alleinigen Vertretung berechtigt.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 1992 bat der damalige Steuerberater des Klägers, die Einkommensteuervorauszahlungen ab Dezember 1992 auf 0 DM festzusetzen, weil der Gewerbebetrieb zum 31. Juli 1992 eingestellt worden sei. In der Einkommensteuererklärung 1992 erklärte der Kläger laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Gaststätte) für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Juli 1992. Außerdem gab er in Zeile 10 der Anlage GSE bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen "Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG vor Abzug etwaiger Freibeträge bei Veräußerung/ Aufgabe eines ganzen Betriebs als Einzelunternehmer" in Höhe von 30 462 DM an. Die Einnahmen aus der Verpachtung des bisher betrieblich genutzten Grundstücksteils erklärte er als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Veräußerungsgewinn wurde ermittelt durch Ansatz der Erlöse aus dem Verkauf der Gaststätteneinrichtung und dem Warenbestand abzüglich deren Buchwerte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte im Einkommensteuerbescheid 1992 die erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärungsgemäß unter Berücksichtung eines steuerfrei bleibenden Veräußerungsgewinns in Höhe von 30 000 DM an. Der Bescheid erging unter Vorbehalt der Nachprüfung.
In dem ―ebenfalls unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen― Einkommensteuerbescheid 1993 versteuerte das FA entsprechend der Erklärung des Klägers Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der GmbH im Jahr 1995 setzte der Betriebsprüfer "aufgrund der durchgeführten Kalkulation" für die Jahre 1992 und 1993 jeweils einen "Sicherheitszuschlag" in Höhe von 3 000 DM sowie "Leistung an Gesellschafter-Geschäftsführer (Eigenverbrauch)" in Höhe von jeweils 2 300 DM an. Diese Beträge in Höhe von jeweils 5 300 DM behandelte er ―neben weiteren Beträgen― als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA).
Bei der gleichzeitig durchgeführten Prüfung des Gewerbebetriebs des Klägers setzte der Betriebsprüfer die bei der GmbH ermittelten vGA zuzüglich anrechenbarer Körperschaftsteuer beim Kläger als Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Ferner ging er von einer Veräußerung der Gaststätte an die GmbH und von einer Entnahme des betrieblich genutzten Grundstücksteils aus. Er ermittelte einen Veräußerungsgewinn für das Jahr 1992 in Höhe von 43 292 DM.
An der Schlussbesprechung für die Betriebsprüfung beim Kläger nahmen der Kläger A.V., der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle und der Betriebsprüfer, an der Schlussbesprechung für die Betriebsprüfung bei der GmbH außerdem der Sohn des Klägers P.V. teil. Laut den Betriebsprüfungsberichten wurde über die Feststellungen Einigung erzielt.
Das FA änderte die Körperschaftsteuerbescheide der GmbH und die Einkommensteuerbescheide des Klägers für die Jahre 1992 und 1993 entsprechend den Feststellungen des Betriebsprüfers.
Gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1992 und gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 legte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers Einspruch ein.
Der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1992 hatte hinsichtlich der Zuschätzungen keinen Erfolg. Das FA legte in der Einspruchsentscheidung dar, der Betriebsprüfer habe für den gesamten Prüfungszeitraum Kalkulationen durchgeführt, die Abweichungen von insgesamt 36 400 DM ergeben hätten. Da der "Geschäftsführer A.V." die für die Kalkulationsmängel ursächlichen Buchführungsmängel während der Prüfung eingeräumt habe, seien die Besteuerungsgrundlagen zu Recht teilweise geschätzt und dem "Gesellschaftergeschäftsführer" als vGA zugerechnet worden. Die Zuschätzung in Höhe von insgesamt 10 000 DM betrage weniger als die Hälfte der Kalkulationsdifferenz. Zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen habe man sich damals geeinigt, den Betrag auf den Prüfungszeitraum zu verteilen. Aus dem gleichen Grund seien die Beträge auch nicht in voller Höhe den Sicherheitszuschlägen zugerechnet, sondern teilweise als Eigenverbrauch behandelt worden.
Im Klageverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1992 wurde der Rechtsstreit, nachdem das FA in einem anderen Streitpunkt nachgegeben hatte, in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 waren hinsichtlich der Behandlung der Zuschätzungen als vGA erfolglos.
Mit der Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 wendete sich der Kläger unter anderem gegen die vGA sowie gegen den Ansatz des Veräußerungsgewinns. Er habe sein Einzelunternehmen nicht aufgegeben, sondern lediglich verpachtet. Hinsichtlich dieser Streitpunkte wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgericht (EFG) 2003, 1159 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor:
Das Schreiben vom 23. Oktober 1992 enthalte keine eindeutige Aufgabeerklärung. Die Erklärung sei offensichtlich nicht von dem Bewusstsein getragen gewesen, die Versteuerung der stillen Reserven auszulösen, da sonst im Hinblick auf die Versteuerung der stillen Reserven kein Antrag gestellt worden wäre, die Einkommensteuervorauszahlungen auf Null DM herabzusetzen. Erst mit Eingang der Einkommensteuererklärung 1992 beim FA im Jahr 1993 (tatsächlich am 7. Juni 1994), in der er einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 30 462 DM erklärt habe, seien die Wirkungen der Aufgabe des Gewerbebetriebs eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt sei von einer Verpachtung des ganzen Gewerbebetriebs ab 1. August 1992 auszugehen.
Ferner habe das FG ihm zu Unrecht die in der Betriebsprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen als vGA zugerechnet. Allein Kalkulationsdifferenzen und Buchführungsmängel erfüllten nicht die Voraussetzungen einer vGA. Dem FG hätten keine Erkenntnisse darüber vorgelegen, dass die im Einzelnen nicht näher bezeichneten Kalkulationsdifferenzen auf nicht verbuchten Betriebseinnahmen beruht und zu gesellschaftlich motivierten Vermögensabflüssen an den Kläger geführt hätten. Die Schlussfolgerung des FA, eine vGA sei anzunehmen, weil die Zuschätzungen zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen vorgenommen worden seien, sei nicht nachvollziehbar. Vielmehr habe das FA die Voraussetzungen einer vGA, für die es die Feststellungslast trage, nicht nachgewiesen.
Die Annahme einer vGA sei auch nicht mit einer tatsächlichen Verständigung der Beteiligten in der Schlussbesprechung der Betriebsprüfung zu rechtfertigen. Das FG habe eine tatsächliche Verständigung zu Unrecht allein auf die einseitige Feststellung des FA im Betriebsprüfungsbericht, es sei Einigung erzielt worden, gestützt. Auch habe das FG keine Tatsachen festgestellt, denen sich eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorteilszuwendung der GmbH an den Kläger entnehmen ließe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 die Einkünfte aus Kapitalvermögen jeweils um vGA von 8 281 DM zu mindern und für 1992 außerdem keinen Betriebsaufgabegewinn anzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Auf die Revision wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Im Ergebnis zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass der Kläger im Streitjahr 1992 den Betrieb aufgegeben hat und deshalb die stillen Reserven der Geschäftsräume zu versteuern sind.
a) Gewinne, die bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebs oder eines Teilbetriebs erzielt werden, gehören gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung (EStG) zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs als Veräußerung.
b) Stellt ein Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit ein, so liegt darin nicht notwendigerweise eine Betriebsaufgabe. Die Einstellung kann auch nur als Betriebsunterbrechung zu beurteilen sein, die den Fortbestand des Betriebs unberührt lässt.
Die Betriebsunterbrechung kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die gewerbliche Tätigkeit ruhen lässt oder darin, dass er die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet. Gibt er keine Aufgabeerklärung ab, geht die Rechtsprechung davon aus, dass er beabsichtigt, den unterbrochenen Betrieb künftig wieder aufzunehmen, sofern die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dies ermöglichen. Dagegen führt die Veräußerung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auch ohne ausdrückliche Erklärung zur Betriebsaufgabe mit der Folge, dass dann nur noch die einzelnen dem Privatvermögen zuzurechnenden Gegenstände verpachtet sind (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, m.w.N.).
Bei einer Verpachtung der wesentlichen Betriebsgrundlagen hat der Unternehmer die Wahl, entweder die Betriebsaufgabe zu erklären oder den Betrieb fortzuführen. Ob er seinen Betrieb anlässlich der Verpachtung aufgeben und damit die Gegenstände seines Betriebs in sein Privatvermögen überführen oder ob er das Betriebsvermögen während der Dauer der Verpachtung fortführen will, muss eindeutig und klar zum Ausdruck kommen. Solange er keine eindeutige Erklärung abgibt, bleiben die verpachteten Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen mit der Folge, dass er weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt und die im verpachteten Betrieb vorhandenen stillen Reserven erst mit der Veräußerung des Betriebs oder der Überführung der Betriebsgegenstände in sein Privatvermögen zu versteuern hat (ständige Rechtsprechung seit dem Urteil des Großen Senats des BFH vom 13. November 1963 GrS 1/63 S, BFHE 78, 315, BStBl III 1964, 124; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 XI R 26/00, BFH/NV 2001, 1106).
c) Bei Gaststätten bilden die gewerblich genutzten Räume regelmäßig den wesentlichen Betriebsgegenstand (BFH-Urteil in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10, m.w.N.), so dass dem Kläger trotz der Veräußerung der Gaststätteneinrichtung das Verpächterwahlrecht zustand. Er hat sich jedoch nicht zur Fortführung des Betriebs durch Verpachtung entschieden, sondern mit dem Schreiben seines Steuerberaters vom 23. Oktober 1992 die Betriebsaufgabe erklärt. Das FG hat die Mitteilung in diesem Schreiben, der Kläger habe den Betrieb zum 31. Juli 1992 eingestellt, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise als Erklärung einer endgültigen Betriebseinstellung ausgelegt.
Bei der Auslegung von Erklärungen des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzbehörde ist maßgebend, was bei objektiver Würdigung für die Behörde erkennbar geworden ist. Dabei ist nicht nur die Erklärung selbst, sondern auch die objektive Erklärungsbedeutung des Gesamtverhaltens des Erklärenden einschließlich der Begleitumstände in die Auslegung einzubeziehen (BFH-Urteil vom 17. April 2002 X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, m.w.N.).
Der Kläger hat in der vom Steuerberater gefertigten Einkommensteuererklärung 1992 einen "Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG bei Veräußerung/Aufgabe eines ganzen Betriebs als Einzelunternehmer" angegeben. Aus dieser Erklärung wird deutlich, dass die mit Schreiben vom Oktober 1992 mitgeteilte Einstellung des Betriebs als endgültige Einstellung zu verstehen war und der Kläger weder das bisherige Einzelunternehmen im Wege der Verpachtung weiterführen noch die Gaststätte künftig ggf. wieder als Einzelunternehmen betreiben wollte. Dem entspricht, dass der Kläger die Einnahmen aus der Verpachtung des Betriebsgrundstücks als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und nicht als gewerbliche Einkünfte deklariert hat.
Dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, der Kläger habe die Aufgabe des Betriebs erst in der Einkommensteuererklärung erklärt, widerspricht zudem, dass ein Veräußerungs-/Aufgabegewinn nach § 16 EStG für den Veranlagungszeitraum 1992 erklärt worden ist.
d) Zu Unrecht beruft sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf die Rechtsprechung des BFH, nach der die als Aufgabeerklärung gewertete Äußerung des Unternehmers "erkennbar von dem Bewusstsein getragen sein müsse", dass als Folge die stillen Reserven zu versteuern seien. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Fälle, in denen mangels ausdrücklicher Aufgabeerklärung aus anderen Umständen, Handlungen oder Äußerungen auf eine Betriebsaufgabe geschlossen wird (vgl. BFH-Urteile vom 23. November 1995 IV R 36/94, BFH/NV 1996, 398; vom 7. Dezember 1995 IV R 109/94, BFH/NV 1996, 663; vom 27. November 1997 IV R 86/96, BFH/NV 1998, 834; vom 19. August 1998 X R 176/96, BFH/NV 1999, 454; vom 11. Februar 1999 III R 112/96, BFH/NV 1999, 1198; vom 21. September 2000 IV R 29/99, BFH/NV 2001, 433). Erklärt der Unternehmer dagegen ausdrücklich, den Betrieb endgültig eingestellt zu haben, kann er sich später nicht darauf berufen, diese rechtsgestaltende Erklärung sei wirkungslos, weil ihm nicht bewusst gewesen sei, dass mit der Betriebsaufgabe auch die stillen Reserven des verpachteten Betriebsgrundstücks zu versteuern seien.
e) Der betrieblich genutzte Grundstücksteil ist auch nicht aufgrund einer durch die Verpachtung begründeten sog. Betriebsaufspaltung Betriebsvermögen geblieben. Zutreffend hat das FG eine Aufspaltung des klägerischen Betriebs in ein Besitzunternehmen und eine Betriebsgesellschaft mangels personeller Verflechtung verneint, da der Kläger als Eigentümer des verpachteten Grundstücksteils aufgrund seiner nur hälftigen Beteiligung an der GmbH nicht in der Lage war, in der GmbH seinen Willen durchzusetzen. Anhaltspunkte für eine faktische Beherrschung (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 VIII R 72/96, BFHE 188, 397, BStBl II 2002, 722, und BFH-Beschluss vom 23. Januar 2002 IX B 117/01, BFH/NV 2002, 777, m.w.N.), die auch vom Kläger nicht behauptet wurde, sind nicht erkennbar.
2. Zu Unrecht hat das FG aber dem Kläger in den Streitjahren 1992 und 1993 vGA zugerechnet. Die Feststellungen des FG reichen für die Annahme von vGA nicht aus.
a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen als sonstige Bezüge aus Anteilen an einer GmbH auch vGA. Eine vGA im Sinne dieser Vorschrift liegt nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 1990 VIII R 304/84, BFH/NV 1991, 90, und vom 13. September 2000 I R 10/00, BFH/NV 2001, 584; BFH-Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379, BFH/NV BFH/R 1998, 1582).
Ergeben sich aufgrund einer Nachkalkulation Differenzen bei der Kapitalgesellschaft und schätzt das FA deshalb ―wie im Streitfall― dem Gewinn Beträge hinzu, sind die Zuschätzungen nicht zwingend als Zuwendungen an den verantwortlichen Gesellschafter-Geschäftsführer oder an die Gesellschafter zu beurteilen. Die Annahme einer vGA setzt zum einen voraus, dass die Kalkulationsdifferenzen auf nicht vollständig erklärten Betriebseinnahmen der Kapitalgesellschaft beruhen und zum anderen, dass die nicht erklärten Betriebseinnahmen nicht betrieblich verwendet worden, sondern einem oder allen Gesellschaftern zugeflossen sind.
b) Das FG hat vGA aufgrund von Kalkulationsdifferenzen bei der GmbH angenommen, aber nicht ausgeführt, welcher Art diese Kalkulationsdifferenzen sind, ob diese den Schluss zulassen, die GmbH habe ihre Betriebseinnahmen nicht vollständig erklärt und in welcher Höhe sie ggf. eine Zuschätzung (§ 162 der Abgabenordnung ―AO 1977―) rechtfertigen. Ebenso wenig hat es geprüft, ob die Differenzbeträge betrieblich verwendet worden oder den Gesellschaftern zugeflossen sind.
c) Das FG begründet die vGA damit, dass nach den Angaben des Prüfers der "Geschäftsführer A.V." Buchführungsmängel eingeräumt habe und die Zuschätzungen "zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen" auf drei Jahre verteilt und zum Teil als "Eigenverbrauch" bezeichnet worden seien. Auch wenn der Umstand, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer sich bei einer Schlussbesprechung zur Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen mit der Verteilung von Zuschätzungen auf mehrere Jahre einverstanden erklärt, ein Indiz für eine vGA sein mag, erübrigen sich deshalb Feststellungen zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA insbesondere dann nicht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer sowohl sein Einverständnis mit den Zuschätzungen als auch eine Zuwendung außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung bestreitet. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass in den Streitjahren ―nach dem in den Akten befindlichen Handelsregisterauszug― nicht der Kläger A.V., sondern sein Sohn P.V. Geschäftsführer der GmbH war.
d) Die Entscheidung des FG lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass die vGA in den Körperschaftsteuerbescheiden 1992 und 1993 rechtskräftig/bestandskräftig festgestellt worden sind. Denn zwischen Einkommensteuerbescheid und Körperschaftsteuerbescheid besteht keine rechtliche Bindung. Streitigkeiten über Grund und Höhe einer Gewinnausschüttung sind in dem jeweiligen Besteuerungsverfahren selbständig zu entscheiden (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, und in BFH/NV 2001, 584).
e) Der Verzicht des FG auf weitere Sachverhaltsaufklärung ist auch nicht mit einer den Kläger bindenden tatsächlichen Verständigung der Beteiligten über Tatsachen zu rechtfertigen, welche die Annahme einer vGA begründen.
aa) In der Rechtsprechung des BFH ist die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt. In Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung dient es der Förderung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens und allgemein dem Rechtsfrieden, besondere Vereinbarungen über eine bestimmte (steuerliche) Behandlung von Sachverhalten (nicht aber über das anzuwendende Recht) zuzulassen. Tatsächliche Verständigungen dienen dem Ziel, Unsicherheiten und Ungenauigkeiten in einem konkreten Besteuerungssachverhalt zu beseitigen. Sie sind wirksam, wenn auf Seiten der Finanzbehörde ein Amtsträger beteiligt ist, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt ist. Das kann im Falle der veranlagenden Außenprüfung auch der Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle sein. Einer besonderen Form bedürfen tatsächliche Verständigungen nicht. Sie sind auch im Rahmen einer Schlussbesprechung nach Betriebsprüfung möglich (BFH-Urteile vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFH/NV 2004, 1563, jew. m.w.N.).
bb) Das FG hat nicht festgestellt, über welche Tatsachen die Beteiligten eine Einigung erzielt haben. Eine schriftliche Übereinkunft der Beteiligten liegt nicht vor. Das FG ließ dahingestellt, "ob sich diese Umstände bereits vollständig aus dem Akteninhalt ergeben", obwohl der Kläger gesellschaftsrechtlich veranlasste Zuwendungen an sich stets bestritten hat. Außerdem hat er in Abrede gestellt, dass die in den Schlussbesprechungen erzielte Einigung sich auf die Annahme einer vGA in seiner Person erstreckt habe. Aus dem in den Betriebsprüfungsberichten enthaltenen Satz, "über die Feststellungen wurde Einigung erzielt", kann nicht gefolgert werden, die Beteiligten hätten sich darüber tatsächlich verständigt, dass dem Kläger aus gesellschaftsrechtlichem Anlass Betriebseinnahmen der GmbH zugeflossen seien.
f) Die Tatsachen, die eine vGA ergäben, durfte das FG auch nicht deshalb unterstellen, weil der ―durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene― Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen war. Wenn es auf die Aussage des Klägers ankam, hätte der Richter das persönliche Erscheinen anordnen oder zumindest die Konsequenzen aufzeigen müssen, die er aus dem Fernbleiben von der mündlichen Verhandlung zu ziehen beabsichtigte. Der Hinweis, das persönliche Erscheinen sei ratsam, genügt nicht.
3. Da die Annahme vGA durch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht gedeckt ist, beruht das Urteil auf einem Mangel in der Urteilsfindung und war wegen fehlerhafter Anwendung sachlichen Rechts aufzuheben (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 IX R 92/89, BFH/NV 1991, 390, m.w.N.). Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG wird zunächst zu ermitteln haben, ob sich die Beteiligten anlässlich der Schlussbesprechung tatsächlich verständigt haben. Da nach den Feststellungen des FG für das FA der Sachgebietsleiter der Amtsbetriebsprüfungsstelle und der Betriebsprüfer teilgenommen haben, hängt dies davon ab, ob die Amtsbetriebsprüfungsstelle ―wofür allerdings nach Aktenlage einiges spricht― auch für die Steuerfestsetzung zuständig war. Daneben wird ggf. im Wege des Zeugenbeweises zu klären sein, ob in der Schlussbesprechung eine Verständigung über den konkreten, eine vGA nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG rechtfertigenden Besteuerungssachverhalt erzielt wurde.
Sofern eine tatsächliche Verständigung nicht nachweisbar ist, wird zu prüfen sein, worauf die in der Betriebsprüfung festgestellten Kalkulationsdifferenzen zurückzuführen sind und ob diese den Schluss zulassen, die GmbH habe zusätzliche, bislang nicht erklärte Betriebseinnahmen in der vom FA angesetzten Höhe erzielt.
Ist der Schluss auf zusätzliche Betriebseinnahmen der GmbH gerechtfertigt, ist es Sache des Klägers und seines Sohnes darzulegen, wie dieser Teil des Betriebsvermögens der GmbH verwendet worden ist.
Zwar trägt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer vGA grundsätzlich das FA (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil in BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569, unter 2. am Ende; BFH-Beschluss vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179, m.w.N.). Das gilt auch hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung etwaiger eine vGA auslösender Vorgänge (BFH-Urteil vom 26. Februar 2003 I R 52/02, BFH/NV 2003, 1221).
Die Gesellschafter sind aber nach § 90 AO 1977 verpflichtet, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und die in ihrer Sphäre und ihrem Wissen liegenden Umstände offen zu legen. Ob nicht verbuchte Einnahmen betrieblich verwendet oder den Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugeflossen sind, können nur der Kläger und/oder sein Sohn nachweisen. Verweigern sie ihre Mitwirkung oder ist der Verbleib nicht gebuchter Betriebseinnahmen unaufklärbar, geht dies zu ihren Lasten. Denn die Nichterfüllung der ihnen nach § 90 AO 1977 auferlegten Pflichten zur Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts führt für das FA zu einer Reduzierung des Beweismaßes hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen einer vGA (vgl. BFH-Urteile vom 15. Februar 1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, unter III.A.2.d bb, und vom 9. Juli 2003 I R 48/02, BFHE 203, 71, BStBl II 2004, 425, unter II.5. am Ende). Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass der zusätzliche Gewinn an die Gesellschafter entsprechend ihrer Beteiligungsquote ausgekehrt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 1266987 |
BFH/NV 2005, 126 |
BStBl II 2005, 160 |
BFHE 2005, 549 |
BFHE 207, 549 |
BB 2004, 2798 |
BB 2005, 84 |
DB 2005, 87 |
DB 2007, 28 |
DB 2007, 6 |
DStRE 2005, 10 |
DStZ 2005, 4 |
DStZ 2005, 41 |
HFR 2005, 132 |