Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat tritt der Rechtsauffassung des I. Senats des Bundesfinanzhofs in dem Urteil I 71/51 S vom 7. August 1951 (Slg. Bd. 55 S. 439 = BStBl. 1951 III S. 176) bei, daß Zuschüsse zur Förderung des Wohnungsbaus im Sinne des § 7 c EStG, die Kapitalgesellschaften an Gesellschafter gewähren, bei den Zuschußempfängern verdeckte Gewinnausschüttungen bilden können.
Normenkette
EStG § 7c; StAnpG § 3 Abs. 2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist zu 2/3, seine Ehefrau und sein Sohn zu je 2/6 am Stammkapital der GmbH beteiligt. Die GmbH gewährte ihm im Dezember 1949 ein unverzinsliches Darlehen von 15.000 DM und außerdem einen Baukostenzuschuß in Höhe von 5.280 DM. Mit Rücksicht auf das Urteil des Bundesfinanzhofs I 71/51 S vom 7. August 1951 (Slg. Bd. 55 S. 439 = Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 176) ist der Zuschuß durch Vertrag vom 18. Oktober 1951 in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt worden.
Das Finanzamt hat den Zuschuß bei dem Bf. als verdeckte Gewinnausschüttung zur Einkommensteuer herangezogen. Hiergegen hat der Bf. eingewendet, daß das Urteil vom 7. August 1951 rechtsirrig sei. Der Zuschuß sei gemäß § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine echte Betriebsausgabe. Eine vom Gesetz anerkannte Betriebsausgabe könne nicht gleichzeitig eine Gewinnausschüttung darstellen. Das Finanzamt habe zu Unrecht die steuerliche Wirkung des Vertrages vom 18. Oktober 1951 verneint. Wenn die Beteiligten sich entschlossen hätten, dem Vertrag rückwirkend Kraft beizulegen, so sei dies nur aus dem zwingenden Grund geschehen, der Entscheidung vom 7. August 1951 Rechnung zu tragen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht hat ausgeführt, daß das Problem der verdeckten Gewinnausschüttung trotz des Urteils vom 7. August 1951 und des Urteils I 3/52 U vom 11. März 1952 (BStBl. 1952 III S. 119) im Schrifttum umstritten sei. Es hat auf Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., Anm. 6 zu § 7 c verwiesen. Hier werde ausgeführt, daß § 7 c die Frage der Abzugsfähigkeit der Zuschüsse nur beim Geber regele. Nur für ihn gelte, daß die Gewährung eines Zuschusses als Betriebsausgabe anzusehen sei. Auch Grass-Böttcher, § 7 c - Handbuch, erhebe im Abschn. XII G gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs keine grundsätzlichen Einwendungen. Wenn dort vermißt werde, daß sich der Bundesfinanzhof nicht mit dem Zusammenhang von § 7 c EStG und § 11 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) befaßt habe, so beruhe dies offensichtlich darauf, daß die steuerliche Behandlung der Abschreibung nicht streitig gewesen ist. Die Einwendungen von Freiherrn von Scheurl (Der Betriebs-Berater 1951 S. 835) gäben dem § 11 Abs. 2 EStDV eine Bedeutung, die er nicht habe.
Der Auffassung von Blümich-Falk folgend hat das Finanzgericht ausgeführt, daß die Stellung des § 7 c im Rahmen der sogenannten 7 er Gruppe keinen eindeutigen Schluß darauf zulasse, daß es sich bei den Darlehen und Zuschüssen des § 7 c um echte Betriebsausgaben handele. Die Vorschrift sei eine den Wohnungsbau "um jeden Preis" begünstigende Sondervorschrift, wie der Bundesfinanzhof in dem Urteil IV 329/51 S vom 6. März 1952, BStBl. III S. 114, eingehend ausgeführt habe. Die Vorschrift mache es notwendig, daß ggf. eigenartige Ergebnisse, die auf den ersten Blick systemwidrig erschienen, in Kauf genommen werden müssen.
Das Finanzgericht hat es abgelehnt, dem Vertrag vom 18. Oktober 1951 rückwirkend Kraft beizulegen. Hätte die Gesellschaft einem Fremden oder einem Arbeitnehmer einen Zuschuß eingeräumt, so würden sich diese gegen eine Umwandlung des Zuschusses in ein zinsloses Darlehen mit Recht gewehrt haben. Die Umwandlung in ein Darlehen bedeute nicht eine anderweitige rechtliche Würdigung, sondern stelle eine sachliche änderung dar, deren Rückwirkung steuerlich nicht anerkannt werden könne.
Der Vertreter des Steuerpflichtigen hat im Rechtsbeschwerdeverfahren an seinen bisherigen Ausführungen festgehalten. Zum Nachweis ihrer Richtigkeit hat er sich u. a. auf die Aufsätze von Peter in "Neue Wirtschaftsbriefe", Fach 2 S. 195 ff., von Falkenroth und von Siara im Betriebs-Berater 1952 S. 138 und 913 sowie auf die Ausführungen von Scheurl im Betriebs-Berater 1951 S. 835 berufen. Er hat bestritten, daß eine steuerliche Auswirkung der Umwandlung vorliege, weil im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Veranlagungen des Bf. und der GmbH noch nicht rechtskräftig gewesen seien.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist unbegründet.
Wie die Vorbehörde zutreffend ausgeführt hat, können nach den Urteilen des 1. Senats vom 7. August 1951 und vom 11. März 1952 Zuschüsse zur Förderung des Wohnungsbaus im Sinne des § 7 c EStG, die Kapitalgesellschaften Gesellschaftern gewähren, bei den Zuschußempfängern kapitalertragsteuerpflichtige verdeckte Gewinnausschüttungen bilden. Die im Schrifttum hiergegen geltend gemachten Bedenken haben den I. Senat nicht abgehalten, diese Rechtsauffassung in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil I 70/ 53 U vom 11. August 1953 erneut zu bestätigen. Der Senat hat hierzu ausgeführt, daß die Baukostenzuschüsse nach § 7 c EStG 1950 bei der Gesellschaft Betriebsausgaben, bei den Empfängern einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge darstellen. Diese verschiedenartige Betrachtungsweise sei in der Systematik des Gesetzes begründet.
Dieser Auffassung tritt der erkennende Senat bei. § 7 c EStG hat die steuerliche Behandlung der Zuschüsse lediglich beim Geber behandelt. In der Vorschrift ist bestimmt, daß Zuschüsse und unverzinsliche Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus ohne Rücksicht auf ihre Eigenschaft "als Betriebsausgaben oder Werbungskosten" zu behandeln sind. Der Gesetzgeber konnte sie nicht zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten machen; er konnte nur anordnen, daß sie ebenso wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu behandeln seien. Hieraus ergibt sich zwangsläufig, daß sie beim Geber abzusetzen sind. Hieraus folgt aber nicht, daß sie auch beim Nehmer in entsprechender Weise zu behandeln sind. Siehe hierzu Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., Anm. 6 zu § 7 c, sowie Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 3. Aufl. Anm. 7 zu § 7 c.
Die im Schrifttum vertretene gegenteilige Auffassung übersieht, daß die gesetzliche Regelung nur beim Geber von Zuschüssen und unverzinslichen Darlehen gilt. Die Vorschrift des § 11 Abs. 2 EStG spricht nicht gegen die vom Bundesfinanzhof dem § 7 c gegebene Auslegung. Fraglich könnte lediglich sein, ob es nicht Aufgabe des Verordnungsgebers gewesen wäre, für solche Fälle eine Ausnahme zu machen, in denen die Zuschüsse beim Empfänger einkommensteuerpflichtig sind. Dem haben die Einkommensteuer-Richtlinien 1950 und 1951 im Verwaltungswege Rechnung getragen, indem sie die Verwaltungsbehörden anwiesen, auf Fälle dieser Art die Bestimmung des § 11 Abs. 2 EStDV nicht anzuwenden.
Es ist richtig, daß nicht jeder Zuschuß gemäß § 7 c, den eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter gibt, eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen muß. Wenn dies die Vorbehörde im Streitfalle bejaht hat, so ist dies unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalles nicht zu beanstanden. Das Ergebnis der Vorentscheidung wird auch nicht dadurch berührt, daß - nach dem Vortrag des Bf. - für die Gewährung des Zuschusses nicht "allein" das persönliche Interesse des Bf. entscheidend war. Wenn die Gesellschaft bestrebt war, ihren Betrieb in einem Neubau unterzubringen, so war es nicht notwendig, dem Bf. eine Wohnung in dem gleichen Hause zu verschaffen. Jedenfalls sind betriebliche Gründe hierfür weder geltend gemacht, noch aus den Akten ersichtlich.
Die abweichende Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf in seinem Urteil vom 5. August 1953 (Deutsche Steuerzeitung / Eildienst 1953 Nr. 33 S. 416) ist durch die vorstehenden Ausführungen widerlegt und daher abzulehnen.
Die GmbH hatte dem Bf. den Zuschuß im Jahre 1949 gewährt. Erst im Herbst 1951 und unter dem Eindruck der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wurde dieser Zuschuß durch den Vertrag in ein unverzinsliches Darlehen umgewandelt. Der Auffassung der Vorbehörden, daß diese Vereinbarung ohne steuerliche Wirkung für das Jahr 1949 bleiben muß, wird beigetreten.
Mit der Frage der Rückgängigmachung von Geschäftsvorfällen hat sich die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs wiederholt beschäftigt. Siehe die Urteile VI A 829/29 vom 17. Juli 1930 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1930 S. 633), VI A 604/30 vom 25. Februar 1931 (RStBl. 1931 S. 526), I A 21/32 vom 5. Februar 1935 (RStBl. 1935 S. 745) sowie die Ausführungen hierzu von Böttcher in Steuer und Wirtschaft 1931, Spalte 643 bis 662.
Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Handelt es sich um eine nachträgliche, noch in der Tatsacheninstanz vorgenommene Bilanzänderung im eigentlichen Sinne, so kann diese für zulässig erklärt werden. Handelt es sich jedoch nicht um eine Bilanzänderung in dem Sinne, daß von mehreren steuerlich und handelsrechtlich zulässigen Bewertungen die eine gewählt wurde und nachträglich das Wahlrecht der Steuerpflichtigen in einer anderen Richtung ausgeübt wird, sondern geht es vielmehr darum, ob es den Steuerpflichtigen noch erlaubt sein kann, einen von ihrem Willen abhängigen Betriebsvorgang unter bestimmten Umständen mit Wirkung ex tunc rückgängig zu machen d. h. von vornherein als nicht geschehen zu behandeln, so ist ein solches Vorgehen grundsätzlich abzulehnen.
Eine Ausnahme hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs nur dann zugelassen, wenn der Zusammenhang der Maßnahme mit einem Irrtum über die steuerliche Auswirkung klar nachgewiesen ist. Schiebungen nicht in Frage kommen können und wenn die Maßnahme sich nicht anderweitig bereits steuerlich ausgewirkt hat. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung hat es das Urteil vom 25. Februar 1931 abgelehnt, die Ausschüttung eines Gewinnanteils einer GmbH, der in einem späteren Geschäftsjahr zurückgezahlt wurde, bei dem Empfänger von der Einkommensteuer freizustellen.
Dieser Rechtsprechung tritt der erkennende Senat bei. Die Gewährung des Zuschusses ist bei dem Bf. eine einkommensteuerpflichtige Gewinnausschüttung. Sie ist dem Bf. im Jahre 1949 zugeflossen. Der Vertrag vom 18. Oktober 1951 kann die Tatsache des Zufließens an den Bf. und die dadurch ausgelöste Steuerpflicht nicht ungeschehen machen. Die in dem Vertrag vom 18. Oktober 1951 vereinbarte Umwandlung kann daher nur die Bedeutung eines Rückflusses des Zuschusses unter gleichzeitiger Hingabe eines Darlehens haben. Vergleiche Einkommensteuer-Richtlinien 1951 Abschn. 74 a Abs. 2 sowie Grass-Böttcher, a. a. O. Abschn. III J 2.
Ob oder wann sich ein Zuschuß steuerlich auswirkt, bestimmt das Gesetz. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Veranlagungen des Bf. und der GmbH im Zeitpunkt der Umwandlung noch nicht rechtskräftig waren. Aus dem gleichen Grunde geht auch die Berufung des Bf. auf die Ausführungen von Peter in "Neue Wirtschaftsbriefe" fehl. Vgl. auch § 3 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 407784 |
BStBl III 1953, 359 |
BFHE 1954, 176 |
BFHE 58, 176 |